Auf einer Konferenz in Berlin wurde beraten, wie auf dem kommenden Linke-Parteitag friedenspolitische Grundsätze gestärkt werden können

»Die Linke muss antimilitaristisch bleiben«

Margit Glasow vom Linke-Vorstand warb leidenschaftlich für eine Politik des Klassenkampfes und des Antimilitarismus. Aus ihrer Sicht kämpfen zu viele Genoss*innen in der Partei vorrangig für die Rechte von aufgrund ihrer Identität Diskriminierten, während zu wenige die gemeinsamen Interessen in der Klassenauseinandersetzung in den Mittelpunkt stellen.

»Wehrpflicht – nein danke!« steht auf dem gelben Aufkleber, auf dem eine Sonne ein Gewehr zerbricht. Die Sonne ist als Symbol der Anti-Atomkraft-Bewegung der 1980er Jahre bekannt, ihr Slogan leicht abgewandelt. Die Sticker trafen am Samstag auf einer Konferenz unter dem Titel »Neue deutsche Kriegstüchtigkeit – nicht mit uns« auf großes Interesse. Im bis auf den letzten Platz besetzten Raum im nd-Gebäude waren ältere und auch zahlreiche jüngere Menschen vertreten. Initiiert hatte die Tagung die …

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Auf der jährlichen Marxismus-Konferenz in Berlin waren der Krieg in der Ukraine und die Kriminalisierung propälästinensischer Proteste wichtige Themen. Solidarität gab es mit der Klimabewegung.

Weder Putin noch Nato

Klar abgegrenzt hat sich der Kongress allerdings auch vom sozialkonservativen Flügel um Sahra Wagenknecht und Oskar Lafontaine. Die Zeit, als Lafontaine bei »Marx is’ muss« Säle füllte, ist lange vorbei. Hier wird eine Umstrukturierung am linken Flügel der Partei Die Linke deutlich, zu dem sich die Organisator*innen des Kongresses zählen. Wagenknecht und Co. gehören schon lange nicht mehr dazu

Für das Pfingstwochenende hatte das Netzwerk Marx 21 zu seinem diesjährigen Kongress »Marx is’ Muss« eingeladen. Im nd-Gebäude am Berliner Ostbahnhof versammelten sich hunderte Menschen zu rund 100 Workshops und Diskussionsveranstaltungen sowie am Freitag zu einem Seminartag. Veranstaltende und Teilnehmende griffen Fragen auf, die eine gesellschaftliche Linke, aber auch die Partei gleichen Namens beschäftigen. »Wir möchten dazu beitragen, die Linke klein- und großgeschrieben zu stärken und so Gegenmacht zum Kapitalismus aufzubauen«, schreibt Marx 21 auf der Webseite des Kongresses. Die Organisation war 2007 aus dem trotzkistischen Linksruck hervorgegangen. Auf mehreren Podien des Kongresses spielte der russische Einmarsch in der Ukraine eine Rolle. »Stoppt den Krieg in der Ukraine« lautete der programmatische Titel einer gut besuchten Veranstaltung. Dort waren sich der Referent für …

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»Dead Planet Award« auch an drei Verantwortliche des RWE-Konzerns - Ehrung für Aktivistin aus Mali

Negativpreis für Laschet

Den Ethecon-Positivpreis erhielt die afrikanische Feministin und Politikerin Aminata Dramane Traoré. Die ehemaligen Bundestagsabgeordneten der Linken, Tobias Pflüger und Christine Buchholz, beleuchteten in ihrer Laudatio einige Stationen von Traorés Biografie. Seit Jahrzehnten setze sich die 74-Jährige uneigennützig für gerechten Welthandel, Bewegungsfreiheit für Migranten aus dem Globalen Süden, für Klimagerechtigkeit, Umweltschutz und gegen den Militarismus ein, sagte Pflüger. Als Koordinatorin des UN-Entwicklungsprogramms und malische Kulturministerin habe sie den Neokolonialismus der Industrienationen angeprangert und die Institutionen des Welthandels als Stützen der Konzernherrschaft entlarvt.

