Die Welt am Abgrund

Bei der sogenannten Sicherheitskonferenz in München wurde deutlich: Die konkurrierenden kapitalistischen Blöcke steuern auf einen größeren Krieg zu

Eigentlich hatte der nur kommissarisch amtierende Bundesaußenminister Sigmar Gabriel[1] seinen Auftritt bei der sogenannten Münchner Sicherheitskonferenz schon abgesagt. Schließlich sollte er seinen Posten an Martin Schulz abgeben. Der musste allerdings auf Druck der Partei wenige Stunden nach der Ankündigung seines künftigen Postens wieder einen Rückzieher machen.

Damit ist aber noch längst nicht entschieden, ob Gabriel im Amt bleibt, selbst wenn die SPD-Basis das Bündnis mit der Union absegnet. Schließlich ist die innerparteiliche Konkurrenz groß. Aber nach München ist Gabriel doch noch gefahren und hat mit seiner Vision der Weltlage, die man sonst eher aus den Reihen der deutschen Friedensbewegung kannte, die ja vor allem in den 1980er Jahren die Apokalypse[2] beschworen hat, für Aufsehen gesorgt.

Auch Gabriel erklärte[3] in München, dass die Welt zu Beginn des Jahres 2018 am Abgrund stehe. Dabei verwies er auf den weiterhin ungelösten Ukrainekonflikt und die Gefahr, dass sich rund um Syrien die unterschiedlichen Machtblöcke auch militärisch in die Quere kommen.

Welche Rolle spielen die USA in Syrien?

Der Deutschlandfunk-Analyst Thilo Kößler gibt Gabriel in Bezug auf Syrien argumentative Unterstützung[4]:

Bis zu 200 russische Söldner sollen laut „New York Times“ bei einem Luftschlag der USA getötet worden sein. „Die Gemengelage in Syrien werde immer gefährlicher, sagte US-Korrespondent Thilo Kößler im Dlf. Er habe nicht den Eindruck, dass die US-Regierung sich des Gefahrenpotenzials bewusst sei.

Thilo Kößler im Gespräch mit Manfred Götzke, Deutschlandfunk[5]

Diese Einschätzung erinnert doch stark an die Debatte über die Ursachen des 1914 begonnenen großen Konflikts, der in der Geschichtswissenschaft – trotz begründeter Einwände aus den Ländern des globalen Südens – weiterhin als 1. Weltkrieg firmiert.

Vor dem 100. Jahrestag der Beendigung des Konflikts haben einige konservative Historiker die These aufgebracht, dass alle beteiligen Machthaber wie Strafwandler[6] in diesen Konflikt hineingeschlittert seien, sich damals also auch des Gefahrenpotentials nicht bewusst gewesen seien. Die These wurde vor allem in Deutschland positiv aufgenommen, wird doch vor allem die Verantwortung dieses Landes für den Ausbruch des Krieges damit relativiert.

Aber die Historiker haben natürlich die Wirtschaft, Militär und Politik der anderen beteiligten Länder ebenfalls entschuldigt. Nach ihrer Lesart gibt es keine ökonomischen und politischen Interessen, die zu Konflikten zwischen Machtblöcken treiben, die dann zu Kriegen führen. Daher machen sie sich auch gar nicht erst die Mühe, solche Interessen erkennen zu wollen. Das kann man sowohl Thilo Kößler als auch Sigmar Gabriel attestieren.

Die Nahost-Korrespondentin Karin Leukefeld[7] hingegen versucht sich an einer sehr einseitigen Einschätzung der Interessen in dem Konflikt, wenn sie konstatiert[8]: „Washington braucht Krieg in Syrien, um den Mittleren Osten ’neu zu ordnen‘.“

Wenn Leukefeld dann schreibt, dass die vom Westen ausgehende Teilung Syriens auf US-Konzepte eines „Neuen Mittleren Ostens“ zurückgehen, die seit den 1950er Jahren in verschiedenen Varianten aufgelegt wurden, läge doch die analytische Leistung gerade darin, die verschiedenen Varianten darzustellen und herauszuarbeiten, wie sie auf die Veränderungen der letzten Jahrzehnte reagieren.

