Mumias Chancen auf neuen Prozess steigen

„Mumia – You never walk alone“ und „Free Mumia Abu Jamal“ stand auf Transparenten, die am Abend des 27. März am Boxhagener Platz in Berlin-Friedrichshain zu sehen waren. Das Berliner Solidaritätskomitee für Mumia Abu Jamal hatte dort eine Kundgebung angemeldet. Auch in anderen Städten Europas und Amerikas sind in den letzten Tagen Unterstützer_innen des seit 37 Jahren inhaftierten US-Journalisten auf die Straße gegangen. Sie wollen erreichen, dass sein Fall neu verhandelt wird.

Mumia Abu Jamal wurde 1982 wegen Mordes an einem Polizisten zum Tode verurteilt. Er hat die Tat immer bestritten, doch das Gericht missachtete viele den engagierten farbigen Journalisten entlastende Fakten. Nach weitweiten Protesten wurde das Todesurteil gegen den Journalisten, der auch Ehrenmitglied von ver.di Berlin-Brandenburg ist, schließlich in eine lebenslängliche Haftstrafe umgewandelt. Danach hat sich vor allem in den europäischen Ländern das Interesse an Mumias Fall merklich verringert. Das zeigte sich auch an der geringen Beteilgung bei der Berliner Kundgebung. In den USA hingegen setzen sich Unterstützer_innen weiter beharrlich für die Neuauflage des gerichtlichen Verfahrens ein. Dann könnten auch die vielen Indizien, die Mumia von einer Täterschaft entlasten, in den Prozess eingeführt werden, so ihre Hoffnung.

Nach jahrelangen vergeblichen Bemühungen erhöhen sich dafür jetzt die Chancen: Die aktuelle verfassungsrechtliche Klage von Mumia und seinen Anwält_innen geht davon aus, dass ihm bislang das Recht auf ein faires Berufungsverfahren verweigert wurde, weil der Staatsanwalt Ronald D. Castille, der an dem Urteil gegen den Journalisten beteiligt war, 1998 und 2012 als Richter am Obersten Gerichtshof Pennsylvanias, den Erfolg von Mumias Berufungsanträgen persönlich verhinderte. Dabei verwendete er die gleiche juristische Argumentation, die er bereits in seiner Zeit als Bezirksstaatsanwalt gegen Mumia vorgebracht hat. Auch in anderen Verfahren hat Castille eine Doppelrolle als Staatsanwalt und Richter gespielt. Eine Grundsatzentscheidung des Obersten Gerichtshof der USA aus dem Jahr 2016 sieht allerdings das Recht auf ein faires Gerichtsverfahren bereits dann verletzt, wenn ein Staatsanwalt, der persönlich an dem ursprünglichen Strafverfahren beteiligt war, bei einer späteren Berufungsverhandlung als Richter tätig wird. Dieser Entscheidung gemäß müsste auch Mumias Fall neu aufgerollt werden.

Doch bis es soweit ist, muss ein komplexes juristischer Prozedere absolviert werden. Dazu gehörte die Anhörung vor dem Staatsgericht für Kriminal- und Zivilrechtsprechung am 27.März. Hoffnungen auf einen neuen Prozess für Mumia Abu Jamal liegen auch in der Person des neuen Chefstaatsanwalts der zuständigen Anklagebehörde Larry Krasner begründet, der bei seiner Wahl von Bürgerrechtsbewegungen und der Black Lives Matter-Bewegung unterstützt wurde. Krasner hat ein Ende von Korruption und Law-and-Order-Politik angekündigt. Die Solidaritätsbewegung macht mit den aktuellen weltweiten Aktionen auch deutlich, dass es weiterhin auf Druck von der Straße ankommt. Öffentlicher Protest hatte schließlich erst verhindert, dass Jamal hingerichtet wurde. Ein Aktivist des Berliner Mumia-Bündnisses warnt auch vor verfrühten Optimismus. „Entweder wir erzielen jetzt vor Gericht einen Durchbruch, der den Anfang vom Ende von Mumias Gefangenschaft bedeutet. Oder uns läuft die Zeit davon und der bereits mehrmals schwer erkrankte Gefangene muss bis an sein Lebensende hinter Gefängnismauern sitzen.“

aus: Menschen Machen Medien

Mumias Chancen auf neuen Prozess steigen

Peter Nowak

Lebenswichtiger Sieg für Mumia Abu Jamal

Der seit mehr als 35 Jahren inhaftierte US-Journalist Mumia Abu Jamal hat einen für ihn lebenswichtigen juristischen Erfolg errungen: Seine schwere Hepatitis-Erkrankung muss behandelt werden und er erhält ein neues Medikament. Menschenrechtsgruppen fordern eine Verstärkung der internationalen Solidarität.

