Gedenken an Oury Yalloh

Gedenken an Oury Yalloh

Die Initiative »In Gedenken an Oury Yalloh« forderte am Wochenende auf einer Demonstration in Berlin ein Ende der Polizeibrutalität gegenüber Flüchtlingen. Polizisten, die mit Gewalt gegen Flüchtlinge vorgegangen sind, sollten juristisch zur Verantwortung gezogen werden. Die Initiative hat in den letzten Monaten ähnliche Kundgebungen in Magdeburg und Dessau organisiert, wo der aus Sierra Leone stammende Oury Yalloh im Januar 2005 in einer Zelle der Polizeiwache verbrannte. Die Verantwortung der zuständigen Polizisten soll in einem Revisionsprozess vor dem Magdeburger Landgericht geklärt werden. Am 19. Verhandlungstag musste ein Aktivist der Flüchtlingsorganisation »The Voice« den Gerichtssaal verlassen, weil er ein T-Shirt mit dem Konterfei von Yalloh und der Aufschrift »Das war Mord« getragen hatte.

Unverständnis äußerte »The Voice«, dass der Vorgang Oury Yalloh aus der elektronischen Liste aller Einträge über Einsätze auf dem Dessauer Polizeirevier gelöscht wurde. Die Anwälte der Angehörigen von Oury Yalloh wollten das Journal für den Prozess heranziehen, um zu erfahren, wo sich die Polizisten in der Dessauer Wache aufgehalten haben, als der Flüchtling verbrannte.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/202454.bewegungsmelder.html
Peter Nowak

Das Demonstrationsrecht beginnt auf der Straße

Die Pflicht zur Anmeldung einer Demonstration kennt das Grundgesetz nicht
Linke Demonstrationen sind in Berlin-Kreuzberg Alltag. Doch der Aufzug von rund 1000 Menschen, der am vergangenen Sonnabend an den vor zehn Jahren in Genua von der italienischen Polizei erschossenen Globalisierungskritiker Carlo Giuliani erinnern sollte, fiel aus dem Rahmen. Er war bei der Polizei nicht angemeldet worden. Man werde nicht diejenigen um Erlaubnis fragen, die direkt oder indirekt am Tod Giulianis verantwortlich sind, erklärten die anonymen Organisatoren der Demonstration via E-Mail.

Es war nicht das erste Mal in Berlin, frühere Versuche endeten allerdings schnell im Polizeikessel, etwa eine Demonstration nach der Räumung des linken Hausprojekt in der Liebigstraße im Februar. Von rund 150 Teilnehmern wurden die Personalien aufgenommen. Eine nicht angemeldete Solidaritätsdemo für die Proteste in Griechenland in Berlin fiel aus, nachdem sich kein Anmelder fand und die Polizei die Demonstration nicht laufen lassen wollte.

Wegen dieser Unwägbarkeiten ist die Regel, dass auch linksradikale Demonstrationen gegen Staat und Polizei bei eben jenen angemeldet werden. Dazu gehört auch die »Revolutionäre 1. Mai-Demo« in Kreuzberg, für die es oft nicht einfach ist, einen Anmelder zu finden. Nachdem in diesem Jahr der Name des Anmelders gegen den Willen der Veranstalter in der Presse auftauchte, trat er von der Funktion zurück. Darauf ließ das Demobündnis einige Tagen offen, ob ein neuer Anmelder benannt wird. Das tat es dann allerdings doch, und so war am 1. Mai 2011, wie bei allen vorherigen linksradikalen Mai-Demos, dem Versammlungsgesetz Genüge getan.

Das wird allerdings nicht überall so praktiziert. »Unangemeldete Demonstrationen der linken Szene – in Freiburg sind sie fast schon Normalität«, schrieb kürzlich die »Badische Zeitung«. Selbst ein Sprecher der Freiburger Polizei scheint sich damit abgefunden haben. »Überall in Deutschland werden Demonstrationen angemeldet, nur in Freiburg nicht«, erklärte er der Zeitung.

Damit liegt er allerdings falsch. Auch in Wuppertal meldet die linke Szene Demonstrationen oft bewusst nicht an. Hamburger Antifagruppen organisierten Mitte Juli eine unangemeldete Demonstration gegen Nazigewalt. In Göttingen wurde der Ordnungsbehörde statt einer Anmeldung viele Jahre lediglich ein Flugblatt mit den Demodaten zugestellt. Schließlich dient die Anmeldung vor allem dazu, dass sich die Polizei vorbereiten und beispielsweise den Verkehr umleiten kann.

Anders als die Berliner Demonstrationsaufrufer begründen die Freiburger Aktivisten die Nichtanmeldung bürgerrechtlich. Die Weigerung sei eine Reaktion darauf, dass die Verantwortlichen für Demonstrationen oft Repressalien der Polizei erfahren.

Dieses Argument kann Elke Steven vom Komitee für Grundrechte und Demokratie gut nachvollziehen. Sie beklagt die zunehmende Einschränkung der Demonstrationsfreiheit. Dazu gehören Auflagen, die Ablehnung von Anmeldern und die Verweigerung von Demorouten.

Die Verpflichtung zur Anmeldung einer Demonstration ist lediglich im Versammlungsrecht geregelt, im Grundgesetz steht davon kein Wort. »Auch unangemeldete Demonstrationen stehen unter dem Schutz des Versammlungsrechts und eine fehlende Anmeldung ist weder ein Auflösungsgrund, noch können Teilnehmer deswegen strafrechtlich belangt werden«, betont Steven gegenüber ND. Das Komitee für Grundrechte wird sich auf seiner Jahrestagung im September mit dem Thema befassen.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/202453.das-demonstrationsrecht-beginnt-auf-der-strasse.html

Peter Nowak

Vom Fabriktor zum Jobcenter

Linke Interventionen in Arbeitskämpfe

Tausende linke Studierende sind in den 1970er Jahren in die Fabriken gegangen, um die Revolution zu beschleunigen. Auf einer Veranstaltung der Gruppen fels (Für eine linke Strömung) und der Internationalen Kommunisten in Berlin wurde diskutiert, welche Relevanz das für Interventionen in heutige Arbeitskämpfe hat.
»Die Bedeutung, die die Fabrik in den 1970er Jahren hatte, spielt im Berliner Stadtteil Neukölln für viele Menschen das Jobcenter«, erklärt Florian, der sich in einer Gruppe engagiert, die nach dem Vorbild der militanten Untersuchungen das Verhalten von Sachbearbeitern, die Bewilligung von Anträgen und das allgemeine Klima analysiert. Entwickelt wurde diese Aktionsform in den 1960er Jahren in Italien zur Untersuchung der Fabrikverhältnisse.

