Rechte und Marktradikale gegen EU-Rettungsschirm

Berlin – Am Freitagnachmittag versammelten sich rund 150 Menschen vor dem Reichstag in Berlin, um gegen den Europäischen Rettungsfond zu mobilisieren. Mit 15 Personen war auch die Berliner NPD mit einem Transparent, das die Aufschrift trug „Deutschland darf nicht der Zahlmeister Europas werden“, vertreten.

Wegen der NPD-Teilnahme gab es im Demonstrationsbündnis Kontroversen. Zu Beginn der Kundgebung distanzierten sich die Veranstalter von der rechtskonservativen Initiative „Ja zum Grundgesetz, nein zum EMS“ von der NPD. Allerdings war während der knapp 90minütigen Kundgebung davon wenig zu spüren. Einige Redner betonten sogar ausdrücklich, dass alle Teilnehmenden erwünscht seien und der interne Streit nur dem „herrschenden Parteienkartell“ nütze.

Als eine kleine Gruppe von Nazigegnern Parolen gegen die NPD skandierte, wurden sie von den Teilnehmern der Kundgebung beschuldigt, dass Geschäft der Gegner zu betreiben. Auch außerhalb des NPD-Blocks tummelten sich rechte Kleingruppen unterschiedlicher Provenienz. Die „Bürgerinitiative Solidarität“ (Büso) proklamierte ein Recht auf Widerstand gegen die EU-Politik. Auf einer Flugschrift „Stimme und Gegenstimme“ mit dem Untertitel „Wenig Gehörtes vom Volk für das Volk“ wurde neben der EU-Politik auch gegen sexuelle Freizügigkeit und Impfpflicht mobil gemacht.

ESM-Spezial der „Jungen Freiheit“ verteilt

Aktiv war neben den Freien Wählern auf der Kundgebung auch die Partei der Vernunft, die eine schrankenlose Marktwirtschaft sowie die Abschaffung der Pflicht zur Renten- und Krankenversicherung fordert. Es gehe darum die Macht der Kartelle und Gewerkschaften massiv einzuschränken, damit sich die Einstellung von Arbeitnehmern wieder lohne, erklärte ein Flugblattverteiler. Auch ein ESM-Spezial der Wochenzeitung „Junge Freiheit“ wurde auf der Kundgebung verteilt.

Bereits am 2. Juni gab es in München eine ähnliche Kundgebung, an der sich Funktionäre von Republikanern und NPD beteiligten. Im Oktober 2011 fand unter dem Titel „Eurorettung – ein Thema für Wutbürger“ in der Verwaltungsfachschule Speyer ein Treffen unterschiedlicher Kritiker der EU-Politik statt. Die dort anwesenden sächsischen NPD-Funktionäre, unter anderem der Landtagsabgeordnete Arne Schimmer, zogen auf der Homepage des Kreisverbandes Leipzig eine positive Bilanz.
http://www.bnr.de/artikel/aktuelle-meldungen/
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Peter Nowak

„Sammeln zum Angriff gegen den Euro“

Eine neue rechte außerparlamentarische Opposition gegen die EU? Ein Bündnis rechter Gruppierungen protestiert gegen den Europäischen Rettungsfond. Auch die NPD hat sich angemeldet
Occupy-Berlin wird jetzt doch nicht an einer Demonstration teilnehmen, die unter dem Motto „Ja zum Grundgesetz, nein zum ESM“ seit Tagen für Diskussionen sorgt. Denn mit dem Eintreten für „souveräne Staaten“ und gegen die „Finanzdiktatur“ war der Aufruf nach rechts weit offen. Auf der Homepage wurde vor einer „Neuen Weltregierung“ gewarnt, die mit EU und UN vorbereitet werden soll.

Doch erst als die Berliner NPD die Gelegenheit nutzte, sich medienwirksam in Szene zu setzen und zu der Demonstration aufzurufen, distanzierten sich Occupy-Aktivisten von der Demonstration. Andere Teile des Bündnisses mobilisieren unter dem Motto „Ja, zum Grundgesetz, nein zu Nazis“ weiterhin zu der Aktion, wollen aber die NPD nicht dabei haben.

Tatsächlich dürfte die NPD nicht besonders gut für das Image eines Bündnisses sein, das erst vor wenigen Tagen Lob vom führenden neoliberalen Wirtschaftslobbyisten Hans Olaf Henkel bekommen hat. In einem Kommentar im Handelsblatt verteidigte Henkel die Aktivisten gegenüber dem Vorwurf, rechtspopulistisch und antieuropäisch zu sein. Es seien „aufrechte Bürgerinnen und Bürger“, so Henkel. Dieses Lob des ehemaligen IBM-Managers überrascht nicht.