Menschenrechtsaktivisten in den USA sprechen von einem bahnbrechenden juristischen Urteil, das der seit 1981 inhaftierte US-Journalist Mumia Abu Jamal kürzlich errungen hat. Der Bundesrichter Robert Mariani hat per Einstweiliger Verfügung angeordnet, dass Jamal mit einem neuen Medikament gegen seine lebensbedrohliche Hepatitis-Erkrankung behandelt werden muss. In dass Präparat setzen Hepatitis-Patient_innen große Hoffnungen, es verspricht eine Heilungschance von über 95 Prozent. Das wäre ein großer medizinischer Durchbruch, führten doch Hepatitis-Erkrankungen in der Vergangenheit oft zum Tode. Darüber hinaus gibt die aktuelle Gerichtsentscheidung auch Hoffnung für viele unbekannten Patient_innen in US-Gefängnissen.

Seit fast zwei Jahren ist bekannt, dass Mumia Abu Jamal an Hepatitis erkrankt ist. Erst als sich der Journalist bereits in lebensbedrohlichen Zustand befand, wurde er überhaupt behandelt. Doch weigerte sich die Gefängnisleitung, das neue Medikament in die Therapie einzubeziehen, weil es sehr teuer ist. Die Anwälte Robert Boyle und Bret Grote gingen vor Gericht und wurden dabei erneut von einer internationalen Solidaritätsbewegung unterstützt, die dazu beigetragen hat, dass der Gefangene noch am Leben ist. Dass der kritische Journalist zum Ehrenbürger von Paris ernannt wurde und Ehrenmitglied der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di ist, sind Zeichen dieser weltweiten Solidarität.

Der Afroamerikaner war 1982 in einem Indizienprozess von einer nur mit Weißen besetzen Jury des Mordes  an den Polizisten Daniel Faulkner schuldig gesprochen und zum Tode verurteilt worden. Intensive Recherchen von Jurist_innen und  Solidaritätsgruppen sorgten dafür, dass das Todesurteil aufgehoben werden musste. Doch die Forderung nach einem erneuten Gerichtsprozess, bei dem später gefundene Entlastungsbeweise vorgelegt werden könnten, wird von den US-Behörden bis heute abgelehnt. Mumia blieb in Haft.

Das jüngste Urteil wird von Menschenrechtsgruppen auch deshalb gefeiert, da es bisher zur gängigen Praxis gehörte, dass Gefangene in den USA sterben, weil ihnen aus Kostengründen lebensrettende Medikamente verweigert werden. In einem Interview mit dem Medienprojekt Prison-Radio sagte Mumia Abu Jamal selbst: „Ich denke an all die Gefangenen, die an Hepatitis C erkrankt sind und nun Hoffnung haben. Ich denke an diejenigen, die an Hepatitis C starben, weil ihnen nicht geholfen wurde“. Menschenrechtler_innen weisen darauf hin, dass die Law-and-Order-Fraktion unter einer Trump-Administration noch erstarken werde. Internationale Solidarität dürfte also noch wichtiger werden.

Lebenswichtiger Sieg für Mumia Abu Jamal

12. Januar 2017 von Peter Nowak

Das Versagen der kritischen Öffentlichkeit im Fall Navid B.

Dass ein Geflüchteter aus Pakistan für zweieinhalb Tage zum Terrorverdächtigten wurde und er nach seiner Freilassung wegen erwiesener Unschuld erst einmal untertauchte, interessierte in Deutschland kaum jemand

Die politische Klasse und die meisten Medien haben sich in den letzten Tagen selber kräftig auf die Schulter geklopft für die Besonnenheit, mit der die Mehrheit der Bevölkerung in Deutschland auf den islamistischen Anschlag reagiert habe. Tatsächlich blieben die Stimmen derjenigen, die sich mit dem Terroristen im Krieg wähnten, in der Minderheit. Einige vorlaute CDU-Politiker aus der dritten Reihe wurden schnell auf Linie gebracht.

Dass die CSU weitere Verschärfungen von Migranten gefordert hat, ist kein Zeichen mangelnder Besonnenheit. Schließlich nutzt sie jede Gelegenheit, um die Verschärfung der Flüchtlingsrechte zu propagieren. Auch dass manche Politiker eine neue Debatte über die deutsche Leitkultur anfeuern wollten, obwohl diese Islamfaschisten bestimmt nicht von ihrem Tun abhält, ist Normalität in Vorwahlkampfzeiten – und die gibt es in Deutschland irgendwo fast immer.