Ihr Ergebnis: In den Jobcentern fühlen sich viele Erwerbslose schikaniert, nicht ernst genommen, monieren die lange Bewilligungszeit von Anträgen. Migrantische Erwerbslose klagen zudem über rassistische Bemerkungen. Allerdings stellt Florian auch fest, dass die Bereitschaft, sich langfristig für eine Veränderung der Situation am Jobcenter zu engagieren, bei den meisten Betroffenen gering ist.

Auch Muchtar Cheik Dib und Carsten Does, die über den langwierigen Kampf für bessere Arbeitsbedingungen in der Pflege berichten, beklagen die geringe Bereitschaft der Belegschaft sich zu engagieren. Trotzdem konnten die Betriebsräte der Berliner Ambulanten Dienste e.V. neue Aktionsformen vorstellen. Dazu gehörte eine Plakat- und Postkartenserie, eine Ausstellung und der »Scheißstreik«, bei dem vermeintliche Exkremente in Plastikröhrchen verpackt an für prekäre Arbeitsbedingungen Verantwortliche gesandt wurden.

Über kleine Schritte bei der Organisierung von Praktikanten und Honorarkräften im Bildungsbereich berichtet Nico von der anarchosyndikalistischen Freien Arbeiter Union (FAU). Hier wurde eine transparente Verteilung der Aufträge durchgesetzt, was es erschwert, Beschäftigte gegeneinander auszuspielen.

Anlass für die Veranstaltung war die Buchvorstellung des Politikwissenschaftlers Jan Ole Arps, der in seinem Buch »Frühschicht« die linke Fabrikintervention in den 1970er Jahren vorstellt.

Jan Ole Arps: »Frühschicht. Linke Fabrikintervention in den 70er Jahren«, Berlin-Hamburg 2011, 238 Seiten, 16 Euro.

 http://www.neues-deutschland.de/artikel/202389.vom-fabriktor-zum-jobcenter.html

Peter Nowak

BKA-Chef fordert mehr Überwachung

Ziercke will mehr verdeckte Ermittler und die Telekommunikationsverbindungen in der linken Szene besser überwachen
  
In den letzten Monaten warnen konservative Politiker und Medien verstärkt vor einem Anwachsen der radikalen Linken in Deutschland. Jetzt hat sich auch der Präsident des Bundeskriminalamts Jörg Ziercke in diesen Chor eingereiht.

Gegenüber dem Hamburger Abendblatt bezeichnete er die extreme Linke als ähnlich bedrohlich wie die extreme Rechte. Die Zahl der politisch motivierten Gewalttaten sei im linken Spektrum in den letzten Monaten deutlich angestiegen. Explizit ging Ziercke auf eine Serie von Brandstiftungen an Autos in Großstädten ein und rief die Bevölkerung zur Mithilfe bei der Aufklärung auf. Damit machte Ziercke auch deutlich, dass die Aufklärungsrate bei den Autobränden gering ist.

Aber über die Hintergründe gibt es wenig verlässliche Angaben. Da es selten Bekennerschreiben zu den Aktionen gibt, sind die Verortung der Brandstifter im linken Spektrum Spekulationen. So mussten in der Vergangenheit mehrmals Linke, die wegen Autozündeleien angeklagt und teilweise mehrere Monate in Untersuchungshaft saßen, freigesprochen werden, weil es keinerlei Beweise für ihre Tatbeteiligung gab. In mehreren Fällen wurde der Freispruch auch in zweiter Instanz bestätigt.

Hingegen wurden in Berlin Männer wegen Autobrandstiftungen verurteilt, die die Taten auch gestanden haben, aber keinerlei Berührungspunkte zur linken Szene haben. Persönliche Motive oder Versicherungsbetrug, die sicherlich auch zu den Motiven einer Autobrandstiftung zählen, werden in der öffentlichen Diskussion selten erwähnt. Dabei geht die Berliner Polizei laut Tagesspiegel davon aus, dass höchstens ein Drittel der Brandstiftungen politisch motiviert ist. Trotzdem wird die Serie von brennenden Autos immer wieder angeführt, wenn eine wachsende linke Gefahr begründet werden soll. Ziercke war da nur der aktuelle Warner.

Vorratsdatenspeicherung und verdeckte Ermittler

Er hat aber sehr deutlich gemacht, was mit dem ständigen Beschwören der linken Gefahr erreicht werden soll. Die Bevölkerung soll dazu gebracht werden, umstrittene und weitgehend abgelehnte Überwachungsmaßnahmen doch noch zu akzeptieren. So bekräftige Ziercke die Notwendigkeit der Vorratsdatenspeicherung und erhöht damit gemeinsam mit Unionspolitikern den Druck auf die in dieser Frage federführende Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger.

Zudem sprach sich Ziercke für den verstärkten Einsatz von verdeckten Ermittlern und die Überwachung von Telekommunikationsverbindungen in der linken Szene aus. Nun werden diese Maßnahmen schon seit langem praktiziert. Die Enttarnung des in der linken Szene aktiven Heidelberger Studenten Simon Brenner als LKA-Spitzel war nur der letzte spektakuläre Fall. Dass in einem zentralen Fachschaftsraum an der Heidelberger Universität ein Abhörgerät entdeckt wurde, war schon weniger bekannt.

In Berlin sorgt eine zufällig bekannt gewordene Überwachung der linken Szene zurzeit für heftige Diskussion. Ein linkes Hausprojekt in der Rigaer Straße 94 in Berlin Friedrichshain war mit einer in dem Schornstein einer benachbarten Schule verstecken Kamera beobachtet worden. Nach der Aufdeckung waren die Kameras schnell verschwunden und über die gesetzliche Grundlage der Maßnahme wird weiter gestritten.

http://www.heise.de/tp/blogs/8/150165

Peter Nowak

»Verhöhnung der Opfer«

Das Berliner Abgeordnetenhaus hat beschlossen, auf dem Areal des ehemaligen Flughafens Tempelhof einen »Gedenk- und Informationsort« zu errichten. Dort soll an die Opfer des KZ Columbiadamm und die Zwangsarbeiter erinnert werden, die am Flughafen eingesetzt wurden. Beate Winzer, Vorsitzende des »Fördervereins für ein Gedenken an die ­Naziverbrechen in und um das Tempelhofer Feld«, spricht über die Entscheidung.

Small Talk von Peter Nowak

Wie bewerten Sie den Beschluss des Berliner Abgeordnetenhauses, einen Gedenkort für die Opfer des NS-Terrors am Tempelhofer Feld einzurichten?

Lange Jahre wurde über das erste Berliner Konzentrationslager auf dem Areal ebenso geschwiegen wie über die Zwangsarbeiter, die dort seit 1938 für die deutsche Rüstung schuften mussten. Daher ist der Beschluss des Berliner Abgeordnetenhauses ein wichtiger erster Schritt. Jetzt müssen praktische Konsequenzen folgen.

Worin sollten sie bestehen?

Die historisch sensiblen Flächen müssen Grünflächen ohne Sportnutzung werden, damit die Vernichtung historischer Spuren verhindert wird.