Seit einigen Jahren ist Henkel überall dabei, wo sich rechts von der Union Bürger gegen den Euro mobilisieren. Bisher blieb es meistens bei Bekundungen. Doch nach dem Thilo Sarrazin mit seinem neuesten Buch gegen den Euro die Stichworte geliefert hat, scheint der rechte Bürgerprotest noch an Schwung zu gewinnen. „Wutbürger sammeln sich zum Euro-Angriff“, heißt es im Handelsblatt.

Bundesweite Anti-EU-Partei

Manche dieser rechten Wutbürger scheinen es mit der „sich jetzt formierenden außerparlamentarische Opposition (APO)“ (Henkel) nicht so ernst zu nehmen und basteln nach Handelsblatt-Informationen schon an neuen Parteien. Ein Bündnis aus Industrievertretern und Professoren wolle die Freien Wähler als Anti-EU-Partei aufbauen und hofft auf Mandate bei der nächsten Bundestagswahl. In Bayern waren sie 2008 mit fast 10 Prozent in den Landtag eingezogen.

Danach hat man aber wenig von ihnen gehört. Auf den neoliberalismuskritischen Nachdenkseiten wurde dieses Bündnis schon als deutsche Teapartybewegung bezeichnet. Tatsächlich gibt es hierzu einige Parallelen, die Unterstützung aus Teilen des Kapitals gehört ebenso dazu wie ein Marktfundamentalismus. Auch Gruppierungen, die noch immer für die Entschädigung von Junker und Adel in der Ex-DDR kämpfen haben sich unter diese neue rechte Bürgerbewegung gemischt und rufen auch mit zur Demo gegen die EU-Politik auf.

Ob sich dieses lose Bündnis zur bundesweiten Anti-EU-Partei mausert, muss sich noch zeigen. Schon seit Jahren waren solche Experimente nicht erfolgreich und es wird zwischen NPD, Pro Bewegung und Co. zunächst einmal viel Konkurrenz geben. Die Querelen um die Demonstration im Berliner Regierungsviertel sind da nur ein kleiner Vorgeschmack.

Die Publizisten Thomas Wagner und Michael Zander haben übrigens in ihren kleinen Büchlein „Sarrazin, die SPD und die neue Rechte“ eines der Gründungstreffen der neuen „rechten Apo“ aufgelistet. Es fand im letzten Oktober in der Verwaltungsfachhochschule Speyer unter dem Titel „Eurorettung – ein Thema für Wutbürger“ statt. Laut der beiden Publizisten gaben sich dort Sarrazin, Olaf Henkel, die ehemalige CSU-Politikerin Gabriele Pauly und der rechte Parlamentskritiker Hans Herbert von Arnin ein Stelldichein. Im Publikum saßen auch sächsische NPD-Funktionäre, die sich nachher positiv über das Treffen äußerten. So konnte es heute Nachmittag auch im Berliner Regierungsviertel aussehen.
http://www.heise.de/tp/blogs/8/152152
Peter Nowak

Naziterror gegen Kinder

Ausstellung von Freiburger und Berliner Schülern über Schicksale von Minderjährigen im NS-Staat
Der Verfolgung von Kindern und Jugendlichen im Nationalsozialismus widmet sich eine von Schülern erstellte Ausstellung im »Berliner Haus der Demokratie«

