Datenüberwachung und Kommunikationsverhalten

Der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung ruft dazu auf, die Folgen der Vorratsdatenspeicherung wissenschaftlich zu erforschen
Seit 2008 ist in Deutschland die Vorratsdatenspeicherung in Kraft. Emailadressen sowie Telefon- und Handydaten werden seitdem gespeichert. Wird deswegen weniger telefoniert? Äußern sich die Kommunikationsteilnehmer jetzt vorsichtiger als vorher? Oder hat die Speicherung kein Verhalten auf das Kommunikationsverhalten? Das sind Fragen, die der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung auf wissenschaftlicher Grundlage erforschen will. Daher hat er einen Aufruf gestartet, um Wissenschaftler zu suchen, die ein solches Forschungsprojekt starten.

Bisher gibt es bisher sehr unterschiedliche Signale in dieser Frage. So erklärten in einer im Mai 2008 im Auftrag des Deutschen Journalisten-Verbandes erstellten Forsa-Umfrage 91 % der befragten Journalisten, dass sie ihr Kommunikationsverhalten auch nach der Datenspeicherung nicht geändert haben.

Allerdings erklärte die Mehrheit der Befragten, sie würden wegen der Vorratsdatenspeicherung davon absehen, per Telefon, Email oder Handy Kontakt zu einer Eheberatungsstelle, einem Psychotherapeuten oder einer Drogenberatungsstelle aufzunehmen, wenn sie deren Rat benötigten. Daraus schloss Patrick Beyer vom AK Vorrat, dass die Konsequenzen der Speicherung lebensgefährlich sein können, wenn ein notwendiger Anruf bei einer solchen Einrichtung unterbleibt.

Im Juni 2006 kam ein Forschungsprojekt der Universität Newcastle zu dem Ergebnis, dass schon ein Poster, auf dem ein Auge als Symbol der Überwachung abgebildet ist, Einfluss auf das Kommunikationsverhalten hat.

Die Frage des AK Vorrat, warum Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP), die sich vor ihrer Amtsübernahme als Gegnerin der Datenspeicherung profitierte, ein solches Forschungsprojekt nicht initiiert, ist natürlich berechtigt.

http://www.heise.de/tp/blogs/6/146966
 
Peter Nowak

Linksruck in Kiel

Die FDP verliert ein Mandat an die Linkspartei
Die Linkspartei in Schleswig-Holstein kann sich freuen. Gestern stellte der Landeswahlleiter nämlich fest, dass ihr im Kieler Landtag ein zusätzlicher Sitz zusteht. Dafür dürfte die FDP einen Abgeordnetensitz verlieren. Die Liberale Christina Musculus-Stahnke müsste ihren Sitz für den jungen Sozialisten Björn Thoroe räumen.

Der Grund für diesen Linksruck liegt an einer Neuauszählung im Wahlkreis Husum, die die Linkspartei beantragt hatte. Dort waren ihr bei der letzten Landtagswahl 9 Stimmen zuerkannt worden. Nun wurde festgestellt, dass sie eigentlich 41 Stimmen erhalten hat. Die schwarz-gelbe Landesregierung hätte statt bisher drei dann nur noch eine Mehrheit von einer Stimme. Ministerpräsidenten Carstensen gab sich unbeeindruckt. Schließlich sei schon öfter mit einer Stimme Mehrheit regiert worden. Tatsächlich können solch knappe Stimmenverhältnisse auch einen disziplinierenden Einfluss haben. Deshalb dürften Meldungen voreilig sein, die die Regierung schon in Gefahr sehen.

Allerdings war die schwarz-gelbe Mehrheit in Kiel von Anfang an umstritten. Weil drei Überhangmandate der CDU nicht durch Ausgleichsmandate anderer Fraktionen kompensieren wurden streiten Verfassungsrechtler bis jetzt über die Rechtmäßigkeit der konservativ-liberalen Mehrheit. Eine juristische Klärung könnte sich noch Jahre hinziehen. Ungeklärt blieb bisher, wer für die Falschauszählung verantwortlich ist – ob es sich um eine Computerpanne oder um gezielte Manipulation handelt. Aus diesem Grund stellt sich auch die Frage, ob Husum eine Ausnahme war. Schließlich fand die Nachzählung nur deshalb statt, weil die Linkspartei sehr wenige Stimmen von dem zusätzlichen Mandat trennten. 
 http://www.heise.de/tp/blogs/8/146950

Kampagne für Unia-Sekretär

Gewerkschafter sitzt seit Wochen im Gefängnis

Der Gewerkschafter Murad Akincilar sitzt in der Türkei im Gefängnis. Die Unia startete eine internationale Kampagne für seine Freilassung.

Murad Akincilar ist in der Schweiz als aktiver Gewerkschafter und Menschenrechtsaktivist. Er arbeitet seit vielen Jahren als Gewerkschaftssekretär für die Gewerkschaft Unia in Genf, wo er seit 1999 wohnt. In diesem Jahr hat er gemeinsam mit seiner Frau Asyl in der Schweiz beantragt und erhalten. Als aktiver Linker und Gewerkschafter war er in der Türkei politischer Verfolgung ausgesetzt. Nun muss er diese Erfahrungen erneut machen. Denn Akincilar sitzt seit mehr als drei Monaten in einem türkischen Gefängnis. Am 30. September 2009 war er im Beisein seiner Frau in der Istanbuler Wohnung seiner Eltern von türkischen Zivilpolizisten ohne Angabe verhaftet worden. An diesem Tag fanden in mehreren türkischen Städten Razzien gegen Linke statt. 17 Personen wurden festgenommen, wenige Tage später wurde gegen acht von ihnen ein Haftbefehl erlassen, Akincilar gehörte dazu.

