Oury Jalloh: Rassismus mit Todesfolge

Konferenz zum Feuertod des Asylbewerbers
Seit sieben Jahren kämpfen Flüchtlingsorganisationen darum, den Tod von Oury Jalloh aufzuklären. Am Samstag haben sie auf einer Berliner Konferenz eine kritische Bilanz der bisherigen Ermittlungen gezogen.

Im Münzenberg-Saal des nd-Gebäudes hängen zahlreiche Fotos. Sie zeigen die Gesichter von Christy Schwundeck, Ousyman Sey und Oury Jalloh. Darunter, die Daten ihres Todes. Es handelte sich um Menschen ohne deutschen Pass und ohne weiße Hautfarbe. Alle sind in den letzten Jahren durch Schüsse aus Polizeipistolen oder in Polizeigewahrsam umgekommen. Der bekannteste dieser Fälle ist der von Oury Jalloh, der im Januar 2005 in der Zelle einer Dessauer Polizeistelle verbrannte.

Zweifel an den Todesumständen

Die beiden Anwälte Gabriele Heinecke und Philipp Napp, die als Verteidiger der Nebenkläger in das Verfahren involviert sind, hatten es nicht leicht, den juristischen Sachverhalt den über 100 Besuchern des Kongresses plausibel zu erklären. Die Anklage wirft dem Polizisten Andreas S. vor, Jalloh zu spät zu Hilfe gekommen zu sein. Sie ist bisher davon ausgegangen, dass er mit einem Feuerzeug, das bei der Leibesvisitation nicht entdeckt wurde, die Matratze, auf der er gefesselt lag, selbst angezündet habe.

Es mehren sich die Zweifel an dieser Version. So wurden an dem Feuerzeug weder DNA-Spuren von Jalloh noch andere Hinweise gefunden, die belegen, dass es sich bei Ausbruch des Brandes in der Zelle befand. Damit gewinnt die von Unterstützergruppen vertretene Version an Bedeutung, dass das Feuer von noch unbekannten Personen gelegt wurde. Da der angeklagte Polizist dafür nicht infrage kommt, weil er ein Alibi für die Zeit des Brandbeginns hat, muss er freigesprochen werden. Am Ende würde dann festgestellt, dass die Umstände des Brandes nicht geklärt werden konnten.

Für Heinecke wäre ein solcher Ausgang des Prozesses ein Erfolg. »Damit wäre der Raum geöffnet, für neue Ermittlungen in alle Richtungen«, betonte sie. Da sich die Justiz nicht vorstellen kann, dass ein Polizeibeamter für den Brand verantwortlich sein könnte, wurde eine Brandstiftung des Flüchtlings als die einzige Möglichkeit angesehen.

Jalloh ist kein Einzelfall

Vertreter von Flüchtlingsorganisationen sahen den Tod von Jalloh als Beispiel für die Fortdauer kolonialistischer Gewalt und zogen Parallelen zu anderen Fällen. So erinnerte ein Aktivist aus Frankfurt am Main an den Tod der in Afrika geborenen Christy Schwundeck, die vor mehr als einem Jahr in einem Jobcenter von einer Polizistin erschossen wurde. Obwohl sie mehr als zwei Meter entfernt stand, wurde auf Notwehr erkannt. Anklage wurde nicht erhoben.

Erst vor wenigen Wochen rief Ousyman Sey einen Arzt. Er gab an, gesundheitliche Probleme zu haben. Statt dessen nahm ihn die Polizei fest. In Polizeigewahrsam starb Sey an Herzversagen. Auch in seinem Fall forderten die Initiativen eine vollständige Aufklärung. Es ist fraglich, warum ein Mann, der um ärztliche Hilfe bat, in Handschellen gefesselt sterben musste.

Auf der Konferenz wurde deutlich, dass auch die Angehörigen der Opfer leiden. So zum Beispiel die kürzlich an Herzinfarkt verstorbene Mutter von Jalloh, die sich längere Zeit in Deutschland aufgehalten hatte und sich um Gerechtigkeit für ihren verstorbenen Sohn bemühte.
Peter Nowak
http://www.neues-deutschland.de/artikel/233910.oury-jalloh-rassismus-mit-todesfolge.html
Peter Nowak

Bleibt der Tod von Oury Yalloh ungeklärt?

Der Prozess um die Umstände des Todes des in einer Dessauer Polizeizelle unter ungeklärten Umständen verbrannten Flüchtlings geht weiter

Der Mann aus Sierra Leone war am 7.Januar 2005 von der Polizei festgenommen, durchsucht und in eine Arrestzelle verfrachtet worden. Wenige Stunden später verbrannte er dort. Die Staatsanwaltschaft hat die von der Richterin in die Diskussion gebrachte Einstellung des Verfahrens abgelehnt.