Was stört Sie an der Auszeichnung des Tempelhofer Flughafens als »historisches Wahrzeichen der Ingenieurbaukunst« durch die Bundesingenieurkammer?

Der Flughafen Tempelhof ist ein nationalsozialistisches Monument, in dem die Inszenierung von Technik, zivile Nutzung und Massenvernichtung miteinander verbunden sind. Ingenieure und Physiker haben wie kaum eine andere Berufsgruppe durch Erfindungen wie Bomberflugzeuge, Langstreckenraketen und andere Rüstungsgüter den Vernichtungskrieg des NS-Regimes maßgeblich unterstützt.

Das Areal wird zudem von offizieller Seite immer noch als »Tempelhofer Freiheit« bezeichnet.

Das KZ Columbiadamm auf dem Gelände war ein berüchtigtes Folterzentrum. Im Verlauf des Zweiten Weltkriegs wurde das Tempelhofer Feld mit Barackenlagern für Zwangsarbeiter überzogen. Von der »Tempelhofer Freiheit« zu sprechen, ist eine Verhöhnung der Opfer.

Gibt es Informationen über den Einsatz von jüdischen Zwangsarbeitern auf dem Gelände?

Der Historiker Lutz Budraß konnte 69 Personen identifizieren. Sie haben zwischen 1938 und 1941 als »Zwangsarbeiter im geschlossenen Arbeitseinsatz« für die Lufthansa gearbeitet. In ganz Berlin wurden jüdische Berliner eingesetzt. Sie wurden ab 1941 nach Auschwitz deportiert und ermordet.

http://jungle-world.com/artikel/2011/28/43589.html

Interview Peter Nowak

Peter Nowak

Putin kein Vorbild für Deutschland?

Beim Streit um den Quadriga-Preis geht es weniger um Menschenrechte, sondern um den Streit zwischen Atlantikern und Anhängern eines Bündnisses mit Russland
  
Auf der Webseite des Vereins Berliner Netzwerk Quadriga finden sich noch die Preisträger des letzten Jahres mit ihren Lobreden. Darunter Wolfgang Schäuble, dessen Laudator der Bankier Josef Ackermann war und die Bundeswehr, die vom damaligen Obersten Dienstherrn von und zu Guttenberg vertreten wurde. Diese Preisträger dürften noch längere Zeit auf der Webseite zu sehen sewin. Denn jetzt hat die Stiftung mitgeteilt, dass es dieses Jahr keinen Quadriga-Preis geben wird.

Der Grund liegt nun nicht daran, dass es in diesem Jahr keine Kandidaten gibt. Vielmehr gab es Streit um einen der Nominierten, den russischen Premierminister Wladimir Putin. Seit diese Personalie in der letzten Woche bekannt geworden ist, gab es Kritik daran. Der Grüne Politiker Cem Özdemir kritisierte die Entscheidung für Putin, wurde dafür aus Kreisen der Preisstifter der Indiskretion gescholten und trat aus dem Quadriga-Kuratorium aus.

Andere Mitglieder betonten, während der Entscheidung für Putin nicht anwesend und auch nicht vor der Bekanntgabe informiert worden zu sein. Der dänische Künstler Olafur Eliasson gab seinen Quadriga-Preis zurück. Aber erst die Drohung des Preisträgers und ehemaligen tschechischen Ministerpräsidenten Vaclav Havel, seinen Preis ebenfalls zurückzugeben, wenn Putin ihn bekommt, hat das Kuratorium zum Umdenken animiert. In einer eilig einberufenen Krisensitzung am 16. Juli wurde dann beschlossen, in diesem Jahr „vollständig auf die Preisvergabe zu verzichten“.

Punktsieg der Atlantiker

Die Auseinandersetzung um den seit 2003 jährlich am 3.Oktober verliehenen Preis ist von einer gehörigen Portion Naivität und Heuchelei geprägt. So begründet Özdemir seine Ablehnung damit, dass Putin dafür nicht demokratisch genug sei. Da aber zu den in den letzten Jahren ausgezeichneten unter anderem der afghanische Präsident Hamid Karzai und der ukrainische Wiktor Jutschenko gehören, deren Demokratievorstellungen sich sicher nicht besonders von denen Putins unterscheidet, dürfte die Begründung eher vorgeschoben sein.

Tatsächlich wird in der Auseinandersetzung um den Preisträger Putin eine Auseinandersetzung fortgesetzt, die seit Jahren die Eliten in Deutschland und Europa beschäftigt. Soll das atlantische Bündnis mit den USA fortgesetzt werden oder sich ein von Deutschland dominierter EU-Block eher mit Russland verständigen. Für letztere Option stand der ehemalige Bundeskanzler und Quadriga-Preisträger Gerhard Schröder, der immer wieder Putin verteidigte und von Atlantikern dafür gescholten wurde.

Havel gehörte zu Letzteren und favorisierte, ebenso wie konservative Politiker anderer osteuropäischer Staaten, eine engere Bindung an die USA. Für sie steht Putin, der für ein Widererstarken der in den 1990er Jahren unter Jelzin schwachen russischen Staatlichkeit eintritt, als Vertreter eines russischen Nationalismus, gegen den sie als tschechische, polnische oder ukrainische Nationalisten natürlich zu Felde ziehen. Mit den Eintreten für Menschenrechte hat das alles allerdings wenig zu tun. Zudem ist das auch ausdrücklich nicht das Ziel des Quadrigapreises. Auf der Webseite heißt es:

„Die Quadriga ehrt vier Persönlichkeiten und Projekte, deren Denken und Handeln auf Werte baut. Werte, die Vision, Mut und Verantwortung dienen. Die Quadriga würdigt Vorbilder. Vorbilder für Deutschland und Vorbilder aus Deutschland.“

Für die einen gehört eher Putin in diese Reihe, für andere nicht. Das hat mit der Demokratiefrage wenig, mit geopolitischen Interessen aber viel zu tun. Die Atlantiker haben sich bei der Preisfrage mit osteuropäischer Unterstützung vorerst durchgesetzt.

http://www.heise.de/tp/blogs/8/150156

Peter Nowak

Fliegen mit Biokerosin – Greenwashing oder umweltfreundlich?

Am ersten Biospritflug der Welt gibt es aus Nord-Süd und Umweltverbänden Kritik
  
Die Lufthansa hat am 15.Juli ihren weltweit ersten Biospritflug von Frankfurt nach Hamburg bewerkstelligt, der monatelang vorbereitet wurde. Allein für den Test des von der Lufthansa und der deutschen Bundesregierung finanzierten Projekts wurden 800 Tonnen Biokraftstoff benötigt.