Ihm wird die Mitarbeit an der sozialistischen Zweimonatsschrift Demokratik Dönüsüm Dergisi (Demokratisches Transformations-Magazin) vorgeworfen, einem seit dem Jahr 2000 legal erscheinende linken Debattenzeitschrift.

Nachdem bisher alle Versuche von Akincilars Rechtsanwälten gescheitert sind, die Freilassung des Mannes zu erreichen, hat die Unia eine länderübergreifende Solidaritätskampagne gestartet.

Darin wird neben seiner sofortigen Freilassung auch die Gewährung der Grundrechte eingefordert. »Murad muss die Möglichkeit haben, mit seiner Familie und seinem Anwalt in Kontakt zu treten, die Vorwürfe gegen ihn zu kennen und würdige Haftbedingungen zu haben, die der internationalen Verpflichtung der Türkei entsprechen«, heißt es in einem Appell.

»Wir haben seine moralische Integrität und seinen Gerechtigkeitssinn immer geschätzt«, heißt es in einer Erklärung der Unia zu Akincilar. Unter dem Motto »Gewerkschafter gehören nicht ins Gefängnis« hat es in den letzten Wochen in der Schweiz zahlreiche Solidaritätsaktionen gegeben, an denen sich ein Bündnis linker Gruppen beteiligte.

Neben zahlreichen Gewerkschaftern aus verschiedenen europäischen Ländern hat sich auch die Linksfraktion GUE/NGL im Europaparlament den Forderungen nach seiner Freilassung angeschlossen.

Die Aktivisten befürchten, dass ein weiterer Gefängnisaufenthalt die schon lange angeschlagene Gesundheit von Akincilar weiter schädigt. So musste der schwer sehbehinderte Mann während der Haft an beiden Augen operiert werden.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/163046.kampagne-fuer-unia-sekretaer.html

Peter Nowak

Aufregung über Anti-Kriegs-Provokation

Bundeswehrstudenten stellen Strafanzeige wegen angekündigten Sektumtrunks nach Soldatentod
Eine antimilitaristische Kampagne aus Berlin hat ihr erstes Ziel erreicht: Politik, Bundeswehr und Medien äußern öffentlich ihre Empörung.

Das Büro für Antimilitaristische Maßnahmen (BamM) und der Berliner Landesverband der Deutschen Friedensgesellschaft/Vereinigte Kriegsdienstgegner erhielten in den letzten Tagen viele Hassmails. Die Pazifisten werden dort als Vaterlandsverräter und Kakerlaken beschimpft und mit dem Tod bedroht.

Der Grund für diese Angriffe ist ein offener Brief der beiden Organisationen an die in Afghanistan stationierten deutschen Soldaten. Gleich in den ersten Sätzen wird deutlich, dass die Absender den Soldaten keineswegs gewogen sind: »Sie führen Krieg in aller Welt. Das Töten unschuldiger Zivilisten ist dabei nach Meinung Ihres Vorgesetzten, des sog. Bundesverteidigungsministers, unvermeidlich. Sie setzen diese menschenverachtende Haltung um, indem Sie hin und wieder größere Menschenansammlungen bombardieren oder Ihre Bündnispartner bei solchen ›friedenserzwingenden Maßnahmen‹ unterstützen«, heißt es dort. Besonders erzürnt haben dürfte die Uniformierten der letzte Absatz, in dem sich die Kriegsgegner mit dem Ehrenmal für die getöteten Bundeswehrsoldaten in Berlin auseinandersetzen. Dort werden die Namen von umgekommenen Bundeswehrsoldaten mit einer LED-Lampe acht Sekunden lang an die Wand des Ehrenmals projiziert.

»Der ›ewige Ruhm‹ kommt bei Ihnen ganz schön kurz«, spotten die Pazifisten. »Um den Soldatentod noch ein wenig süßer zu machen als er ohnehin schon sein soll, werden wir künftig jedes Mal, wenn einer von Ihnen ›fällt‹, eine Runde Schampus schmeißen. Aus lauter Freude, direkt an Ihrem Ehrenmal.« Mittlerweile zirkulieren in Berlin Aufrufe, in denen dazu aufgerufen wird, sich an dem Tag, an dem ein Bundeswehrsoldat umkommt, um 17.30 Uhr zum Sekttrinken zu versammeln.

Die Aufregung auf diesen Brief war nicht nur bei der Springerpresse groß. Der Studentische Konvent der Helmut-Schmidt-Universität Hamburg, an der viele Offiziersanwärter studieren, hat Strafanzeige gegen die Verantwortlichen der Internetplattform bamm.de gestellt. »Wir wollen, dass sie zur Verantwortung gezogen werden, es ist nicht das erste Mal, dass auf der Seite so etwas auftaucht«, erklärt ein Sprecher des Konvents. Auf der Internetplattform StudiVZ hat mittlerweile eine Nutzergruppe die Initiative »Flagge zeigen gegen bamm.de« gegründet, die sich gegen die »Verunglimpfung der Soldaten« wendet. Der Wehrbeauftragte des Bundestages Reinhold Robbe (SPD) spricht von einer perfiden und nicht zu überbietenden Geschmacklosigkeit.

Günther Schütz von der BamM sieht in der Aufregung den Beweis, dass »unsere Kampagne genau zum richtigen Zeitpunkt kommt und die richtige Wirkung hat«. Es gehe darum, den Soldaten auf eine drastische Art die Folgen ihrer Beteiligung am Kriegseinsatz vor Augen zu führen. Auch die angekündigten juristischen Schritte sieht der Sprecher der BamM gelassen. Bereits im November 2009 seien die Ermittlungen in einem ähnlichen Verfahren eingestellt worden.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/163337.aufregung-ueber-anti-kriegs-provokation.html

Peter Nowak