Odyssee durch die Konzentrationslager

 WIDERSTAND Ausstellung erinnert an den Kampf von Gewerkschaftern gegen die Nazis
„Einen Sozialdemokraten kann man auf die Schnauze hauen, aber die Gesinnung könnt ihr mir nicht nehmen.“ So selbstbewusst äußerte sich der Gewerkschafter Max Ulrich gegenüber den Gestapo-Leuten, die ihn 1933 abholten. Damals begann für ihn eine Odyssee durch mehrere KZs, die erst 1945 endete. Ulrichs Geschichte dem Vergessen entrissen hat eine Ausstellung mit dem etwas pathetischen Titel „Seid wachsam, dass über Deutschland nie wieder die Nacht hereinbricht“. Noch bis Monatsende ist sie im DGB-Haus am Hackeschen Markt zu sehen.

In zwei Räumen werden die Biografien von Gewerkschaftern der unterschiedlichen politischen Strömungen vorgestellt, die von den Nazis verfolgt wurden. Viele überlebten den Naziterror nicht. So starb der Sozialdemokrat und Bergarbeiter-Gewerkschafter Fritz Husemann nach schweren Misshandlungen im KZ Esterwegen. „Die Lippen waren blutig geschlagen, die Augen stark geschwollen von Schlägen. Er wurde mit den Worten empfangen: ,Da kommt der rote Hund, der das Ruhrgebiet verseuchen wollte'“, beschreibt ein Augenzeuge.

Auch der in der Ausstellung porträtierte Lothar Erdmann starb 1939 im KZ Sachsenhausen. Dabei hatte sich der Exponent des rechten Flügels der Gewerkschaften noch bis Mai 1933 für eine Verständigung mit den Nationalsozialisten eingesetzt und „die nationale Organisation der Arbeit“ beschworen. Mit Maria Pleßner und Mathilde Klose werden auch zwei vergessene Gewerkschafterinnen in der Ausstellung vorgestellt.

Streit um eine Jacke

Besonders tragisch ist die Biografie des kommunistischen Gewerkschafters Rudolf Lentzsch. Nach jahrelangen KZ-Aufenthalten wurde er wenige Tage vor dem Ende des Naziregimes von einem sowjetischen Soldaten beim Streit um eine Lederjacke erschossen. Lentzsch war Mitbegründer der Revolutionären Gewerkschaftsopposition (RGO), mit der die KPD in den letzten Jahren der Weimarer Republik eine Linkswende unter den ArbeiterInnen erreichen wollte. In diesem Zusammenhang korrigiert Stefan Heinz von der Arbeitsstelle Nationale und Internationale Gewerkschaftspolitik am Otto-Suhr-Institut der FU Berlin das Bild der völlig von Moskauer Direktiven abhängigen RGO und arbeitet die relative Autonomie der linken GewerkschafterInnen heraus – auch gegenüber der KPD.

Die Arbeitsstelle hat die Ausstellung mit der Heinz-Böckler-Stiftung und der Stiftung Brandenburgischer Gedenkstätten konzipiert. Ihr Anliegen ist es, den Arbeiterwiderstand wieder stärker bekannt zu machen. Die meisten der hier Porträtierten waren schon gegen die Nazis aktiv, als viele der später umfangreich geehrten „Männer des 20. Juli“ noch glühende Hitleranhänger waren. 

http://www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=bl&dig=2011%2F06%2F14%2Fa0149&cHash=7e337cc88e

Peter Nowak

 „Seid wachsam, dass über Deutschland nie wieder die Nacht hereinbricht. Gewerkschafter in Konzentrationslagern 1933-1945“. Bis 30. 6. im DGB-Haus, Hackescher Markt. Mo.-Sa. 10-18 Uhr, Eintritt frei. Broschüre, 240 Seiten, 4 Euro

Weitgehend unbeachtet

Gewerkschafter von DGB, ver.di, IG Metall und GEW aus Südwestdeutschland setzen sich in einem Aufruf für die Freilassung des iranischen Gewerkschafters Mansour Ossanloo ein. Der Vorsitzende der Gewerkschaft des staatlichen Teheraner Busunternehmens wurde 2007 zu fünf Jahren Haft verurteilt, weil er sein Recht auf Vereinigungsfreiheit wahrgenommen hat. In der Haft war er Folterungen ausgesetzt. Auch Aktivisten der unabhängigen Zuckerarbeitergewerkschaft Dezful wurden mit der Begründung inhaftiert, sie würden die nationale Sicherheit gefährden.

Die staatlichen Angriffe verstärken sich, nachdem verschiedene oppositionelle iranische Gewerkschaften, darunter die Interessenvertreter der Busfahrer, der Zuckerarbeiter, aber auch von Elektrizitäts- und Metallarbeitern, mit einer gemeinsamen Erklärung an die Öffentlichkeit getreten sind. Dort fordern sie neben demokratischen Reformen wie dem Streikrecht auch eine Erhörung des Mindestlohns, die Zahlung ausstehender Löhne und die Rücknahme der von der iranischen Regierung geplanten Kürzungen von Subventionen bei Grundnahrungsmitteln.

Diese Ansätze einer neuen iranischen Arbeiterbewegung sind besonderen staatlichen Repressionen ausgesetzt. Deshalb bedarf es einer internationalen gewerkschaftlichen Solidaritätsbewegung zu ihrer Unterstützung. Der Aufruf der süddeutschen Gewerkschafter ist daher nur zu begrüßen. Hier wird der Fokus auf den von Anfang an extrem arbeiterfeindlichen Kurs der islamischen Republik Iran gelegt. Die Konzentration auf die gewerkschaftlich Solidarität hebt sich auch positiv ab von einer unreflektierten positiven Bezugnahme auf die iranische Oppositionsbewegung. Statt einem Austausch der Eliten in Iran fordern die Gewerkschafter soziale Rechte ein. Ihre auf der Homepage justiceforiranianworkers.org dokumentierten Aktivitäten blieben in der deutschen Linken, trotz der seit Monaten heftig geführten Debatte um Iran, weitgehend unbeachtet.

Vielleicht verschafft der Aufruf, der auf der Homepage emanzipationundfrieden.de/Ossanloo-Usammlung.pdf unterzeichnet werden kann, den Aktivitäten der unabhängigen Gewerkschaften in Iran hierzulande eine größere Aufmerksamkeit.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/166372.weitgehend-unbeachtet.html

Peter Nowak