Eine finnische Raffinerie bezog dafür pflanzliche Öle aus Asien, Rapsöl aus Europa und nutzte sogar finnische Schlachtabfälle als Biomasse. Der entstehende Biokraftstoff wurde dann zur Hälfte mit Jet A1 gemischt und nach Hamburg verschifft. „Unser Treibstoff ist nachhaltig. Fest steht, dass für Lufthansa-Biokraftstoff kein Regenwald gerodet wird, unsere lizenzierten Lieferanten müssen die Nachhaltigkeit ihrer Prozesse nachweisen“, versichert der Projektleiter Joachim Buse. Die Lufthansa ließ sich wegen ihrer Biokerosintests schon im Vorfeld als Vorreiter der Nachhaltigkeit loben.

Kritik von Umweltverbänden

Viele Nord-Süd-Initiativen und Umweltverbände sind nicht überzeugt. Die Nord-Süd-Organisation Inkota wirft der Lufthansa gar vor, mit dem Biosprit die Landkonflikte in Mosambik anzuheizen. Durch den Anbau des für den Biosprit benötigten Jathrophaflanzen würden Nahrungspflanzen verdrängt, so der Vorwurf der Inkota-Agrarexpertin Evelyn Bahn.

Auch Greenpeace schließt sich dieser Kritik an. Die Organisation sieht das Problem in der steigenden Nachfrage nach Palmöl, das für das Biokerosin verwendet wird. In einer Erklärung heißt es:

„Je höher die Nachfrage, desto größer der Druck, wertvolle Wälder und Wiesen in Ölpalmplantagen umzuwandeln. Das zerstört den Lebensraum gefährdeter Tiere und vernichtet bedrohte Pflanzenarten.“ ,

Der finnische Konzern Neste Oil, von dem die Lufthansa die Biorohstoffe bezieht, stehe ganz oben auf der Liste „der übelsten Unternehmen des Jahres“, so Greenpeace. Für die Organisation gehört Palmöl generell nicht in den Tank. Als Alternative schlägt Greenpeace vor, Biosprit aus Abfällen herzustellen und den Flugverkehr generell stark einzuschränken.

Die Lufthansa räumt ein, dass in der nächsten Zeit maximal 5 bis 10 Prozent ihrer Flüge mit Biosprit getätigt werden können. Allerdings könnte sich der Konzern damit eine neue kaufkräftige Kundschaft sichern, die gegen einen Aufpreis biologisch korrekt fliegen will.

Die von vielen Umweltverbänden propagierte Forderung nach Einschränkung des Flugverkehrs wird wiederum von den NaturFreunden kritisiert. Die Organisation habe sich immer für das Recht auf Mobilität gerade auch für Menschen mit geringen Einkommen eingesetzt, meint Uwe Hiksch vom Vorstand der Naturfreunde, die ihr Eintreten für die Natur nicht mit einer Verzichtsideologie verknüpft.

http://www.heise.de/tp/blogs/2/150151
Peter Nowak

Vom aufrechten Gang

Anfang der 70er-Jahre  sorgten die Filme von  Klaus Wiese und Christian Ziewer auch in großen Kinos für volle Säle – eine Zeit, in der Themen der Arbeitswelt auch in den Spielfilm Einzug gehalten hatten. Drei ihrer bekanntesten Produktionen  können nun auf DVD gesehen werden, und es lohnt sich noch immer.
Im 24-seitigen Begleitheft zur neu erschienenen Trilogie „Vom aufrechten Gang“ wird die gesellschaftliche Situation der Jahre skizziert, in denen die Filme entstanden. Anfang der 70er gab es nicht nur in den Hochschulen einen gesellschaftlichen Aufbruch. Auch in den Betrieben wurde über die Durchsetzungsfähigkeit von mehr Mitbestimmung, Arbeitszeitverkürzung und Lohnerhöhung diskutiert. Die Zahl der Streiktage hatte sich im Vergleich zu den 60er Jahren erhöht. Die Arbeiter begannen, ihre Macht zu spüren.
Das ist auch das Thema der Filme von Ziewer und Wiese. „Liebe Mutter, mir geht es gut“ zeigt konkrete Lernprozesse: Arbeiter wehren sich in einer Neubausiedlung gegen Mieterhöhungen. Sie bleiben damit zwar zunächst ebenso erfolglos wie mit ihrem Kampf um den Erhalt des Arbeitsplatze. Doch die Protagonisten des Films geben nicht auf. Sie diskutieren über die Ursachen der Niederlage und versuchen, einen Streik zu organisieren.
Der große Erfolg des Films in den frühen 70er-Jahren lag gerade in seiner Ehrlichkeit. Es gibt darin keine Helden, sondern Menschen, die Fehler machen, die auch einmal schwach werden, aber doch nicht aufgeben.

„An widersprüchlichen Figuren kann der Zuschauer seine Chance entdecken“, schreibt Christian Ziewer in den Notizen zu dem zweiten Film der Trilogie: „Schneeglöckchen blühn im September“. Auch darin steht der schwere Kampf um bessere Arbeitsbedingungen im Mittelpunkt, wechseln sich kleine Erfolge und Niederlagen ab. So muss eine ganze Arbeitskolonne nach Schließungsdrohungen eine Lohnkürzung hinnehmen. Der Arbeiteraktivist Hannes verstummt, „nicht weil ihm die Argumente ausgehen, sondern weil er die Kraft der materiellen Repression erkennen muss, weil die Kampfbedingungen des Kollektivs sich so verschlechtert haben“, notiert Ziewer.

Das Ende des Nachkriegskompromisses

Noch deutlicher wird diese Verschlechterung der Position der ArbeiterInnen im Zeichen der Ölkrise, des sich abzeichnenden Endes des Fordismus und des damit verbundenen Nachkriegskompromisses im dritten, 1975 gedrehten Film  “Der aufrechte Gang“. Die Beschäftigten eines  Hüttenwerkes in NRW organisieren einen wilden Streik und bekommen zu spüren, dass die Zeiten der schnellen Erfolge bei Arbeitskämpfen, wie sie noch in den späten 60er-Jahren bei den Septemberstreiks oftmals zu verzeichnen waren, vorbei sind. Die Kapitalseite nutzt die Krise, um den Lohnabhängigen erkämpfte Rechte streitig zu machen und ihnen den Mut zu nehmen. Ziewer zeigt in dem Film, wie dieser Umbruch bei den Beschäftigten wahrgenommen wird und  wie sie darauf reagieren. Da er, anders als viele propagandistische Arbeiterfilme jener Jahre, seine Hauptfigur Dieter Wittkowski eben nicht nur als Arbeiter in der Fabrik, sondern auch als Ehemann, Vater und Konsument zeigt, vermittelt der Film tatsächlich eine sehr dichte Beschreibung des gesellschaftlichen Klimas und der Stimmungen im Arbeitermilieu jener Jahre. Damit reiht sich der Film allerdings nicht ein in den Kanon derer, die – wie oft Ende der 80er-Jahre – das Ende des Proletariats verkündeten, das sich nun in Konsumenten aufgelöst habe. Wenn Wittkowskis Frau ihren Mann fragt, wie sie mit dem durch den wilden Streik gekürzten Lohn über die Runden kommen soll, wird deutlich, dass die viel zitierte Souveränität des Konsumenten eben auch vom Geldbeutel bzw. Kontostand abhängig ist. Wenn dort Ebbe herrscht, beschränkt sich das Konsumieren schnell auf ein Betrachten der Schaufenster.

