Gedenken an Arbeitshaus an der Rummelsburger Bucht zeigt die lange Tradition von Sozialchauvinismus

Haft in Berlin Lichtenberg: Arbeitszwang für »Asoziale«

Ein Gedenken an die Opfer des Arbeitshauses war auch das Anliegen des AK Marginalisierte gestern und heute, der 2007 von Aktivist*innen aus der Erwerbslosenbewegung gegründet wurde. Sie kämpfen für eine würdige Erinnerung an die Opfer des Arbeitshauses. Dabei wurden sie in den ersten Jahren von Bruno Schleinstein unterstützt, der als Jugendlicher Insasse des Berliner Arbeitshauses war und später unter dem Namen Bruno S. als Schauspieler in Filmen von Werner Herzog wie »Stroczek« und »Kaspar Hauser« weltbekannt wurde. Er starb 2010.

Es ist wenig los an dem winterlichen Sonntagnachmittag an der Rummelsburger Bucht in Lichtenberg. Einige Kinder spielen auf einer verschneiten Wiese in der Nähe einer Graffitiwand. »Hier mussten Tausende Menschen auf den Rieselfeldern Obst und Gemüse anbauen«, sagt Thomas Irmer und zeigt auf die weite Fläche. Der Historiker forscht zur Geschichte des größten Berliner Arbeitshauses, das dort 1879 eröffnet wurde. Am Sonntagnachmittag informiert Irmer auf einem historischen Spaziergang über die wechselvolle Geschichte dieser Haftanstalten, die mehr als 100 Jahre unter sehr verschiedenen politischen Systemen Bestand hatten. Über 30 Menschen nehmen an dem Spaziergang teil, der im Rahmen der Lichtenberger ….

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Sind Arbeitslose empfänglicher für den rechten Rand?


Die Studie „Parteien und ihre Anhänger“ und eine Pressemitteilung, die sauer aufstößt

„Rechtsextreme Wähler sind männlich, arm und arbeitslos“, titelte die konservative „Welt“ am vergangenen Dienstag. Das Blatt beruft sich dabei auf die Studie „Parteien und ihre Anhänger“, die von Wissenschaftlern der Leipziger und Giessener Universität erstellt worden ist. Dabei hat die Zeitung die Wortwahl übernommen, die vor allem in der Pressemeldung verwendet wurde, mit der sie in der Öffentlichkeit bekannt gemacht wurde.

Für die Studie wurden in diesem Sommer 2.300 Ost- und Westdeutsche im Alter zwischen 18 und 97 Jahren im Auftrag der Universitäten Gießen und Leipzig befragt. Die Ergebnisse waren durchaus differenziert. So wird dort festgestellt, dass die Sorge um den Arbeitsplatz mehr Wähler der Linken als der FDP oder der Grünen umtreibt und dass der Anteil der Nichtwähler unter den Erwerbslosen groß ist (Neigen die gesellschaftlichen Loser zu den Rechtsextremen oder den Nichtwählern?).

Doch diese Differenzierung geht verloren, wenn die Soziologen Elmar Kruse und Johannes Kruse die Ergebnisse der Studie so zusammenfassen: „Rechtsextreme Anhänger oft arbeitslos – meiste Arbeitslose sind Nichtwähler.“

Diese Diktion wird vom Arbeitskreis Marginalisierte, der sich seit 2007 mit der Ausgrenzung und Verfolgung von einkommensschwachen Menschen befasst, scharf kritisiert. Er sieht darin „eine direkte Diskriminierung und weitere Ausgrenzung ohnehin sozial Benachteiligter, die einzig dazu zu dienen scheint, Aufmerksamkeit zu erregen oder über die Anbiederung an Mainstreamdebatten über ‚Unnütze‘ und ‚Unfähige‘ an Forschungsmittel zu gelangen“.

Gefahr aus der Mitte?

Dabei werde davon abgelenkt, dass laut der Studie „Die Mitte in der Krise“ die eigentliche Gefahr für die Gesellschaft von latent vorhandenen und zunehmend rechten und rassistischen Einstellungsmustern in der so genannten Mitte ausgeht. Allerdings muss man sich fragen, ob nicht in allen Schichten der Bevölkerung rechte Einstellungen zu finden sind. Denn von rassistischen und rechtspopulistischen Welterklärungsmodellen sind auch die Marginalisierten nicht ausgenommen.

So gibt es viele Beispiele, dass Erwerbslose besonders auf ihren Status als deutsche Staatsbürger beharren und Menschen ohne deutschen Pass die mageren Hartz IV-Sätze nicht gönnen. Diese als Sozialchauvinismus bezeichneten Effekte der kapitalistischen Konkurrenzgesellschaft machen eine gemeinsame Gegenwehr oft besonders schwer.

Trotzdem ist dem AK Marginalisierte zuzustimmen, dass die Diktion vor allem der Pressemeldungen zur Studie auf Klischees beruht und einkommensschwache Menschen diskriminiert. Die Verwendung von Kollektivbegriffen wie „die Arbeitslosen“ sollte eigentlich in einer wissenschaftlichen Arbeit keine Verwendung finden. Zudem ist sicher der Verdacht nicht falsch, dass die Aufmerksamkeit für die Studie dadurch gesteigert werden sollte, dass in den Überschriften der Zusammenfassung eine Verbindung von Erwerbslosigkeit und der Bereitschaft, rechte Parteien zu wählen, in einer Eindeutigkeit hergestellt wird, die sich in den Ergebnissen der Studie nicht wiederfinden lassen.

Außerdem macht der AK Marginalisierte zu Recht darauf aufmerksam, dass auch der Verweis auf den Bildungsstand diskriminierende Züge trägt. Denn dabei wird lediglich auf den Schulabschluss rekurriert. So fragwürdig es ist, Aussagen über den Bildungsstand von Menschen am Schulabschluss festzumachen, so falsch ist es, rechte Welterklärungsmodelle auf Erwerbslose und Menschen mit „niedrigen Bildungsabschlüssen“ abzuschieben.
http://www.heise.de/tp/blogs/8/151005

Peter Nowak