„Joseph, du bist ein Mulatte. Für solche Kinder habe ich nichts“. Mit diesen harten Worten wies der Weihnachtsmann den Wunsch des 12jährigen nach Geschenken 1934 zurück. Im Nationalsozialismus blieb die Rasseideologie auch am Heiligen Abend gültig.
Eine Ausstellung im Haus der Demokratie dokumentiert auf 50 Tafeln die Schicksale von Kindern und Jugendlichen, die aus unterschiedlichen Gründen im NS verfolgt waren. Elisabeth Müller war 17 Jahre, als sie gemeinsam mit ihren Eltern wegen kommunistischer Aktivitäten von der Gestapo verhaftet wurde. Mehrere Tafeln gehen auf die sogenannten Euthanasieopfer eingegangen. Die Jugendlichen und Kinder wurden wegen angeblicher erblicher Krankheiten oder krimineller Vorfahren in Anstalten gequält und häufig sterilisiert.
Ein großer Teil der Ausstellungstafeln wurde unter Federführung einer christlichen Initiative von Schülern aus 8 Schulen aus Freiburg und Umgebung erstellt und wird erstmals in Berlin gezeigt. Sie trägt den Titel „Naziterror gegen Jugendliche“.
10 Tafeln wurden von einer 26köpfigen Schülergruppe der Berliner Felix-Mendelssohn-Bartholdy Gymnasiums erstellt. Auf der Suche nach in Berlin verfolgten Kindern und Jugendlichen haben die Zeitzeugen interviewt und über Verfolgte in ihrer Nachbarschaft recherchiert“, berichtet die Kuratorin der Ausstellung Anne Allex vom Arbeitskreis Marginalisierte gestern und heute. Im Gespräch mit nd erinnert sie daran, dass das Schicksal der im NS verfolgten Kinder und Jugendlichen bisher wenig bekannt ist“. Die Freiburger Ausstellung leistete auf diesem Gebiet Pionierarbeit. Viele von den Betroffenen, die heute noch leben, leiden jetzt im hohen Alter an den Folgen der Verfolgung in ihrer Jugend. In der Regel haben sie dafür keine Entschädigung bekommen“, so Allex. Sie gibt die Hoffnung nicht auf, dass mit durch die Ausstellung eine Debatte für unbürokratische Unterstützung für die für die wenigen noch Überlebenden angeregt wird.
Ein geplanter Ausstellungskatalog, der eine Lücke in der Geschichte der NS-Verfolgung schließen würde, konnte bisher nicht erstellt werden, weil die Ausstellung bisher noch immer Fördermittel fehlen. Die Organisatoren haben Interesse, dass die Ausstellung auch in anderen Einrichtungen gezeigt wird. Interessenten können sich unter info(at)anne-allex.de na die Kuratorin wenden.

Peter Nowak

Die Ausstellung „Unrecht an Kindern und Jugendlichen im deutschen Faschismus ist im Foyer und dem Robert Havemann-Saal des Hauses der Demokratie in der Greifswalder Straße 4 zu sehen. Weitere Infos http://www.anne-allex.de/index.php?id=105

https://www.neues-deutschland.de/artikel/229018.naziterror-gegen-kinder.html

Peter Nowak

Peter Hartz als Freund der Schlecker-Frauen?

Während selbstbewusste Vorschläge der Beschäftigten in den Medien größtenteils ignoriert wurden, werden sie zu rettungsbedürftigen Opfern erklärt

Alles, nur nicht in Hartz IV enden. Dieses Credo führt seit Jahren dazu, dass Lohnabhängige immer wieder der Verschlechterung ihres Lohnes und ihrer Arbeitsbedingungen zuzustimmen, damit sie nur nicht arbeitslos werden. Für Tausende Schlecker-Beschäftigte ist nach dem endgültigen Aus der Drogeriekette das Horrorszenario wahr geworden. Für viele von ihnen scheint der Weg in Arbeitslosigkeit und der Hartz IV-Bezug unausweichlich. Nun stilisiert die FAZ ausgerechnet den Hartz IV-Namensgeber Peter Hartz pauschal zum Retter der Schlecker-Frauen.

Die Meldung ist allerdings eher ein Beispiel für Meinungsmache durch irreführende Überschriften. Denn erst im Text wird die örtliche Begrenzung des Angebots auf das kleine Saarland erwähnt. Doch auch für sie ist diese Rettung eher ein beleidigendes Angebot, das sie in ihrer Notlage aber nicht wohl mehrheitlich nicht ausschlagen können.

„Das Minipreneure-Zentrum in Saarbrücken bietet den „Schlecker-Frauen“ an, sie zu schulen und herauszufinden, wo ihre Stärken liegen, mit ‚Talentdiagnostik‘, ‚Gesundheitscoaching‘ und ‚Kreativworkshop‘. Um die Arbeitslosen zu revitalisieren, wie Peter Hartz einmal sagte. Saarbrücken bietet den ‚Schlecker-Frauen‘ an, sie zu schulen und herauszufinden, wo ihre Stärken liegen, mit ‚Talentdiagnostik‘, ‚Gesundheitscoaching‘ und ‚Kreativworkshop‘.“

Wie die Schlecker-Frauen ganzheitlich in den Blick genommen werden

Es sollen also die Methoden an den Schlecker-Frauen ausprobiert werden, die zum Kernbestand der Hartz IV-Gesetzgebung gehören und seit der Einführung genau so stark in der Kritik sind wie die Sanktionen und die niedrigen Hartz IV-Sätze. Es geht um den gläsernen Erwerbslosen, der fit für den Arbeitsmarkt gemacht werden soll.