Kein positiver Held

Wittkowski, auch das macht den Film noch immer sehenswert, ist eben nicht der positive Arbeiterheld, sondern ein ‚realer’ Vertreter des Arbeitermilieus jener Jahre. Er spart für ein Auto und will seiner  Frau, letztlich erfolglos, verbieten, sich im Bäckerhandwerk selbstständig zu machen. Dafür muss der Sohn sein Gehalt als Auszubildender abgeben und wird mit einem Taschengeld abgespeist. Der aber plant schon seinen Auszug, und die Frau übernimmt die Filiale. Damit greift der Film auch die Umbrüche im Geschlechter- und Generationenverhältnis auf. Wittkowski kann seinen Willen nicht mehr durchsetzen. Auch korporatistische Gewerkschaftsfunktionäre, die sich offiziell vom wilden Streik der Beschäftigten distanzieren, ihn aber gerne bei den Verhandlungen mit der Unternehmerseite „interpretieren“ wollen, sehen durch die Kompromisslosigkeit der anderen Seite ihre Verhandlungsmacht flöten gehen. Nur, dass damit nicht automatisch eine Stärkung des kämpferischen Lagers verbunden ist, wird im Film sehr deutlich. t? Daher ist auch die Frage von Wittkowskis Frau, mit der der Film endet, nach über 35 Jahren noch immer unbeantwortet. Wie können sich die Arbeiter mit ihren Forderungen durchsetzen?

Peter Nowak

Infos zu den Filmen und Bestellung unter: www.basisdvd.de

erschienen im express, Zeitung für sozialistische Betriebs- und Gewerkschaftsarbeit 6/11

www.express-afp.info oder www.labournet.de/express

„Reif für die Vernichtung“

KRIEGSGEFANGENSCHAFT Zwei Ausstellungen erinnern mit Fotos, Briefen und Tonbandaufnahmen an den deutschen Überfall auf die Sowjetunion vor 70 Jahren

„Ein solches Volk ist reif für die Vernichtung. Irgendwelches Mitleid kann man mit diesen Bestien nicht haben“, schrieb Heinz Guderian im April 1919 aus dem Baltikum an seine Frau. Zu dieser Zeit kämpfte er als Generalstabsoffizier der sogenannten Eisernen Division, einer Freikorpsabteilung, gegen sowjetische Truppen. Guderian war als Kommandeur der Panzergruppe 2 vor 70 Jahren einer der wichtigsten Militärs beim Angriff auf die Sowjetunion. Nach kurzer Kriegsgefangenschaft veröffentlichte er apologetische Kriegsberichte wie das im Nachkriegsdeutschland viel gelesene Buch „Erinnerungen eines Soldaten“ und beriet das Amt Blank beim Aufbau einer neuen Armee in der BRD.

Das Porträt des frühen Vordenkers der Vernichtung findet sich nun in einer informativen Sonderausstellung im Deutsch-Russischen Museum in Karlshorst. 24 Personen werden mit Fotos, Kurzbiografien und schriftlichen Selbstzeugnissen vorgestellt. Sie waren aufseiten der Wehrmacht, als PartisanInnen, Angehörige der Roten Armee oder BewohnerInnen der besetzten Gebiete in den deutschen Angriff involviert. Zu den vorgestellten Prominenten gehören der in der Sowjetunion als Soldat abgeschossene Joseph Beuys und der spätere sowjetische Dissident Lew Kopelew, der im Zweiten Weltkrieg Propagandaoffizier der Roten Armee war. Er setzte sich sehr früh für eine Verständigung mit Deutschland ein. Es fällt auf, dass der Wunsch nach Aussöhnung und Verständigung vor allem von ehemaligen sowjetischen Kriegsteilnehmern geäußert wurde. So wollte etwa Michail Plotnikow mit einem Angehörigen der deutschen Wehrmacht Kontakt aufnehmen.

Einige der deutschen Kriegsbeteiligten engagierten sich in den 1950er Jahren in der westdeutschen Friedensbewegung, waren aber mehr an einem vereinigten Deutschland als an Verständigung mit der Sowjetunion interessiert. In der Ausstellung werden auch Juden porträtiert, die erschossen und in Massengräbern verscharrt wurden oder bei der deutschen  Blockade von Leningrad verhungerten.

Das galt auch für die sowjetischen Kriegsgefangenen und Zwangsarbeiter, die unter menschenunwürdigen Bedingungen in sogenannten Russenlagern in Deutschland vegetieren mussten. Viele starben an Hunger, Krankheiten, der schweren Arbeit und an Folter. Daran erinnert eine vom Verein Kontakte kuratierte Fotoausstellung im Foyer des Hauptgebäudes der Humboldt-Universität. Die Porträts des Fotografen Lars Nickel werden von Zitaten aus Tonbandprotokollen und Briefen ergänzt. Für manche der Überlebenden ist es noch immer unmöglich, über diese Zeit zu sprechen. Wer sich äußert, berichtet von einem Schreckensregime in den Lagern: „Die Juden und Politischen wurden erschossen. Die Schwachen und Schwerverwundeten auch“, so Nikolai Bandarew.

Auf einer Tafel werden den Zeugnissen der sowjetischen Überlebenden Briefe und Fotos gegenübergestellt, die deutsche Soldaten als Feldpost an ihre Verwandten oder FreundInnen schickten. Dort ist von „bolschewistischen Flintenweibern“ und „vom russischen Volk der Verbrecher“ die Rede. Noch heute kämpfen einige sowjetische Überlebende um eine kleine Rente, und an verschiedenen Orten der ehemaligen Lager gibt es noch immer keine Gedenk- und Erinnerungsorte für die Opfer, informiert die letzte Tafel.