Kurz vor Ende seiner politischen Karriere erhielt der ehemalige CDU-Kanzlerkandidat und langjährige NRW-Ministerpräsident Armin Laschet noch einen Preis, den er sich sicher nicht gewünscht hat. Die kapitalismuskritische Stiftung Ethik und Ökonomie (Ethecon zeichnete ihn am Wochenende mit dem »Dead Planet Award« aus. Wie im vergangenen Jahr fand die Preisverleihung online statt. Ethecon-Mitbegründer Axel Köhler-Schnura erklärte, man habe sich dafür angesichts der neuen 2G-Regelung zur Pandemie-Eindämmung entschieden, um auch Menschen ohne Impfnachweis die Teilnahme zu ermöglichen. Er sieht die Vorschrift kritisch, dass Personen mit negativem Testergebnis nicht an Veranstaltungen teilnehmen dürfen. Zudem monierte Köhler-Schnura, dass einige der eingeladenen Gäste aus Mali nicht nach Deutschland kommen konnten, weil der in dem nordafrikanischen Land genutzte Impfstoff gegen das Coronavirus in der EU nicht anerkannt wird. Den Ethecon-Schmähpreis erhielten in diesem Jahr neben Armin Laschet auch …

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Der Tod kam auch aus Ramstein


Während Verwandte von Drohnenopfern gegen das Bundesverteidigungsministerium klagen, werden bereits neue Kriege auch mit Beteiligung der Bundeswehr propagandistisch vorbereitet

Das Bundesverteidigungsministerium[1] trägt eine Mitschuld daran, dass Angehörige der Familie Ali Jaber am 29. August 2012 in einem Dorf in der Provinz Hadramaut im Jemen durch US-Drohnen getötet und verletzt wurden. Das versucht eine 43seitige Anklageschrift zu beweisen, die kürzlich beim Verwaltungsgericht Köln eingegangen ist.

Drei Angehörige der Drohnenopfer im Jemen haben die Klage mit Hilfe internationaler Juristenorganisationen eingereicht[2]. Einer der Kläger ist der Schwager des getöteten Imams Salim bin Ali Jaber. Der hatte sich gegen Al-Qaida gestellt und in einer Freitagspredigt dazu aufgerufen, sich von der islamistischen Organisation zu distanzieren. Diese Predigt hatte im Dorf für Debatten gesorgt. Der Imam und andere Männer, die seinen Kurs unterstützten,hatten Al-Qaida-nahe Islamisten zur Diskussion aufgerufen. Drei von ihnen waren dazu bereit. Die Drohnen töteten sie und die beiden Gegner der Radikalislamisten.

Dass diese Details eines Drohnenangriffs überhaupt bekannt geworden sind, ist bereits ein Erfolg der Anklageschrift der Drohnenopfer. So könnten wir doch etwas nachdenklicher werden, wenn wir wieder einmal in den Nachrichten hören, dass im Jemen, in Pakistan oder Afghanistan Drohnen Extremisten getötet haben.

Die durch die Anklageschrift bekannt gewordenen Details stärkt auch die Kritik der Gegner von bewaffneten Drohnen (Der Sensenmann kommt aus der Luft[3]), die sich weltweit zu organisieren[4] beginnen. Sie haben mit Recht darauf hingewiesen, dass die Drohneneinsätze das gesamte Rechtssystem aushebeln. Diejenigen, die über diese Einsätze entscheiden, sind Richter und Henker in einer Person. Sie vollstrecken Todesurteile ohne Urteil und Verteidigung. Deshalb ist es auch kein Kollataralschaden, wenn wie in Hadramaut Al-Qaida-Gegner Opfer der Drohnen werden. Es gehört schlicht zum System. Alle, die zur falschen Zeit am falschen Ort sind, werden Opfer.