In der Sprache der professionellen Arbeitsvermittler heißt es auf der Homepage des Projektes:

„Minipreneure ist ein transdiziplinäres Projekt, das in ganzheitlicher und differenzieller Weise langzeitarbeitslose Menschen in den Blick nimmt.“

Dabei zeigt sich gerade am Beispiel der Schlecker-Beschäftigten, wie absurd das Angebot ist. Sie sollen revitalisiert werden, obwohl sie nicht nur seit Monaten um ihre Arbeitsplätze kämpfen und auch immer wieder betonen, mit der schlechten Geschäftspolitik, die zur Pleite führte, bestimmt nichts zu tun haben. Viele von ihnen haben im Rahmen der Schlecker-Kampagne, die zum Startschuss für eine Gewerkschaftspolitik wurde, die mit sozialen Initiativen kooperierte, gegen schlechte Löhne und Arbeitsbedingungen und das Recht, sich gewerkschaftlich zu organisieren und Betriebsräte zu wählen, gekämpft.

Auch nach Bekanntwerden der Schlecker-Pleite war bei vielen von ihnen etwas von dem Selbstbewusstsein zu spüren, das sie sich in der langen Auseinandersetzung mit dem Schlecker-Imperium erworben haben. So brachten vor allem einige Scklecker-Beschäftigte aus dem Südwesten der Republik den Vorschlag ein, die Läden in Form einer Genossenschaft weiterzubetreiben. Anders als ihre Bosse würden sie schließlich genau wissen, was ihre Kunden wünschten und so trauen sie sich zu, die Läden in kurzer Zeit wieder in die Gewinnzone zu bringen, so ihre Begründung.

Hilfe durch Kredite zu Wulff-Bedingungen

Da es auch aus gewerkschaftlicher Sicht begründete Vorbehalte gegen das Genossenschaftsmodell gab, weil die Beschäftigten dort mit ihren Löhnen haften müssten, hatten einige der Schecker-Frauen den Vorschlag gemacht, der Staat solle mit einen Wulff-Kredit aushelfen. Zur Erinnerung: Der damalige Bundespräsident Christian Wulff stand wegen eines Kredites zu sehr günstigen Bedingungen für die Finanzierung seines Eigenheimsbaus in der Kritik. Statt sich der landesweiten moralischen Empörung anzuschließen, forderten die Schlecker-Beschäftigten Kredite zu solchen Konditionen zum Erhalt ihrer Arbeitsplätze. Die Debatte um solche unkonventionellen Modelle wurde allerdings in den meisten Medien ignoriert.

Solche selbstbewussten Vorschläge passten nicht in eine Medienlandschaft, welche die Schlecker-Beschäftigten zu duldenden Opfern macht. Dass ein Angebot, das für die Betroffenen eine Zumutung sein muss, als Rettung durch Peter Hartz gefeiert wird, vervollständigt dieses Bild.
http://www.heise.de/tp/blogs/8/152138
Peter Nowak

Genossenschaft unerwünscht

Öko-Textil-Versand Hessnatur an Private-Equity-Fonds verkauft
Überraschend hat das Besitzerkonsortium von Hessnatur den Naturmodehersteller an den Schweizer Fonds Capvis verkauft.

Der Naturmodehersteller Hessnatur soll vom Schweizer Finanzinvestor Capvis übernommen werden. Bei Mitarbeitern und Kunden sorgt diese Meldung für Empörung. Dabei schienen sie vor wenigen Tagen noch am Ziel eines monatelangen Kampfes zu sein: »Die hnGeno eG, die Genossenschaft zur Weiterführung von Hessnatur, plant gemeinsam mit der Deutschen Industrie-Holding (DIH) das Naturmodeunternehmen zu erwerben, das Geschäft weiterzuführen und weiter zu entwickeln. Ein entsprechender Konsortialvertrag wurde bereits notariell beurkundet«, heißt es in einer Pressemitteilung vom 31. Mai.