Schließlich sind inzwischen die nominalsozialistischen Staaten zusammengebrochen, die „Islamische Revolution in Iran“ hat die Region eben so stark beeinflusst, wie die islamistischen Anschläge vom 11.9.2001 und die Entmachtung von Saddam Hussein im Irak, um nur einige Aspekte zu nennen. Stattdessen kommt dann folgende Behauptung, die Leukefeld nicht weiter begründet[9]:

Ziel ist, die arabischen Staaten zu zerbrechen, um eine geostrategische Kontrolle über die Region durchzusetzen. Israel, der wichtigste Bündnispartner des Westens in der Region, wird dafür in die EU-NATO-Strukturen eingebunden und militärisch gestärkt.

Karin Leukefeld[10]

Hier fällt vor allem auf, dass Leukefeld vorrangig die USA und Israel als Akteure nennt, die sie mit der Zerstörung arabischer Staaten in Verbindung bringt und denen sie vorwirft, damit den Konflikt voranzutreiben. Russland ist in dieser Lesart ein Akteur, der auf Wunsch der syrischen Regierung den Status Quo verteidigt.

Ausgeblendet wird, dass sich diese arabischen Staaten längst zu autoritären, teils despotischen Gewaltmaschinen entwickelt hatten, die Teile der Bevölkerung oft an Hand von ethnischen Kriterien unterdrückten und damit die Ursache für die Destabilisierung in der Region geschaffen haben. Nur so ist auch zu erklären, dass große Teile der syrischen Kurden heute zeitweise mit den USA verbunden sind.

Auch der Konflikt Saudi-Arabien-Iran ist eben nicht dadurch entstanden, dass die USA seit 1950 die arabischen Staaten zerstören will. Schließlich ist ja das arabische Königreich in diesem Fall Bündnispartner der USA gegen den nichtarabischen Iran. Allein hieran zeigt sich, wie unzureichend es ist, einfach auf jahrzehntealte US-Strategen zu verweisen.

Immerhin ist Leukefeld in ihrem Text nicht mehr auf die Ölinteressen rekurriert, die schließlich noch die deutsche Friedensbewegung der 1990er Jahre in der Parole „Kein Blut für Öl“[11] zusammengefasst haben.

Krieg und Kapitalismus

Nun ist klar, dass niemand eine Analyse der aktuellen Konflikte am Beispiel Syrien erstellen kann, die alle Aspekte und die beteiligten Akteure berücksichtigt. Schließlich ändern sich ja auch häufig politische Konstellationen und es kommen Details hinzu, die man bisher gar nicht übersehen konnte. Man braucht nur den Schlingerkurs der Türkei in den letzten Jahren im Syrienkonflikt dafür heranzuziehen.

Vor wenigen Jahren wollte das Erdogan-Regime mit dem Sturz von Assad die eigenen außenpolitischen Ambitionen ausweiten. Mit dem Eintritt Russlands in dem Konflikt sind diese Pläne grandios gescheitert und zeitweilig sah es so aus, als würden sich in Syrien das Nato-Mitglied Türkei und Russland bekämpfen. Da wurde schon diskutiert, ob in diesem Fall auch die Beistandsverpflichtung der Nato greift.

Nun hat sich die Türkei mit Russland arrangiert und versucht, ihre außenpolitischen Interessen mit denen des syrischen Regimes und Russlands abzugleichen. Das kann allerdings bald wieder scheitern. Jetzt sind es die USA und nicht mehr die Türkei, die wohl für den Tod russischer Staatsbürger verantwortlich sind[12]. Nur weil es wohl um eine Privatarmee und nicht um reguläre russische Soldaten handelt, hatte der Vorfall keine gravierenden Auswirkungen.

