Ausstieg selber machen?

»Mitte Juni nehmen wir den Atomausstieg selber in die Hand.« So beginnt ein Aufruf mehrerer Anti-AKW-Initiativen, ab dem 11. Juni für mehrere Tage das AKW Brokdorf bei Hamburg zu blockieren. Es ist sicher ein symbolträchtiges Objekt. Schließlich war Brokdorf 1981 und 1986 Ziel einer massenhaften Mobilisierung der westdeutschen Anti-AKW-Bewegung. Ob die Beteiligung in diesem Jahr daran anknüpfen kann, muss bezweifelt werden. Denn die große Ablehnung der AKW-Technologie in Deutschland, die nach dem Desaster von Japan noch einmal deutlich wurde, führt noch lange nicht zur massenhaften Beteiligung an direkten Aktionen. Dass mussten die AKW-Gegner erfahren, die in der vergangenen Woche die Tagung des Deutschen Atomforums in der Mitte Berlins blockieren wollten. Wegen zu geringer Teilnehmerzahl scheiterte das Vorhaben.

 
Viele AKW-Gegner wählen Parteien, die einen schnelleren Ausstieg versprechen, und sind unter Umständen bereit, zu einem Anbieter zu wechseln, der umweltfreundlichen Strom verkauft. Für diese Stromwechselaktion wurde die Parole »AKW-Ausstieg selber machen« kreiert. Die Brokdorf-Blockierer haben trotzdem recht, wenn sie die Frage des Atomausstiegs nicht den politischen Parteien überlassen wollen. Auch ihre Ablehnung der Unterscheidung in unsichere AKW, die abgeschaltet werden, und vermeintlich sichere, die weiterlaufen sollen, ist begründet. Das 1986 ans Netz gegangene Brokdorf gehört übrigens in die letzte Kategorie.

Erfreulicherweise taucht in der Erklärung zur Brokdorf-Blockade auch die Forderung nach einer Vergesellschaftung des Energiesektors auf. Damit wird an Debatten in globalisierungskritischen und linksgewerkschaftlichen Kreisen angeknüpft. Eine bessere Kooperation ist auch notwendig. Denn nur ein Bündnis kann den nötigen gesellschaftlichen Druck für einen schnelleren Ausstieg aus der Atomkraft erzeugen. Die Blockade kann dabei nur ein Baustein sein.

Internet: block-brokdorf.org

http://www.neues-deutschland.de/artikel/198206.ausstieg-selber-machen.html

Peter Nowak

Schnüffeln an biologischer Spur der Bürger

Organisationen warnen in bundesweiter Kampagne vor der Datensammelwut des Staates
 Das Gen-ethische Netzwerk (GeN) überreicht am heutigen Montag, dem Tag des Grundgesetzes, an Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger einen offenen Brief. Darin fordert das GeN zusammen mit anderen Organisationen die Revision der gesetzlichen Regelungen zur Speicherung von DNA-Profilen durch das Bundeskriminalamt und den Ausstieg aus der internationalen Vernetzung polizeilicher DNA-Datenbanken. Dies ist zugleich Auftakt einer bundesweiten Kampagne »DNA-Sammelwut stoppen«.

ND: Welche Gefahren sieht das Gen-ethische Netzwerk in der DNA-Datenspeicherung?
Schultz: Die bestehen vor allem in der enormen Expansion, die die DNA-Speicherung erfahren hat. 1998 wurde die zentrale DNA-Datenbank beim Bundeskriminalamt eingerichtet. Mittlerweile sind über 700 000 Personendatensätze und 180 000 Spurenprofile gespeichert. Wir sehen hier die Tendenz der Etablierung eines präventiven Überwachungsstaates, in dem jeder, gegen den einmal ermittelt wurde, mittels biologischer Spuren überwacht werden soll. Zudem können mittlerweile mittels DNA-Analyse auch Verwandte überprüfter Personen gesucht werden.

 Dient diese Methode nicht der Verbrechensaufklärung?
Unter vier Prozent der Delikte, die über DNA-Datenbanktreffer beim BKA ermittelt wurden, waren Kapitalverbrechen. Diese Fälle werden aber medial gerne zur Verteidigung der DNA-Analyse in den Mittelpunkt gestellt. Unseres Erachtens wiegen selbst einige spektakuläre Erfolge die Gefahren der Totalüberwachung durch DNA-Datenbanken nicht auf. In den 90er Jahren haben feministische Antigewalt-Gruppen sogar die Einrichtung der DNA-Datenbank beim BKA als Mittel zur Aufklärung von Sexualdelikten abgelehnt und als trojanisches Pferd für den Überwachungsstaat bezeichnet.

 Basiert die DNA-Analyse nicht auf Freiwilligkeit?
Über 90 Prozent der DNA-Profile in der BKA Datenbank werden von den Betroffenen ohne richterliche Anordnung abgegeben. Das macht den Druck deutlich, unter dem diese Personen etwa in Verhörsituationen stehen, und relativiert die vorgebliche Freiwilligkeit. Auch bei formal freiwilligen Massengentests ist der soziale Druck so hoch, dass nur wenige die Teilnahme verweigern.

 Was sind Ihre zentralen Forderungen?
Zusammen mit dem Chaos Computer Club, der Humanistischen Union und anderen zivilgesellschaftlichen Organisationen fordern wir eine unabhängige, regelmäßige Kontrolle der Datenbanken. Nach einer Stichprobe des Datenschutzbeauftragten von Baden-Württemberg gab dieser 2007 bekannt, dass 42 Prozent der überprüften Datensätze gelöscht werden mussten, weil sie unrechtmäßig gespeichert worden waren. Zudem fordern wir eine Revision des umstrittenen Gesetzes von 2005, das zu einer drastischen Expansion der DNA-Datenbank beim BKA geführt hat. Ein Verbot, mittels DNA-Tests Verwandtschaftsbeziehungen und persönliche Eigenschaften zu ermitteln, gehört ebenso dazu. Zudem setzen wir uns für einen Ausstieg aus dem globalen Datenaustausch ein.

