Wirtschaft und Soziales: In Berlin kämpfen rumänische Bauarbeiter für ihr Recht
Fast ein Jahr kämpfen rumänische Bauarbeiter in Berlin um ihren Lohn. Aber auf das Geld warten sie noch immer. Dabei haben sie bereits mehrere Erfolge vor dem Berliner Arbeitsgericht errungen. So entschied das Gericht am 5. August, dass die Firma Openmallmaster GmbH Niculae M. 1.200 Euro und Nicolae H 4.400 Euro Lohn für ihre Arbeit beim Bau der Mall of Berlin nachzahlen muss. Bei den Unternehmen handelt es sich um ein für Bau in unmittelbarer Nähe des Potsdamer Platzes gelegenen Nobel-Shopping-Center angeheuertes Subunternehmen. Eine Woche später sprach das Berliner Arbeitsgericht Elvis Iancu für seine Tätigkeit auf der Mall of Berlin die Nachzahlung von 7400 Euro zu. Er hat einen wesentlichen Anteil daran, dass der Kampf der Bauarbeiter eine solche Bedeutung bekommen hat, über Monate die Medien beschäftigt und nun auch juristische Erfolge zeigt.
Dabei ist noch einmal wichtig, sich die Chronologie des Arbeitskampfes vor Augen zu führen: Rund 50 rumänische Bauarbeiter waren in der Endphase des Baus der Mall of Berlin beteiligt. Sie bekamen nur einen Bruchteil ihres Lohnes. Als das Nobeleinkaufszentrum mit viel Pomp eröffnet wurde, standen die Bauarbeiter auf der Straße. Mit ihrer Arbeit hatten sie auch ihre Unterkunft verloren. Dass sie nicht nach Rumänien zurückkehrten und den geprellten Lohn abschrieben, ist vor allem Iancu zu verdanken. Er motivierte mit seinen gewerkschaftlichen Erfahrungen seine Kollegen zum Widerstand Zunächst forderten sie vom Openmallmaster-Chef die sofortige vollständige Auszahlung des Lohnes ein. Als sie damit auf taube Ohren stießen, organisierten sie eigenständig die erste kollektive Widerstandsaktion. Sie stellten sie sich mit Transparenten, auf dem sie ihren Lohn forderten, Berlin in das Atrium der Mall.
Im Oktober 2014 wandten sie sich an den DGB Berlin-Brandenburg. Das im dortigen Gewerkschaftshaus angesiedelte „Beratungsbüro für entsandte Beschäftigte“ nahm Kontakt mit dem Generalunternehmer der Baustelle, der Firma Fettchenhauer Controlling & Logistic. Nach Verhandlungen sollte jeden der Bauarbeiter pro Person 700 Euro nachgezahlt werden, was allerdings nur einen Bruchteil des ihnen zustehenden Lohnes bedeutet hätte. Die Auszahlung war an die Bedingung geknüpft, dass die Beschäftigten sich vertraglich verpflichten sollen, keine weiteren Ansprüche mehr zu stellen.
Unterstützung durch die FAU
Acht Bauarbeiter weigerten sich, auf einen Teil ihres Lohnes zu verzichten. Mittlerweile hatte Elvis Iancu den Kontakt zur Basisgewerkschaft Freie Arbeiterunion (FAU) hergestellt. Damit wurde die Mall of Berlin zur Mall of Shame. Der Kampf entfachte ein großes Medienecho und zeitigte nun auch juristische Erfolge. Dabei beschränkte sich die Rolle der FAU nicht nur auf die Organisierung von Kundgebungen, Soliveranstaltungen und die Bereitstellung von Jurist_innen für die Arbeitsgerichtsprozesse. Sie sorgte auch für Unterkunft und Verpflegung der arbeits- und obdachlosen Bauarbeiter. Wenn sie auch nach fast zwölf Monaten Kampf noch immer auf ihren Lohn warten müssen, so haben sie doch schon einen wichtigen Erfolg errungen. Sie haben deutlich gemacht, dass ausländische Arbeiter_innen in Deutschland nicht rechtlos sind und sich wehren können. „Es gibt viele solcher Fälle. Aber leider sind die Betroffenen nur selten in der Lage, sich zu wehren“, meint eine Mitarbeiterin von Amaro Foro, einer Organisation von in Berlin lebenden Romajugendlichen. Das Leben von vielen Arbeitsmigrant_innen aus Osteuropa sei von ständiger Verunsicherung geprägt. Die erstrecke sich nicht nur auf die Löhne und Arbeitsbedingungen. Sie würden in den Jobcentern benachteiligt, seien oft von medizinischer Versorgung ausgeschlossen und müssten wegen rassistischer Diskriminierungen am Wohnungsmarkt oft in teuren Schrott-Immobilien wohnen. So berichtete die Essener Rechtsanwältin Christina Worm in einem Interview mit der Jungen Welt, dass ein Jobcenter einen Migranten aus Osteuropa die Finanzierung eines Bettes mit der Begründung verweigerte, er könne wie zu Hause auf dem Boden schlafen.
Rumänische Mieter_innen in die Obdachlosigkeit zwangsgeräumt
Oft fehlt es den Betroffenen an Kontakten zu Organisationen und Initiativen, die sie im Widerstand unterstützen könnten. Das zeigte sich erst vor einigen Wochen wieder, als eine Gruppe rumänischer und bulgarischer Wanderarbeiter_innen in den Fokus der Berliner Medien und einer Nachbarschaftsinitiative im grünbürgerlichen Stadtteil Schöneberg geriet. Nicht, dass sie in überteuerte Schrottwohnungen in der Schöneberger Grunewaldstraße 87 leben mussten, wird skandalisiert, sondern dass sie angeblich nicht in den Stadtteil passen. Mittlerweile sind die meisten rumänischen Bewohner_innen aus der Grunewaldstraße 87 geräumt worden, oft gegen ihren Willen und ohne gesetzliche Grundlage. Viele der Betroffenen mussten wochenlang in Parks übernachten, weil sich der Bezirk Schöneberg weigerte, den obdachlosen Menschen Notunterkünfte zur Verfügung zu stellen. Stattdessen bot der Bezirk eine Rückfahrkarte in ihre Heimatländer an. Das Berliner Verwaltungsgericht bezeichnete diese Praxis sei rechtswidrig und verpflichtete den Bezirk Schöneberg, eine rumänische Frau mit ihren Kind, die längere Zeit in einen Park nächtigen musste, eine Notunterkunft zur Verfügung zu stellen. Sowohl der Kampf der rumänischen Bauarbeiter der Mall of Shame wie der juristische Erfolg der Mieterin aus der Grunewaldtraße 87 zeigt, wie hierzulande Menschen entrechtet werden. Durch das Engagement der FAU und Amaro Foro konnten einige der Betroffenen ihre Rechte durchsetzen.
aus:
ak 608 vom 15.9.2015
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Peter Nowak