Russland tut sich sehr schwer, diese russische Präsenz in Syrien zu bestätigen. Das war auch in der Ukraine schon so, wo offiziell lange Zeit keine russischen Staatsbürger in dem Konflikt involviert waren. Wenn es außenpolitisch passt, werden aus diesen inoffiziellen Kombattanten dann schnell auch mal „Helden für das Vaterland“. Eine Kritik daran müsste sämtliche an dem Konflikt beteiligten Staaten und Akteure in den Blick nehmen und deutlich machen, dass es da nicht „die Guten und Bösen“ gibt, sondern konkurrierende Machtblöcke.

Vielmehr könnte am Syrienkonflikt deutlich gemacht werden, dass sich hier einmal mehr bestätigt, dass es in einer kapitalistischen Welt Kriege immer geben wird. Das hat seinen Grund nicht in erster Linie in bösen und guten Politikern, sondern darin, dass die einzelnen kapitalistischen Staaten und Staatenbünde ihre Interessen gegen ihre Konkurrenten in allen Formen austragen. Krieg war und ist dabei immer eine Option.

Daher war auch der in manchen Kreisen verbreitete Glaube, dass nach dem Ende der Ost-West-Konfrontation 1989 der allgemeine Frieden ausbricht, nur naiv und geschichtsvergessen. Recht behalten haben die schlaueren Analysten, die bereits vor mehr als 25 Jahren in der Zeitschrift Konkret und ähnlichen Publikationen eine Wiederkehr der Situation wie vor 1914 prognostizierten.

Die durch den Ost-West-Konflikt zeitweise stillgelegten Konflikte zwischen Ländern und Ländergruppen treiben wieder einem Krieg mit möglicherweise weltweiter Dimension zu. Syrien ist da nur das aktuelle Beispiel.

EU: Teil des Problems und nicht der Lösung

Was vielleicht auch die schlaueren Analysten überrascht haben mag, ist die Schnelligkeit, in der es Deutschland gelungen ist, als EU-Hegemon seine weltpolitischen Interessen zu formulieren. Auch dafür war Gabriels Rede[13] auf der Münchner Sicherheitskonferenz ein gutes Beispiel. Er hat die EU mit Vegetariern in einer Welt von Fleischessern bezeichnet, eine Metapher für eine Macht, die angeblich in Frieden mit allen leben will, aber die böse Welt lässt es nicht zu.

So stilisierte sich noch jede Macht als eigentlich den Frieden fördernd, während sie den Krieg vorbereitete. Dabei nannte Gabriel China ebenso als Antipode wie die USA unter Trump. Die Bezüge auf die historisch gewachsenen Beziehungen dürfen dabei nicht fehlen. Aber deutlich wird, dass die EU ebenso eine konkurrierende kapitalistische Macht ist.

Natürlich erwähnte Gabriel nicht, wie die EU und besonders Deutschland am Balkan und in der Ukraine die Krise vorangetrieben haben. Schließlich ging sie in beiden Fällen von der besonderen Förderung prodeutscher Kräfte aus, was den Konflikt anheizte.

Als besonderen sozialdemokratischen Akzent wollte Gabriel seine bei einem Treffen mit Russlands Außenminister gemachten Ankündigungen, die Sanktionen mit Russland schrittweise zu lockern, verstanden wissen. Das kommt dem Teil der deutschen Wirtschaft entgegen, der sich Profite vom Russlandgeschäft erhoffte.

Andere Kapitalkreise haben aber andere außenpolitische Interessen und markieren solche Ankündigung gleich als Einknicken gegen Russland. Besonders das grünennahe Spektrum ist da besonders laut.