Dass mit Navid B. ein Geflüchteter aus Pakistan für zweieinhalb Tage zum Terrorverdächtigten wurde, dass seine Unterkunft durchsucht wurde und er dann nach seiner Freilassung wegen erwiesener Unschuld erst einmal untertauchte, interessierte in den deutschen Medien kaum jemand. Nur seine Freunde und Leidensgenossen machten sich Sorgen, als der Mann nach seiner Freilassung für mehrere Tage nicht erreichbar war.

Auch die wenigen kritischen und liberalen Zeitungen wie die Taz hat das Schicksal des Mannes kaum thematisiert. Sie versuchten auch gar nicht zu erkunden, warum unter den vielen Menschen in der Gegend zwischen Weihnachtsmarkt und Großer Stern in Berlin ausgerechnet Navid B. festgenommen worden war und warum er ohne Beweise so lange als Hauptverdächtigter galt.

Daher ist es nur konsequent, dass nun der liberale britische Guardian Navid B. erstmals selber zu Wort kommen[1] lässt. Demnach war B. auf dem Weg zur Bahn, als er von der Polizei aufgegriffen wurde. Man habe ihm die Hände hinter dem Rücken gefesselt und ihn zur Polizeistation gebracht. Er erinnert sich, dass zwei Polizeibeamte „die Hacken ihrer Schuhe gegen meine Füße gedrückt“ hätten, ein weiterer Mann habe „großen Druck mit der Hand auf meinen Nacken ausgeübt“, so der Mann gegenüber dem Guardian. Diese Methoden dürften bei Festnahmen üblich sein. Brisanter ist was Navid B. noch über das Polizeiverhalten berichtet.

So heißt es im Guardian: „They undressed him and took photographs. ‚When I resisted, they started slapping me.'“ Ob diese Methoden, wenn sie sich denn bestätigen, gesetzlich gedeckt sind, darf bezweifelt werden. Sehr eindringlich schildert der Mann, wie er sich nach der Festnahme an die politische Situation im pakistanischen Belutschistan erinnert, wo immer wieder auch Unbewaffnete ermordet[2] werden.

Anders als im Syrienkonflikt gibt es in Deutschland kaum relevante politische Kräfte, die sich dafür interessieren. Daher ist wohl auch kaum bekannt, dass die Opposition[3] in Belutschistan nicht zu den islamfaschistischen Kräften gehört, was umgekehrt nicht heißt, dass sie in irgendeiner Weise emanzipatorisch sein muss. Das spielt im konkreten Fall auch keine Rolle.

In einer kurzen Erklärung reagierte ein Berliner Polizeisprecher auf die Aussagen des Mannes im Guardian und betonte[4]: „Der Mann ist definitiv von keinem Mitarbeiter misshandelt worden.“

Die Aussagen müssen sich nicht einmal widersprechen. Denn was B. schilderte, können polizeiliche Maßnahmen zur Durchsetzung von Durchsuchungen sei. Dabei wird durchaus Gewalt ausgeübt, aber es handelt sich aus der Sichtweise der Polizei keinesfalls um eine Misshandlung. Wo bei solchen Maßnahmen die Grenzen sind, ist Sache der Gerichte. Zudem lässt die Formulierung des Polizeisprechers aufhorchen, dass B. von keinem Mitarbeiter der Berliner Polizei misshandelt wurde.

Es ist nicht unwahrscheinlich, dass bei der Festnahme eines Mannes, der für einige Zeit als Top-Terrorist galt, auch andere Behördenvertreter anwesend sind. Will der Polizeisprecher vielleicht mit seiner Formulierung andeuten, dass die fürs Grobe zuständig waren? Zumindest ist die Erklärung mehrdeutig. Klären könnte das vielleicht ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss, der von dem grünen Bundestagsabgeordneten Ströbele und Politikern der Linken ins Gespräch gebracht wurde[5]. Doch wichtiger wäre, wenn die Reste der antirassistischen Bewegung ihre Wächterfunktion wahrnehmen, die sie sonst beim Umgang der deutschen Staatsapparate, nicht nur der Polizei, gegenüber Migranten und Geflüchteten an den Tag legen. Bisher hat man da wenig gehört. Schließlich will sich ja niemand nachsagen lassen, er mache sich zu Helfershelfer derjenigen, die für den Anschlag in Berlin verantwortlich sind.

