»Die Entlassung ist ein Akt der Repression«

Aktivisten planen einen Aktionstag gegen den Möbelkonzern IKEA wegen der Entlassung von 24 Lagerarbeitern im italienischen Piacenza

Johanna Schellhagen* ist Mitarbeiterin des audiovisuellen Archivs für Arbeitskämpfe Labournet.tv und eine der Koordinatorinnen des Berliner IKEA-Aktionstages gegen die Entlassung von 24 Lagerarbeitern im italienischen Piacenza. Für »nd« sprach mit ihr Peter Nowak.

nd: Warum soll es am 26. Juli einen IKEA-Aktionstag geben?
Schellhagen*: Der Aktionstag wurde ausgerufen, weil im Juni dieses Jahres 24 Lagerarbeiter im italienischen Piacenza entlassen worden sind. Alle 24 sind in der kämpferischen Basisgewerkschaft S.I.Cobas organisiert. Mit dem Aktionstag wollen wir erreichen, dass sie wieder eingestellt werden. Ihre Entlassung ist ein Akt der Repression. Die Lagerarbeiter bei IKEA und anderen großen Logistikunternehmen wie TNT und DHL haben mit ihren Streiks seit 2011 immerhin durchgesetzt, dass sie entsprechend dem nationalen Tarifvertrag bezahlt werden. Vorher waren die Bedingungen haarsträubend. Regelmäßig wurde durch falsche Lohnabrechnungen ein Teil des Lohnes gestohlen. Die Arbeiter waren nicht gegen Unfälle geschützt, bekamen kein Urlaubs- und Weihnachtsgeld und hatten keine garantierten Arbeitszeiten. Die Leute sind entlassen worden, weil IKEA wieder zu dieser Praxis zurückkehren möchte.

Wie ist die Situation der Entlassenen in Italien aktuell?
Die Entlassenen machen seit ihrer Kündigung im Juni eine permanente Kundgebung vor dem Warenlager von IKEA in Piacenza, das heißt, sie sind 24 Stunden vor den Toren. Einmal wöchentlich blockieren sie das Lager, unterstützt von den solidarischen Teilen der Belegschaft und von Lagerarbeitern aus anderen Städten. Sie werden außerdem von linken Gruppen wie dem Laboratorio Crash, den Clash City Workers und dem Collettivo Hobo unterstützt.Die Forderung ist die Wiedereinstellung der gekündigten Arbeiter.

Gibt es Repressalien gegen die Streikenden?
Neben der üblichen Polizeigewalt, also dem Einsatz von Pfefferspray und Knüppeln, um die Blockaden aufzulösen, gibt es unter Anderem das Verbot, sich im Stadtgebiet von Piacenza aufzuhalten. Im Zusammenhang mit dem Kampf bei IKEA gab es bereits mehrere solcher Aufenthaltsverbote: gegen zwei Lagerarbeiter, gegen den Sprecher der S.I.Cobas, gegen vier Mitglieder des Laboratorio Crash, und gegen fünf Mitglieder des Collettivo Hobo. Besonders schwerwiegend ist, dass eine Genossin, die in Piacenza wohnt, eine mündliche Verwarnung bekommen hat mit der Aussicht auf ein Aufenthaltsverbot in ihrer eigenen Stadt. Außerdem ist ein Genosse vom Laboratorio Crash zu zwei mal sechs Monaten Hausarrest verurteilt worden.

Warum ist von diesem Streik in Italien hierzulande so wenig bekannt, obwohl seit Monaten andauert?
Dass die hiesige »linke« Presse sich nicht für einen seit drei Jahre andauernden, erfolgreichen Kampfzyklus der ärmsten Teile der italienischen Arbeiterklasse interessiert, liegt vermutlich daran, dass sich die Italienkorrespondenten dieser Personengruppe nicht verbunden fühlen. Ich finde es schwer zu verstehen, wieso nicht alle vor Freunde ausrasten, wenn sie davon hören, dass Migranten sich militant und erfolgreich gegen die barbarische Ausbeutungspraxis bei IKEA TNT, DHL und ähnliche Konzerne zur Wehr setzen.

Welche Rolle kann labournet.tv bei der Solidarität spielen?
Wir haben von dem Kampfzyklus gehört, weil zwei Genossen von den S.I.Cobas im März in Berlin waren. Seitdem haben wir versucht, Informationen darüber hier zu streuen. Wir haben ein langes Hintergrundinterview gemacht, Videos zu den Streiks und Blockaden aus dem Internet gefischt, deutsch untertitelt und auf labournet.tv veröffentlicht und einen Mobilisierungsclip für die Aktionen gegen IKEA geschnitten.

Wir haben einen engagierten Lagerarbeiter aus Bologna zu Informationsveranstaltungen in die BRD eingeladen, Protestaktionen vor IKEA mit organisiert und uns mit den italienischen Unterstützergruppen ausgetauscht. Zudem haben wir versucht, mit Kollegen die in Berlin in der Logistikbranche arbeiten darüber ins Gespräch zu kommen.

In Berlin ist eine Kundgebung vor der IKEA-Filiale in Tempelhof geplant. Material über den Kampfzyklus der migrantischen Lagerarbeiter ist hier gesammelt: dasnd.de/labournettv

*Name geändert

http://www.neues-deutschland.de/artikel/940180.die-entlassung-ist-ein-akt-der-repression.html

Interview: Peter Nowak