 Ist Datenschutz bei der DNA-Analyse überhaupt möglich?
Ein selbstorganisierter Datenschutz der DNA ist im Gegensatz zu den Kommunikationstechnologien nahezu unmöglich. Man kann seine DNA nicht zu Hause lassen wie das Handy – und das DNA-Profil auch nicht verschlüsseln. Man muss wissen, dass die Polizei keine DNA ohne richterliche Anordnung abnehmen darf. Außerdem kann man mittels Klagen unrechtmäßig gesammelte DNA löschen lassen. Allerdings gilt: Am besten ist es, wenn DNA nicht erst abgegeben wurde.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/198228.schnueffeln-an-biologischer-spur-der-buerger.html

Fragen: Peter Nowak

„Die beste DNA ist die, die nicht abgegeben wurde“

Kampagne „Wider die DNA-Sammelwut“ fordert strengere Kontrollen und Einschränkungen der Datenbanken und langfristig deren Auflösung 

Am Montag startet das Gen-ethische Netzwerk mit weiteren Organisationen eine Kampagne „Wider die DNA-Sammelwut“. In einem Offenen Brief werden noch einmal die Gründe aufgezählt, die aus Sicht der Kritiker schwerer wiegen als einige medial herausgestellte Kriminalfälle, die mittels DNA-Tests aufgeklärt worden sind .

 „Längst geht es nicht mehr nur um Kapitalverbrechen wie Mord oder Vergewaltigung – wenn das jemals die alleinige Zielsetzung der polizeilichen Erfassung biologischer Merkmale gewesen ist. DNA-Proben werden bei jeder sich bietenden Gelegenheit entnommen, etwa bei Wohnungseinbrüchen, Diebstählen oder sogar Fällen von Beleidigung, und oft auch im Rahmen von Massengentests“, monieren die Kritiker in dem Offenen Brief.

„Wir sehen hier die Tendenz der Etablierung eines präventiven Überwachungsstaates, in dem jeder, gegen den ermittelt wurde, mittels biologischer Spuren überwacht werden soll“, erklärt die Mitarbeiterin des Gen-ethische Netzwerkes Susanne Schultz gegenüber Telepolis. Das Fernziel der Kampagne ist die Auflösung aller Datenbanken. Als kurz- und mittelfristige Ziele werden eine unabhängige, regelmäßige Kontrolle der Datenbanken, eine Revision des umstrittenen Gesetzes von 2005, das zu einer drastischen Expansion der DNA-Datenbank beim BKA geführt hat, ein Verbot mittels DNA-Tests Verwandtschaftsbeziehungen und persönliche Eigenschaften zu ermitteln und ein Ausstieg aus dem globalen Datenaustausch gefordert.

Die letzte Forderung bezieht sich auf den sogenannten Prozess von Prüm, nach den alle europäischen DNA-Datenbanken bis zum 26. August vernetzt werden sollen. Susanne SchuItz weist darauf hin, dass in einigen Ländern die rechtlichen Bedingungen bei der DNA-Entnahme noch schlechter als in Deutschland sind. So stellte der Europäische Menschenrechtsgerichtshof (EuGH) fest, dass die britische Polizei mit ihrer DNA-Datenbank das Grundrecht auf Datenschutz sehr weitgehend verletzt hat. Dort wurden sogar bei einer Festnahme ohne Ermittlungsverfahren und bei jedem Bagatelldelikt auch die Daten von Kindern auf Dauer gespeichert.

Das Thema DNA-Datenschutz ist nach Ansicht von Schultz auch in zivilgesellschaftlichen Organisationen noch längst nicht so präsent, wie beispielsweise der Kampf gegen die Vorratsdatenspeicherung. Das liegt sicherlich auch daran, dass ein selbstorganisierter Datenschutz fast unmöglich ist. Man kann schließlich seine DNA nicht zu Hause lassen wie ein Handy und das DNA-Profil kann auch nicht verschlüsselt werden. Allerdings wird noch immer zu wenig beachtet, dass eine DNA-Entnahme nur mit einer richterlichen Anordnung erfolgen darf. Obwohl juristische Klagen zur Löschung einer unrechtmäßig entnommen DNA führen können, plädiert Schultz für vorausschauenden Datenschutz: „Die beste DNA ist die, die nicht abgegeben wurde.“

http://www.heise.de/tp/blogs/8/149883 

Peter Nowak

Die Orphs geben Musikschule nicht auf

WEISSENSEE Gruppe hat Gebot für ehemalige Schule beim Liegenschaftsfonds abgegeben
„Wir wollen das Gebäude in der Falkenberger Straße 183 wieder beleben. Unsere Chancen stehen nicht schlecht“, glaubt Heike. Der Optimismus der Aktivistin der „Orphs“, eines Zusammenschlusses junger Menschen aus Weißensee, verwundert auf den ersten Blick. Schließlich wurde ihre Besetzung der ehemaligen Musikschule Weißensee vor zehn Tagen nach wenigen Stunden von der Polizei geräumt (taz berichtete). Doch sofort nach der Räumung hatte die Gruppe für einige Tage vor dem Gebäude in einem Zelt „eine ständige Vertretung der Orphs“ eingerichtet. „Uns ging es darum, die Nachbarn über unsere Pläne zu informieren“, so Heike. Mit der Resonanz ist sie zufrieden.

Auch auf der politischen Ebene sind die Orphs nicht untätig geblieben. Am Montag haben sie bei einer Kundgebung vor dem Liegenschaftsfonds ihr Gebot für das Gebäude abgegeben. Dabei wurden Linkspartei und SPD an ihre Erklärungen zur Förderung sozialer Belange bei der Vergabe von Grundstücken des Liegenschaftsfonds erinnert. Die Immobilie in Weißensee soll allerdings nach dem Willen des Fonds im Rahmen des Bieterverfahrens vergeben werden. Das sei auch politischer Wille des zuständigen Pankower Bezirksamts gewesen, betonte Liegenschaftsfonds-Pressesprecherin Irina Dähne gegenüber der taz.

Die Stellvertretende Pankower Bezirksbürgermeisterin Christine Keil (Die Linke) plädierte gegenüber der taz für einen differenzierten Umgang mit landeseigenen Immobilien. „Ich sehe die Vergabepolitik kritisch, allerdings ist die wirtschaftliche Verwertung von Landesimmobilien der Hauptauftrag des Liegenschaftsfonds.“ Sie verwies auf Erfolge, die sie an verschiedenen Stellen im Bezirk bei der sozialen Nutzung von Grundstücken erzielt habe. Zur ehemaligen Musikschule äußerte sie sich allerdings nicht.

