Lafontaine als Notretter?

Der Streit in der Linken ist durch die Notkonferenz entschärft, aber nicht beendet

„Die Partei ist in einer schwierigen Situation“, so lautet der erste Ersatz einer Erklärung des geschäftsführenden Vorstands der Linken, die sich am 20.April außerplanmäßig zu einer Krisensitzung in Berlin getroffen hat.

 Der Grund war die Verschärfung des internen Streits, der sich seit den schlechten Wahlergebnissen der Linken bei den Landtagswahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz ausgeweitet. Sogar Mitglieder des Bundesvorstands beteiligten sich daran.
Der Höhepunkt war die Rücktrittsforderung an den dem Realoflügel der Partei angehörenden Schatzmeister Raju Sharma durch zwei Vorstandsmitglieder vom linken Flügel. Zuvor hatte Sharma dem Vorsitzenden Klaus Ernst empfohlen, das Maul zu halten, nachdem der auf einer Rede in Hamburg ein Ende der Personaldebatte gefordert hatte. Dabei haben Sharma und Ernst zumindest eines gemeinsam: Beide sind von der SPD enttäuschte Sozialdemokraten.
 
Daher sind auch die Zuschreibungen zumindest verkürzt, die jetzt über den Linkenstreit wieder im Schwange sind. Es handelt sich weder um einen Ost- Weststreit noch in seiner Gesamtheit um einen Kampf Parteilinke versus Parteirechte. Das zeigt sich schon daran, dass der in der innerpolitischen Debatte am linken Flügel verortete Ernst in seinem bayerischen Landesverband gerade von der Parteilinken heftig angefeindet wird, die sogar die Wahl des Landesvorstands von der Schiedskommission erfolgreich angefochten hat.
 
Grundsätzlicher Richtungsstreit

Es geht bei dem Streit eher um die Rolle, die eine künftige Linke künftig in der politischen Arena spielen soll. Soll sie Teil eines irgendwie sozialökologischen Bündnisses gemeinsam mit SPD und Grünen werden – oder einen eigenständigen Kurs in der Distanz zu allen anderen Parteien gehen? Für erste Rolle treten aus unterschiedlichen Gründen Politiker aus der ehemaligen PDS in Ost und West ein. Die zweite Variante wird ebenfalls von einer sehr gemischten Runde vertreten, darunter von Politikern, die erst vor einigen Jahren aus der SPD ausgetreten sind und daher die Distanz wahren wollen.
 
Dem Duo des Bundesvorstands wird nun vorgehalten, zu schwach zu sein, die erste Variante innerparteilich durchzusetzen. Dabei wird Gesine Lötzsch auch ihr Diskussionsbeitrag zum Thema „Wege zum Kommunismus“ vorgehalten, wobei oft nicht erwähnt wird, dass Lötzsch dem Kommunismus dort eine Absage erteilt hat. Verschärft wird die Auseinandersetzung von vielen Medien, die in der Debatte Partei ergreifen, für den Flügel, der in der Kooperation mit SPD und Grüne für die Partei eine Zukunft sieht. So kam der heute funktionslose langjährige PDS-Funktionär Andre Brie und erklärte Realos in einem Interview mit dem Deutschlandfunk ausgiebig zu Wort.
 
Vergleich mit der Debatte bei den Grünen

 Eine ähnliche Frontstellung gab es ab Mitte der 80er Jahre im innergrünen Streit, wo auch wesentliche Medien, FR und Taz in vorderster Linie, die als Fundamentalisten verschrienen Parteilinken offen bekämpften und dabei die sogenannten Realisten, kurz Realos, ausgiebig zu Wort kommen ließen.
 
So dürfte die aktuelle Vorstandstagung den Streit innerhalb der Linken etwas entschärfen, aber nicht beenden. Die Medien werden bald den einen oder anderen Linkenpolitiker finden, der sich gegen den gewählten Vorstand positioniert und den Streit wieder anheizt, bis am Ende vielleicht Oskar Lafontaine als Notretter noch einmal den Parteivorstand übernimmt.

http://www.heise.de/tp/artikel/34/34599/1.html

Perer Nowak