Die Wahlen zum Nationalrat, wie das österreichische Parlament heißt, fanden bereits am 29. September statt – eine neue Regierung steht aber noch nicht fest. Das könnte sich nun ändern. Denn der österreichische Bundespräsident Van der Bellen hat den Chef der rechtskonservativen FPÖ, Herbert Kickl, mit der Regierungsbildung beauftragt. Der Chef der nach der Wahl stärksten Partei hatte dies seit Monaten gefordert. Eigentlich sollte dies verhindert werden. Doch die Gespräche für die angestrebte Dreierkoalition …
„Triumph des Kickls: Österreich vor radikalem Kurswechsel“ weiterlesenSchlagwort: Neos
Österreich vor Rechtskoalition?
Der Rechtsruck im Nachbarland
Rot-Schwarz „überlebt knapp“ oder „Blaues Auge für Koalition“ lauten die ersten Kommentare in der österreichischen Presse zur gestrigen Bundesratswahl in dem Land. Tatsächlich zeigen die Wahlergebnisse wie schnell eine „große Koalition“ um die absolute Mehrheit fürchten muss, wenn ein Großteil der Wähler den politischen Stillstand satt hat.
Allerdings würden alle denkbaren Koalitionsalternativen einen Rechtsruck bedeuten. Wenn führende Politiker der konservativen ÖVP nach der Wahl nun erklären, ein „Weiter so“ könne es nun nicht mehr geben, dann wollen sie damit der SPÖ Zugeständnisse abringen. Denn die Sozialdemokraten sind mit 27,1 Prozent stärkste Partei und können damit rechnen, dass sie ihr Parteifreund im Bundespräsidentenamt auch mit der Regierungsbildung beauftragt. Doch, weil es anders als in Deutschland eine rechte Mehrheit im Parlament gibt, bleibt ihre Manövrierfähigkeit begrenzt.
Als drittstärkste Partei hat sich mit der FPÖ die traditionelle Rechte etabliert. Die als Auffangbecken alter Nazis in Österreich gegründete Partei hat ihre Verbindung in die extreme Rechte nie gekappt. Zu einem europäischen Modell für viele Rechtsparteien wurde sie erst mit Jörg Haider an der Spitze. Der führte die Partei in die Regierung, was Österreich eine kurzzeitige europäische Isolierung und der Partei eine Spaltung bescherte. Der egomanische Haider überwarf sich mehr aus persönlichen denn aus politischen Gründen mit vielen seiner Parteifreunde und gründete die BZÖ, die seit Haiders Tod vergeblich versuchte sich als eine Light-Version der FPÖ zu präsentieren.
Mit 3,8 Prozent sind sie nicht mehr im Parlament vertreten. Das gute Abschneiden der FPÖ zeigt, dass es in Österreich Resonanz für eine Rechte gibt, die trotz aller kosmetischen Retuschen im völkischen Lager steht. Es zeigte sich hier auch wieder, dass es die Wählerbasis einer Rechtspartei, die mit Law and Order-Parolen auf Stimmenfang geht, nicht stört, wenn Politiker dieser Partei selber durch Korruption, Bestechung und Missachtung juristischer Urteile Schlagzeilen machen. Dabei hatten diese Umtriebe von FPÖ-Politikern aus der Haider-Ära erst nach deren Tod Schlagzeilen gemacht.
„Wenn die Arbeiter sich erheben, werden die Arbeiterführer gezielt abgeschossen“
Zur alten Rechten kann auch das Team Stronach gezählt werden. Der Unternehmer Frank Stronach, der in den letzten Wochen eine ultrarechte One-Men-Show abgibt, kritisierte an seiner FPÖ-Konkurrenz eigentlich nur, dass es sich dort um Berufspolitiker handele und dass man in der Wirtschaft noch zu staatsgläubig sei. Dafür lieferte Stronach im Interview schon mal Beispiele, wie er sich den Umgang mit aufmüpfigen Arbeitern nach der EU-Verfassung vorstellt:
Stronach: (…) Aber steht das nicht in der EU-Verfassung, das man bei Aufständen töten kann?