Die USA schalten keine Anzeigen, sondern schicken Kanonenboote

Dort wird auch besonders bejubelt, dass in den USA jetzt 13 russische Firmen und Einzelpersonen wegen Beeinflussung der Wahlen in den USA angeklagt werden[14]. Geht man davon aus, dass die Vorwürfe stimmen, werden völlig gewöhnliche Aktionen wie das Schalten von Anzeigen oder das Posten von Meldungen zu einer Verschwörung gegen die USA hochstilisiert.

Wenn sich bisher die USA in den Wahlkampf oder den politischen Prozess eines Landes eingemischt haben, kamen ganz andere Töne. Erst kürzlich ermutige US-Außenminister Tillerson das venezolanische Militär zum Putsch gegen die dortige Maduro-Regierung. Tillerson hatte auch einen Katalog von Forderungen genannt, mit denen Maduro das Wohlwollen der USA gewinnen könnte.

Der US-Außenminister hat sich damit in die Tradition der US-Politik gegen andere amerikanische Länder gestellt, die als „Kanonenboot-Politik“ berüchtigt wurde. Da wurden keine Anzeigen geschaltet und keine Internetkommentare lanciert, sondern mit dem Kanonenboot gedroht oder es gleich geschickt.

Auch die deutsche Regierung liebt direktere Mittel, um Wahlentscheidungen in für sie wichtigen Regionen zu beeinflussen. Da zeigte ein Außenminister Westerwelle in der Ukraine, auf welcher Seite des politischen Spektrums er stand. Den griechischen Wählern wurde 2015 ganz klar gesagt, was passiert, wenn sie die damalige Linkspartei Syriza an die Regierung wählen und genau diese ökonomische Strangulierung wurde dann auch umgesetzt, bis Tsipras vor dem Diktat der EU-Troika kapitulierte.

Das Schauspiel der US-Anklagen wegen der russischen Wahleinmischung ist daher nur ein Teil des Konflikts miteinander konkurrierender kapitalistischer Zentren. Dazu gehört Russland wie der von Deutschland dominierte EU-Block genauso wie die USA. „Nach Osten“ lautete die Unterschrift unter einem Foto, das Bundeswehrsoldaten mit militärischem Gerät auf dem Weg nach Litauen zeigt.

Es ist ebenso ein Teil des Puzzles der gegenwärtigen Welt am Abgrund, die Gabriel in seiner Münchner Rede beschwor. Er und seine Politik sind aber wie die gesamte Konferenz Teil des Problems und nicht die Lösung.

Peter Nowak

https://www.heise.de/tp/features/Die-Welt-am-Abgrund-3972577.html
URL dieses Artikels:
http://www.heise.de/-3972577

Links in diesem Artikel:
[1] https://sigmar-gabriel.de
[2] http://www.bpb.de/apuz/59696/popularitaet-der-apokalypse-zur-nuklearangst-seit-1945?p=all
[3] https://www.auswaertiges-amt.de/de/newsroom/rede-muenchner-sicherheitskonferenz/1599848
[4] http://www.deutschlandfunk.de/russlands-rolle-in-syrien-usa-unterschaetzen.799.de.html?dram:article_id=411014
[5] http://www.deutschlandfunk.de/russlands-rolle-in-syrien-usa-unterschaetzen.799.de.html?dram:article_id=411014
[6] https://www.amazon.de/Die-Schlafwandler-Europa-Ersten-Weltkrieg/dp/3421043590
[7] https://leukefeld.net/
[8] https://www.jungewelt.de/artikel/327428.stabilisierung-%C3%A0-la-usa.html
[9] https://www.jungewelt.de/artikel/327428.stabilisierung-%C3%A0-la-usa.html
[10] https://www.jungewelt.de/artikel/327428.stabilisierung-%C3%A0-la-usa.html
[11] https://www.antimilitarismus-information.de/ausgaben/2003/4-03_2.pdf
[12] http://www.spiegel.de/politik/ausland/syrien-russlands-tote-soeldner-tote-zweiter-klasse-a-1193899.html
[13] https://www.auswaertiges-amt.de/de/newsroom/rede-muenchner-sicherheitskonferenz/1599848
[14] http://www.sueddeutsche.de/politik/russland-affaere-us-justiz-klagt-russen-wegen-wahl-einmischung-an-1.3871612