Auch das Argument der Befürworter der Drohneneinsätze, dass man nur so gegen die Islamisten vorgehen kann, zeigt sich an diesem Beispiel als absurd. Der Imam hätte mit seiner Predigt und den Gesprächen mit den Dorfbewohnern sicher einiges gegen den Einfluss von Al-Qaida in seinem Dorf erreichen können. Es hätte vielleicht auch in anderen Dörfern ähnliche Initiativen gegeben und so wäre eine Bewegung entstanden, die den Radikalislamisten tatsächlich gefährlich hätten werden können. Doch welcher Imam wird nun noch eine solche Initiative ergreifen, wenn die Gefahr besteht, dass diejenigen, die die Menschen aus dem Einfluss von Al-Qaida herauslösen wollen, selbst Opfer von Drohnen werden?

Umgekehrt können die Islamisten mit ihrer Propaganda viel Gehör finden, dass es ein Krieg gegen die Moslems ist und bekommen neuen Zulauf. Es ist also für eine universalistische Menschenrechtsperspektive an der Zeit, diese Drohnenangriffe und ihre Verantwortlichen genau so heftig abzulehnen wie den Terror der IS. Drohnenopfer aus Afrika und Asien muss genau so unsere Empathie gehören wie den Opfern der IS.

Die Publizistin Charlotte Wiedemann[5] weist in ihren Texten[6] immer wieder zu Recht darauf hin, dass es sehr wohl Unterschiede bei der Wahrnehmung der Terroropfer gibt, wenn sie aus Europa und den USA oder aus Afrika und Asien kommen. Dahinter steckt ein Kulturrelativismus, der erklärt, dass Menschen aus diesen Kontinenten oder eben deren Gesellschaft und Kultur noch nicht reif für die Menschenrechte seien. Demgegenüber geht ein universalistischer Menschenrechtsbegriff davon aus, dass alle Menschen überall auf der Welt die gleichen Rechte haben. Diese müssen gegen die jeweiligen Länderkulturen und ihre Träger genauso durchgesetzt werden, wie gegen diejenigen, die für die Drohneneinsätze verantwortlich sind.

Schon während des Vietnamkrieges wurden Bombenangriffe in Deutschland koordiniert

Die Anklage rückt nun eine Tatsache in den Mittelpunkt, die hierzulande gerne unter den Tisch fällt. Die Drohneneinsätze werden auch in Deutschland koordiniert – genau darauf stützt sich die Anklageschrift (Bundesregierung: Augen zu und durch[7]). Der US-Stützpunkt Ramstein ist ebenso einer dieser Knotenpunkte wie eine Kaserne am Rande des Städtchens Kalkar in NRW, was auch die Antikriegsbewegung[8] in Deutschland mittlerweile registriert hat.

Bereits in der Vergangenheit wurden Kriege beispielsweise gegen Libyen oder den Irak auch von Einrichtungen auf deutschen Boden koordiniert. Dabei spielte die Airbase Ramstein immer eine wichtige Rolle. Schon während des Vietnamkrieges wurden im US-Stützpunkt Heidelberg Bombenangriffe koordiniert. So wird jetzt die technische Entwicklung nachvollzogen, wenn auch Drohnenangriffe von Einrichtungen in Deutschland vorbereitet werden.

Der gewachsene weltpolitische Einfluss Deutschlands wird dadurch deutlich, dass längst nicht nur Opfer von Kriegseinsätzen klagen, die von US-Einrichtungen auf deutschen Boden koordiniert werden. So haben jahrelang Angehörige und Überlebende der Bombenangriffe auf die Brücke von Varvarin[9] vergeblich durch alle Instanzen geklagt, um einen Schadenersatz zu bekommen. An der Bomberflotte waren auch Flugzeuge der Bundeswehr beteiligt (Verdrängte Kollateralschäden[10]).

Wenige Jahre später, am 3. September 2009, war der deutsche Oberst Klein für das Bombardement im afghanischen Kunduz (War der Befehl zum Abwurf der Bomben falsch?[11]) verantwortlich, das über 140 Menschen das Leben tötete. Die Verwandten der Getöteten und der schwerverletzt Überlebenden scheiterten mit ihrer Klage vor dem Bonner Landgericht (Recht ist, was den Waffen nutzt[12]). Für Oberst Klein war das tödliche Bombardement keine Karrierebremse (Karrieresprung nach fast 100 Toten von Kunduz[13]).

