Wenn Heimarbeit zum Kündigungsgrund wird

Der Bundesgerichtshof hat mit einer veränderten Rechtsprechung die Kündigung von Mietern erleichtert, die von zu Hause aus arbeiten

Viele Klingelschilder sind ohne Namen in der Schönhauser Allee 103 im Berliner Stadtteil Pankow. Das Haus wechselte in den letzten Jahren mehrmals seinen Besitzer. Seit 3 Jahren gehört es der Wohnungsbaugesellschaft Gewobag. „ Schon kurz danach wurde die Mieterberatung Prenzlauer Berg bei uns im Haus aktiv. Die wurden bald nur noch Entmietungsberatung genannt, berichtet ein Bewohner gegenüber MieterEcho Online. Er schildert den Ablauf so: „Der Vortrag in den Räumen der Mieterberatung Prenzlauer Berg war sehr ernüchternd. Zunächst wurde uns mitgeteilt, dass uns der Milieuschutz ohnehin nicht helfen würde, da alle Maßnahmen innerhalb der Möglichkeiten der Modernisierungsmaßnahmen ausgereizt wurden. Dann begann das bekannte Programm: Druck, viele ungebetene Telefonate und immer wieder Drohungen, dass das Sozialplanverfahren eingestellt werden würde, wenn die Mieter nicht unterschreiben.“
Mittlerweile sind von 32 Mietparteien noch 8 übrig. Gegen die Verbliebenen nutzt die Gewobag nun aller rechtlichen Mittel. Zwei wurden abgemahnt, weil sie von ihrer Wohnung aus Computerarbeiten erledigen. Der Mieter Christoph Baumgarten betreibt einen Online-Handel mit Akkus. Sein Hauptlager hat er in Köln. Von seiner Wohnung bearbeitet er Bestellungen am Computer. Auf seiner Internetseite hatte er als Firmensitz die Schönhauser Allee 102 angegeben. Das war für die Gewobag ein Grund für eine Abmahnung wegen unerlaubter gewerkschaftlicher Nutzung. Baumgartens Nachbar Frank Volm wurde abgemahnt, weil er als Kleinunternehmer einen Reparaturservice betreibt und von seiner Wohnung gelegentlich Rechnungen ausstellt. Ohne sein Wissen sei er auf Portalen wie “Meine Stadt“ mit seiner Wohnadresse aufgeführt worden. Die Mieter werfen der Gewobag Bespitzelung vor. Das Unternehmen weist den Vorwurf zurück, dass über die Mieter eine Internetrecherche durchgeführt wurde. „Unsere Mitarbeiter haben festgestellt, dass die Mieter ihre Wohnung als Unternehmenssitz im Internet bewerben“, heißt es dort. Sie spricht von Zweckentfremdung einer Wohnung. Dass aber würde voraussetzen, dass die Wohnung ausschließlich zu gewerblichen Zwecken genutzt wird. Doch Frank Volm und Christoph Baumgarten können nachweisen, dass sie dort wohnen. Das kann auch Martina Lannatewitz nachweisen Sie lebt seit 30 Jahren in einer Dreizimmerwohnung in der Raumerstraße 11. Auch dieses Haus gehört der Gewobag. Nach einer Modernsierung sollte die Miete bei Frau Lannatewitz um über 120 Prozent von 284 Euro kalt auf 632 Euro steigen. Die Mieterin wehrte sich und ging an die Öffentlichkeit. Weil die Gewobag herausgefunden hat, dass auch Frau Lannatewitz für eine Agentur von ihrem Computer arbeitet, wurde sie ebenfalls wegen gewerblicher Nutzung abgemahnt. Weil die Mieterin weiterhin mit ihrer Privatadresse im Internet zu finden ist, hat die Gewobag mittlerweile eine Räumungsklage eingeleitet.

Vermieterfreundliche Rechtssprechung

Dabei nutzt die Gewobag eine vermieterfreundliche Rechtssprechung bei der Frage der gewerblichen Tätigkeit in der eigenen Wohnung. Bisher fanden die Gerichte eine berufliche Nutzung unproblematisch, solange man keine Mitarbeiter beschäftigt und keine Kunden empfängt. Im Jahr 2013 hielt der Bundesgerichtshof die Kündigung eines Mieters für berechtigt, der in seiner Wohnung einen Hausmeisterservice betrieb (BGH vom 31. Juli 2013 –VIII ZR 149/13Ö). „Bei geschäftlichen Aktivitäten, freiberuflicher oder gewerblicher Art, die nach Außen in Erscheinung treten, liegt eine Nutzung vor, die die der Vermieter einer Wohnung ohne entsprechende Vereinbarung grundsätzlich nicht dulden muss“, urteilte der BGH. Eine solche rechtliche Verschlechterung der Mieter, zu einer Zeit, in der die Zahl der Berufe, die vom häuslichen PC erledigt werden wächst, ist unverständlich. Die Gewobag ist sicher nicht der einzige Haubesitzer, der die rechtlichen Möglichkeiten, die ihm hier in die Hand gegeben wurden, ausgiebig ausnutzt.