Militärische Option und Antiimperialismus

Prompt scheinen die alten Frontstellungen wieder zu funktionieren: Die deutsche Debatte über Libyen


Vor wenigen Tagen noch gab es eine fast einhellige Zustimmung zu den Aufständen in Nordafrika und im arabischen Raum. Viele sahen in dem Sturz der Diktatoren in Ägypten und Tunesien den Beginn einer allgemeinen Demokratisierung der islamischen Welt. Als auch in Libyen der Aufstand begann und sich schnell ausbreitete, war die Begeisterung besonders groß. Hatte doch gerade in dem Land niemand einen schnellen Regimewechsel erwartet. Nun können sich die Skeptiker bestätigt fühlen.
   

Denn es zeigte sich, dass das Gaddafi-Regime nicht nur militärische Mittel hat, um gegen die Opposition vorzugehen. Es hat auch außenpolitische Unterstützer, vor allem unter den Linksregierungen in Lateinamerika, die sich schon als Vermittler zwischen Gaddafi und den Aufständischen anbieten und vor einem Eingreifen der Nato in Libyen warnen (siehe Chavez will Gaddafi zu Hilfe eilen).

Damit wird aber aus dem Konflikt zwischen einer Diktatur und der Mehrheit der Bevölkerung ein Bürgerkrieg mit gleichwertigen Verhandlungspartnern und aus dem Unterdrückerstaat ein Regime, das die Souveränität und die Bodenschätze gegen einen Angriff der Nato oder der USA verteidigt. Schon Ende Februar warnte der kubanische Elder Statesman Fidel Castro in seinen Reflexionen vor einem Zugriff der Nato auf das libysche Öl.

 

Kein Blut für Öl?

Dieser Perspektivenwechsel hat auch Auswirkungen auf die Debatte bei der Linken in Deutschland. Prompt scheinen die alten Frontstellungen wieder zu funktionieren. Der Bundestagsabgeordnete der Linken Wolfgang Gehrcke hat sogar eine Parole der Anti-Golfkriegsbewegung von vor 20 Jahren wieder entmottet. „Kein Krieg für Öl – das gilt auch heute noch“, schreibt er in einer Erklärung und warnt vor einem neuen Kriegsszenario wie im Irak.

Eine Woche zuvor hatten Gehrckes Erklärungen noch eine andere Stoßrichtung. „Die Gewalt in Libyen muss sofort beendet werden. Die internationale Öffentlichkeit muss eine Chance haben, sich über die tatsächlichen Zustände im Land authentisch zu informieren“, hieß es noch in seiner Erklärung vom 21. Februar 2011. Da war viel über die Zusammenarbeit zwischen den EU-Staaten und dem libyschen Regime vor allem bei der Flüchtlingsabwehr die Rede, eine Warnung vor einer militärischen Lösung fehlte damals noch, was von Teilen der Basis der Linken kritisch registriert worden war.