Doch abgesehen davon, dass das für Navid B. nicht zutrifft, muss man wohl doch wieder an den Grundsatz erinnern, dass auch der Attentäter Rechte hat und dass, wer daran erinnert, sich nicht mit ihm und seiner Tat gemein macht. Da ging der US-Journalist Mumia Abu Jamal[6] kürzlich in seiner wöchentlichen Kolumne[7] in der jungen Welt mit guten Beispiel voran, in dem er auch gegen die drohende Todesstrafe von Dylan Roof[8] Einspruch erhebt. Roof ist der US-Nazi, der im Juni 2015 neun Menschen in einer Kirche erschossen hat, wo sie beteten. Er hatte sich vorher das Vertrauen der Gemeinde erschlichen. Er wollte so viele Menschen wie möglich umbringen, weil sie schwarz waren. Es gibt also zwischen den Nazis in der Tradition des Ku-Klux-Clans und den Aktivisten der schwarzen Emanzipationsbewegung keinerlei politische Berührungspunkte. Mumia beschreibt seine Motivation für die Kampagne:

Als jemand, der sein halbes Leben im Todestrakt zubringen musste, ist meine Haltung eindeutig: Selbst in einem Fall wie diesem kommt meine Opposition dagegen, dass der Staat Leben nimmt, nicht ins Wanken. Ja, selbst in diesem Fall eines vom weißen Überlegenheitsdenken getragenen rassistischen Gewaltaktes gegen neun christliche Gläubige der Emanuel African Methodist Episcopal Church!

Mumia Abu Jamal

Hier setzte Mumia Abu Jamal menschenrechtliche Standards, an denen sich nicht nur die Staatsapparate, sondern auch die Zivilgesellschaft in Deutschland messen lassen müssen.

Im Fall von Navid B. stellt sich die Frage, wieso gerade er in der Menge der Menschen festgenommen wurde und, mehr noch, warum er mehr als zwei Tage als Täter galt und der Bundesinnenminister ihn noch zu einem Zeitpunkt als Täter bezeichnete, als eigentlich schon klar war, dass es nicht stimmt. So gab B. an, dass er keine Fahrerlaubnis hat und also einen solchen Wagen niemals hätte bedienen können. Eine solche Aussage müsste ja eigentlich in wenigen Stunden überprüft werden können.

Doch neben dieser Aufklärung stünden jetzt konkrete Forderungen an, um den Schaden, den nicht Navid B. selber durch die falschen Verdächtigungen erlitten hat, zu begrenzen. Er schilderte, wie er durch die Festnahme an die Situation der Gewalt in seiner Heimat erinnert wurde. Man kann hier von einer Retraumatisierung sprechen. Er beschreibt, dass auch seine Familie in Pakistan jetzt in Gefahr sei, weil durch die Festnahme erst bekannt wurde, dass er geflohen ist. Zudem dürfte auch in Pakistan die Festnahme für mehr Schlagzeilen gesorgt haben als die Berichte über seine Unschuld. So müsste die logische Forderung als Wiedergutmachung sein, dass Navid B. in Deutschland Asyl bekommt und seine Verwandten, die jetzt durch die öffentlichen Berichte in Gefahr sind, ebenfalls. Diese aus rechtsstaatlicher Warte zwingenden Maßnahmen werden aber in Deutschland von der Politik sicher nicht auf den Weg gebracht. Dazu bedarf es einer kritischen Öffentlichkeit, die im Fall von Navid B. fast vollständig gefehlt hat. Es ist zu hoffen, dass die Veröffentlichungen im Guardian hier etwas bewegen.

https://www.heise.de/tp/features/Das-Versagen-der-kritischen-Oeffentlichkeit-im-Fall-Navid-B-3583198.html

Peter Nowak


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http://www.heise.de/-3583198

Links in diesem Artikel:
[1] http://www.theguardian.com/world/2016/dec/29/naveed-baloch-man-wrongly-arrested-berlin-attack-fears-for-his-life
[2] http://www.theguardian.com/world/2016/oct/24/gunmen-attack-police-cadet-hostel-in-quetta-pakistan
[3] http://www.thebnm.org/
[4] http://www.welt.de/politik/deutschland/article160724011/Polizei-weist-Vorwurf-der-Ohrfeigen-nach-Festnahme-zurueck.html
[5] http://www.deutschlandfunk.de/anschlag-von-berlin-linke-und-gruene-erwaegen.447.de.html?drn:news_id=693944
[6] http://www.freemumia.com/who-is-mumia-abu-jamal/
[7] http://www.jungewelt.de/2016/12-27/029.php?sstr=mumia
[8] http://edition.cnn.com/2015/06/19/us/charleston-church-shooting-suspect/

Können die Wahlen in den USA manipuliert werden?

Der US-Wahlkampf, Verschwörungstheorien und Wahlgerechtigkeit

Die Überdosis Trump, welche in Deutschland täglich über den USA-Wahlkampf verbreitet wird,  wird noch erhöht, je näher der Wahltermin rückt. Die Bitte von klugen Menschen, doch bis zum Wahltermin nicht jede neue Volte im US-Wahlkampf hinauszuposaunen und rauf und runter zu kommentieren, verhallte erwartungsgemäß ungehört.