Dass Beschäftigte »ihre« Firma nicht an jeden Investor verkaufen lassen wollen, ist selten und hat eine Vorgeschichte: Im Dezember 2010 war bekannt geworden, dass Hessnatur an den Rüstungsinvestor und Private-Equity-Fonds Carlyle verkauft werden sollte. Viele Kunden und Mitarbeiter lehnten diesen Deal ab. Das globalisierungskritische Netzwerk Attac organisierte unter dem Motto »Hessnatur in die Hände von Kunden und Belegschaft« eine bundesweite Kampagne. In der ersten Runde setzten sich die Kritiker durch. Nachdem Tausende einen Boykottaufruf unterzeichnet hatten, zog sich Carlyle zurück.

Der Erfolg war für die Kritiker Ansporn, mit der Genossenschaft eine Alternative zu kreieren, die auch über Hessnatur hinaus ausstrahlen könnte. Hierin dürfte auch der Grund liegen, dass der Verkäufer KarstadtQuelle Mitarbeitertrust (KQMT), der in Hessnatur in erster Linie eine Finanzierungsquelle für die Rentenansprüche des in Konkurs gegangenen Unternehmens sieht, nicht an die Genossenschaft verkaufen will, sondern jetzt das Angebot des Fonds Capvis annahm. Finanzielle Gründe können es nicht gewesen sein: Die Genossenschaft habe die gleiche Summe wie Capvis geboten und die Rentensprüche seien garantiert gewesen, betont Jutta Sundermann vom Attac-Koordinierungsrat gegenüber »nd«.

Auch Giuliana Giorgi von der Kampagne »Betriebe in Belegschaftshand / Netzwerk Solidarische Ökonomie« sieht in der Nichtberücksichtigung des Genossenschaftsangebots den Versuch, ein Modell zu verhindern, in dem Beschäftigte und Mitarbeiter selbst aktiv werden. »Ich finde es unglaublich, dass der KQMT nicht zur Kenntnis nimmt, dass sich Beschäftigte und Mitarbeiter zusammengeschlossen haben, um die Firma Hessnatur mit ihrem bisherigen Profil zu retten«, so Giorgi. Sollte der Verkauf an Capvis nicht gestoppt werden, könnten viele Kunden die Firma demnächst boykottieren, so ihre Befürchtung. In einem Dilemma befinden sich dann die Mitarbeiter, die um ihre Jobs fürchten müssten.

Sundermann kritisierte in einer Pressemitteilung, der Verkauf an einen reinen Finanzinvestor wie Capvis stehe im Widerspruch zum sozialen und ökologischen Unternehmensmodel von Hessnatur. Die Gefahr eines baldigen Weiterverkaufs – auch an Rüstungsprofiteure wie Carlyle – sei sehr groß.

Trotz der Lektion in fehlender Wirtschaftsdemokratie, die der KQMT erteilt hat, will die hnGeno nicht aufgegeben. Schließlich ist der Kaufvertrag mit Capvis noch nicht endgültig abgeschlossen. Die Genossenschaft versucht sich nun weiterhin als attraktiver Mitbieter zu präsentieren. Das ist wiederum ein Dilemma für Organisationen wie Attac, die deshalb bisher nicht zu Protesten gegen den Blitzverkauf aufgerufen haben. Denn noch gibt es die Hoffnung, dass die Genossenschaft zum Zuge kommt, wenn sie ihr Eigenkapital erhöht.
http://www.neues-deutschland.de/artikel/228681.
genossenschaft-unerwuenscht.html
Peter Nowak

Linken-Spitze mit Vertretern sozialer Bewegungen

Mit der Wahl von Katja Kipping und Bernd Riexinger haben die Delegierten des Parteitages der Linken den Kurs der Anpassung an die SPD eine klare Aussage gegeben. Die Partei will sich den unterschiedlichen sozialen Bewegungen öffnen
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Kipping, die der Emanzipatorischen Linken nahe steht, setzt sich besonders für die Aufhebung von Sanktionen für Hartz IV-Empfänger und das bedingungslose Grundeinkommen ein. Der Stuttgarter verdi-Vorsitzende Bernd Riexinger war von vielen Medien bisher überhaupt nicht beachtet worden. Deshalb wird er jetzt mit Bezeichnungen wie Gefolgsmann Lafontaines oder Fundamentalist bedacht.

Dabei gehört Riexinger seit Jahren zu den profiliertesten Linksgewerkschaftern in der Republik. Immer wieder hat er, oft gemeinsam mit Werner Sauerborn in [(http://www.labournet.de/diskussion/gewerkschaft/debatte/wurzeln.pdf Diskussionspapieren] für eine Gewerkschaftspolitik geworben, die sich vom Dogma der Standortsicherung verabschiedet. Auch in der Praxis steht Riexinger seit Jahren in Krisenbündnissen für die Zusammenarbeit von Gewerkschaften, linken Initiativen und sozialen Bewegungen. Riexinger war einer der wenigen Gewerkschafter, der keine Berührungsängste zur außerparlamentarischen Linke hatte.