Dazu beigetragen haben dürfte die Empörung, die von Menschenrechtsinitiativen und Flüchtlingsgruppen laut wurde, als der Einstellungsantrag bekannt wurde. Schließlich haben diese über Jahre dafür gekämpft, dass es überhaupt zum Versuch der juristischen Aufarbeitung der Todesumstände gekommen ist. Dabei musste nach Angaben der Menschenrechtler um jedes Detail gerungen werden. So sollte anfangs die Mutter von Oury Yalloh nicht als Nebenklägerin zugelassen werden, weil die Geburtsurkunden in Sierra Leone nicht den bürokratischen Kriterien in Deutschland entsprachen.

Wenn das Verfahren nun eingestellt worden wäre, weil mit einer endgültigen Klärung nicht mehr rechnen ist hätten sich die Befürchtungen der Menschenrechtsgruppen bestätigt, die schon lange den Verdacht äußerten, dass die Bereitschaft, die Hintergründe des Verbrennungstodes aufzuklären, nicht vorhanden ist. Dabei sind die Unklarheiten, die in den letzten Jahren vor allen von zivilgesellschaftlichen Organisationen und engagierten Anwälten bekannt gemacht worden, groß.

Wie nach einer gründlichen Durchsuchung das Feuerzeug in die Zelle gelangen konnte, gehört ebenso dazu, wie die Frage, wie ein gefesselter Mann eine feuerfeste Matratze selber entzündet haben kann. Die zivilgesellschaftlichen Organisationen wollen in dem Verfahren auch das Umfeld der Dessauer Polizeiwache ausleuchten, wo vor Oury Yalloh ein Obdachloser unter ähnlich ungeklärten Umständen ums Leben gekommen ist. Wie im Fortgang des Verfahrens allerdings die offenen Fragen noch geklärt werden können, wenn die Richterin eigentlich mit ihren Einstellungsbegehren schon eingestand, dass die Grenzen der rechtsstaatlichen Ermittlungen erreicht seien, bleibt offen.

Ein Film weist schlampige Ermittlungen nach

Zurück bleibt vor allem bei Flüchtlingsorganisationen der Verdacht, dass in Deutschland die Justiz zurückhaltender ermittelt, wenn die Opfer einen Migrantenhintergrund haben. Dieser Verdacht wird nicht nur im Todesfall Oury Yalloh laut. So wurde kürzlich auch das Verfahren zum Tod der im letzten Sommer in einen Jobcenter in Frankfurt/Main von einer Polizeikugel getroffene Christy Schwundeck eingestellt. Auch bei ihr ist es Freunden und Unterstützern mit einem juristischen Verfahren weniger um eine Bestrafung gegangen, sondern um eine Aufklärung über die Hintergründe ihres Todes.

In der nächsten Zeit dürfte die mangelhafte juristische Aufarbeitung des Todes der rumänischen Arbeitsmigranten Grigore Velcu und Eudache Caldera für Diskussionen sorgen. Die beiden wurden am 29.Juni 1992 angeblich von Jägern auf einem Feld in Mecklenburg Vorpommern erschossen, als sie nach dem Grenzübertritt auf einen Transfer nach Deutschland warteten. Die beiden Jäger, die für die Schüsse verantwortlich waren, wurden freigesprochen. Augenzeugen der Tat wurden nicht gehört, zahlreiche offensichtliche Widersprüche blieben ungeklärt und selbst die den Angehörigen der Getöteten bei einem Jagdunfall zustehende Entschädigung wurde nicht ausgezahlt.

Dass dieser Fall nach fast 20 Jahren wieder diskutiert wird, ist dem Filmemacher Philip Scheffner zu verdanken, der den ungeklärten Fragen dieses Todes im Getreidefeld in dem schon auf der Berlinale vielbeachteten Film Revision nach recherchierte. Er hat damit die Arbeit gemacht, die die Justizbehörden versäumten. Er besuchte die Angehörigen der Toten in Rumänien und spürte auch einen Augenzeugen auf, der mit Velcu und Caldera im Kornfeld wartete, als die tödlichen Schüsse fielen. Als der Prozess begann, war er schon längst wieder abgeschoben worden.
http://www.heise.de/tp/blogs/8/151588
Peter Nowak

Tod im Jobcenter bleibt ohne juristische Folgen

Das Verfahren gegen eine Polizistin, die vor einem Jahr eine Hartz-IV-Empfängerin erschossen hat, wird eingestellt
Warum schoss eine Polizistin auf eine Hartz-IV-Empfängerin? Die Staatsanwaltschaft verweist auf Notwehr, eine Initiative fordert dagegen weiter eine Klärung vor Gericht.

