Alternativen sind nötig

Der Vorstand der Berliner IG Metall hat Ende April die Weichen für den Ausschluss von oppositionellen Mitgliedern bei Daimler in Berlin-Marienfelde gestellt. In den Augen des Vorstands haben sie sich gewerkschaftsschädlich verhalten, weil sie bei der Betriebsratswahl auf einer eigenen Liste mit dem Titel »Alternative Metaller« kandidiert haben. Sie haben fünf Sitze und die offizielle IG-Metall-Liste 15 Sitze bekommen. Damit wird erstmals auch im Betriebsrat deutlich, dass in dem Werk kämpferische Gewerkschafter agieren, die sich gegen zu viele Zugeständnisse an das Unternehmen wehren.

Eigentlich müsste die IG Metall über solche Mitglieder froh sein. Denn gerade die Alternativen Metaller haben schon einige Überzeugungsarbeit leisten müssen, um vom Kurs der Mehrheitsströmung frustrierte Kollegen vom Gewerkschaftsaustritt abzubringen. Außerdem ist es durchaus keine Seltenheit, dass in einem Betrieb Mitglieder einer Gewerkschaft auf verschiedenen Listen kandieren. Damit wurde auch immer die innergewerkschaftliche Diskussion über die Zukunft der Gewerkschaftspolitik angeregt.

Eine Gewerkschaft, in der über die Perspektiven gestritten wird, hat Chancen, gerade auch von jüngeren Beschäftigten als Interessenvertretung akzeptiert zu werden. Einige Gewerkschaften haben mit Organizing-Kampagnen und einer stärken Kooperation mit sozialen Bewegungen erste Konsequenzen aus dem von vielen Gewerkschaftsforschern bestätigten Befund gezogen. Die Einleitung der Ausschlussverfahren bei der IG Metall hingegen führen in eine völlig falsche Richtung. Die IG Metall, die bei der letzten Tarifrunde nicht einmal Forderungen gestellt hat, braucht Alternativen auch innerhalb der Organisation. Diese Überzeugung teilen viele Mitglieder an der Basis. In dem Solidaritätskreis, der sich gegen die Ausschlüsse wendet, sind zahlreiche Betriebsräte und Vertrauensleute vertreten. Ein Aufruf gegen die Verfahren wurde in wenigen Tagen von über 400 Kollegen unterschrieben, und die Unterschriftensammlungen gehen weiter. So könnten die Ausschlussdrohungen doch etwas Positives bewirken: die innergewerkschaftliche Opposition meldet sich zu Wort und sucht Möglichkeiten der besseren Kooperation.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/170544.alternativen-sind-noetig.html

Peter Nowak

Betriebsräte kriegen Konkurrenz

MITBESTIMMUNG Bei den grade laufenden Betriebsratswahlen bekommen die DGB-Einheitslisten zunehmend Konkurrenz von links. Belegschaften spalten sich in der Frage, wie radikal sie für ihre Rechte kämpfen sollen
Bei den Betriebsratswahlen sind die DGB-Listen nicht mehr konkurrenzlos. Anfang März hatte Ver.di-Vorsitzender Frank Bsirske gemeinsam mit dem Journalisten Günther Wallraff die Betriebswahlen 2010, die noch bis Ende Mai andauern, vor einer Filiale der Drogerie Schlecker eröffnet. Der Gewerkschafter hat Schlecker bewusst zum Auftakt der Kampagne ausgewählt. Dort kämpften Teile der Beschäftigten gemeinsam mit Ver.di für die Gewerkschaftsrechte – und die DGB-Liste ist dort entsprechend unangefochten. Eine solch übersichtliche Situation ist bei den Betriebsratswahlen allerdings mittlerweile die Ausnahme. Der Berliner Arbeitsrechtler Klaus Stähle sieht darin sogar einen Trend. „Während die linken Betriebsratslisten den Gewerkschaften einen Kuschelkurs mit den Unternehmern vorwerfen“, hieße es oft umgekehrt bei den „sich explizit unpolitisch gebenden Wahllisten“, die linken Listen gefährdeten mit ihren Forderungen geradezu die Existenz der Betriebe.

Beispiel Berliner Bosch-Siemens-Hausgerätewerkes (BSH): Noch 2005 und 2006 hat ein Großteil der Belegschaft mit Arbeitsniederlegungen gegen die Schließung gekämpft. „Von einer kämpferischen Stimmung kann heute in dem Werk keine Rede mehr sein“, sagt ein Gewerkschafter, der nicht namentlich genannt werden will. Die Folge: Dieses Jahr konkurrieren eine betriebsfreundliche Betriebsratsliste und eine eher Chefetagen-kooperative IG-Metall-Liste um die Stimmen der Mitarbeiter. Die Gründe für den Klimawechsel lägen in der Neuzusammensetzung der Belegschaft, so der Gewerkschafter. Knapp 250 Arbeitern stünden 650 Angestellte gegenüber, die in der Regel sehr moderate Positionen vertreten.

Gegen Lohnkürzungen

Auch im Daimler-Werk Marienfelde sei die Ausdifferenzierung in der Belegschaft spürbar, sagt Mustafa Efe. Er ist freigestellter Betriebsrat und war Spitzenkandidat der Alternativen Liste, die 5 von 21 Sitzen im neuen Betriebsrat bekommen. Die offizielle IG-Metall-Liste bekam 15 Sitze. Die Alternative setzte sich aus kämpferischen IG-Metall-Mitgliedern zusammen, die bei den Betriebsratswahlen für gemeinsame Gegenwehr gegen Lohnkürzungen und Arbeitszeitverdichtungen eingetreten sind. „Das Ergebnis war ein relativer Erfolg, und trotzdem waren wir auch ein bisschen enttäuscht“, so Efe gegenüber der taz. „Bei den Kollegen am Band war während des Wahlkampfs die Zustimmung für unsere Position sehr groß“, so Efe.

Besonders unter den Auszubildenden habe es jedoch an Unterstützung für die Alternative gefehlt. Vielfach hätten Mitarbeiter die Befürchtung geäußert, dass ein größerer Erfolg der Linken den Standort gefährden konnte. Auch die offizielle IG-Metall-Liste habe sich an dieser Stimmungsmache gegen die alternative Liste beteiligt. Von der IG-Metall-Geschäftsstelle Berlin-Brandenburg wollte trotz mehrfacher Nachfrage der taz niemand zu diesem Vorwurf Stellung nehmen.

http://www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=bl&dig=2010%2F04%2F07%2Fa0156&cHash=dccbdacd1c

PETER NOWAK