Absage an die alte SED-Mentalität

Dass sich Riexinger in einer Kampfabstimmung gegen den rechten Flügelmann der Partei Dietmar Bartsch durchgesetzt hatte, war eine Bedingung für eine Fortsetzung als bundesweite Linke. Um Bartsch hätte sich der Flügel in der PDS gescharrt, die mit dem Konzept einer ideologiefreien, stromlinienförmigen ostdeutschen Volkspartei möglichst schnell an Regierungsposten kommen wollte. Schließlich handelte es sich bei dem Personal um SED-Kader im Wartestand, die zunächst wegen der Zähigkeit der Funktionärselite um Honecker und dann dem Ende der DDR nicht mehr zum Zuge kamen. Nach der Fusion mit der WASG zur Linkspartei war diesen ewigen Nachwuchskadern in linkssozialdemokratischen Gewerkschaftern eine lästige Konkurrenz erwachsen. Daraus und nicht nur an ideologischen Fragen rühren die sich zur Feindschaft entwickelten Konflikte, die das Bartsch-Lager mit den Kreisen um Klaus Ernst und Oskar Lafontaine hat. In den letzten Wochen haben sich die Konflikte so weit zugespitzt, dass selbst führende Politiker der Linken vor einer Spaltung warnten. Gregor Gysi sprach denn auch von einem Klima des Hasses in der Partei und sah in einer Trennung dann sogar eine zivilisierte Lösung.

Mit der Wahl von Riexinger und Kipping müsste diese Gefahr eigentlich gebannt sein. Denn Kipping kommt zwar aus dem Osten, hat aber weder etwas für Ostalgie übrig noch für die Strippenzieher-Qualitäten eines Dietmar Bartsch. Mit Riexinger kommt nun ein Gewerkschafter zum Zuge, der anders als Klaus Ernst Politik nicht nur aus der Perspektive des IG-Metall-Büros betrachtet. Doch ob damit die Krise der Linken beendet wird, liegt in erster Linie an der Reaktion derjenigen Parteirechten, die sich hinter dem Kandidaten Bartsch versammelt haben.

Dazu gehört auch der Berliner Landeschef Klaus Lederer und der Parteivorsitzende von Mecklenburg Vorpommern, Steffen Bockhahn, die einfach den Kandidaten unterstützen, der für eine stromlinienförmige Partei mit Regierungsoptionen eintritt. Riexinger und Kipping dürften hierfür die Gewähr nicht bieten. So ist nicht unwahrscheinlich, dass manche Bartsch-Anhänger noch den Absprung zur SPD wagen, vor allem wenn ihnen Abgeordnetenmandate zugesichert werden.

Die Medien würden daraus ebenso eine Fortsetzung der Krise der Linkspartei herbeisprechen, wie über jede andere kritische Äußerung aus dem Bartsch-Lager. Da mit dem Bundesgeschäftsführer Matthias Höhn auch ein Exponent des Realoflügels auf einen zentralen Posten gewählt wurde, könnte es allerdings auch zu einer Auflösung der starren Fronten kommen. Auch als stellvertretende Vorsitzende wurden neben der Parteilinken Sahra Wagenknecht Vertreter der Realos gewählt. In Medien wird das Ergebnis des Parteitags eher negativ aufgenommen.

Schon seit Monaten war dort Bartsch zum Hoffnungsträger der Linken hochgeschrieben worden, während Lafontaine zum Fast-Diktator heruntergeschrieben wurde. Warum soviel Nachsicht gegenüber einem SED-Apparatschick und so viel Wut über einen Ex-SPD-Vorsitzenden, der sich im Grunde auch in seiner neuen Partei nicht groß verändert hat?