Nun soll sich Trump zum wiederholten Mal endgültig ins Aus katapultiert[1] haben, indem er im Duell mit seiner Konkurrentin Clinton anzweifelte, ob die Wahlen in den USA wirklich fair und demokratisch verlaufen (Trump behält sich Anfechtung des Wahlergebnisses vor[2]). Trump hat aber keineswegs erklärt, die Wahlen „vielleicht nicht anerkennen zu wollen“[3], was ja die Frage aufwirft, unter welchen Bedingungen. Doch die wird gar nicht erst gestellt.

Vielmehr sollen diese Äußerungen einmal mehr bestätigen, welch übler Verschwörungstheoretiker Trump ist, der sich jetzt sogar am Allerheiligsten des westlichen Wertealtars, den Wahlen in den USA vergreift.

Dass Clinton mit der Aussage, Trump sei eine Marionette von Putin mindestens genau so kräftig ins Repertoire der Verschwörungstheorien gegriffen hat, wurde in der Berichterstattung, wenn überhaupt, nur am Rande vermerkt.

Gab es in den letzten Jahrzehnten Anhaltspunkte für Wahlmanipulationen in den USA?

Niemand machte sich aber die Mühe, die Behauptung hinter Trumps Aussage zu prüfen. Dabei soll hier die Zerschlagung der Black Panther Party durch die US-Geheimdienste unberücksichtigt bleiben, die gerade mit ihrer Mischung aus kalkulierter Militanz, Stadtteil- und Sozialprogrammen in der Schwarzen Community und einer pragmatischen Bündnispolitik auch mit weißen Linken zur Gefahr für die kapitalistische Gesellschaft in den USA hätte entwickeln können.

Bleiben wir doch im Jahr 2000, als der Kandidat der Demokraten Al Gore die Wahlen gewonnen hätte[4], aber nie regieren durfte[5].

Dafür sorgte ein Wahlcomputer im Bundesstaat Florida[6]. Dieser Wahlzirkus hat in den USA und darüber hinaus große Aufmerksamkeit erregt. Haben das knapp 15 Jahre später wirklich alle vergessen, die jetzt unisono behaupten, wer behauptet, die US-Wahlen könnten manipuliert sein, kann nur Verschwörungstheoretiker sein?

Wahlbeobachter für die USA?

Ist auch schon vergessen, dass die OSZE Wahlbeobachter in die USA schicken wollte, weil der Ausschluss von Teilen der Bevölkerung zugenommen hatte[7]. Der Grund lag in einem Lichtbildausweis, der nun für die Teilnahme an den Wahlen verlangt wurde. Die Korrespondentin der Süddeutschen beschrieb die Folgen, die eine Studie[8] in den USA festhielt:

Das Problem: Jeder zehnte Amerikaner besitzt keinen Lichtbildausweis. Besonders sozial Schwache, Einwanderer und alte Menschen verfügen oft nicht über die benötigten Papiere und auch nicht über ausreichend Informationen, Mobilität und Geld, um sich diese zu beschaffen.SZ

Unterklassen von den Wahlen ausgeschlossen

Doch es gibt noch eine Manipulation der Wahlen, die im System selber liegt. Millionen aus der Unterklasse sind von den Wahlen ausgeschlossen, weil sie entweder keine gültigen Papiere haben oder inhaftiert sind, wie der US-Journalist Mumia Abu Jamal, der für einen Polizistenmord, den er mutmaßlich nicht begangen hat, zum Tode verurteilt wurde.

Eine internationale Solidaritätskampagne konnte ihm den elektrischen Stuhl ersparen, nicht aber die lebenslange Haftstrafe, zu der sein Todesurteil umgewandelt wurde, und die systematische Nichtbehandlung seiner Hepatitis C. Auch im Gefängnis ist Mumia Abu Jamal ein unerbittlicher Kritiker der US-Gesellschaft geblieben. Besonders geht er mit dem gefängnisindustriellen Komplex in seinem Land  ins Gericht[9].

Im internationalen Vergleich leben in den USA nur etwa fünf Prozent der Weltbevölkerung, aber von allen Gefängnisinsassen der Welt befinden sich 24 Prozent in den USA hinter Gittern. Nahezu einer von hundert US-Bürgern sitzt in der Zelle eines Untersuchungs- oder Strafgefängnisses oder im Todestrakt. Zu Beginn des Jahres 2008 waren 2,3 Millionen Männer und Frauen eingesperrt. Kein anderes Land hat so viele Gefangene.Mumia Abu Jamal

Mumia Abu Jamal

Er benennt auch die Folgen für das Wahlsystem:

Die meisten Gefängnisse liegen in den USA in abgeschiedenen ländlichen und zumeist von Weißen bewohnten Gebieten. Diese kleinen weißen Gemeinden profitieren von den vorwiegend nichtweißen Gefangenen, weil diese dort amtlich gemeldet sind. In ihren Heimatstädten jedoch fehlen sie, was zur Reduzierung der an der Einwohnerzahl orientierten Ausschüttung von Bundesmitteln an die kommunalen Haushalte führt. Auf diese Weise werden die Ghettos nicht nur Schritt für Schritt entvölkert und praktisch ganze Gesellschaftsgruppen in Gefängnisse gesteckt, sondern ihnen werden auch die Etatmittel entzogen, die so dringend gebraucht würden, um das weitere soziale Abdriften kompletter Stadtteile zu verhindern.