 „Russenlager und Zwangsarbeit“, Unter den Linden 6, Foyer der Humboldt-Universität, bis 20 Juli; „Juni 1941 – Der tiefe Schnitt“, Deutsch-Russisches Museum, Zwieseler Str. 4, bis 14. August

http://www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=bl&dig=2011%2F07%2F15%2Fa0157&cHash=3ab05ca9d6

Peter Nowak

Protest gegen Unmenschen

NS-VERGANGENHEIT Zu lebenslanger Haft verurteilter Kriegsverbrecher lebt in Reinickendorf. Ein antifaschistisches Bündnis will dort für seine Auslieferung an Italien demonstrieren

Am kommenden Samstag wird es am beschaulichen Becherweg im Stadtteil Reinickendorf unruhiger als sonst. Für 12 Uhr ruft ein antifaschistisches Bündnis dort zu einer Kundgebung auf. Ganz in der Nähe wohnt der 91-jährige Helmut Odenwald, der am 6. Juli vom Militärgericht im italienischen Verona zu einer lebenslänglichen Haftstrafe verurteilt wurde. Er ist einer von sieben Angehörigen der Wehrmachtsdivision „Hermann Göring“, denen das Gericht die Beteiligung an Massakern an der Zivilbevölkerung im Frühjahr 1944 in Norditalien nachgewiesen hat. Das Gericht verurteilte den damaligen Hauptmann und Kommandanten der Flakbatterie der Division wegen der Beteiligung an drei Massakern, darunter der Tötung von EinwohnerInnen in den Dörfern Monchio, Susano und Costrignano in der norditalienischen Provinz Modena am 18. März 1944.

Nach Auseinandersetzungen mit Partisanenverbänden war die Wehrmachtsdivision in die Orte eingerückt und hatte Jagd auf Menschen gemacht. „Zuerst in dem Dorf Susano, wo die Soldaten systematisch jedes Haus, jeden Stall, jede Scheune, jeden Hofplatz durchsuchten“, fasst die Journalistin und Prozessbeobachterin Marianne Wienemann die Aussagen der ZeugInnen zusammen. Die Bewohner seien auf der Stelle erschossen worden. Die jüngsten Opfer seien 3, 4 und 7 Jahre alt gewesen. In dem Ort Civiga, den die Wehrmachtsdivision am 20. März 1944 besetzt hatte, wurden an einem Tag 27 ZivilistInnen getötet und alle Häuser niedergebrannt. Weil die italienische Regierung während des Kalten Krieges die Akten in einen Geheimschrank sperrte, vergingen mehr als 60 Jahre bis zum Urteil.

„Für die Opfer ist dieser Prozess die längst fällige öffentliche Auseinandersetzung der Gesellschaft mit einer Geschichte, die von der Allgemeinheit verdrängt und vergessen worden war“, sagt Wienemann. In der deutschen Öffentlichkeit wurden Prozess und Urteil kaum wahrgenommen. Die Angeklagten blieben dem Verfahren fern, strafrechtliche Konsequenzen haben sie nicht zu befürchten: Deutschland liefert keine StaatsbürgerInnen aus, und die Strafe wird hier nicht vollstreckt. Dagegen protestiert die AG Reggio-Emilia, in der sich Einzelpersonen und AktivistInnen verschiedener Antifagruppen zusammengeschlossen haben. Sie fordern die Auslieferung von Odenwald und die sofortige Zahlung der Reparationen durch die deutsche Regierung.

„Die juristische Strafverfolgung der NS-Täter und die Anerkennung der von der Wehrmacht begangenen Kriegsverbrechen sind zwingende Voraussetzung, wenn Deutschland seine nationalsozialistische Vergangenheit als aufgearbeitet betrachtet sehen will“, meint Carsten Schreiber von der antifaschistischen Arbeitsgruppe. Die Adressen der Angeklagten seien durch das Urteil bekannt geworden. Odenwald lebt als einziger der Verurteilten in Berlin. Ein ebenfalls angeklagter ehemaliger Wehrmachtssoldat aus Weißensee war von dem Militärgericht freigesprochen worden.

http://www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=bl&dig=2011%2F07%2F13%2Fa0165&cHash=3a153a28fa

Peter Nowak

Neuruppin wehrte sich gegen Rechte

  Aufmarsch erfolgreich blockiert – Neonazis mussten Rückzug antreten

Am vergangenen Samstag war für 200 Neonazis  im brandenburgischen Neuruppin kein Durchkommen. Eine Blockade von ca. 400 Antifaschisten sorgte dafür, dass sie ihre geplante Demoroute um zwei Drittel verkürzen mussten. Der Aufmarsch war erst mit großer Verspätung losgezogen, weil die Rechten noch auf Kameraden aus Berlin und anderen brandenburgischen Städten warteten. Die Demo wurde von den Freien Kräften Neuruppin/Havelland organisiert und stand unter dem Motto „Vom Schuldkult zur Mitschuld“.   Damit wollte die zu den Freien Kräften zählende Neonazigruppe die Naziverbrechen relativieren. „Wir bekennen uns nicht schuldig“, heißt es in deren  Aufruf.   Auf der Demo der Rechten waren antisemitische Parolen wie „Israel, internationale Völkermordzentrale!“ zu hören.
 „Für uns war der Tag aus zwei Gründen ein großer Erfolg“, meint der Pressesprecher des antifaschistischen Netzwerkes Neuruppin  Karsten Berend gegenüber ND.           „Der Neonaziaufmarsch war viel kleiner als in den letzten Jahren und in diesem Jahr  wurden die Rechten   erstmals gestoppt“. Während in der letzten Zeit in vielen Städten in Brandenburg Neonazis erfolgreich blockiert wurden, hatten in Neuruppin die Rechten seit 2007 jährlich ihren  Aufmarsch durchgeführt können, weil die Polizei  alle Blockadeversuche verhinderte. Im Jahr 2007, als erstmals knapp 60 Neonazis in Neuruppin demonstrierten, war  bei der Räumung einer Sitzblockade unter Anderen die Bundestagsabgeordnete der Linken Kirsten Tackmann verletzt worden.
Im vergangeen Jahr war die Blockade der Antifaschisten nach einer Stunde von der Polizei geräumt worden.  Auch diesmal Jahr sah es zeitweise nach einer Wiederholung auf. Gegen Mittag stand ein großes Polizeiaufgebot den Nazigegnern gegenüber und  forderte zur Räumung der Straße aus. Die Gegendemonstranten hatten eine Straßenkreuzung auf der Route der Neonazis besetzt. Die Polizei, die mit 800 Beamten aus Brandenburg, Berlin und Schleswig-Holstein im Einsatz war, forderte sie vergebens zur freiwilligen Räumung auf.  
 Dass es nicht zur Räumung kam, dürfte auch an der Breite des Bündnisses liegen. Zu den Protesten hatten neben Antifagruppen auch das lokale Bündnis „Neuruppin bleibt bunt“ sowie verschiedene Parteien, Organisationen und Einzelpersonen aufgerufen.
An der Blockade beteiligten sich auch Gewerkschafter und Politiker, so der Landrat von Ostprignitz-Ruppin Ralf Reinhard, Neuruppins Bürgermeister Jens Peter Golde (beide parteilos) sowie die märkischen Bundestagsabgeordneten Dagmar Ziegler (SPD) und Kirsten Tackmann (die Linke).    Da die Blockierer nicht wichen, mussten die Neonazis den Rückzuug antreten.