Die Orphs haben auch Kontakt zum Humanistischen Verband Deutschland (HVD) aufgenommen, der sich um die frühere Musikschule beworben hat. HVD-Pressesprecher Thomas Hummitzsch reagierte positiv auf das Kooperationsangebot. „Auch der HVD will das Gebäude gesellschaftsdienlichen Zwecken zuführen. Wir sind ebenso gegen die Einrichtung von privaten Luxusapartments in dem Gebäude.“

http://www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=ba&dig=2011%2F05%2F21%2Fa0211&cHash=84c9c12a86

Peter Nowak

Häuserkampf im DGB

»Hände weg von unseren Häusern«, dieses Motto stammt nicht von von Räumung bedrohten Hausbesetzern, sondern von Gewerkschaftern, die sich gegen die drohende Schließung von zwei DGB-Bildungsstätten wehren. Es geht um die Bildungshäuser Sasel am Rande von Hamburg und um Niederpöcking am Starnberger See in Bayern. Die Geschäftsführung des DGB-Bildungswerks und die Verantwortlichen im Bundesvorstand des Dachverbands begründen die Schließung mit der angespannten finanziellen Lage und den Mitgliederrückgängen der Gewerkschaften. Künftig soll für die Bildungsarbeit verstärkt auf gemietete Tagungshotels zurückgegriffen werden.

 Dagegen macht ein Förderkreis zum Erhalt der DGB-Bildungsstätten mobil, in dem sich viele Gewerkschaftsmitglieder engagieren. Auch der Hamburger DGB-Vorsitzende Uwe Grund gehört zu den mehr als 3600 Unterzeichnern eines Aufrufs zum Erhalt der Bildungsstätten. Dafür wurde schon mehrmals vor DGB-Zentralen demonstriert. »Ich bin entmutigt, DGB nicht besser als die Bosse«, hieß eine handschriftliche Parole, die die Stimmung auf einer Demonstration in Hamburg ausdrückte. Die Kritiker sehen in der beabsichtigten Schließung die Traditionen der Arbeiterkultur bedroht. »Gewerkschaftliche Bildungsarbeit im Hotel mag vordergründig billiger sein. Doch kann sie die Ausstrahlung und die besondere kollegiale Atmosphäre nicht ersetzen.«

Schlechter Arbeitgeber

Nach Angaben der Wochenzeitschrift »Focus« sollen durch die Schließung 60 Arbeitsverhältnisse vor allem im gastronomischen Bereich wegfallen. Schon drei Arbeitsgerichte seien mit Klagen befasst. Sehr zur Schadenfreude des unternehmerfreundlichen »Handelsblatt«, das süffisant kommentierte: »Der Deutsche Gewerkschaftsbund mahnt gerne Versäumnisse in den Unternehmen an, gilt selber aber als schlechter Arbeitgeber.« Auf eine Anfrage von Mag Wompel vom Onlineportal Labournet erklärte der Referatsleiter Gastgewerbe bei der zuständigen Gewerkschaft NGG Guido Zeitler: »Beim DGB Bildungswerk existiert kein Sozialplan, der betriebsbedingte Kündigungen bis Ende 2014 ausschließt. Tarifvertraglich ist ein solcher Ausschluss von Kündigungen weder beim DGB noch beim DGB Bildungswerk geregelt.« Auch der NGG-Hauptvorstand warnt in seiner Stellungnahme vor den Folgen einer Schließung der Bildungsstätten: »Dabei geht es nicht nur um die 60 Arbeitsplätze, die direkt wegfallen würden, sondern auch um eine Situation, die von privaten Anbietern genutzt wird und den Interessen der gewerkschaftlichen Bildung nicht dienen kann.«

http://www.neues-deutschland.de/artikel/198001.haeuserkampf-im-dgb.html

Peter Nowak

Kronstädter Aufstand

Zum 90. Jahrestag der Niederschlagung des Arbeiter- und Matrosenaufstands von Kronstadt veröffentlicht „Die Buchmacherei“ Klaus Gietingers Darstellung von Vorgeschichte, Verlauf und Ende des Aufstandes. Erstmals erschienen sind die Texte 1997 in der jungen Welt. Der Autor widerspricht der sowohl von AnhängerInnen Stalins als auch Trotzkis verbreiteten Behauptung, der Aufstand sei von Zaristen und Konterrevolutionären zu verantworten gewesen. Die Erhebung war vielmehr das Ergebnis der Unzufriedenheit über die ökonomische Situation und den beginnenden Bürokratismus in der jungen Sowjetunion. Im Grunde forderte die aufständiche Kommune etwas, was die Bolschewiki nur wenig später gezwungenermaßen nachvollzogen: den Übergang vom Kriegskommunismus zur Neuen Ökonomischen Politik. Später von den Bolschewiki als „ultralinks“ verurteilte Konzepte, wie die sofortige Abschaffung des Geldes als Zahlungsmittel, wurden auch von den Kronstädtern abgelehnt. Umso verhängnisvoller war, dass Vermittlungsversuche, auch aus den Reihen der Bolschewiki, nicht aufgegriffen wurden. Hier hätte der Autor auch die politischen Fehler auf Seiten der Kronstädter stärker herausarbeiten können. Sie waren wenig kompromissbereit, weil sie meinten, international unterstützte Vorreiter einer dritten Revolution zu sein. Manches in Gietingers Arbeit ist historisch fragwürdig, etwa die These, dass Lenin von Rosa Luxemburg spätestens seit 1911 nichts mehr gehalten habe, oder der Vergleich Lenins mit Noske. Auch dass Trotzki die russische Bauernschaft hasste, kann zumindest aus dessen Schriften nicht begründet werden.
 
http://www.akweb.de/ak_s/ak561/08.htm

Peter Nowak
 
Klaus Gietinger: Die Kommune von Kronstadt. Die Buchmacherei, Berlin, 2011. 138 Seiten, 10 EUR

Dokumentation der Gewalt

Auch 2010 Diskriminierung von Flüchtlingen zahlreich dokumentiert

 Die neueste Auflage der Dokumentation über die Opfer deutscher Flüchtlingspolitik von der Antirassistischen Initiative Berlin berichtet über 6000 Einzelschicksale von Betroffenen.

Am 20. Januar 2010 verübte der 23jährige Wladim S. Selbstmord, in dem er sich von der Hamburger S-Bahn überfahren ließ. Er war 1993 mit seiner Familie von Lettland nach Deutschland gekommen, wegen kleinkrimineller Delikte verurteilt und in seine Heimat abgeschoben worden. Er versuchte mehrmals nach Deutschland zurückzukehren, wo er seinem Leben ein Ende setzte.

Am 21. Juli wurde der 58 Jahre alte Slawik C. in der JVA Hannover-Langenhagen tot aufgefunden. Er war 1999 aus Aserbaidschan in die Bundesrepublik geflohen, nachdem ein Sohn während des Militärdienstes auf ungeklärte Weise ums Leben gekommen war. Seine Asylanträge wurden abgelehnt und aus Angst vor der drohenden Abschiebung tötete er sich.

