Arbeitskampf im Pflegedienst

Kündigung wegen Bildung eines Betriebsrats

«Wir sind nur ein kleiner Pflegedienst mit zehn Mitarbeitern. Fällt jemand durch Krankheit aus und einer ist im Urlaub, dann arbeite ich schon mal neun Tage am Stück. Das ist viel und es wäre gut, wenn das anders organisiert werden könnte.»

So äußerte sich Harald Stubbe im Juni 2015 auf dem Onlineportal «Pflegefibel» über die Arbeitsbedingungen in einem Pflegedienst in Frankfurt am Main. Es war klar, dass Stubbe sich an der Organisierung von Protesten beteiligen würde. Der kämpferische Gewerkschafter hatte schon für Aufsehen gesorgt, als er 2009 beim Caterer Eurest mit weiteren Kollegen aus der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) in die Basisgewerkschaft IWW (Industrial Workers of the World) wechselte. Er wolle die Politik des Co-Managements der NGG nicht mehr mittragen; bei Eurest sorgte er dann für eine kämpferische Interessenvertretung.

Als er mit 58 Jahren arbeitslos wurde, bewarb er sich über eine Zeitarbeitsfirma bei einem Pflegedienst. In einem Bericht darüber beschreibt er, wie er in kurzer Zeit zum Pflegeexperten wurde.

«Als ich im März 2015 in dem Laden angefangen habe, hatte ich von Pflege keine Ahnung. Heute, fast zwei Jahre später, ist das weitestgehend noch immer so. ‹Kein Problem›, sagte die Chefin, ‹ich zeige ihnen das.› Ich bin also einen Tag mit ihr mitgefahren und hab zugesehen, was sie macht. Dann bin ich noch einen Tag mit einer Kollegin mitgefahren und hab auch selbst Hand angelegt. Damit war meine Ausbildung zu Ende. Ich war jetzt Pflegeexperte. Von da an habe ich alte und kranke Menschen betreut.»

Als sich die Arbeitsbedingungen weiter verschlechterten, initiierte Stubbe mit zwei Kollegen eine Betriebsratswahl, die trotz massiver Behinderungsversuche seitens der Firma am 16.1.2017 stattfand. Zur Betriebsrätin wurde eine Vertraute der Firma gewählt, Stubbe wurde zum Ersatzmitglied gekürt. «Damit hätte ich leben können. Sind ja 2018 schon wieder Wahlen», dachte er sich. Doch der Pflegedienst konnte damit nicht leben. Die Chefin überreichte ihm am 18.1.2017 persönlich die fristlose Kündigung.

Daraufhin organisierte die IWW eine Protestkampagne gegen die Firma, die nicht ohne Wirkung blieb. Bei einem Gütetermin vor dem Arbeitsgericht wurde vereinbart, dass Stubbe bis zum 31.3. weiterbeschäftigt ist und anschließend mit einer Abfindung den Pflegedienst verlässt. Dafür willigte Stubbe ein, die Protestkampagne gegen die Firma zu beenden. Dabei hatte sich gezeigt, dass sie durchaus nicht erfolglos war. Patienten waren abgesprungen, andere waren beunruhigt. Zudem stellte sich heraus, dass der Pflegedienst Wohnraum zweckentfremdet hat. Die Firmenchefin klagte über massive Einbußen, die sogar zur Schließung der Firma führen können.

Einmal mehr wird hier deutlich, dass Beschäftigte auch in so kleinen Firmen sehr wohl Druckmittel haben, um sich gegen schlechte Arbeitsbedingungen zu wehren. Negativ ist, dass mit Stubbe ein kämpferischer Gewerkschafter die Firma verlässt, der vielleicht mit den anderen Kolleginnen und Kollegen eine kämpferische Betriebsratsarbeit hätte entwickeln können.«Wir sind nur ein kleiner Pflegedienst mit zehn Mitarbeitern. Fällt jemand durch Krankheit aus und einer ist im Urlaub, dann arbeite ich schon mal neun Tage am Stück. Das ist viel und es wäre gut, wenn das anders organisiert werden könnte.»

So äußerte sich Harald Stubbe im Juni 2015 auf dem Onlineportal «Pflegefibel» über die Arbeitsbedingungen in einem Pflegedienst in Frankfurt am Main. Es war klar, dass Stubbe sich an der Organisierung von Protesten beteiligen würde. Der kämpferische Gewerkschafter hatte schon für Aufsehen gesorgt, als er 2009 beim Caterer Eurest mit weiteren Kollegen aus der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) in die Basisgewerkschaft IWW (Industrial Workers of the World) wechselte. Er wolle die Politik des Co-Managements der NGG nicht mehr mittragen; bei Eurest sorgte er dann für eine kämpferische Interessenvertretung.