Vor allem in der Tageszeitung junge Welt, das Flaggschiff der „Antiimperialisten“ in und außerhalb der Linkspartei, hat sich in der letzten Woche die Libyen-Berichterstattung zunehmend auf die Frage einer Militärintervention. fokussiert. So schreibt der Chef-Kommentator Werner Pirker:
——————————————————————————–
 Bei einem westlichen Eingreifen aber geriete die Herrschaft Gaddafis umgehend in die Rolle eines nationalen Widerstandszentrums, dem sich auch Teile des Anti-Gaddafi-Lagers anschließen könnten.
Sara Flounders von der US-Antikriegsinitiative International Action Center, die vor einer Dämonisierung Gaddafis warnt, erinnert wieder an angebliche Verdienste von Gaddafi erinnert:
——————————————————————————–
 Über viele Jahre war Gaddafi Verbündeter von Ländern und Bewegungen, die den Imperialismus bekämpften. Als er in einem Militärputsch 1969 die Macht übernahm, nationalisierte er das libysche Öl und investierte einen Großteil des Geldes in die Entwicklung der libyschen Wirtschaft. Die Lebensbedingungen der Menschen verbesserten sich dramatisch. Deshalb waren die Imperialisten entschlossen, Libyen zu zermürben.
Damit wird unkritisch an eine Zeit angeknüpft, wo das Libyen unter Gaddafi als Bündnispartner von Linken aus verschiedenen Ländern galt. Noch in den frühen 1990er Jahren besuchten parteiungebundene Linke aus Ost- und Westdeutschland Libyen. Sie waren von einer staatlichen Organisation eingeladen worden, die das Grüne Buch Gaddafis und die dort vertretene Ideologie als dritten Weg zwischen Kapitalismus und Sozialismus propagierte (siehe Gaddafis Evangelium). Der Diskurs um Libyen erinnert an ähnliche Debatten, als im letzten Jahr das islamische Regime im Iran und vor 10 Jahren der Irak unter Saddam Hussein von manchen antiimperialistischen Gruppen verteidigt wurde.

Wo beginnt der Angriff?

In einer Stellungnahe des Bundesgeschäftsführers der Linken Werner Dreibus wird für humanitäre Hilfe geworben, aber jede militärische Intervention abgelehnt. Dazu werden ausdrücklich auch Flugverbotszonen für das Gaddafi-Regime gezählt, die von Teilen der libyschen Opposition gefordert werden. Der Einsatz von Bodentruppen hingegen wird von der libyschen Opposition abgelehnt.

Unter dem Motto „Flugverbotszone jetzt“ wird in der Zeit für diese Maßnahme geworben. Auch der Begründer der Grünhelme Rupert Neudeck sieht darin ein geeignetes Mittel, um die Bevölkerung in Libyen vor der Repression des Regimes zu schützen, kann sich im Notfall auch eine begrenzte militärische Bombardierung von Militäranlagen vorstellen. Neudeck, der auch den Jugoslawien-Krieg aus humanitären Gründen befürwortete, ist mit dieser Position allerdings auch in zivilgesellschaftlichen Kreisen umstritten.

Sehr bedeckt halten sich die Grünen in der Frage von militärischen Maßnahmen gegen Libyen. „Die Wirksamkeit einer Flugverbotszone ist umstritten, und ein militärisches Eingreifen wird von vielen Regimegegnern selbst abgelehnt“, heißt in einer Erklärung der Bundestagsfraktion, in der eine eigene Positionierung zu dieser Frage nicht erkennbar ist.

Zivile Maßnahmen

Es gibt auch unter Politikern und Militärs in Deutschland viele Warnungen vor einem militärischen Eingreifen in Libyen. Der Politikberater Walther Stützle warnt ausdrücklich davor und hält auch die Einrichtung von Flugverbotszonen für nicht praktikabel.
——————————————————————————–
 Das Einzige, womit man im Moment wirklich wirksam helfen könnte und müsste und erstaunlicherweise nicht tut von Seiten der Europäischen Union, die dafür die Möglichkeiten haben, wäre die der Flüchtlingsströme aufzunehmen und zwar vor Ort, nicht nach Europa zu lenken, sondern vor Ort zu sein mit Hilfsorganisationen.
Die Flüchtlingsorganisation Pro Asyl hingegen appelliert daran, der aktuellen humanitären Krise durch die stärkere Aufnahme dieser Menschen in Europa zu begegnen Proasyl erinnert auch an die Rolle des von manchen schon wieder zum standhaften Antiimperialisten verklärten Gaddafi bei der Flüchtlingsabwehr in der EU.

http://www.heise.de/tp/r4/artikel/34/34297/1.html

Peter Nowak