Initiative für afrikanische Geflüchtete aus der Ukraine soll Räume verlieren

Notfalls besetzen

Gemeinsam mit Unterstützer*innen und etwa 25 afrikanischen Studierenden, die aus der Ukraine geflohen sind, lud das Netzwerk am Mittwochnachmittag deshalb zu einem Runden Tisch ein. Zahlreiche weitere Initiativen bekundeten ihre Solidarität mit dem antirassistischen Netzwerk, unter anderem das Mietenwahnsinn-Bündnis, zu dem sich zahlreiche Berliner Mieter*innen zusammengeschlossen haben. Auch Anwohner*innen und Nutzer*innen des Dragoner-Areals waren gekommen. Sie alle einte die Forderung, die Uwe von der Initiative »Wem gehört Kreuzberg?« so zusammenfasst: »Wir fordern von der BIM und dem Berliner Senat eine dauerhafte Bleibemöglichkeit für das Tubman-Network« – als schriftliche Zusicherung.

»Harriet Tubman 1820–1913, Freiheitskämpferin« steht auf einem Schild am Eingang der ehemaligen Adlerhalle am Dragoner-Areal in Kreuzberg. Es wurde am Mittwochnachmittag von Aktivist*innen angebracht. »Wir wollen uns damit mit dem Tubman-Network solidarisieren, das die Räume hier zum Monatsende verlieren könnte«, sagt ein Anwohner des Dragoner-Areals. Das Tubman-Network ist ein Berliner Zusammenschluss von Schwarzen Organisationen und Einzelpersonen. Benannt ist es nach der afroamerikanischen Fluchthelferin Harriet Tubman, die im 19. Jahrhundert mehr als 300 versklavten Menschen aus den Südstaaten der USA zur Freiheit verhalf. Seit Juli dieses Jahres nutzte das Netzwerk die Adlerhalle am Dragoner-Areal als Anlaufstelle für Menschen aus Afrika, die aus unterschiedlichen Gründen …

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Rollentausch am Dragonerareal

Studierende spielen die Akteure am wichtigen Stadtentwicklungsprojekt nach

Auf den ersten Blick schien es, als hätten sich am Sonntagnachmittag auf dem Dragonerareal in Kreuzberg potenzielle Interessenten von Eigentumswohnungen eingefunden. Eine junge Frau schwärmte in der Diktion einer Maklerin von den »600 bis 700 Wohnungen auf historischem Boden«, die dort entstehen sollten. Doch die Reaktionen der rund 40 Zuhörerinnen und Zuhörer, die lachten und applaudierten, zeigten, dass es sich um etwas anderes als eine Verkaufsveranstaltung handeln müsse.
Die junge Frau ist Architekturstudentin an der Technischen Universität Berlin und hat dort ein Seminar des Chair for Urban Design besucht. In diesem Rahmen hatten sich Studierende gemeinsam mit der Dozentin Katharina Hagg im vergangenen Semester unter dem Titel »Jargon der Stadt« mit der Frage beschäftigt: »Wer spricht wie über das Dragonerareal?« Am Sonntag stellten die jungen Akademikerinnen und Akademiker ihre Ergebnisse vor Ort vor. Eingeladen hatte sie die Initiative »Stadt von unten«, deren jahrelangen Aktivitäten es zu verdanken ist, dass auf dem Dragonerareal keine hochpreisigen Eigentumswohnungen entstehen.

Mit verteilten Rollen trugen die Studierenden vor, wie sich welche Akteure zum Dragonerareal äußern. Investoren und Makler war eine der Gruppen, die auf diese Weise zu Wort kamen. Auch die Polizei erhielt eine Stimme, ebenso wie die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA), die bundeseigene Grundstücksverwertungsgesellschaft. Ziel war es, die Beziehung zwischen Individuum, Gruppe und Raum sichtbar zu machen und dadurch die eigenen Einflussmöglichkeiten zu erkennen.

Im März 2015 hatte die BImA das Gelände an Mehringdamm und Obentrautstraße für 36 Millionen Euro an den Wiener Investor Dragonerhöfe GmbH verkauft. Vor allem auf öffentlichen Druck hin wurde dann die Rückabwicklung des Verkaufs angepeilt. Der 36-Millionen-Euro-Deal ist bisher aber noch nicht rückabgewickelt worden. Im Zuge des im Mai dieses Jahres unterzeichneten Hauptstadtvertrages zwischen Berlin und dem Bund soll das knapp fünf Hektar große Gelände an das Land gehen.

Ab September sollen Stadtaktivisten nun über die Zukunft des Dragonerareals mitentscheiden. Doch vertreten sie auch alle Anwohner? Diese Frage wurde im Anschluss an die Vorführung gemeinsam mit den Studierenden diskutiert. Eine Anwohnerin fühlte sich von der akademischen Sprache, die in den Debatten vorherrsche, ausgeschlossen.

