Gegen das Arbeitnehmerpatriarchat

Über eine etwas verkürzte Geschichte der DGB-Frauen von Sibylle Plogstedt
„Trotz aller gesellschaftlichen Fortschritte: Der Internationale Frauentag hat seine Existenzberechtigung nicht verloren“, hieß es in einer Erklärung des DGB-Bezirks Berlin-Brandenburg zum 8. März 2013. Das war nicht immer so. 1980 wollte der DGB-Bundesvorstand verhindern, dass sich gewerkschaftliche Frauen an den Aktionen zum 8.März beteiligen. Schließlich werde der in der DDR gefeiert und Clara Zetkin, die als wichtige Initiatorin gilt, war nach 1919 Mitglied der Kommunistischen Partei, lautete die Begründung. Nachdem örtliche gewerkschaftliche Initiativen die Vorstandsanweisung ignorierten und die Zahl der BesucherInnen gewachsen war, beschloss der DGB, eigene Aktionen zum 8. März zu organisieren. Dabei war man aber bemüht, eine neue Geschichte dieses Tages zu kreieren. Ein historisches Gutachten machte darauf aufmerksam, dass der Anlass für den Internationalen Frauentag ein Streik von Textilarbeiterinnen in den USA gewesen ist. Zetkins Rolle in der Durchsetzung des 8. März’ als Kampftag der proletarischen Frauenbewegung wurde einfach ausgeblendet. Diese heute weitgehend vergessenen Querelen um den 8. März im DGB finden sich dankenswerterweise in dem von Sibylle Plogstedt verfassten Buch „Wir haben Geschichte geschrieben“ wieder. Die Autorin war als undogmatische Linke in der außerparlamentarischen Bewegung aktiv und Mitbegründerin der Frauenzeitung Courage. Die hatte, anders als die heute bekanntere Emma, schon früh Kontakte auch zu Frauen in der Gewerkschaftsbewegung gesucht.
Kein Geld für Geschichte
Mit ihrer Geschichte der Frauen im DGB leistet Plogstedt Pionierarbeit. Dabei hatten die DGB-Frauenausschüsse bereits 1980 den Beschluss gefasst, ihre eigene Geschichte aufzuschreiben. Allerdings verfügte die Frauenabteilung über keinen eigenen Etat. Diese Episode ist durchaus symptomatisch für den Umgang des DGB-Apparates mit der eigenständigen Organisation der Frauen, wie Plogstedt im Detail nachweist. Sie geht chronologisch vor und beschreibt die Geschichte der gewerkschaftlichen Frauen von der unmittelbaren Nachkriegszeit bis zum Jahr 1990. Dieses Jahr ist tatsächlich auch für die DGB-Frauen eine Zäsur. Erstmals stehen sie nicht mehr unter der Ägide einer CDU-Frau. Die Ära von Maria Weber war beendet. Dass für mehr als vier Jahrzehnte ein CDU-Mitglied für dieses Amt zuständig war, ist keineswegs der Wille der DGB-Frauen gewesen. Vielmehr zeigt Plogstedt, wie die sich anfangs dagegen wehrten. Doch der männlich geprägte DGB-Vorstand wollte zwei „Minderheiten“ auf einem Posten unterbringen: Frauen und CDU/CSU-Mitglieder mussten in den Führungsgremien einer Einheitsgewerkschaft, wie sie die DGB-Spitze verstand, berücksichtigt werden. Die dagegen aufbegehrenden Frauen wurden vom zuständigen Sekretär brüsk zurückgewiesen. „Frauen durften nur im Rahmen der allgemeinen Konferenzen des DGB entscheiden, aber die Bundesfrauenkonferenz selbst war dort nicht antragsberechtigt“ (S. 95), beschreibt Plogstedt das Dilemma. Die Erwartungen des männlichen DGB-Vorstands formulierte Kollege Karl auf der ersten Frauenkonferenz des DGB: „Ich bitte Sie Ihre Anträge und Wünsche so zu formulieren und zu adressieren, dass über ihre Konferenz nachträglich nicht ungünstig beurteilt wird“ (S. 95). Folge dieser bürokratischen Eingriffe: „Beim zweiten DGB-Kongress verstummten die Frauen“ (S. 103). Viele in der unmittelbaren Nachkriegszeit aktive DGB-Frauen meldeten sich bei den Gewerkschaftskongressen kaum noch zu Wort. Der Konflikt innerhalb der DGB-Frauengremien spitzte sich erst Mitte der 60er Jahre wieder zu. Während dort eine Mehrheit für eine Reform des Abtreibungsrechts votierte, lehnte es die Katholikin Maria Weber aus Gewissensgründen ab, den Beschluss nach Außen zu vertreten.