Die Olivgrünen marschieren im Geiste voran

Daher wäre es auch falsch, wenn jetzt in Deutschland selbstgerecht wieder nur auf die USA verwiesen würde, die auf deutschen Boden Drohnenangriffe koordiniert. In Deutschland forderte erst kürzlich die Vorsitzende der Oliv-Grünen, wie die auch aus Teilen der Friedensbewegung entstandene Partei spätestens seit dem von ihr mitgetragenen Jugoslawienkrieg oft genannt wird, einen UN-mandatierten Bundeswehreinsatz der Bundeswehr fordertr[14]. Aauch die lange Zeit als aufmüpfig geltende Grüne Jugend[15] hat gegen diese Forderung wenig anzuwenden[16].

Nur wenige erinnern an die Konsequenzen, wenn eine solche Forderung umgesetzt würde. Der Ausbau für die Bundeswehr, vielleicht sogar die Wiedereinführung der Wehrpflicht stünden dann auf der Tagesordnung. Auf jeden Fall aber gäbe es bald noch mehr Todesopfer, nicht mehr nur durch auf deutschen Boden koordinierte Drohneneinsätze, sondern durch die Bundeswehr.

Vor allem aber würde sich auch das politische Klima in einer Weise ändern, dass Kritiker und Gegner von Kriegseinsätzen fast in der Nähe des Landesverrats gerückt würden. Der Shitstorm und die Häme[17] gegen die Linksparteiabgeordnete Christine Buchholz[18] gibt hier einen kleinen Vorgeschmack, nachdem sie sich für ihre Facebook-Seite[19] mit einem Schild hat fotografieren lassen, wo sie sich mit den kurdischen Kämpfern in Kobane solidarisiert, aber gegen US-Bombeneinsätze ausspricht. Das Foto entstand noch, bevor bekannt geworden ist, dass durch US-Angriffe „versehentlich“ auch kurdische Stellungen bombardiert wurden.

Man kann sicher kritische Fragen an Buchholz stellen, beispielsweise warum sie gegen US- Bombardements eintritt. Dass aber eine Politikerin, für die immer mehr Bomben nicht die Lösung für Probleme auf der Welt sind, genau dafür angegriffen wird, zeigt, dass 2014 in Deutschland Propaganda für einen Krieg auf fruchtbaren Boden fällt. Es besteht also die Gefahr, dass demnächst Bombenopfer vor deutschen Gerichten klagen müssen.

http://www.heise.de/tp/artikel/43/43093/1.html

Peter Nowak

Anhang

Links

[1]

http://www.bmvg.de/portal/a/bmvg

[2]

http://www.ecchr.de/drohnen.html

[3]

http://www.heise.de/tp/news/Der-Sensenmann-kommt-aus-der-Luft-2410468.html

[4]

https://drohnen-kampagne.de

[5]

http://www.charlottewiedemann.de/vita

[6]

http://www.taz.de/Schlagloch-Rassismus/!147680/

[7]

http://www.heise.de/tp/artikel/41/41630/

[8]

http://www.aixpaix.de/autoren/sander/kalkar.html

[9]

http://www.ag-friedensforschung.de/themen/NATO-Krieg/varvarin.html

[10]

http://www.heise.de/tp/artikel/13/13313/

[11]

http://www.heise.de/tp/artikel/31/31072/

[12]

http://www.heise.de/tp/news/Recht-ist-was-den-Waffen-nutzt-2102720.html

[13]

http://www.heise.de/tp/news/Karrieresprung-nach-fast-100-Toten-von-Kunduz-1993019.html

[14]

http://www.taz.de/Goering-Eckardt-fordert-Militaereinsatz/!147638/

[15]

http://www.gruene-jugend.de/

[16]

http://www.tagesschau.de/inland/goering-eckardt-bundeswehr-kobane-103.html

[17]

http://www.fr-online.de/politik/die-linke-freiwillige-selbstentbloessung,1472596,28738820.html

[18]

http://christinebuchholz.de/2014/10/10/solidaritaet-mit-dem-widerstand-in-kobane-nein-zum-us-bombardement/

[19]

http://www.facebook.com/buchholz.christine/photos/a.328468540629033.1073741827.328453390630548/478820092260543/