Als er mit 58 Jahren arbeitslos wurde, bewarb er sich über eine Zeitarbeitsfirma bei einem Pflegedienst. In einem Bericht darüber beschreibt er, wie er in kurzer Zeit zum Pflegeexperten wurde.

«Als ich im März 2015 in dem Laden angefangen habe, hatte ich von Pflege keine Ahnung. Heute, fast zwei Jahre später, ist das weitestgehend noch immer so. ‹Kein Problem›, sagte die Chefin, ‹ich zeige ihnen das.› Ich bin also einen Tag mit ihr mitgefahren und hab zugesehen, was sie macht. Dann bin ich noch einen Tag mit einer Kollegin mitgefahren und hab auch selbst Hand angelegt. Damit war meine Ausbildung zu Ende. Ich war jetzt Pflegeexperte. Von da an habe ich alte und kranke Menschen betreut.»

Als sich die Arbeitsbedingungen weiter verschlechterten, initiierte Stubbe mit zwei Kollegen eine Betriebsratswahl, die trotz massiver Behinderungsversuche seitens der Firma am 16.1.2017 stattfand. Zur Betriebsrätin wurde eine Vertraute der Firma gewählt, Stubbe wurde zum Ersatzmitglied gekürt. «Damit hätte ich leben können. Sind ja 2018 schon wieder Wahlen», dachte er sich. Doch der Pflegedienst konnte damit nicht leben. Die Chefin überreichte ihm am 18.1.2017 persönlich die fristlose Kündigung.

Daraufhin organisierte die IWW eine Protestkampagne gegen die Firma, die nicht ohne Wirkung blieb. Bei einem Gütetermin vor dem Arbeitsgericht wurde vereinbart, dass Stubbe bis zum 31.3. weiterbeschäftigt ist und anschließend mit einer Abfindung den Pflegedienst verlässt. Dafür willigte Stubbe ein, die Protestkampagne gegen die Firma zu beenden. Dabei hatte sich gezeigt, dass sie durchaus nicht erfolglos war. Patienten waren abgesprungen, andere waren beunruhigt. Zudem stellte sich heraus, dass der Pflegedienst Wohnraum zweckentfremdet hat. Die Firmenchefin klagte über massive Einbußen, die sogar zur Schließung der Firma führen können.

Einmal mehr wird hier deutlich, dass Beschäftigte auch in so kleinen Firmen sehr wohl Druckmittel haben, um sich gegen schlechte Arbeitsbedingungen zu wehren. Negativ ist, dass mit Stubbe ein kämpferischer Gewerkschafter die Firma verlässt, der vielleicht mit den anderen Kolleginnen und Kollegen eine kämpferische Betriebsratsarbeit hätte entwickeln können.

Arbeitskampf im Pflegedienst

aus:

Sozialistische Zeitung
April 2017

Peter Nowak

Jobverlust wegen versuchter Betriebsratsgründung

Kündigung bekräftigt

Berlin. Im Zuge einer versuchten Betriebsratsgründung wird der Pflegedienstmitarbeiter Harald Stubbe am 31. März seine Tätigkeit für einen mobilen Pflegedienst in Frankfurt am Main beenden müssen. Dies teilte die Basisgewerkschaft IWW Bremen auf ihrer Webseite mit. Als Ergebnis eines nach der Kündigung Stubbes im Januar 2017 anberaumten Gütetermins vor dem Arbeitsgericht Frankfurt wird Stubbe eine Abfindung erhalten.

Der Gewerkschafter hatte sich in dem achtköpfigen Unternehmen für die Wahl eines Betriebsrats und bessere Arbeitsbedingungen eingesetzt. Nach Stubbes Kündigung solidarisierten sich Gewerkschafter und Betriebsräte aus ganz Deutschland. Gegenüber dem Arbeitsgericht hatte der Pflegedienst erklärt, dass durch den Konflikt Patienten massive finanzielle Verluste erlitten hätten. Auch seien Patienten abgesprungen. Die IWW, in der Stubbe organisiert ist, sieht bestätigt, dass Beschäftigte auch gegenüber kleinen Firmen Druck machen können. Die Rücknahme der Kündigung konnte allerdings nicht erreicht werden.

https://www.neues-deutschland.de/artikel/1045892.kuendigung-bekraeftigt.html
Peter Nowak

Unmut im Unterbau

Lohndumping und Outsourcing gehören zum fragwürdigen Geschäftsmodell deutscher Universitäten. Um dies zu ändern, hat sich in Frankfurt am Main eine neue Basisgewerkschaft gegründet.