Nachbaur: Durch den Vertrag von Lissabon würde tatsächlich durch die Hintertür wieder ermöglicht, dass Staaten bei Aufruhr die Todesstrafe einsetzen dürfen. Und das kann man leider nicht ausschließen, wenn man weiter am Euro festhält und es möglicherweise zu einer großen Armut kommt, die zu sozialen Unruhen führen würde.
Stronach: Wenn die Arbeiter sich erheben, werden die Arbeiterführer gezielt abgeschossen.
Frage: Das glauben Sie wirklich? Von wem sollte das ausgehen?
Stronach: Wozu sonst sollte man dieses Gesetz denn brauchen?
Mit Volksabstimmungen Unternehmerinteressen durchsetzen
Mit den Neos ist eine Partei in das österreichische Parlament gewählt worden, die sich im Gegensatz zur FPÖ nicht völkisch, aber eindeutig wirtschaftsliberal versteht. Daher verwundert es nicht, dass sie sich nach ihren Einzug ins Parlament als „erfolgreiches Polit-Startup“ feiert. So schreibt ein Neos-Kandidat:
„Zudem hat jeder Mensch auch ein persönliches Umfeld, das politisch adressiert wird. Bei mir ist es das (Klein-)Unternehmertum, wo NEOS ein Spektrum an Forderungen vertritt, die von einer liberalen Partei erwartet werden dürfen: Fokus auf Start-Ups, Reduktion der Abgaben auf Arbeit, Ladenöffnungsrecht, Erleichterungen für EPU, Modernisierung des Gewerberechts, Abschaffen der Mindest-KÖSt. und Gesellschaftssteuer, Erleichterung von Mitarbeiterbeteiligungen usw.“
Um den Widerstand von Gewerkschaften und Interessengruppen gegen diese weitere Zurichtung der Gesellschaft auf Wirtschaftsinteresen abzubiegen, will die Partei mit den Instrumenten der Volksbefragungen operieren. Hier zeigt sich, wie recht der Soziologe Thomas Wagner mit seiner These haben kann, dass Volksbefragungen zunehmend genutzt werden, um Rechte von Beschäftigten und Subalternen auszuhöhlen.
Wenn Wagner kritisch anmerkt, dass sich hinter der Bürgerbeteiligung eine „plebiszitär abgesicherte Elitenherrschaft“ verberge, die die direkte Ansprache an die Bürger ohne Vermittlung durch Parlamente oder Gewerkschaften anstrebt, so könnte er damit auch das Startup-Projekt Neos vor Augen haben.
http://www.heise.de/tp/blogs/8/155052
Peter Nowak
Links
[1]
http://kurier.at/politik/inland/wahl2013/nationalratswahl-koalition-verliert-und-ueberlebt/28.895.985
[2]
http://diepresse.com/home/politik/nrwahl2013/1458601/Warnung-und-blaues-Auge-fuer-Regierung
[3]
http://www.salzburg.com/nachrichten/spezial/nationalratswahl-2013/sn/artikel/der-tag-nach-der-wahl-faymann-will-nur-mit-der-oevp-verhandeln-76311
[4]
http://www.oevp.at/Home.psp
[5]
http://spoe.at/
[6]
http://www.fpoe.at/aktuell/
[7]
http://www.bpb.de/politik/extremismus/rechtsextremismus/41202/die-fpoe
[8]
http://www.bzoe.at/
[9]
http://www.wienerzeitung.at/nachrichten/oesterreich/chronik/547899_Korruption-auf-Ersuchen-Haiders.html
[10]
http://www.teamstronach.at/de/
[11]
http://www.format.at/articles/1338/524/366598/wer-kinder-schulden
[12]
http://www.format.at/articles/1338/524/366598/wer-kinder-schulden
[13]
http://neos.eu/
[14]
http://neuwal.com/index.php/2013/09/03/pro-contra-neos-die-sicht-von-ausen/
[15]
http://www.heise.de/tp/blogs/8/155048