  Zahlreich vertreten waren auch Mitglieder der sozialistischen Jugendorganisation „Die Falken“. Ein Club  des Jugendverbands in Rheinsberg war in der Nacht zum 27. Juni   verwüstet und mit rechten Parolen beschmiert worden. „Linke raus“  stand an der Fassade. Trotzdem wollte der CDU-Bürgermeister von Rheinsberg Jan Peter Rau nicht von einem rechten Anschlag sprechen, weil die Ermittlungen noch im Gange sind. Das Netzwerk Neuruppin erinnerte daran, dass am 27. Juni  auf 5 linke Einrichtungen in Berlin  ebenfalls Anschläge verübt wurden und sieht darin einen Beweis für die Menschenverachtung der rechten Szene.

aus Neues Deutschland, 11.7.2011
Peter Nowak

Gegen Willkür

In Bayern wurden 1998 doppelt so viele Menschen zwangsweise in die Psychiatrie eingeliefert wie im übrigen Bundesgebiet und etwa zehnmal mehr als in der DDR.

Für den Bundesverband Psychiatrieerfahrener sind diese unterschiedlichen Zahlen ein Beleg für die Willkür bei den Zwangseinweisungen. Der Verband hat gemeinsam mit weiteren Initiativen, die sich für die Rechte von Psychiatriepatienten einsetzen, ein 92-seitiges Handbuch erstellt, das Ratschläge zur Verhinderung psychiatrischer Zwangsmaßnahmen gibt. Grundlage ist das Gesetz zur rechtlichen Regelung der Patientenverfügung. Wer sie unterschreibt, kann darüber verfügen, ob er sich psychiatrisch untersuchen und behandeln lassen will oder nicht. Im Mittelteil des Buches ist das Muster einer solchen Patientenverfügung abgedruckt, die auf den folgenden Seiten detailliert erläutert wird. So darf der Hinweis nicht fehlen, dass die Vollmacht freiwillig und im Vollbesitz der geistigen Kräfte verfasst wurde. Gleiches gilt für die Vorsorgevollmacht, mit der das Selbstbestimmungsrecht im Betreuungsfall gesichert werden soll.

Mit der Ernennung von Fürsorgern des eigenen Vertrauens wird die Bestellung von staatlichen Betreuern überflüssig. Bei der Benennung soll darauf geachtet werden, dass diese Personen den Inhalt der Patientenverfügung kennen und im Ernstfall durchsetzen. Eine Betreuungsperson, die gegen den erklärten Willen beispielsweise eine psychiatrische Begutachtung zulässt, obwohl sie durch die Patientenverfügung ausgeschlossen wurde, macht sich genau so strafbar wie Ärzte oder Klinikpersonal, die eine Patientenverfügung ignorieren.

Bundesarbeitsgemeinschaft Psychiatrieerfahrener (Hg.): Geisteskrank? Ihre eigene Entscheidung! Berlin 2011, 92., 3 €.

Linke ringt um Existenzrecht

Mehr als die Israelfrage dürfte die Frage für die Partei wichtig sein, ob sie vom Rand oder aus der Mitte der Gesellschaft Politik machen soll

 Das Vorstandsduo der Linken, Klaus Ernst und Gesine Lötzsch, stellten am 11. Juli in Berlin die Leitanträge ihres Parteivorstands vor. Es soll am nächsten Parteitag Ende Oktober in Erfurt beschlossen werden. Das öffentliche Interesse an einem noch nicht einmal beschlossenen Programm rührt vor allem aus der Debatte in und um die Linke in den letzten Monaten. Galt sie noch vor einem Jahr als Gewinnerin der Krise, so wird sie mittlerweile schon wieder herunter geschrieben. Selbst von einer Spaltung in eine Ost- und eine Westpartei ist gelegentlich wieder die Rede.

Die Erklärung von Lötzsch dazu klang etwas hilflos: Eine Spaltung wäre „dumm“ und würde die Partei schwächen, hört sich nicht gerade nach einem kraftvollen Dementi an. Wenn in mehreren Artikeln nach der Pressekonferenz darauf hingewiesen wird, dass der Vorstand Gerüchte über eine Spaltung zurückweist, wird das Dilemma schon deutlich, in dem sich die Partei befindet. Denn wenn die Mitteilung, dass eine Spaltung nicht beabsichtig ist, an solch prominenter Stelle zu finden ist, kann es um die Partei nicht gut stehen. Wenn Ernst auf der Pressekonferenz erklärt, die Partei wolle den Menschen Mut machen, so darf nicht vergessen werden, dass die Parteivorsitzenden nach dem Streit der vergangenen Monate erst einmal ihren Mitgliedern und ihrer eigenen Basis wieder Mut machen wollen.

Kompromisse oder Grundsätze?

Wie hältst Du es mit Israel, lautete eine der Fragen, an der sich innerhalb der Linken einige Mitglieder und Strömungen besonders heftig verzankten. In dem neuen Programm soll ein Passus eingefügt werden, dass die Partei das Existenzrecht Israels verteidigt. Gleichzeitig soll die Legitimität einer politischen Kritik an Israel ebenfalls bekräftigt werden. Es ist anzunehmen, dass dieser Passus noch einige Debatten in und außerhalb der Partei hervorrufen wird. Bei der Abstimmung über das Programm unter der Mitgliedschaft dürfte allerdings eine Mehrheit für den Vorschlag sicher sein. Denn mag die große Mehrheit der Mitglieder der Linkspartei intuitiv die Palästinenser unterstützen, steht das bei ihnen nicht im Vordergrund, so die Beobachtung des Leipziger Soziologen Peter Ullrich.

Zur Streitfrage könnte eher werden, wie es die Linke mit der Unterstützung einer von SPD und Grünen getragenen Regierung hält und wie viele Kompromisse sie dafür einzugehen bereit ist. Der Realo-Flügel sieht dabei den Berliner Landesverband als Vorbild, obwohl der im Bündnis mit der SPD einen Großteil seiner Grundsätze vertagen musste. Für Landesverbände der Linken vor allem in den westdeutschen Bundesländern ist der Berliner Landesverband hingegen zum Beispiel geworden, wie eine Linke nicht Politik machen sollte. Für manche Politiker der früheren PDS, wie den stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden Dietmar Bartsch, geht es bei dem Streit darum, ob die Partei vom Rande her die Gesellschaft kritisieren oder in der Mitte der Gesellschaft wirken will. Bartsch lässt keinen Zweifel, dass für ihn nur letztere Option in Frage kommt. Diese Diskussion dürfte mehr als der Streit um Israel die Partei in Zukunft prägen. Wie gut sie die Auseinandersetzung übersteht, wird sich spätestens beim Parteitag in Erfurt zeigen und davon hängt auch die politische Existenzberechtigung der Partei ab.

http://www.heise.de/tp/blogs/8/150131

Peter Nowak

Potsdam hat ein großes Nazi-Problem

In der Landeshauptstadt schüchtern Rechtsextremisten verstärkt alternative Jugendliche ein
Sprühereien mit rassistischen und antisemitischen Parolen, Bedrohung alternativer und linker Jugendlicher. Die Aktivitäten der rechtsextremen Szene im Potsdamer Stadtteil Waldstadt nehmen seit sechs Monaten stark zu. Das berichten Jugendliche wie Sebastian Fischer, der seinen wirklichen Namen aus Vorsicht nicht in einer Zeitung lesen möchte.

