Protest vorm Jobcenter

Der Andrang vor dem Jobcenter Friedrichshain/Kreuzberg war am Donnerstagvormittag groß. Viele Menschen warteten auf einen Termin. Plötzlich holte am Eingang eine Frau ein Megafon aus der Tasche und hielt eine kurze Rede. Darin teilte Christa T. mit, dass sie Ende Dezember 2013 eine 100-prozentige Sanktion erhalten hat , weil sie es abgelehnt hatte, sich auf Jobs zu bewerben, die sie nicht annehmen wollte. Weil sie seit 1. Januar kein Geld vom Jobcenter bekommt, hat sie die Möglichkeit Lebensmittelgutscheine abzuholen, mit denen sie in ausgewählten Läden Dinge des täglichen Bedarfs erwerben kann. Auf der kleinen Kundgebung begründete Christa T., warum sie eine Beantragung der Lebensgutscheine ablehnt. »Ich fordere das mir zustehende Geld. Die Lebensmittelgutscheine sind kein angemessener Ersatz.« Eine kleine Gruppe von Zuhörern hatte sich schnell um Christa T. versammelt. Darunter waren auch einige Person ihres Vertrauens, die sie anschließend ins Jobcenter begleiteten, wo T. die verlesene Erklärung schriftlich abgab.Wachdienst und Polizei hatten ihr bereits zu Beginn klar gemacht,dass sie die Kundgebung nur vor dem Eingang zulassen und sofort einschreiten würden, wenn sie sie auch im Jobcenter fortsetzt.

Während viele Passanten schweigend vorbeigingen, begrüßten einige Zuhörer die Aktion. »Hier sind so viele Menschen, die dringend einen Termin brauchen, weil ihnen das Geld gekürzt wird oder anderweitige Sanktionen angedroht wurden. Es wäre doch sinnvoll, wenn die überlegen, wie man sich zusammen wehren kann«, meinte eine Frau. Christa T. Will auch in Zukunft mit Aktionen und Kundgebungen vor dem Jobcenter demonstrieren. So will sie damit auch dazu ermuntern, dass Erwerbslose Beistände ihrer Wahl zu dem Termin mitbringen, was für sie eine Stärkung ihrer Position darstellt. »Erst in der letzten Woche hat ein Erwerbsloser im Jobcenter Wedding mit einem Messer gedroht, als er von drei Wachleuten aus dem Gebäude gebracht werden sollte. Es wäre sinnvoller gewesen, er hätte Beistände statt eines Messer dabei gehabt«, meinte Christa T.

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Peter Nowak

Der Druck steigt

Es ist selten geworden, dass studentische Vollversammlungen (VV) bis auf den letzten Platz besetzt und die Menge auch nach zwei Stunden nicht kleiner geworden ist. Doch in den letzten Wochen gab es mehrere solcher VV an der Freien Universität (FU) Berlin. »Der Druck steigt«, diese Parole auf einem Transparent trifft die Stimmung vieler Kommilitonen gut. Es ist der Druck durch immer höhere Leistungsanforderungen, der mit der Angst gekoppelt ist, das Arbeitspensum nicht zu schaffen – und von der Universität zu fliegen. Denn nach einer neuen Prüfungsordnung, die an der FU zum Wintersemester in Kraft treten soll und Grund für die Proteststimmung ist, sollen nur noch drei Prüfungswiederholungen möglich sein. Wer die nicht besteht, wird exmatrikuliert und hat an keiner Hochschule in Deutschland mehr die Möglichkeit, weiter zu studieren. Studierende, die mit den Leistungspunkten in Verzug sind, sollen sich in sogenannten Leistungsvereinbarungen zu »Maßnahmen zur Erreichung des Studienstils« verpflichten. Zudem soll die Anwesenheitspflicht wieder eingeführt werden, die beim letzten großen Bildungsstreik Gegenstand starken studentischen Widerstands war und daher wieder zurückgezogen wurde.

Weil es in letzter Zeit kaum Proteste gab, schien für die Hochschulleitung die Zeit günstig, mit der Prüfungsordnung den Leistungsdruck massiv zu erhöhen und studentische Rechte einzuschränken. Im nächsten Semester wird sich zeigen, ob auch der studentische Druck gegen die neue Prüfungsordnung noch wächst. Was in den letzten Wochen an Widerstand aufgeflackert ist, war ein guter Anfang. Um aber die neue Prüfungsordnung zu verhindern, müsste an die Bildungsstreiks der letzten Jahre angeknüpft werden.
http://www.neues-deutschland.de/artikel/231766.der-druck-steigt.html
Peter Nowak