Abqualifizierung linker GewerkschafterInnen
Plogstedt hat eine Organisationsgeschichte der Frauen im DGB geschrieben, die man ohne historisches Vorwissen lesen kann. Man entdeckt dort manche lange vergessene Episode der DGB-Geschichte und stößt auf manche zu Unrecht vergessene Diskussion. So wird an Claudia Pinls 1977 erschienene Schrift „Das Arbeitnehmerpatriarchat“ erinnert, die präzise die antifeministischen Strömungen in den männlichen DGB-Funktionärsetagen beschrieb. Manche Gewerkschafterin bemerkte schon launig, dass das Ausmaß des gewerkschaftlichen Antifeminismus größer sei als die Abwehr gegenüber Frauen in bürgerlichen Organisationen. Es ist Plogstedts Verdienst, in ihrem Buch an diese Debatten zu erinnern. Allerdings sollten auch die kritischen Punkte in ihrem Buch nicht vergessen werden.
Mit der Konzentration auf die Organisationsgeschichte kommt die gewerkschaftliche Basisbewegung, die immer auch von vielen aktiven Frauen getragen wurde, deutlich  zu kurz. So wird beispielswiese Fasia Jansen, die im Ruhrgebiet jahrzehntelang viele gewerkschaftliche Kämpfe begleitet hat, darunter die Streiks für die 35-Stunden-Woche, wird in dem Buch gar nicht erwähnt.
Immerhin wird in einem kleinen Kapitel auf die Streiks der Heinze- und Pierburg-Frauen für gleiche Löhne für gleichwertige Arbeit hingewiesen.
Könnte die Konzentration auf die gewerkschaftliche Organisationsgeschichte vielleicht auch damit zu tun haben, dass in den Streikbewegungen auch KommunistInnen oder LinkssozialistInnen aktiv waren? Denn die werden im Buch entweder gar nicht oder nur negativ erwähnt. Das zeigte sich an Plogstedts Darstellung Kaltstellens  der Gewerkschaftssekretärin Karin Roth. Die spätere SPD-Spitzenfunktionärin Anke Fuchs brachte die Gründe gut auf den Punkt: „Karin Roth wollte zu meiner Zeit bei mir eingestellt werden. Die war mir aber zu links. Die habe ich nicht genommen“ (S. 376). Plogstedt teilt die Ansicht von Fuchs und anderen Roth-KritikerInnen: „Roth zählte damals zu den Hoffnungsträgerinnen der traditionellen Linken in der IG-Metall. Kaum jemand war so umstritten wie sie“ (S. 376). Der Terminus traditionelle   Linke war damals zu einem Kampfbegriff geworden, mit den GewerkschaftsmitgliederInnen bezeichnet wurden, die für eine klassenkämpferische Gewerkschaftspolitik   eintraten und dabei auch zu  Bündnisse mit Gruppierungen links von der SPD bereit waren.  Dazu gehörte Karin Roth, die  seit 1972 SPD-Mitglied war,    in den 80er Jahren aber noch enge Kontakte auch zu linken Initiativen außerhalb der SPD hatte. Erst in den 90er Jahren trat  auch Karin Roth  den  Marsch  durch  sozialdemokratische Organisationen  an, war für   einige Jahre  Senatorin in Hamburg und danach Staatssekretärin in der rot-grünen Bundesregierung.
Plogstedt zeigt in ihrer Geschichte der DGB-Frauen auch, welch eingeschränktes Verständnis von Einheitsgewerkschaft in der Funktionärsetage von Anfang an dominierte. Während in der Gestalt von Maria Weber die christdemokratische und christsoziale Komponente auf der Führungsebene in einer Person vertreten war, galten LinksozialistInnen oder gar KommunistInnen als Kräfte von außen, die die Gewerkschaften vereinnahmen wollten und daher bekämpft werden müssen. Dass sie genauso Teil der Einheitsgewerkschaft DGB sein könnten wie Sozial- und ChristdemokratInnen, kam der DGB-Führung gar nicht in den Sinn und Plogstedt teilt diese Lesart weitgehend. So hat Plogstedt neben der Geschichte der DGB-Frauen auch eine Geschichte des DGB-Apparates geschrieben, die man kritisch lesen sollte.

express-Ausgabe 7-8/2014

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Peter Nowak
Sibylle Plogstedt, Wir haben Geschichte geschrieben, Zur Arbeit der DGB-Frauen (1945- 1990), Psychosozial-Verlag, Gießen 2013, 519 Seiten, 19,90 Euro, ISBN: 978-3-83792318-6

Ein langer Weg zum Frauenkampftag

Sibylle Plogstedt legte eine lesenswerte Geschichte der DGB-Frauen vor

Der Weg zur Emanzipation der DGB-Frauen in der eigenen Organisation war ein steiniger. Bürokratische Hindernisse und ideologische Differenzen galt es zu überwinden.

»Trotz aller gesellschaftlichen Fortschritte: der Internationale Frauentag hat seine Existenzberechtigung nicht verloren«, heißt es in einer Erklärung des DGB-Bezirks Berlin-Brandenburg zum 8. März. Das war nicht immer so. 1980 wollte der DGB- Bundesvorstand durchsetzen, dass sich gewerkschaftliche Frauen nicht an den Aktionen zum 8.März beteiligen. Schließlich werde der in der DDR gefeiert und Clara Zetkin, die als wichtige Initiatorin gilt, war Mitglied der Kommunistischen Partei. Nachdem örtliche Initiativen die Vorstandsanweisung ignorierten und die Zahl der Besucherinnen gewachsen war, beschloss der DGB eigene Aktionen zum 8. März zu organisieren.

Dabei war man aber bemüht, den Tag von Clara Zetkin zu trennen. Ein historisches Gutachten machte darauf aufmerksam, dass der Anlass für den Internationalen Frauentag ein Streik von Textilarbeiterinnen in den USA gewesen ist. Die heute weitgehenden vergessenen Querelen um den 8. März im DGB verdanken wir dem Buch »Wir haben Geschichte geschrieben«, dass Sibylle Plogstedt herausgegeben hat. Die Autorin war als undogmatische Linke in der außerparlamentarischen Bewegung aktiv und Mitbegründerin der Frauenzeitung Courage.

Die hatte anders als die heute bekanntere Emma schon früh Kontakte auch zu Frauen in der Gewerkschaftsbewegung gesucht. Mit ihrer Geschichte der Frauen im DGB leistete Plogstedt Pionierarbeit. Dabei hatten die DGB-Frauenausschüsse bereits 1980 den Beschluss gefasst, ihre eigene Geschichte aufzuschreiben. Allerdings verfügte die Frauenabteilung über keinen eigenen Etat. Diese Episode ist durchaus symptomatisch für den Umgang des DGB-Apparates mit der eigenständigen Organisation der Frauen, wie Plogstedt nachweist.

Sie geht chronologisch vor und beschreibt die Geschichte der gewerkschaftlichen Frauen von der unmittelbaren Nachkriegszeit bis zum Jahr 1990. Dieses Jahr ist tatsächlich auch für die DGB-Frauen eine Zäsur. Erstmals stehen die DGB-Frauen nicht mehr unter der Ägide von CDU-Frauen. Dass mehr als vier Jahrzehnte Mitglied von CDU/CSU für dieses Amt zuständig waren, ist allerdings nicht der Wille der DGB-Frauen gewesen.

Vielmehr zeigt Plogstedt auf, wie die sich sogar dagegen wehrten. Doch der männlich geprägte DGB-Vorstand wollte in ihren Augen zwei Minderheiten in einen Posten unterbringen: Frauen und CDU/CSU-Mitglieder mussten in den Führungsgremien einer Einheitsgewerkschaft berücksichtigt werden. Die dagegen aufbegehrenden Frauen wurden vom zuständigen Sekretär brüsk zurückgewiesen. Plogstedt beschreibt die Folgen dieser bürokratischen Eingriffe. Viele in der unmittelbaren Nachkriegszeit aktive DGB-Frauen meldeten sich bei Gewerkschaftskongressen kaum noch zu Wort. Der Konflikt innerhalb der Frauengremien spitzte sich erst Mitte der 1960er Jahre wieder zu. Während dort eine Mehrheit für eine Reform des Abtreibungsrechts votierte, lehnte es die Christsoziale Maria Weber aus Gewissensgründen ab, den Beschluss nach Außen zu vertreten.

Sibylle Plogstedt hat eine Organisationsgeschichte der Frauen im DGB geschrieben, die man ohne historisches Vorwissen lesen kann und sollte. Eine ähnliche Geschichte des FDGB wäre wünschenswert, denn der wird in dem Buch recht undifferenziert abqualifiziert.

Sibylle Plogstedt, Wir haben Geschichte geschrieben, Zur Arbeit der DGB-Frauen 1945- 1990, Psychosozial-Verlag, 519 Seiten, 19,90 Euro

http://www.neues-deutschland.de/artikel/926159.ein-langer-weg-zum-frauenkampftag.html

Peter Nowak