http://www.bmgev.de/mieterecho/mieterecho-online/heimarbeit-als-kuendigungsgrund.html
Peter Nowak

Justiz setzt BKA-Überwachung auf Verdacht Grenzen

Bundesgerichtshof erklärt BKA-Überwachung von drei Libertad-Aktivisten für illegal

Der Bundesgerichtshof hat eine BKA-Überwachung von drei Aktivisten der linken Solidaritätsorganisation Libertad für illegal erklärt. Der Beschluss ist schon Anfang März gefallen, aber erst jetzt den Klägern und ihren Anwälten zugestellt worden.

Im Jahr 2001 waren die drei politischen Linksaktivisten vom BKA verdächtigt worden, Mitglieder der Militanten Gruppe (mg) zu sein. In einem Dossier des Verfassungsschutzes wurde der Verdacht damit begründet, dass sich Libertad gegen Kriegseinsätze und für politische Gefangene einsetzt, alles Themen, die auch bei den Zielen der mg eine Rolle spielten. Mit einem umfangreichen Überwachungsprogramm sollten die Beweise für die mg-Mitgliedschaft der Verdächtigten gesammelt werden.

Über ein Dutzend Telefonanschlüsse wurden abgehört, E-Mails wurden gelesen und die Internetnutzung ausgewertet. Auf die Haustüren waren hochauflösende Videokameras gerichtet, zeitweise wurden die drei rund um die Uhr von Observationsteams begleitet. Das BKA verwanzte Autos und erstellte aus Peilsendern und den Funkzellendaten von Mobiltelefonen Bewegungsprofile. Die Maßnahmen endeten offiziell 2006. Libertad-Sprecher Hans-Peter Kartenberg erklärte gegenüber Telepolis, dass aus den Akten der Beschuldigten hervorgeht, dass die Bewachungsmaßnahmen auch danach fortgesetzt wurden. Im Jahr 2008 waren die Ermittlungen gegen die Beschuldigten aus Mangel an Beweisen eingestellt.

Der BGH hat mit seinem Beschluss nun den Ermittlungsbehörden Grenzen gesetzt. „Die angeordneten und durchgeführten verdeckten Ermittlungsmaßnahmen waren bereits deshalb rechtswidrig, weil zum jeweiligen Zeitpunkt ihrer Anordnung und Durchführung ein ausreichender Tatverdacht … nicht bestand“, heißt es zur Begründung. „Den Ausführungen des Verfassungsschutzes lässt sich zwar entnehmen, dass die früheren Beschuldigten dem politisch linken Spektrum zuzuordnen sind und sich mit Themenbereichen befasst haben… Dabei handelt es sich jedoch mit der Problematik der Entschädigung von Zwangsarbeitern und Ähnlichem um eher allgemeine, zur damaligen Zeit auch verstärkt in der öffentlichen Diskussion befindliche und nicht derart spezielle Themen, dass hieraus nähere Rückschlüsse auf die Personen der früheren Beschuldigten gezogen werden können“, pointieren die Richter ihre Kritik.

Rüge für Ermittlungsrichter

Die Begründung enthält auch eine Rüge an den Ermittlungsrichter am Bundesgerichtshof Ulrich Hebenstreit, der die Überwachung gegen die Libertad-Mitglieder genehmigt hat.

„Die (…) eigenständige Prüfung der Anordnungsvoraussetzungen durch den Ermittlungsrichter muss allerdings in der Praxis häufig unter großem Zeitdruck durchgeführt werden; der Akteninhalt ist oft umfangreich. Die Erfüllung seiner Funktion als Kontrollorgan der Ermittlungsbehörden (…) wird deshalb nicht unerheblich erschwert und verzögert, wenn der Ermittlungsrichter nicht annehmen kann, dass die Beweislage, soweit sie für die Entscheidung relevant ist, in den Antragsschriften ohne erhebliche Lücken dargetan ist“, moniert der BGH.

Peter Nowak