Diese beiden Todesfälle sind in der aktualisierten Dokumentation »Bundesdeutsche Flüchtlingspolitik und seine tödlichen Folgen« aufgeführt, die gestern von der Antirassistischen Initiative Berlin (ARI) veröffentlicht worden ist.

Seit 1993 gibt die ARI den jährlich aktualisierten Report heraus, der die verschiedenen Formen von Gewalt, Verletzungen und Diskriminierungen gegen Flüchtlinge recherchiert und auflistet. Die Zahlen der letzten 18 Jahre geben erschreckende Auskunft über eine meist totgeschwiegene Realität:

160 Flüchtlinge töteten sich in diesem Zeitraum angesichts ihrer drohenden Abschiebung oder starben bei dem Versuch, vor der Abschiebung zu fliehen, davon 62 Menschen in Abschiebehaft. 922 Flüchtlinge verletzten sich aus Angst vor der Abschiebung oder aus Protest gegen die drohende Abschiebung. 68 Flüchtlinge starben bei Bränden oder Anschlägen auf Flüchtlingsunterkünfte. 15 Flüchtlinge starben durch Angriffe auf der Straße und 785 wurden dabei erheblich verletzt.

»Die Diskriminierung, Ausgrenzung, Kriminalisierung, Traumatisierung und das Elend von Flüchtlingen in der Bundesrepublik setzten sich auch im Jahre 2010 unverändert fort«, heißt es in der Pressemitteilung zur aktuellen Dokumentation. »Die Dokumentation ist der Versuch anhand von vielen Einzelbeispielen und in ihrer Gesamtheit Beweise für den institutionellen Rassismus vorzulegen. Sie ist der Versuch, die schlimmsten Auswirkungen des rassistischen Systems dieses Staates auf Flüchtlinge und Menschen ohne Papiere für die Leserinnen und Leser deutlich zu machen«, erklärte eine ARI-Mitarbeiterin gegenüber ND.

Einen besonderen Schwerpunkt legten die Antirassisten auf das Flüchtlingslager Nostorf-Horst in Mecklenburg Vorpommern. In den Räumen einer ehemaligen DDR-Kaserne leben vier bis fünf Personen in einen Raum von 15 Quadratmetern. Im Sommer und Herbst 2010 habe sich die Zahl der Bewohner auf über 400 Menschen erhöht, heißt es in der Dokumentation. Darin werden auch mehrere Beispiele von Schikanen gegenüber Flüchtlingen und Fälle von Flüchtlingswiderstand aufgelistet.

www.ari-berlin.org

http://www.neues-deutschland.de/artikel/197972.dokumentation-der-gewalt.html

Peter Nowak

Und wo ist die Anti-AKW-Bewegung?

Berlin: Während ein Lobbyverein der AKW-Industrie vor dem schnellem Ausstieg warnt, blieben die Proteste hinter den Erwartungen zurück

Rund 1.300 Teilnehmer aus 60 Ländern treffen sich noch bis Donnerstag in der Berliner Kongresshalle zur Jahrestagung Kerntechnik 2011.

Die Warnung vor einem „überhasteten Atomausstieg“ prägte das Treffen. Schon bei der Eröffnungsrede erklärte der Präsident des Deutschen Atomforums Ralf Güldner, die europäischen AKWs seien sicherer als die japanischen. Dann zählte er noch einmal alle Argumente auf, die in den letzten Wochen gegen einen schnellen Ausstieg aus der AKW-Industrie vorgebracht wurden: Güldner warnte vor höheren Kosten für die gesamte Volkswirtschaft, vor der Verfehlung der klimapolitischen Ziele, vor erhöhter Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen und vor weniger Versorgungssicherheit beim Strom.

In Sichtweise der Kongresshalle am Alexanderplatz hat ein Bündnis von AKW-Gegnern ein dreitägiges Protestcamp aufgebaut, wo es Diskussionen und kulturelle Darbietungen gibt. Ein kleines AKW wird symbolisch in Mörtel eingemauert. Die geplante Blockade des Treffens in der Kongresshalle scheiterte am Dienstagmorgen aufgrund der geringen Teilnehmerzahl.

Manche der meist jungen Organisatoren des Anti-AKW-Camps zeigte sich enttäuscht über die geringe Resonanz. Sie hatten gehofft, dass die mediale Dauerpräsenz des Atomthemas nach dem Desaster in Japan mehr Menschen zu Protesten ermutigt. Die Voraussetzungen schienen günstig. Schließlich gab es schon im Vorfeld Kritik an den Methoden, mit denen die Reaktorsicherheitskommission ihren Abschlussbericht erstellte, der am ersten Tag des Atomforums veröffentlicht wurde.

Auch die Situation in den japanischen Reaktoren ist noch keineswegs geklärt, was eher die Warnungen der Kritiker bestätigt. Zudem wurde unmittelbar vor der Tagung bekannt, dass die Stromkonzerne zumindest vorübergehend alte Meiler wieder in Betrieb nehmen wollen. Doch auch diese Nachrichten hatten keine mobilisierende Wirkung.

Atomausstieg selber machen oder die Regierung machen lassen?

Unter den Aktivisten im Camp gab es unterschiedliche Meinungen zu den Gründen der schwachen Beteiligung. Während eine Frau mutmaßte, dass man vielleicht von Anfang an zu optimistisch an die Protestvorbereitung herangegangen sei, ist ein junger Mann der Meinung, dass es die Politiker verstanden hätten, die Bevölkerung glauben zu lassen, der Atomausstieg sei bei ihnen in guten Händen, es werde nur noch über das Tempo gestritten.

Wo aber scheinbar alle einer Meinung sind, können sich die Aktivisten mit ihrer Losung „Atomausstieg selber machen“ schwer Gehör verschaffen. Ein Mann mit längerer AKW-Erfahrung blickte 25 Jahre zurück. „Nach dem Gau in Tschernobyl waren Tausende aktiv gegen den AKW-Bau und ihre Profiteure“, erinnert er sich.

Im Unterschied zu jetzt haben 1986 alle großen Parteien ihr Bekenntnis zur Atomkraftnutzung bekräftigt. Bei den Aktionen gab es massive Polizeieinsätze mit vielen Verletzten. Ein Diskutant im Anti-AKW-Camp führt vor allem ökonomische Gründe für den Wechsel im Diskurs an. „Mittlerweile ist Deutschland Vorreiter bei den Erneuerbaren Energien, die durch den Weiterbetrieb der AKWs behindert werden.“

http://www.heise.de/tp/blogs/2/149854

Peter Nowak

Erinnerungen an Atlantis

Eine Ausstellung und zwei Bücher erinnern an den 2008 gestorbenen Kreuzberg-Fotografen Ludwig „Nikolai“ Menkhoff – und einen versunkenen Stadtteil.  
 
