Solidarität mit Münchener Politaktivist

Flüchtlingsvertreter und linke Gruppen haben zur Unterstützung eines Aktivisten aufgerufen, der seit dem 26. August in München unter anderem wegen Beleidigung und Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte vor Gericht steht. Der Prozess, bei dem fünf Vorwürfe mit politischem Hintergrund zusammengefasst wurden, wird am 13. September fortgesetzt (12 Uhr, Amtsgericht München, Nymphenburger Str. 16, Saal B 277). Hans-Georg E. ist wegen seines langjährigen antimilitaristischen und antirassistischen Engagements bekannt. Er wird beschuldigt, den Organisator der NATO-Sicherheitskonferenz in München, Wolfgang Ischinger, bei einer von Attac organisierten und von Protesten begleiteten Diskussionsveranstaltung gegen die Brust geschlagen zu haben. Dabei hatte Ischinger unmittelbar nach der Veranstaltung erklärt, es sei nichts passiert und er wolle gegen die Protestierenden keine Anzeige erstatten. Ein weiterer Anklagepunkt bezieht sich auf E.s Kritik an der Festnahme eines Flüchtlings, der ohne Erlaubnis den ihm zugewiesenen Landkreis verlassen hatte und damit gegen die sogenannte Residenzpflicht verstieß. Er hatte den Beamten Rassismus vorgeworfen.

Neben der Flüchtlingsorganisation The Voice, dem Aktionsbündnis gegen die Münchner Sicherheitskonferenz und der Interventionistischen Linken solidarisierten sich auch 50 türkische Linke mit dem Angeklagten. Für den Prozess sind bis Ende September noch fünf Termine anberaumt.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/179130.bewegungsmelder.html

Peter Nowak

Spaziergang mit deutsch-türkischer Spurensuche

SOLIDARITÄT Interkultureller Stadtrundgang für den verhafteten Schriftsteller Dogan Akhanli
Was hat der Völkermord an den Armeniern 1915/16 mit der Hardenbergstraße zu tun? Wie erlebte die türkisch-jüdische Familie Behar den Holocaust in Berlin? Wieso ging der spätere Berliner Bürgermeister Ernst Reuter während der NS-Diktatur in die Türkei ins Exil?

Es sind Fragen wie diese, Fragen, die enge Verbindungen zwischen der deutschen und türkischen Geschichte aufzeigen, die die historisch-interkulturellen Stadtrundgänge von Dogan Akhanli zu etwas ganz Besonderem machen. Der Schriftsteller ist im Zuge seiner Arbeiten zu den beiden großen Völkermorden des 20. Jahrhunderts zu einem Fachmann für interkulturellen Dialog geworden. Doch nicht überall wird sein Engagement geschätzt: Am 10. August wurde Akhanli in Istanbul verhaftet. Aus Solidarität mit ihm bieten seine Freunde und Kollegen am heutigen Dienstag einen Stadtrundgang auf den Spuren deutsch-türkischer Geschichte.

In den 80er Jahren wurde Akhanli als Linksaktivist in der Türkei verfolgt und floh in die BRD, wo er Asyl bekam und später die deutsche Staatsbürgerschaft annahm. Als er vor vier Wochen erstmals seit 19 Jahren wieder in die Türkei reiste, um seinen schwerkranken Vater zu besuchen, wurde er am Flughafen von Istanbul verhaftet (taz berichtete). Die türkische Justiz beschuldigt Akhanli, 1989 eine Wechselstube überfallen zu haben. Beweise dafür fehlen, wie Akhanlis Anwälte erklären. Und die beiden Zeugen, die die Ankläger anführen, hätten ihre Aussage längst widerrufen. Trotzdem weigert sich die türkische Justiz, den Haftbefehl aufzuheben.

Den Grund für die Verfolgung Akhanlis sehen daher viele – etwa Grünen-Chefin Claudia Roth oder der Schriftsteller Edgar Hilsenrath – in seiner Arbeit. Etwa zum Armenien-Völkermord, der in der Türkei nach wie vor ein Tabu ist, und über den Akhanli den ersten Roman eines Türken überhaupt geschrieben hat. „Akhanli hat sich in Romanen, Artikeln, aber auch bei der Entwicklung von geschichtspolitischen Konzepten mit Gewalterfahrungen durch Völkermorde auseinandergesetzt“, erklärt der Journalist Albert Kieser, der zum Freundeskreis des Verhafteten gehört, gegenüber der taz.

Auch das Konzept des Stadtrundgangs durch Charlottenburg hat Akhanli 1994 mitentwickelt. Bei dem Rundgang soll unter anderem das Haus in der Hardenbergstraße besucht werden, in dem der ehemalige türkische Innenministers Talat Pascha im Berliner Exil lebte. Der maßgeblich für den Völkermord an den Armeniern verantwortliche Politiker war am 15. März 1921 in der Nähe seiner Wohnung von einem armenischen Kommando erschossen worden. An das Schicksal der von den Nazis ermordeten türkisch-jüdischen Familie Behar erinnert eine weitere Station. Besucht werden soll auch der Ort, wo sich der türkische Flüchtling Kemal Altun aus Angst vor der drohenden Abschiebung am 30. August 1983 in den Tod stürzte. PETER NOWAK

 Treffpunkt Stadtspaziergang: 17 Uhr, Hardenbergstraße 22-24
Mehr Infos zum Fall Akhanli: www.das-kulturforum.de
Das Konzept des Stadtrundgangs durch Charlottenburg hat Akhanli mitentwickelt

http://www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=bl&dig=2010%2F09%2F07%2Fa0145&cHash=89a11b6e12

Peter Nowak

Kampf um Russlands grüne Lunge

Solidaritätskampagne für Umweltschützer

Derzeit bekommen die russischen Behörden aus vielen europäischen Ländern Protestbriefe. Darin wird die Freilassung von Alexej Gaskarow und Maxim Solopow gefordert. Die beiden Männer sind am 29. Juli 2010 unter dem Vorwurf des Landfriedensbruchs in Untersuchungshaft genommen worden. Sollten sie verurteilt werden, drohen ihnen Haftstrafen bis zu sieben Jahren.

Gaskarow und Solopow sollen mit hunderten weiteren Umweltschützern am 28. Juli im Moskauer Vorort Chimki an einer Spontandemonstration gegen die Rodung eines Waldstücks teilgenommen haben. Dabei wurden auch Gebäude der Stadtverwaltung mit Steinen und Feuerwerkskörpern attackiert. Obwohl der Sachschaden gering war, sorgte die Attacke in den russischen Medien für großes Aufsehen und setzte die Behörden unter  Verfolgungsdruck. Nach Ansicht eines russischen Solidaritätskomitees  wurden     Gaskarow und Solopowa verhaftet, weil sie seit Jahren auch öffentlich als Aktivisten der sozialen Bewegung aufgetreten sind. So haben sie sich gegen die Zunahme faschistischer Aktivitäten und die rassistische Diskriminierung von Ausländern in Russland engagiert.

Neue Graswurzelbewegung
Russische Umweltschützer sehen in den Verhaftungen der Männer auch einen Versuch, die wachsende russische Graswurzelbewegung zu disziplinieren. