Einige wehren sich weiter gegen S 21

In einem Offenen Brief an den grünen Ministerpräsidenten Baden-Württembergs, Winfried Kreschmann, haben führende Aktivisten der Bewegung gegen das Bahnhofsprojekt Stuttgart 21 deutlich gemacht, dass auch nach ihrer Abstimmungsniederlage in der Volksabstimmung ihr Widerstand weitergeht. Zu den Unterzeichnern gehören neben dem Sprecher der Parkschützer Matthias von Herrmann und Werner Sauerborn von den Gewerkschaftern gegen S21 auch Künstler und Intellektuelle. Sie fordern von Kretschmann, in den Verhandlungen mit der Bahn Widerstand gegen das Fällen von Bäumen und den Abriss historischer Gebäude zu leisten. Außerdem verlangen sie von der Bahn die Vorlage eines Finanzierungsplans und eine Regelung des Grundwassermanagements. Auch die Demonstrationen gegen die Baumaßnahmen gehen im neuen Jahr weiter.

Die Deutsche Bahn will indes schnell mit den Arbeiten beginnen. Die Räumung des Schlossgartens, wo sich vor gut einem Jahr mehrere Dutzend Stuttgart-21-Gegner in einem bislang geduldeten Tipidorf einquartiert haben, steht unmittelbar bevor. Der Tag X könnte der 12. Januar sein, an dem nach einer Verfügung der Stadt alle »campingartigen Behausungen« entfernt sein müssen. Denn 176 Bäume sollen verschwinden, damit die Bauherrin den Trog für den geplanten Tiefbahnhof ausheben kann. Zudem soll der Südflügel des bisherigen Bahnhofsgebäudes abgerissen werden. »Wir befinden uns in Alarmstimmung. Und wir werden uns weiterhin in den Weg stellen«, betont eine Sprecherin von Robin Wood. Bäume und Bonatz-Bau haben symbolische Bedeutung für die S-21-Gegner und bereits in der Vergangenheit zu Auseinandersetzungen geführt.

Der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) prüft derweil einen Eilantrag vor Gericht gegen das Fällen. Gelänge es, den Rechtsstreit bis Ende Februar hinzuziehen, würden die Naturschützer der Bahn ernsthafte Probleme bereiten: Dann beginnt die Vegetationsperiode, in der Rodungen tabu wären.
http://www.neues-deutschland.de/artikel/214678.einige-wehren-sich-weiter-gegen-s-21.html
Peter Nowak

Normale Ermittlungen oder Kriminalisierung von S21-Gegnern?

Die Polizei machte eine Hausdurchsuchung, angeblich um an Material zu gelangen, das seit Wochen online ist

 Am frühen Morgen des 7.Juli durchsuchte die Polizei Büros von Gegnern des Bahnprojekts Stuttgart 21. Bei der Aktion geht es um Ermittlungen im Zusammenhang mit einer Demonstration am 20. Juni.

Laut Polizei rissen an diesem Tag mehrere hundert Menschen einen Bauzaun nieder und besetzten die Baustelle. Dabei kam es zu Auseinandersetzungen mit einem bei der Aktion enttarnten Zivilpolizisten, der, wie es auch in der Mitteilung der Polizei heißt, eine Dienstwaffe trug. Laut Polizeiangaben sei der Mann dabei verletzt worden. Demonstranten gaben an, der Mann habe eine Waffe getragen und während der Besetzung zu Straftaten aufgerufen. Er sei nach der Enttarnung beschimpft und geschupst, aber nicht schwer verletzt worden. Die Piraten kritisiert, dass ein Beamter in Zivil bei der Kundgebung überhaupt eine Schusswaffe mit sich führt. Diese Version sollten auch Aufnahmen der Aktion beweisen, die die Aktivisten schon wenige Stunden nach den Vorfällen ins Netz gestellt haben. Dieses Material wurde auch wenige Tage später auf einer Pressekonferenz in Stuttgart präsentiert.

In der Erklärung des Polizeipräsidiums heißt es, man sei zur Durchsuchung gezwungen gewesen, weil die Parkschützer das Material nicht an die Ermittlungsbehörden weitergegeben und auch keine Tatzeugen namentlich benannt hätten. Die Polizei widersprach auch der Version des Pressesprechers der Parkschützer Matthias Herrmann, der wenig Verständnis für die Polizeiaktion zeigte. „Mit fünf Mann und einem Staatsanwalt kam die Polizei heute früh um das Material sicher zu stellen, dass am 24. Juni 2011 öffentlich gezeigt wurde und auf DVD zur Verfügung gestellt wurde“, erklärte er. Herrmann stellte auch klar, dass entgegen Pressemeldungen seine Privatwohnung nicht durchsucht worden ist, obwohl sich der richterliche Durchsuchungsbefehl auch auf diese Räume erstreckte. Er hatte das gesuchte Material von sich aus ausgehändigt. Herrmann widersprach der Darstellung der Polizei, dass er einer Vorladung nicht nachgekommen sei.

Politische Hintergründe?

Während die Polizei jegliche politischen Hintergründe der Durchsuchung zurückwies und von normalen Ermittlungen sprach, bei der sämtliche Beweismittel gesichert werden müssen, wertete Herrmann die Razzia als Versuch einer Kriminalisierung der Parkschützer.

Mittlerweile hat innerhalb der heterogenen Bewegung gegen S21 eine Debatte über die richtigen Aktionsformen begonnen, die nach dem Regierungswechsel zu grün-rot in Stuttgart intensiviert wurde. Die Position von Verantwortlichen der Bahn, die erklärten, egal wer in Stuttgart regiert, das Projekt werde durchgezogen, hat bei vielen S21-Gegnern, die den Regierungswechsel schon als Sieg interpretierten, zu einer Stärkung des Widerstandswillens geführt. So gab es auch am 7. Juli wieder eine Blockade der Baustelle und für kommenden Samstag ist eine weitere Großdemonstration geplant. Auch der Stresstest sorgt eher für mehr Streit, statt für den von den Beteiligten erwünschten Konsens. So ist noch immer unklar, ob der Schlichter Heiner Geissler die Ergebnisse am 14. Juli vorstellt oder ob der Termin verschoben wird, wie von den S21- Gruppen gefordert, die mehr Zeit für die Beurteilung haben wollen.
 http://www.heise.de/tp/blogs/8/150110

Peter Nowak