Verfallende Häuser stehen neben Kriegsruinen, auf dem zerfledderten Plakat einer maoistischen Partei erkennt man noch den Ruf nach einem vereinigten sozialistischen Deutschland. In dieses Kreuzberg der frühen 70er führt uns eine Fotoausstellung des Kreuzberg Museums mit Arbeiten des 2008 verstorbenen Ludwig „Nikolai“ Menkhoff.
 
„Atlantis SO 36“ heißt die Schau über einen Kiez noch völlig ohne Glanz und Glamour. Die meisten Touristen machten damals einen großen Bogen um den Kiez, rechte Politiker sprachen von den KreuzbergerInnen als „Anti-BerlinerInnen“. Hatten sich doch im Schatten der Mauer Menschen niedergelassen, die gerade der morbide Charme anzog. Sie sind Menkhoffs HeldInnen. Früh gealterte Männer mit Bierflasche gehören ebenso dazu wie Kinder mit migrantischem Hintergrund – zu einer Zeit, als es den Begriff noch nicht gab. Auch die ersten HausbesetzerInnen tauchen auf den Fotos auf. Auf einem Bild schlagen behelmte Polizisten auf einen Mann ein, der schon verletzt am Boden liegt. Am 1. Mai 1980 wurde der Fotograf selbst Opfer von Polizeigewalt, als er mit seinem Freund auf den Heimweg war.
 Menkhoff war Teil der Kreuzberger Mischung, die er porträtierte. Auf einer Tafel skizziert der Historiker Erik Steffen das bewegte Leben des Mannes, der den Nazis als „Halbjude“ galt und als Soldat in russische Gefangenschaft geriet. Später ging er gegen Neonazis auf die Straße, fuhr zur See und wurde als Schwuler stigmatisiert, bis er in „Atlantis SO 36“ landete. Dort war er ständiger Gast in vielen Kneipen und bei Ausstellungseröffnungen. Anfang der 80er versuchte Menkhoff noch einmal den Ausbruch aus Kreuzberg. Doch in Niedersachsen, wo er sich niederließ, wurde er Opfer eines antisemitischen Überfalls. Er kehrte zurück nach Kreuzberg. 1987 stach ihn vor einem Café am Heinrichplatz ein junger Mann im Drogenrausch nieder.
 Menkhoff überlebte die Attacke nur knapp, er zog sich zurück und begann Ikonen zu malen. Von Depressionen geplagt, suchte er Trost in der russisch-orthodoxen Religion, zu der sich hingezogen fühlte. Drei Jahre nach seinem Tod ist Menkhoff wieder sehr gefragt, gleich zwei Bücher sind über ihn erschienen. Vielleicht ist es auch die Trauer über einen versunkenen Stadtteil, die das Interesse beflügelt.
 
Die Ausstellung im Kreuzberg-Museum läuft bis 5. Juni 2011.

http://www.taz.de/1/berlin/artikel/1/erinnerungen-an-atlantis/

Peter Nowak

Wer kontrolliert die Polizei?

 Während in den meisten europäischen Ländern unabhängige Kommissionen ermitteln, existiert in Deutschland ein Netz von zivilgesellschaftlichen Organisationen
Nach dem diesjährigen 1. Mai gab es eine Premiere. Nie zuvor haben soviele Polizeibeamte im Dienst ihre eigenen Kollegen wegen Körperverletzung, vor allem bei der Verwendung von Pfefferspray, angezeigt. Ob die Anzeigebereitschaft auch so groß gewesen wäre, wenn die Opfer Demonstranten gewesen wäre, muss bezweifelt werden. Denn der Korpsgeist in der Polizei ist noch immer groß und Polizisten, die eine Anzeige machen, werden oft gemobbt, so der Diplompolitologe Herrnkind auf einer von zahlreichen zivilgesellschaftlichen Organisationen organisierten gutbesuchten Veranstaltung, die sich der Frage widmete, wer ermittelt, wenn Polizisten eines Fehlverhaltens beschuldigt werden.

Dabei stellte Herrnkind und Norbert Pütter, Redakteur der Zeitschrift Bürgerrechte und Polizei/Cilip fest, dass in den meisten europäischen Ländern in einem solchen Fall eine unabhängige Untersuchungskommission aktiv wird. In Deutschland gibt es die nur in wenigen Bundesländern wie Sachsen-Anhalt. In Hamburg wurde eine solche Kommission vom CDU-Schill-Senat wieder abgeschafft. Dass sich in Deutschland ein großer Teil der Polizisten einschließlich ihrer Gewerkschaften gegen unabhängige Ermittlungsinstanzen wehren, führt Pütter auf eine besonders obrigkeitsstaatliche Tradition zurück.

Dabei zeigen die Erfahrungen in den europäischen Nachbarländern, dass eine unabhängige Untersuchungskommission eher zu einer „Effektivierung“ als zu Delegitimierung von Polizeihandeln führt, selbst wenn unrechtmäßige Gewalt festgestellt wird. So kam Anfang Mai eine unabhängige Kommission zu dem Schluss, dass für den Tod des Zeitungsverkäufers Ian Tomlison am Rande von G8-Protesten am 1.4. 2009 in London ein Polizist verantwortlich ist, gegen den jetzt juristisch ermittelt wird.

Zuvor war von der Polizei behauptet worden, Tomlison sei an Herzversagen gestorben. Da aber der Bericht auch dem Polizeieinsatz rund um die G8-Proteste ein gutes Zeugnis ausstellte und für den Tod des Mannes ein „schwarzes Schaf“ verantwortlich machte, wurde der Bericht auch von der Polizeiführung begrüßt.

Die Freunde und Verwandten des Studenten Tennessee Eisenberg, der am 30.April 2009 im Treppenhaus eines Regensburger Studentenwohnhauses von alarmierten Polizisten erschossen wurde, verlangen noch immer ein juristisches Verfahren. Laut eines Berichts des Spiegel sollen die ersten Schüsse auf den Studenten abgegeben worden sein, als er den Polizisten den Rücken zukehrte.

Kontrolle von unten

In mehreren Beiträgen aus dem Publikum wurde auf die Bedeutung von zivilgesellschaftlicher Polizeikontrolle hingewiesen. Schon 1967 hatte nach dem Tod von Benno Ohnesorg auf einer Anti-Schah-Demonstration eine unabhängige Untersuchungskommission die offizielle Version zerpflückt.