Dramatisch sind die Folgen der Aberkennung des Wahlrechts für Inhaftierte und Vorbestrafte, weil Millionen von Menschen davon ausgeschlossen werden, sich auf der parlamentarischen Ebene für eine Veränderung ihrer Lebensverhältnisse einzusetzen. Konkret sah das beispielsweise bei der Präsidentschaftswahl des Jahres 2000 so aus, dass George W. Bush das von seinem Bruder Jeb regierte Florida mit weniger als 500 Stimmen Vorsprung vor seinem Kontrahenten Al Gore gewann. Allein 50.000 Vorbestrafte waren in Florida von der Wahl ausgeschlossen, und da die meisten von ihnen Afroamerikaner waren, kann mit Fug und Recht behauptet werden, dass sie mehrheitlich für die Demokratische Partei gestimmt hätten.Mumia Abu Jamal

Mumia Abu Jamal

Für die kommende Wahl kann das nicht mehr so uneingeschränkt behauptet werden. Gerade Mumia hat sich in den letzten Wochen mehrmals mit dem Programm von Clinton auseinandergesetzt[10] und erklärt, dass es für ihn nicht einmal das kleinere Übel ist. Mit dieser Begründung rief kürzlich die bekannte US-Bürgerrechtlerin Angela Davis[11] zur Wahl der Demokratin auf[12].

Die Diskussion um die Manipulierbarkeit der Wahlen in den USA zeigt wieder mal, wie recht die Clinton-Kritiker haben. Wenn Trump von einer möglichen Manipulation der Wahlen redet, meint er allerdings die von ihm und Seinesgleichen herbeiphantasierte Hegemonie einer linksliberalen Öffentlichkeit, die sogar in die Wahlen eingreift. Das ist tatsächlich Ausbund eines reaktionären Ressentiments.

Doch statt diese Behauptungen nur empört zurückzuweisen und sich als Verteidiger einer angeblich unmanipulierbaren US-Demokratie aufzuspielen, müssten die Trump-Kritiker daran erinnern, dass es Trump und seine politischen Gesinnungsfreunde sind, die Millionen Menschen an der Wahlteilnahme hindern, und dass es die Republikaner unter Bush waren, die im Jahr 2000 den Demokraten den Wahlsieg unter dubiösen Umständen genommen haben. Von Clinton sind solche Äußerungen nicht zu erwarten, ob sie von Sanders gekommen wären, ist unsicher.

http://www.heise.de/tp/artikel/49/49758/1.html

Peter Nowak

Anhang

Links

[1]

http://www.deutschlandfunk.de/letztes-tv-duell-im-us-wahlkampf-trump-will-wahlergebnis.1818.de.html?dram:article_id=369021

[2]

https://www.heise.de/tp/artikel/49/49745/

[3]

http://www.deutschlandfunk.de/letztes-tv-duell-im-us-wahlkampf-trump-will-wahlergebnis.1818.de.html?dram:article_id=369021

[4]

https://www.heise.de/tp/artikel/0/0/

[5]

http://www.spiegel.de/politik/ausland/us-wahl-abstimmungs-chaos-in-florida-a-101896.html

[6]

http://www.spiegel.de/politik/ausland/us-wahl-abstimmungs-chaos-in-florida-a-101896.html

[7]

http://www.sueddeutsche.de/politik/debatte-um-wahlbeobachtung-in-den-usa-waehler-ausgeschlossen

[8]

http://b.3cdn.net/advancement/18ff5be68ab53f752b_0tm6yjgsj.pdf

[9]

http://www.freedom-now.de/news/artikel641.html

[10]

http://www.prisonradio.org/media/audio/mumia/clinton-show-353-mumia-abu-jamal

[11]

http://www.biography.com/people/angela-davis-9267589

[12]