Ein Radikaler ist Lafontaine bis heute nicht; seine gelegentlichen Ausflüge in den Populismus zeigen, dass er sich auch auf das Geschäft des Machterhalts versteht und eine Regierungsbeteiligung seiner Partei wäre an ihm bestimmt nicht gescheitert. Es ist eher die Existenz einer Partei, die dem neoliberalen Einheitsdenken widerspricht, die in großen Teilen der Medien solche Abwehrreflexe hervorrufen. Ein Bartsch oder Lederer taugen dann als Bespiele dafür, dass auch dort Vernunft einkehrt, d.h. dass sich die Partei auch dem Mainstream anpasst. Auf dem Parteitag ist die Mehrheit diesem Kurs nicht gefolgt.
http://www.heise.de/tp/blogs/8/152124
Peter Nowak

Mahnmal soll endlich fertig gebaut werden

Neue Initiative für das unvollendete Denkmal für die im Nationalsozialismus ermordeten Sinti und Roma

Auf einer Wiese zwischen Brandenburger Tor und Reichstag befindet sich hinter einem Zaum ein großes weißes Zelt. Die Umrisse einer Bodentafel sind ebenfalls zu sehen. Die zahlreichen Passanten, die hier täglich vorbeigehen, können nun erfahren, dass sich unter den Planen das unvollendete Denkmal für die im Nationalsozialismus ermordeten Sinti und Roma befindet.

Auf Deutsch und Englisch informiert darüber ein großes weißes Banner, das am Samstag im Rahmen einer Kundgebung am Zaum befestigt wurde. Daneben behandeln kleine Tafeln Angriffe auf Sinti und Roma seit 2010. Viele Übergriffe, auch mit tödlichem Ausgang, fanden in osteuropäischen Ländern statt, andere in Italien.

Es war allerdings keine staatliche Stelle, die diese Informationen bereitstellte, sondern die kürzlich im Rahmen des Kunstfestivals Biennale gegründete »Bürgerinitiative für das Denkmal für die im Nationalsozialismus ermordeten Sinti und Roma«. Der Zusammenschluss war von der Europäischen Roma-Kulturstiftung (ERCF) initiiert worden. Sie bekämpft Ignoranz gegenüber den Hunderttausenden, die im Nationalsozialismus als Sinti und Roma verfolgt, gequält und ermordet wurden.

Die Geschichte des unvollendeten Denkmals ist ein Zeichen für solche Ignoranz. Zunächst wurde es von vielen Politikern, wie dem ehemaligen Regierenden Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU), kategorisch abgelehnt. Nachdem der Bundestag die Errichtung des Mahnmals beschlossen hatte, begann der Kampf um die Finanzierung. Die ist so knapp bemessen, dass der für die Gestaltung des Mahnmals auserkorene Künstler Dani Karavan sein Vorhaben als nicht realisierbar ansieht, wie er auch auf der Kundgebung sagte: »Die künstlerische Gestaltung ist mit diesen Mitteln nicht zu machen.«

In einem Großteil der Medien werden hingegen zu hohe finanzielle Forderungen des Künstlers oder Unstimmigkeiten unter den Opferverbänden über die Inschrift auf dem Denkmal für die Verzögerung verantwortlich gemacht. Dass die Unstimmigkeiten, die es über die Bezeichnung der Opfergruppen gab, längst geklärt sind, wurde am Samstag deutlich. Roma-Älteste und Dani Karavan traten auf der Kundgebung gemeinsam für eine unverzügliche Fertigstellung des Mahnmals und eine ausreichende finanzielle Ausstattung ein.

Auch nach der Kundgebung wurden die Informationstafeln vor allem von den zahlreichen Touristen gelesen. Aktivisten aus dem antifaschistischen Milieu Berlins hatten sich allerdings kaum an der Kundgebung beteiligt. Das kann an der Kurzfristigkeit der Mobilisierung liegen. Erst in den letzen Tagen wurden in verschiedenen Berliner Stadtteilen große Plakate angebracht, die auf die Kundgebung hinwiesen. Die künstlerisch gestalteten Plakaten haben allerdings auch einen längerfristigen Zweck, wie eine Aktivistin des Vorbereitungskreises sagte: »Damit soll auch die Diskussion über den verschleppten Denkmalsbau angeregt werden und dafür gesorgt werden, dass sie auch in den nächsten Wochen weiterläuft.«
http://www.neues-deutschland.de/
artikel/228602.mahnmal-soll-endlich-fertig-gebaut-werden.html
Peter Nowak

Mehrheit in Irland für Fiskalpakt

Das Ergebnis ist Ausdruck der Resignation großer Teile der irischen Bevölkerung

In Irland haben bei einem Referendum knapp 60 Prozent der Teilnehmenden dem EU-Fiskalpakt zugestimmt. An der in Irland obligatorischen Volksabstimmung bei Verfassungsänderungen haben sich knapp 50 Prozent der Wahlberechtigten beteiligt. Sämtliche Regierungsparteien, aber auch die großen Oppositionsparteien sind für ein Ja zum Fiskalpakt eingetreten. Insofern war es durchaus ein Erfolg der Fiskalpaktgegner darunter mehrerer irischer Gewerkschaften, dass 40 Prozent dagegen gestimmt haben.