Kontrovers wurde auch über den Begriff Dragonerareal diskutiert. Dieser wurde unter anderem von der Immobilienwirtschaft verwendet, um aus der geschichtlichen Bedeutung des Ortes mehr Profit schlagen zu können. Ein Diskussionsteilnehmer erinnerte an Fakten, die bei der Geschichtsbetrachtung ausgeblendet würden. Am 11. Januar 1919 seien sieben unbewaffnete Parlamentäre, die sich während der Januarkämpfe an der Besetzung der Redaktionsräume SPD-Zeitung »Vorwärts« beteiligt hatten, auf dem Dragonerareal von Freikorpssoldaten misshandelt und dann ermordet worden. Rund 100 Jahre nach den ungesühnten Morden soll im Zusammenhang mit der Neugestaltung des Dragonerareals auch über die Einrichtung eines Gedenkortes verhandelt werden.

https://www.neues-deutschland.de/artikel/1060600.rollentausch-am-dragonerareal.html

Peter Nowak

Stadtteilinitiative gedenkt der ermordeten Vorwärts-Besetzer

MieterEcho online 17.01.2017

Stadtteilinitiative gedenkt der ermordeten Vorwärts-Besetzer

„Mein Mann wurde auch als Gefangener zur Garde-Dragonerkaserne gebracht und  ist dort ein Opfer der Soldateska geworden. Der Tod durch Erschießen wäre ein milder gewesen, doch die Verletzungen meines Mannes sind derart, dass von Erschießen keine Rede sein kann“.  Diesen Brief richtete Klara Möller im Januar 1919 an die „Die Republik“, die Tagesszeitung der Arbeiterräte, die vor 98 Jahren in Deutschland für eine grundlegende Umwälzung der gesellschaftlichen Verhältnisse nach der Novemberrevolution kämpften. Klara Möller beschrieb dort, wie sich  ihr Mann mit sechs weiteren Parlamentären nach der Besetzung des Vorwärtsgebäudes Anfang Januar 1919 den auf Seiten der Ebert-Noske-Regierung kämpfenden Freikorps ergeben hatte. Es waren neben Möller der Journalist  Wolfgang Fernbach, der  Mechaniker Karl Grubusch, der  Schmied Walter Heise, der Kutscher Erich Kluge,  der Werkzeugmacher Arthur Schöttler und  der Schlosser Paul Wackermann. Die sieben unbewaffneten Männer wurden in der Dragonerkaserne in Berlin-Kreuzberg brutal misshandelt und dann erschossen. Dass ihner  98 Jahre später am Ort ihres Todes gedacht wurde,  geht auf die  Initiative der stadtpolitische Gruppe “Dragopolis” zurück. Sie setzt sich auf dem Gelände des Dragonergeländes  für ein Stadtteilprojekt mit bezahlbaren  Mieten ein.  „Wir haben uns natürlich gefragt, was auf dem Dragonergelände historisch passiert ist“, erklärt ein Mitglied der Stadtteilinitiative  gegenüber MieterEcho online.  Dabei kam ihnen ein  Aufsatz des Historikers Gerhard Engel  in der Zeitschrift für historische Studien „Arbeit Bewegung Geschichte“  zur Hilfe. Dort rekapituliert der Historiker auch das publizistische Werk des Arbeiterdichters Werner Möller. Während der Gedenkveranstaltung wurden mehrere der  Gedichte und  Artikel vorgetragen, die Möller in seinem kurzen Leben  in der Presse der sozialdemokratischen Presse veröffentlichte. Nachdem er die Politik des Burgfriedens und der Kriegskredite  der PD-Führung scharf kritisierte, konnte er nur noch in den kleinen Zeitungen der linken Opposition publizieren, was das Auffinden seiner Texte erschwert.

Zum 100 Todestag eine Ehrung im Stadtteilzentrum

Die Stadtteilinitiative will ihre Geschichtsarbeit fortsetzen.  Ihre Utopie ist, am 11. Januar 2019,  hundert Jahre nach auf dem Mord auf dem Gelände des geplanten Stadtteilzentrums einen Gedenkort für die Opfer einzurichten. Doch noch immer ist die Zukunft des Areals unklar. Erst kürzlich schrieb der Staatssekretär des Bundesfinanzministeriums Jens Spahn an die SPD-Bundestagsabgeordnete Cansel Kiziltepe, dass die Willensbildung zum weiteren Umgang mit der Liegenschaft noch nicht abgeschlossen ist“.  Bisher gehört die lukrative Immobilie dem Bund, der sie dem Höchstbietenden verkaufen und damit weiteren Luxusbauten den Weg ebnen wollte . Nachdem die Stadtteilinitiative für ihr Gegenmodell viel Zustimmung bekam,  gab sich die Berliner SPD auf einmal  rebellisch.  Im Bundesrat verweigerte sie dem Bundesfinanzministerium die Zustimmung zu dem schon getätigten Verkauf des Areals an einen Privatinvestor für 36 Millionen Euro. Doch der Käufer hat bereits Schadenersatzforderungen angekündigt. Die Bundestagsabgeordnete der Grünen Lisa Paus monierte, in dem Vertrag  fehle eine Klausel, die Schadenersatzforderungen explizit ausschließt. Das Bundesfinanzministerium widerspricht dieser Darstellung. Ungeklärt ist auch, warum der Vertrag bereits  unterschrieben wurde, bevor die zuständigen Gremien gehört wurden. Ob es dabei lediglich um handwerkliche  Fehler handelt oder ob hier weiter versucht wird, einen Privatinvestor Vorteile zu verschaffen, ist offen.

MieterEcho online 17.01.2017

http://www.bmgev.de/mieterecho/mieterecho-online/vorwaerts-besetzer.html
Peter Nowak