http://www.theroot.com/articles/politics/2016/09/angela-davis-hillary-clinton

Lasst Mumia frei

»Wir setzen uns für Mumias bedingungslose Freiheit ein. Mumia saß nicht knapp 29 Jahre im Todestrakt und bis jetzt im sog.»Normalvollzug«, weil ihm irgendein Verbrechen nach dem bürgerlichen Sanktionskatalogbewiesen worden wäre.« DieseErklärung der US-Bürgerrechterin und  Wissenschaftlerin Angela Davis teilen viele Menschen,die weltweit für die sofortigeFreilassung des US-
Journalisten Mumia Abu Jamal kämpfen. Sie haben ihre Arbeit intensiviert. Seit seine lebensgefährliche Erkrankung bekannt wurde (sieheSprachrohr 2/2015), ist diese Forderung noch dringlicher geworden. Mittlerweile wurde bekannt, dass das ver.di-Ehrenmitglied Mumia nicht nur an Diabetes, sondern auch an Hepatitis erkrankt ist. Die MumiaSolidaritätsbewegung ruft dazu auf, Postkarten und E-Mails mitder Forderung nach der sofortigen Freilassung Mumias an den zuständigen Gouverneur von Pennsylvania Tom Wolf zuschicken.

Info: http://www.bring-mumia-home.de/Free_Mumia_NOW.html
Sprachrohr 3/2015

    http://medien-kunst-industrie-bb.verdi.de/++file++560939b76f684452140018bb/download/%20SPR_03_2015.pdfr

      PETER NOWAK

      Free Mumia Abu Jamal – right now!

      Kampf um die Freilassung des kranken US-Journalisten geht weiter

      Free Mumia Abu Jamal« heißt esauf Flugblättern und Plakaten, die wieder im Berliner Stadtbild zu sehensind. Seit der US-Journalist lebensgefährlich erkrankte, ist weltweit die Solidaritätsbewegung erneut gewachssen.

      Seit Ende 2014 leidet Mumia an schwerem Diabetes. Seitdem wächstbei den Unterstützern des Journalisten die Sorge. Schon in den  90er Jahren rettete eine internationale Kampagne Mumia das Leben. Er saß fast 20 Jahre in einer Todeszelle, weil erwegen Polizistenmordes in einem umstrittenen Verfahren von einer rein weißen Jury zum Tode verurteilt worden war. Der Journalist hatte die Tat immer bestritten. Die weltweite Solidarität konnte die Aufhebung des Todesurteils erreichen. Doch Mumia kam nicht frei und bekam auch kenen neuen Prozess, bei dem seine Anwälte entlastende Beweise hättenvorlegen können, die juristische Komitees zusammengetragen hatten.Das Todesurteil wurde in eine lebenslängliche Haftstrafe umgewandelt –und das bedeutet nach US-Rechtssystem Gefängnis bis zum Tod. Nachdem die unmittelbare Lebensgefahr für Mumia vorbei war,ebbte die Solidaritätsbewegung ab.Aber Kontakte und Netzwerke können schnell reaktiviert werden. Daszeigte sich in den letzten Wochen,als die Erkrankung bekannt wurde. Schnell waren Plakate und Flugblätter gedruckt, Kundgebungen undDemonstrationen organisiert. Diezentrale Forderung lautet: Freiheitfür Mumia – sofort. Für Anton Mestin von  der Berliner Mumia-Solidarität hat die Losung eine besondere Dringlichkeit: »Im Gefängnis ist die Krankheit von Mumia lange Zeit nicht erkannt worden. Unter Gefängnisbedingungen wird er auch nicht wieder gesund werden.« Derharte Kern der Mumia-Solidarität hofft, dass sich nun viele Menschen,die bereits in den letzten 20 Jahren aktiv waren, wieder an der Solidaritätsarbeit beteiligen. Dazu gehörenauch viele ve.rdi-Mitglieder. Schließlich ist Mumia Ehrenmitglied derDienstleistungsgewerkschaft.

      aus: Sprachrohr 2/2015

      https://medien-kunst-industrie-bb.verdi.de/++file++55797a05ba949b58e20019a6/download/%20SPR_02_2015.pdf

      Peter Nowak

      Mumia schwer erkrankt

      MAHANOY. Starker Gewichtsverlust, schuppige Haut, verbunden mit Juckreiz und Schwindel. So beschreibt eine Besucherin Mitte April den Gesundheitszustand des US-amerikanischen Journalisten Mumia Abu Jamal, der sich auf der Krankenstation des Gefängnisses SCI Mahanoy befindet. Sein Gesundheitszustand sei weiterhin ernst, habe sich aber gegenüber Ende März gebessert. Damals war bekannt geworden, dass Mumia mit einem schweren Diabetesschock aus dem Gefängnis in ein Krankenhaus eingeliefert wurde. Zunächst durfte er keinen Besuch empfangen. Erst nach zahlreichen Protestmails und Kundgebungen vor US-Botschaften in aller Welt wurde seine Totalisolation aufgehoben. „Jetzt muss Mumia endlich freigelassen werden. Im Gefängnis ist seine vollständige Genesung nicht möglich“, betont Anton Mestin von der Berliner „Mumia-Solidarität“. Mumia Abu Jamal war 1982 wegen Mordes an einem Polizisten zum Tode verurteilt worden. Der Journalist, der auch Ehrenmitglied von ver.di ist, hat die Tat immer bestritten. Nach weltweiten Protesten wurde das Urteil in eine lebenslängliche Haftstrafe umgewandelt.