Obwohl schon wochenlang im Umfragen eine Mehrheit für den Fiskalpakt deutlich wurde, blieb das Ergebnis bis zum Abstimmungstag offen. Schließlich war die Anzahl der Unentschiedenen bis zum Schluss groß. Dass gut die Hälfte das Referendum schließlich ignorierten, macht auch deutlich, dass große Teile in einem für sie unlösbaren Dilemma steckten.

Einerseits bedeutet der Europäische Fiskalpakt eine strenge Spardisziplin mit weiteren Kürzungen in den Sozialhaushalten. Andererseits drohten die Politiker, das Land werde die europäische Unterstützung verlieren, wenn es dem Fiskalpakt nicht zustimmt. Die Mehrheit fügte sich ins scheinbar Unvermeidliche und wählten von zwei schlechten Alternativen, diejenige, bei der sie zumindest Unterstützung von Außen erhoffen können. Dass der Mehrheit ein Ja zu weiteren Haushaltskürzungen schwergefallen sein muss, wird mit den Blick auf die politische und soziale Situation auf der Insel deutlich.

Nach fünf Sparprogrammen…

Mittlerweile fünf Sparprogramme führten zur massiven Verarmung von großen Teilen der Bevölkerung. Das zeigte sich an den steigenden Zahlen der Auswanderungen vor allem junger Menschen, die in Irland keine Perspektive für sich mehr sehen.

Damit knüpft Irland an eine Tradition ein, die die politische Klasse auf der Insel eigentlich für überwunden erklärt hatte. Lange Zeit galt Irland als Armenhaus Europas, es gab Hungersnöte und Massenauswanderungen vor allem in die USA. Noch heute können Reisende auf der Insel seit Jahrzehnten verlassene Dörfer als Zeugen des Exodus vergangener Zeiten sehen. Aktueller sind riesige leerstehende Dienstleistungszentren, aber auch Wohnsiedlungen, die mittlerweile wieder verrotten.

Sie künden von der Phase eines massiven Wirtschaftsbooms, in der manche Medien den Begriff des „keltischen Tigers“ prägten. Menschen aus vielen Ländern Osteuropas siedelten sich dort an und sollten die Geschichte des Armenhauses Europas für immer vergessen lassen. Daher war es für viele Menschen neben den sozialen Härten auch eine persönliche Kränkung, als der Wirtschaftsboom zu Ende war und Irland in die Krise schlitterte.

Obwohl die sozialen Folgen für große Teile der Bevölkerung durchaus Parallelen zu Griechenland zulässt, gab es auf der Insel kaum Proteste. Irland-Beobachter berichten von einem Klima der Resignation und des Sich-in-das-Unvermeidliche-schicken. Das Ergebnis des Referendums würde in dieses Erklärungsmuster passen.

Keine Solidarität in Europa

Mit Befriedigung hat nicht nur die irische Regierung, sondern auch die EU-Kommission auf die irische Zustimmung reagiert. Immerhin blieb ihr so die Blamage erspart, bei dem einzigen Referendum über den Fiskalpakt eine Niederlage einzufahren.

Kritiker der Sparpolitik hatten auf eine Ablehnung in Irland gehofft. Damit wäre er nicht gestoppt worden, weil es kein Vetorecht eines Landes gibt. Aber die Kräfte, die sich gegen die immer neuen Spardiktate wehren, hätten damit Auftrieb erhalten. Gerade mit Blick auf Griechenland, wo es die realistische Möglichkeit gibt, dass bei den Neuwahlen am 17. Juni die Kräfte an Boden gewinnen, die mit dem Spardiktaten brechen wollen, wäre ein Nein aus Irland ein wichtiges Signal dafür gewesen, dass sich an vielen Ecken Europas Widerstand rührt und das berühmt-berüchtigte TINA-Denken – „There is no Alternative“ – nicht mehr die Hegemonie innehat.

Allerdings gab es auch in den anderen europäischen Ländern keine wahrnehmbare Unterstützung für die irischen Gegner des Fiskalpaktes. So konnten sich die Politiker, die das Gespenst eines von Europa isolierten Irland bei einer Ablehnung an die Wand malten, durchsetzen.
http://www.heise.de/tp/blogs/8/152115
Peter Nowak