Lange haben Studierende und Beschäftigte an Universitäten nicht mehr mit Streiks auf sich aufmerksam gemacht. Das könnte sich ändern, zumindest in Frankfurt am Main. Dort hat sich in der vergangenen Woche eine Hochschulgewerkschaft gegründet, die sich Unterbau nennt. Dass es sich nicht um eines der vielen linken Hochschulprojekte handelt, die die Semesterfe­rien nicht überleben, zeigt schon der lange Vorlauf. Über ein Jahr lang hätten knapp 50 Beteiligte die Gründung vorbereitet, berichtet die Pressesprecherin von Unterbau, Anna Yeliz Schentke, im Gespräch mit der Jungle World. Ihr Kollege Manuel Müller betont, dass die neue Gewerkschaft basisdemokratisch organisiert sei, womit die Bürokratisierung verhindert werden solle. Damit unterscheide sie sich von den beiden DGB-Gewerkschaften Verdi und GEW, die im Bildungsbereich tätig sind. Zudem habe die neue Gewerkschaft ein Ziel, das über die reine Tarifpolitik hinausgeht. »Ziel ist eine Transformation der Universität, die nur durch ein Infragestellen der be­stehenden Machtstrukturen umsetzbar wird«, so Müller.

Schentke ergänzt, dass das Konzept von der basisdemokratischen Freien Arbeiterinnen- und Arbeiterunion (FAU) inspiriert sei. Die Gründung von Unterbau betrachten Schentke und Müller nicht als Versuch der Spaltung der bestehenden Gewerkschaften: »Wir machen lediglich Gebrauch vom Recht auf Gewerkschaftspluralismus und Koalitionsfreiheit, wie es allen Arbeitnehmern gesetzlich zusteht.« Sie wünschen sich eine Kooperation der Gewerkschaften. Tatsächlich haben sich bei Unterbau neben Mitgliedern von DGB-Gewerkschaften und der FAU auch Beschäftigte organisiert, die vorher noch keine Gewerkschaftsmitglieder waren.

Die Gründung der neuen Basisgewerkschaft ist ein Zeichen des Hegemonieverlusts der DGB-Gewerkschaften auch im Bildungsbereich. Der Arbeitsrechtler Rolf Geffken hat in einer 2015 erschienenen Broschüre mit dem Titel »Streikrecht, Tarifeinheit, Gewerkschaften« den Monopolanspruch des DGB kritisiert, der weder historisch noch politisch zu begründen sei. Geffken plädiert für eine Gewerkschaftseinheit in konkreten Arbeitskämpfen. Das kommt den Vorstellungen der Gründer von Unterbau sehr nahe.

Diese könnten über Frankfurt hinaus Nachahmer finden. Denn längst sind die Hochschulen zu Wissenschaftsunternehmen geworden, deren Verantwortliche beim Outsourcing und bei Dumpinglöhnen Pionierarbeit leisten. Davon sind Wissenschaftler, Dozenten und studentische Hilfskräfte ebenso betroffen wie das Reinigungspersonal und Beschäftigte in der Mensa. In Berlin sind es derzeit die Beschäftigten des zur Freien Universität gehörenden Botanischen Gartens, die soziale Forderungen auf dem Campus wieder zu Gehör gebracht haben und von studentischen Gruppen unterstützt werden (Jungle World 52/2015).

Dem Konzept von Unterbau zufolge sollten unterschiedliche Statusgruppen in einer Gewerkschaft kämpfen und, wenn nötig, gemeinsam die Hochschule bestreiken. Doch die Bereitschaft von Studierenden, sich zu organisieren, ist bisher nicht besonders hoch. Zudem gehen sie an der Universität keiner Lohnarbeit nach, es sei denn als Hilfskraft, was ihren Status fundamental von dem der Beschäftigten unterscheidet. Der von der Gewerkschaft Nahrung Genuss Gaststätten zur basisdemokratischen IWW übergewechselte Gewerkschafter Harald Stubbe kritisiert linke Studierende in seinem politischen Umfeld, »die immer überlegt haben, wen sie organisieren« könnten. In dem Buch »Dabei geblieben. Aktivistinnen erzählen vom Älterwerden und Weiterkämpfen« schreibt er: »Nur nicht sich selbst wollten sie organisieren. Obwohl sie alle prekäre Jobs hatten und viel weniger Risiko eingingen als eine Küchenhilfe, die davon leben muss.« Auch Studierende, die sich an einer von GEW und Verdi unterstützten Initiative für die Durchsetzung eines neuen Tarifvertrags für studentische Hilfskräfte an Berliner Hochschulen beteiligen, kritisierten das geringe Engagement ihrer Kommilitonen. Unterbau kann nun den Beweis antreten, dass eine basisdemokratische Gewerkschaft die Organisierungsbereitschaft erhöht.

http://jungle-world.com/artikel/2016/17/53913.html

Peter Nowak