Der Fall sorgte kurzzeitig für Schlagzeilen. Am 19.Mai 2011 starb Christy Schwundeck, eine deutsche Staatsbürgerin nigerianischer Herkunft, an einer Schussverletzung in einen Jobcenter in Frankfurt/Main an einer Schussverletzung. Das tödliche Projektil kam aus der Waffe einer Polizistin.
Schwundeck, die auf Hartz IV angewiesen war, hatte zuvor vergeblich einen kleinen finanziellen Vorschuss verlangt, weil sie mittellos und ihr Antrag noch nicht bearbeitet war. Nachdem der zuständige Fallmanager eine Barauszahlung verweigert hatte und darauf bestand, dass das Geld nur auf ein Konto überwiesen werden kann, protestierte Schwundeck heftig. Nachdem darauf die Polizei gerufen wurde, eskalierte die Situation weiter. Angehörige und Freunde der Getöteten erhofften sich von einer Gerichtsverhandlung die Klärung der Frage, wie es zu dem Schuss kommen konnte.
Doch diese Möglichkeit wird es wohl nicht geben . Die Staatsanwaltschaft Frankfurt/Main hat das Ermittlungsverfahren wegen Verdacht des Totschlages gegen die Todesschützin eingestellt. Nach Auswertung aller Zeugenaussagen habe sich gegen die Polizistin „kein hinreichender Tatverdacht bezüglich der Begehung einer Straftat“ ergeben, begründete ein Sprecher der Behörde die Entscheidung. Er qualifizierte den Schuss als „zulässige Notwehrhandlung“. Die Verteidigungshandlung sei notwendig gewesen, weil Christy unkontrolliert mit einem Messer um sich schlagend agiert habe und auf Aufforderungen, das Messer niederzulegen, nicht reagiert habe.
Ob damit juristisch das letzte Wort gesprochen ist, bleibt noch offen. Christy Schwundecks Bruder lässt die juristischen Erfolgsaussichten einer Beschwerde gegen die Einstellungsentscheidung des Gerichts prüfen.
Empört über die Einstellung des Verfahrens zeigte sich die „Initiative Christy Schwundeck“, in der sich Erwerbslosengruppen und Aktivisten aus antirassistischen Zusammenhängen zusammengeschlossen hatten.
„Wir fordern nach wie vor, dass es zu einem Gerichtsverfahren kommt und unterstützen den Bruder von Christy Schwundeck bei weiteren rechtlichen Schritten“, erklärte ein Sprecher der Initiative gegenüber ND.
Auch die Gewerkschaftliche Arbeitsloseninitiative Darmstadt (Galida) wehrt sich dagegen, dass der Tod im Frankfurter Jobcenter ohne juristische Folgen bleiben soll.
„Unserer Überzeugung ist die Einstellung ein falscher und fataler Entschluss, der dem berechtigten und nötigen Interesse an einer restlosen und zweifelsfreien Aufklärung der Geschehnisse zuwider läuft und das Vertrauen auch in unser Rechtssystem weiter untergräbt, erklärt Galida-Aktivist Thomas Rindt gegenüber Nd. Er stellt auch an das Jobcenter kritische Fragen zu dem Umgang mit den Erwerbsosen. Schließlich sei Schwundeck mit der Verzweiflung über „die Aussicht auf ein Wochenende ohne jegliche Geldmittel“ nicht allein.
ttps://www.neues-deutschland.de/artikel/219213.tod-im-jobcenter
-bleibt-ohne-juristische-folgen.html
Peter Nowak

Initiative für Christy Schwundeck gegründet

Erwerbslosengruppen und antirassistische Initiativen haben in Frankfurt am Main die »Initiative Christy Schwundeck« gegründet. Sie drängen auf die Aufklärung der Todesumstände der Frau, die am 19. Mai im Arbeitsamt Gallus von der Polizei erschossen worden war. Die aus Nigeria stammende Frau war mit einem Sachbearbeiter in Streit geraten, weil der sich geweigert haben soll, Schwundeck 50 Euro auszuzahlen, obwohl ihr Hartz-IV-Antrag schon genehmigt war. Als sie von der Polizei aus dem Arbeitsamt gewiesen wurde, zog Schwundeck ein Messer und verletzte einen Beamten. Eine Kollegin gab daraufhin den tödlichen Schuss ab.

 
»Als Senegalese und Frankfurter möchte ich, dass die Sache glaubwürdig geklärt wird«, erklärt der Sprecher der Senegalesischen Vereinigung im Land Hessen, Manga Diagne, der in der Initiative mitarbeitet. Sie trat am 31. Mai erstmals mit einer Kranzniederlegung für Christy Schwundeck am Ort ihres Todes an die Öffentlichkeit. Für die nächsten Wochen ist eine Demonstration in Frankfurt am Main geplant, auf der sowohl Polizeigewalt, die Zustände in den Jobcentern als auch mögliche rassistische Aspekte des Todes thematisiert werden sollen.

 http://initiative-christy-schwundeck.blogspot.com/

http://www.neues-deutschland.de/artikel/199340.bewegungsmelder.html

Peter Nowak