Seitdem sorgen solche Initiativen immer wieder für eine Gegenöffentlichkeit nach umstrittenen Polizeieinsätzen, beispielsweise im September 2010 gegen S21-Gegner in Stuttgart. Wesentlich schwieriger ist die Herstellung von Öffentlichkeit, wenn Opfer von Polizeigewalt nicht aus politischen Zusammenhängen kommen, wie die erst vor wenigen Wochen bekannt gewordenen Todesumstände von Sliman Hamade zeigen, der am 5 .März 2010 bei einem Polizeieinsatz gestorben war.

http://www.heise.de/tp/blogs/8/149852
 

Peter Nowak

KDV feiert ihr Ende

Zentralstelle löst sich bis 2014 auf

Es ist selten, dass eine Organisation ihre eigene Auflösung feiert. Doch die Zentralstelle Kriegsdienstverweigerung (KDV) hat genau das am Wochenende in Berlin getan. Mit der Aussetzung der Wehrpflicht der Aussetzung der Wehrpflicht hat sich ihre Kernaufgabe, die Beratung von Kriegsdienstverweigern erledigt. Bis 2014 soll noch beobachtet werden, ob vielleicht unter anderen politischen Konstellationen die Wehrpflicht wieder reanimiert wird. Dann würde auch die Zentralstelle KDV sofort wieder aktiv werden. Wenn aber, wofür vieles spricht, die Aussetzung der Anfang vom Ende der Wehrpflicht ist, wird sich der KDV-Interessenverband in drei Jahren vollständig abwickeln.
Damit aber ist für Antimilitaristen noch genug zu tun. Schließlich ist eine Freiwilligenarmee für die heutigen Kriege weitaus besser geeignet, als eine Truppe aus Wehrpflichtigen. Dieser Aspekt spielte in der Fragestellung der Abschlussdiskussion am Sonntagvormittag eine Rolle. „Geht es auch ohne Militär? Noch ist nicht alles gut in einem Deutschland ohne Wehrpflicht“, hieß das Motto, zu dem die Präsidentin der Zentralstelle KDV Margot Käßmann einführende Worte sprach. Sie spatte nicht mit Floskeln, wünschte mehrmals kreatives Denken für den Frieden und sprach sich für eine Polizeitruppe unter UN-Mandat aus, die Konflikte in der Welt schlichten sollen. Dabei soll auf einen hohen Frauenanteil geachtet werden, weil dadurch nach der Meinung von Käßmann Konfliktschlichtung einfacher ist. Dazu gab es aus dem Publikum kritische Stimmen. Schließlich sei die Trennlinie zwischen Polizei und Militär längst nicht so eindeutig. Es sei gar ein Trend hin zu einer Verschmelzung bei vielen Konflikten zu beobachten, wurde angemerkt.
Thomas Gebauer von medico International erinnerte an die materielle Interessen, die hinter vielen Konflikten auf der Welt stehen und verwies auf das Kommunistische Manifest als einen Lektürehinweis zu den Ursachen von Kriegen. Im Kampf gegen Rüstungsexporte aus Deutschland sah er eine wichtige Aufgabe der Antimilitaristen. Die Vorsitzende der deutschen Sektion der Internationalen Ärzte für die Verhinderung eines Atomkriegs Angelika Claußen sprach sich dafür aus, Konflikte auf der Welt nicht erst dann Beachtung zu schenken, wenn sie in blutige Kriege ausarten. Sie brachte dafür ein gutes Beispiel. Als junge Medizinerin habe sie in 1978 in der Türkei ein Projekt fortschrittlicher Mediziner besucht. Damals war auch der Gesundheitsminister der afghanischen Linksregierung vor Ort, die dort nach der Aprilrevolution grundlegende soziale Reformen einleitete. Er wollte von den Erfahrungen der linken Basismediziner in der Türkei lernen. Bekanntlich gehörten Ärzte und Krankenschwestern bald zu den ersten Zielen der afghanischen Islamisten, die bereits vor den Einmarsch der Roten Armee von den USA und anderen westlichen Staaten im Kampf die Linksregierung bewaffnet wurden. Damals wurden die Wurzeln für den Afghanistankonflikt gelegt.

Von der KDV zur MSV
Ebenfalls aus dem Publikum kam der Einwand, dass nicht nur durch die Bundeswehr sondern auch durch Steuern die Militärpolitik unterstützt wird. Deshalb müsse nun eine Kampagne zur Militärsteuerverweigerung (MSV) begonnen werden. Ein Netzwerk Friedenssteuer leistet politische Überzeugungsarbeit und individuelle Beratung für Menschen, die einen Teil ihrer Steuer auf einen Sonderfond überweisen, weil sie nicht bereit sind, die Aufrüstung mit zu finanzieren. Sie müssen mit Strafverfahren rechnen, wie noch heute viele Menschen in aller Welt, die nicht zur Armee gehen wollen. So steht in der Türkei ein Kriegsdienstverweigerung zum vierten Mal wegen seiner antimilitaristischen Haltung vor Gericht, ein anderer wurde vor kurzem zu einer mehrmonatigen Gefängnisstrafe wegen Hetze gegen die Armee verurteilt. Positives hatte ein russischer Antimilitarist zu berichten. Dort wurde die Dauer der Wehrpflicht von 3 Jahre auf 21 Monate verkürzt, die nicht mehr, wie bis 2004, in den Küchen der Kasernen sondern in sozialen Einrichtungen abgeleistet werden können. Diese Verbesserungen seien nur durch außerparlamentarischen Druck und internationale Unterstützung durchgesetzt worden, betonte der Moskauer Aktivist.

https://www.neues-deutschland.de/artikel/197662.kdv-feiert-ihr-ende.html

Peter Nowak

Sicher geheim?