      weitere Infos:

      http://www.freiheit-fuer-mumia.de/
      http://mmm.verdi.de/aktuell-notiert/2015/weltweit-sorge-um-die-gesu

      aus: «M» – MENSCHEN – MACHEN – MEDIEN

      http://mmm.verdi.de/medien-international/02-2015/mumia-schwer-erkrankt

      Peter Nowak

      Weltweit Sorge um die Gesundheit von Mumia Abu Jamal

      Der inhaftierte Journalist Mumia Abu Jamal liegt derzeit auf der Intensivstation eines   Krankenhauses in Pennsylvania. Er wird von der Polizei abgeschirmt, niemand darf zu ihm. Weltweit steigt die Sorge um seine Gesundheit.

      „Mumia Abu-Jamal erlitt im SCI Mahanoy Gefängnis einen diabetischen Schock. Er wurde ins Schuylkill Krankenhauses im US-Bundesstaat Pennsylvania gebracht, wo er seitdem auf der Intensivstation liegt“, heißt es im Rundbrief der Mumia-Solidaritätsbewegung, die regelmäßige Kontakte zu Mumias Anwälten und Unterstützern in den USA unterhält. Sie berichten, dass der Journalist im Krankenhaus von Polizisten abgeschirmt wird. Selbst seinen Angehörigen und der Verteidigung werde der Zutritt verwehrt. „Es ist unklar, wie Mumias Gesundheitszustand genau aussieht, aber die Verlegung in ein öffentliches Krankenhaus ist ein sehr ungewöhnlicher Schritt von Seiten der Gefängnisbehörde“, wird in dem Rundbrief kommentiert.
      Grund zur Besorgnis ist neben der ernsten Gesundheitslage des Journalisten auch die Tatsache, dass in einem ähnlichen Fall vor nur wenigen Wochen der politische Gefangene Phil Africa im gleichen Bundesstaat für sechs Tage im Haftkrankenhaus isoliert und schließlich für tot erklärt worden war. Bis heute liegen die Todesumstände im Dunkeln. Unter der Überschrift „Gedenken an Phil Africa“ hatte Mumia Abu Jamal am 20. Januar in seiner wöchentlich in der Tageszeitung „Junge Welt“ veröffentlichten Kolumne auf diesen ungeklärten Todesfall aufmerksam gemacht.
      Mumia Abu Jamal ist vielen Menschen in aller Welt  bekannt. Als „Stimme der Unterdrückten“ hatte sich der Radiomoderator einen Namen gemacht hat. 1982 wurde der Afroamerikaner in einem Indizienprozess von einer nur aus Weißen besetzen Jury des Mordes an dem Polizisten Daniel Faulkner schuldig gesprochen und zum Tode verurteilt. Der verantwortliche Richter hatte bereits vor der Urteilsbegründung erklärt, er wolle der Jury helfen „den Nigger zu grillen“. Jahrelange intensive Recherchen von Juristen und  Solidaritätsgruppen sorgten dafür, dass das ursprüngliche Urteil nicht mehr haltbar war. Ein neuer Gerichtsprozess, in dem die gefundenen Beweise vorgelegt werden können, wurde von den US-Behörden jedoch verweigert. Die internationale Solidaritätsbewegung konnte aber erreichen, dass das Todesurteil in eine lebenslängliche Haftstraße umgewandelt wurde. Mumia Abu Jamal konnte daher nach 29 Jahren den Todestrakt mit einer Gefängniszelle tauschen. Doch jetzt machen sich Unterstützer in aller Welt erneut große Sorgen um das Leben des Journalisten.
      Auch hinter Gittern, sowohl im Todestrakt als auch in der Gefängniszelle hatte Mumia seine journalistische Arbeit ununterbrochen fortgesetzt und auf Rassismus, Unterdrückung und Repression – in den Gefängnissen wie auch in der Gesellschaft der USA – aufmerksam gemacht. Seine Aktivitäten wurden vielfach gewürdigt. So ist er Ehrenbürger von Paris und Ehrenmitglied von ver.di.

      aus: «M» – MENSCHEN – MACHEN – MEDIEN

      https://mmm.verdi.de/aktuell-notiert/2015/weltweit-sorge-um-die-gesundheit-von-mumia-abu-jamal

      Peter Nowak