 Um ihren antifaschistischen Widerstand sichtbar auf die Straße zu tragen, protestierten Jugendliche wie Fischer erst am vergangenen Freitagnachmittag erneut vor dem lokalen Einkaufzentrum im Stadtteil Waldstadt. 30 Jugendliche waren gekommen. Dabei zeigten sie Transparente und verteilten Flugblätter gegen die zunehmenden Übergriffe der Rechtsextremisten und die sich ausbreitende Angststimmung. »Wir lassen uns nicht einschüchtern«, sagt Fischer.

Die Neonazis, von denen die Einschüchterungen ausgehen, verwenden das Kürzel »P.A.C.«. »Diese Buchstabenkombination wurde erstmals im September 2010 zusammen mit Naziparolen an das Wohnhaus eines linken Jugendlichen gesprüht und seitdem immer wieder verwendet«, erläutert Fischer. So seien vor einigen Wochen neben »P.A.C.«-Kürzeln auch Namen von jungen Antifaschisten mit dem englischen Zusatz »watching you« (»Wir beobachten dich«) aufgetaucht. Neben gegen die Antifa gerichteten Schmierereien sind in der letzten Zeit aber auch einige antisemitischen Gehalts aufgetaucht. Die Antifaschisten um Sebastian Fischer rätseln derweil, was sich hinter dem Kürzel »P.A.C.« verbirgt. Doch die rechte Ausrichtung der Sprühereien liege auf der Hand, meint Sebastian Fischer.

Die Jugendlichen nehmen unterdessen die Drohungen ernst, denn in den vergangenen Monaten blieb es nicht nur bei Farbschmierereien: Zuletzt hetzten mutmaßlich Neonazis in der Nacht zum Sonnabend im Potsdamer Hauptbahnhof einen Hund auf einen antifaschistischen Jugendlichen. Gewalttätige Übergriffe gab es auch am 22. Mai, als Besucher eines Festivals auf dem Nachhauseweg von einer Gruppe von acht Rechten angepöbelt und geschlagen wurden. Glücklicherweise konnten die rechten Angreifer aus dem Bus gedrängt werden. In derselben Nacht wurden in der Waldstadt zudem drei Jugendliche von mutmaßlich neonazistischen Vermummten mit Eisenstangen gejagt. Die Serie der Übergriffe setzte sich fort: Am 17. Juni wurde dann ein Jugendlicher von einer vierköpfigen Gruppe beschimpft und getreten.

Am gleichen Tag hatte sich eine Gruppe der neonazistischen Freien Kräfte Potsdam (FKP) mit weißen Masken und einem Transparent mit dem Schriftzug »Demokraten bringen uns den Volkstod« vor dem Waldstadt-Center versammelt. Nach Angaben von Potsdamer Antifaschisten ist die FKP, die sich schwerpunktmäßig auf das Viertel konzentriert, zurzeit die aktivste Neonazigruppe in der Stadt. Möglicherweise kommen die Angriffe aus diesem Umfeld.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/201911.potsdam-hat-ein-grosses-nazi-problem.html?sstr=Potsdam|Neonazis

Peter Nowak

»Die Proteste sind hier geringer als anderswo«

Gewerkschaftslinke diskutieren Krisenproteste

 
Unter dem Motto »Wo bleibt mein Aufschwung?« organisieren die Gewerkschaft ver.di und das Bündnis »Wir zahlen nicht für Eure Krise« an diesem Wochenende in Stuttgart einen Kongress. Für ND sprach PETER NOWAK mit dem Vorsitzenden von ver.di- Stuttgart, BERND RIEXINGER.

 ND: Alle reden vom Aufschwung, wozu braucht es noch einen Kongress?Riexinger: Der Anteil der prekären Arbeitsverhältnisse wächst. Unfreiwillige Teilzeit- und Leiharbeit nimmt weiter zu. Daher können wir sagen, dass der Aufschwung bei einem großen Teil der Beschäftigten nicht angekommen ist. Zudem ist überhaupt nicht sicher, ob der  Aufschwung nicht nur eine weitere Etappe in der Krise ist, wofür gibt es einige Anzeichen gibt. Wir wollen uns Klarheit verschaffen, wo wir stehen und wo unsere Handlungsmöglichkeiten  als Gewerkschaftler in Zukunft sein  werden.  Dazu haben wir Referenten  von sozialen Bewegungen wie Attac und aus dem linkskeynisianischen, gewerkschaftlichen Spektrum eingeladen. 
 
2.) Welche Rolle werden die Proteste in Griechenland und Spanien auf dem Kongress eine Rolle?                                                                     B.R.: In diesen Ländern bekunden die Menschen massenhaft, nicht für eine Krise zahlen zu wollen, für de sie nicht verantwortlich sind. Wenn wir  uns mit der Frage beschäftigten, warum in Deutschland die Proteste viel geringer als in anderen Ländern sind, müssen wir die unterschiedliche Rolle betrachten,  die die deutsche Wirtschaft im Vergleich zu den Ökonomien in Spanien und Griechenland spielt..    Die exportorientierten Teile der  deutschen  Industrie profitieren von der Krise in  diesen  Ländern. Das Niedriglohnmodell, das in Deutschland die Löhne drückt, sorgt dort für die enormen ökonomischen  Probleme.   

3.) Müssten nicht gerade in Zeiten des  Wirtschaftsaufschwungs bessere Bedingungen für gewerkschaftliche Erfolge bestehen?                                                                                                                             

        B.R.:  Theoretisch schon. Aber wir wollen uns auf den Kongress auch mit den gewerkschaftlichen Umbrüchen der letzten Jahre auseinandersetzen, die eine  offensive Interessensvertretung erschweren. Während de Beschäftigung in den traditionell gewerkschaftlich gut organisierten Bereichen abnimmt, ist es vor allem im Dienstleistungsgewerbe, wo neue oft schlecht bezahlte Arbeitsplätze geschaffen werden, schwer  Gewerkschaften zu gründen und Arbeitskämpfe zu führen.  Daran schließt sich die Frage an, ob der DGB nur noch  Teile der Lohnabhängigen,  beispielsweise in den exportabhängigen Sektoren der Industrie vertritt, oder ob er den Anspruch hat, alle Lohnabhängigen zu vertreten, weiter aufrecht erhalten kann. Dann müssten auch neue Formen der Gewerkschaftsarbeit entwickelt werden.

https://www.neues-deutschland.de/artikel/201734.die-proteste-sind-hier-geringer-als-anderswo.html?sstr=Bernd|Riexinger

Peter Nowak