Castortransporte ohne Vorankündigung

Wenn künftig Castoren mit Atommüll durch die Republik Richtung Gorleben rollen, wird es keine Meldung über die Route mehr im Internet geben. Bundesumweltminister Norbert Röttgen, den manche wegen seiner akwkritischen Töne der letzten Wochen für eine Neuauflage von Herbert Gruhl in der CDU halten, ist dafür verantwortlich, dass die Bevölkerung nicht mehr informiert wird. Diese stärkere Transparent war in Zeiten der rotgrünen .Bundesregierung eingeführt worden. Sicherheitsgründe seien für die Rücknahme verantwortlich, heißt es auf der Internetseite des Bundesamtes für Strahlenschutz (BfS). Aber es ist wohl eher die Angst, dass die in Deutschland durch die Laufzeitverlängerungen von AKWs und das japanische AKW-Desaster enorm gestärkte Umweltbewegung einen Castor nicht mehr nur symbolisch zum Stoppen bringen könnte. Schließlich konnten schon die letzten Transporte ins Wendland nur noch mit hohen Kosten und einen immensen Polizeieinsatz durchgesetzt werden.
Die ersten Reaktionen von AKW-Gegnern machen es wahrscheinlich, dass die Heimlichtuerei die Castorgegner eher noch motiviert. „Die Atommülldebatte kommt endlich auch in Fahrt, in Gorleben dürfen nicht weiter Fakten geschaffen werden”, meinte der Sprecher Bürgerinitiative Lüchow-Dannenberg Wolfgang Ehmke. Zudem sind die AKW-Gegner nicht auf die Informationen auf der BfS-Homepage angewiesen, um zu erkunden, wo der Castor rollt. Das musste auch die Sprecherin des Bundesamts für Strahlenschutz Anja Schulte-Lutz einräumen.
Schließlich haben sich auch in der Vergangenheit die lokalen Initiativen in mühevoller Kleinarbeit mit aktuellen Informationen versorgt. Diese Detektivarbeit an der Basis dürfte auch beim nächsten Transport zum Einsatz kommen und sogar noch intensiviert werden. In Zeiten wo moderne Kommunikationstechnologien zur Massenware wurden, ist das auch wesentlich einfacher geworden ist. Zudem wird das Selbstbewusstsein einer Initiative gestärkt, wenn sie sich die nötigen Informationen selber besorgen kann. Deshalb schwächt die Heimlichtuerei nicht die Castorgegner sondern ist ein Zeichen für die Ratlosigkeit des Staates.
https://www.neues-deutschland.de/artikel/197677.sicher-geheim.html?sstr=Peter|Nowak
Peter Nowak

Ohne Druck läuft nichts

Bei einer Diskussion zur Regulierung von Praktika gab es viele gute Vorschläge, nur Praktikanten nahmen nicht daran teil
 Die DGB-Jugend diskutierte mit Bundestagsabgeordneten über die Arbeitsbedingungen von Praktikanten. Doch so lange die sich nicht selbst wehren, wird sich wenig ändern.

»Da Sie mich noch nicht kennen, bin ich gerne bereit, meine Fähigkeiten durch ein Praktikum unter Beweis zu stellen.« Dieses Angebot bekam der SPD-Bundestagsabgeordnete Swen Schulz von einem Studienabgänger, der sich bei dem Politiker als wissenschaftlicher Mitarbeiter beworben hat. Für Schulz ist es Ausdruck für den großen Druck, unter dem viele junge Akademiker stehen, erklärte er diese Woche bei einer Gesprächsrunde der DGB-Jugend in Berlin. Über die »Generation Praktikum 2011« diskutierten neben Schulz auch der grüne Bundestagsabgeordnete Kai Gehring. Er sprach sich für gesetzliche Mindeststandards für Praktika aus. Dazu sollen ein Abschlusszeugnis und ein schriftlicher Vertrag gehören.

 Weitergehende Vorstellungen hat die LINKE-Abgeordnete Nicole Gohlke. Sie forderte einen Mindestlohn von 500 Euro für die Praktikanten und ein Verbot von Praktika für Menschen, die ihre Ausbildung abgeschlossen haben. Damit würden schließlich nur reguläre Arbeitsplätze vernichtet und einer Prekarisierung der Arbeits- und Lohnbedingungen Vorschub geleistet, meinte die Politikerin mit eigener Praktikumserfahrung. Ihre Befürchtungen decken sich mit den Ergebnissen einer von der DGB-Jugend in Auftrag gegebenen Studie. Danach leisten vier von fünf Praktikanten vollwertige Arbeit in den Betrieben. Besonders im Kultur- und Medienbereich seien schlecht bezahlte Praktika besonders weit verbreitet. DGB-Bundesjugendsekretär René Rudolf machte allerdings darauf aufmerksam, dass auch im nicht-akademischen Bereich Praktika reguläre Arbeitsplätze ersetzen und zur Deregulierung beitragen.

Unternehmen verklagt

Einig waren sich die Diskussionsteilnehmer, dass Verbesserungen in diesem Bereich nur durch Druck der Betroffenen zustande kommen. Konkrete Erfahrungen mit Praktikantenstreiks gibt es hierzulande kaum, dafür las Markus Henrik aus seinem Roman »Der Copy-Mann« vor, wie sich ein Praktikantenwiderstand entwickeln könnte. Dass Praktikantenpower auch im realen Leben möglich ist, machte Bettina König vom Berliner Verein »Fairwork« auf der Veranstaltung deutlich. Sie ist bekannt geworden, weil sie ein Unternehmen erfolgreich verklagt hatte, das sie als Praktikantin reguläre Arbeiten verrichten ließ. Die Personalchefin dieses Unternehmens gehörte zu den Gästen des Abends und berichtete, dass sich die Situation der Praktikanten dort derweil verbessert habe. Sie räumte selbstkritisch ein, diese Veränderung sei ohne Königs Widerstand nicht möglich gewesen.

Dass die Einsichtsfähigkeit der Unternehmen, auf die Schulz mehrmals verwies, eher begrenzt sein dürfte, zeigte sich auch daran, dass von den 70 von der DGB-Jugend eingeladenen Unternehmen nur eines erschienen ist. Allerdings fehlten auch die Betroffenen. Dabei hätten sie an dem Abend lernen können, dass Widerstand auch erfolgreich sein kann. Die Schwierigkeiten der Selbstorganisation wurden nicht nur bei der Gesprächsrunde deutlich. Während in Ländern wie Portugal, Frankreich und Italien Praktikanten mit und ohne Abitur für die Verbesserung ihrer Lebensbedingungen auf die Straße gehen, ist die Euromayday-Bewegung, die am 1. Mai prekär Beschäftigte, also auch Praktikanten, sichtbar machen will, wieder eingeschlafen. Am 13. Mai will die ver.di- Jugend um 13 Uhr auf dem Berliner Alexanderplatz mit einer Aktion auf Situation der Praktikanten aufmerksam machen.

www.wie-willst-du-leben.de

Peter Nowak

Alle sind böse, alle sind gegen uns

 
Burschenschaften beklagen angeblich steigende Gewalt gegen korporierte Studentenverbindungen

 Studentische Burschenschaften gelten gemeinhin als politisch rechts orientiert, vielen wird ein offen rassistisches und antisemitisches Weltbild vorgehalten. Jetzt schlagen die Korporierten zurück. In einer Studie beklagen sie eine zunehmende Gewalt und steigende Feindseligkeit gegen ihre Studentenverbindungen.

»Alle sind böse – Studentenverbindungen beklagen sich über Polizei, Justiz, Politik, die Medien und natürlich die Antifa«, so kommentierte die Frankfurter Rundschau (FR) eine vom Convent Deutscher Akademikerverbände (CDA) in Auftrag gegebene und vom Burschenschaftler Frank Grobe verfasste Studie mit dem Titel »Gewalt gegen Korporationen«. Zu den Gewalttaten gegen Burschenschafter rechnet er auch kritische Berichterstattung über Korporierte. Ins Visier geraten ist dabei auch die FR. Sie hatte im letzten Jahr mehrmals über extrem rechte Tendenzen bei den Burschenschaften geschrieben und auch vermeldet, dass bei der Burschenschaft Germania in Kassel der mittlerweile verstorbene Altnazi Jürgen Rieger aufgetreten ist. In der Studie wurde die Berichterstattung der FR als Straftat aufgeführt. Die Rede ist von Verleumdung und übler Nachrede. Allerdings habe es keinerlei juristische Ermittlungen gegen die Artikel gegeben, betonte die Redaktion der Frankfurter Rundschau. Auch der Wahrheitsgehalt der Berichte sei nicht bestritten worden.

 
Über die vielmals belegten rechten Tendenzen bei einzelnen Burschenschaften wurde in der Studie insgesamt geschwiegen. Eine Distanzierung von den Deutschen Burschenschaften (DB), die nach Rechts als besonders weit offen gelten, wurde auch von Korporierten abgelehnt, die sonst immer die mangelnde Differenzierung bei der Berichterstattung über die Korporierten bemängeln. So erklärte der Vorsitzende des CDA, der Berliner Rechtsanwalt Joachim Schön, bei der Vorstellung der Studie, er sehe »keine Veranlassung, die DB auszuschließen«. Auch der innenpolitischen Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Hans-Peter Uhl, schweigt über diese rechten Tendenzen: Er unterstützt pauschal den CDA und erklärt: »Der Rechtsstaat hat auch die Unversehrtheit der Korporationen zu schützen.« Zudem bringt er Gewalt gegen Einrichtungen der Korporierten mit Protesten gegen deren Treffen in Verbindung. »Sollte sich herausstellen, dass es sich dabei um eine gezielte Kampagne der linken ›Antifa‹ handelt, dann muss dagegen vorgegangen werden.« Der CDA forderte mehr Schutz von der Polizei. Der Verfasser der Studie Frank Grobe ist Historiker und selbst Burschenschafter.

Ein Bündnis antifaschistischer und studentischer Gruppen zeigt sich von dieser Kritik und den Vorwürfen unbeeindruckt. Es hat auch für die nächsten Wochen Proteste gegen verschiedene Auftritte der studentischen Verbindungen angekündigt. Ein Hauptschwerpunkt des linken Bündnisses ist in diesem Jahr der Deutsche Burschenschaftstag am 18. Juni in Eisenach. An diesem Tag wollen die Burschenschaften auf der Wartburg an alte Traditionen anknüpfen. Die Kritiker werfen ihnen ein nationalistisches und strukturell antisemitisches Weltbild vor und erinnern daran, dass auch schon auf dem Wartburgfest der Burschenschaften 1817 gegen Juden gehetzt und Bücher von als unpatriotisch geltenden Autoren verbrannt worden seien. Aus dem gleichen Gründen mobilisieren studentische Linke gegen den Coburger Convent, der vom 10. bis 13. Juni in der nordbayerischen Stadt tagt.

Die Burschenschaftskritiker haben in den letzten Jahren durchaus Erfolge in ihrem Protest gegen die rechten Verbindungen verbucht. So konnte der Hamburger Verbändeconvent nach Protesten im Jahr 2009 nicht stattfinden und der abgewählte Regierende Bürgermeister von Hamburg, Christoph Ahlhaus (CDU), hat auch durch seine Verbindungen zum Coburger Convent einen massiven politischen Imageschaden erlitten.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/197464.alle-sind-boese-alle-sind-gegen-uns.html

Peter Nowak

Todesstrafe für Homosexuelle in Uganda?

 
Mit einer Onlinepetition versuchen Menschenrechtler die Verabschiedung eines Gesetzes in dem afrikanischen Staat Uganda zu verhindern, das es möglich machen würde, Homosexuelle mit dem Tod zu bestrafen.

 Im letzten Jahr hat Ugandas Präsident Museveni eine ähnliche Initiative nach Protesten in aller Welt zurückgezogen. Dass sie jetzt wieder auf der Tagesordnung des Parlaments steht, könnte auch mit den Protesten einer selbstbewussteren Zivilgesellschaft zusammenhängen, die den autoritären ugandischen Präsidenten herausfordert. . Schon in der Vergangenheit dienten in Uganda zu Minderheiten erklärte Personengruppen als Sündenböcke. Dazu gehört die Ermordung von Albinos ebenso wie die von Angehörigen sexueller Minderheiten. Gerade Homosexuelle sind in vielen afrikanischen Staaten zur Zielscheibe von Angriffen geworden und werden als unafrikanisch und unpatriotisch verfolgt. Darauf hat Internationale Menschenrechtskommission für Schwule- und Lesben immer wieder aufmerksam gemacht. Bei der Verfolgung von Homosexuellen wird die Angst vor Aids gezielt ausgenutzt.

Mord an ugandischen Schwulenaktivisten

Wie schnell aus der Hetze Mord wird, zeigt die Ermordung des ugandischen Schwulenaktivisten David Kato im Januar 2011. Der Jurist Kato hatte im letzten Jahr den erfolgreichen internationalen Protest gegen den Gesetzentwurf wesentlich mit initiiert, der auch damals schon die Möglichkeit der Todesstrafe für Homosexuelle vorgesehen hat. Er klagte auch gegen das ugandische Boulevardblatt Rolling Stone, das Ende vergangenen Jahres die Fotos bekennender oder angeblicher Homosexueller mit Namen und Adresse unter der Schlagzeile „Hängt sie auf“ veröffentlicht hatte. Katos Bild war damals prominent auf der Titelseite abgedruckt worden.

Das Blatt nutzte die Schwulenhetze zur Auflagensteigerung und verknüpfte die Angst vor Aids, Terrorismus und politischer Unruhe mit den Angriffen auf die sexuelle Minderheit. Dass das Blatt damit geschäftlichen Erfolg hatte, zeigt auch das gesellschaftspolitische Klima in Uganda. Sollte der Gesetzesvorschlag Erfolg haben, fürchten Menschenrechtler eine weitere Verschärfung. Nach ihren Angaben wären tausende Menschen bedroht.

http://www.heise.de/tp/blogs/8/149826
 Peter Nowak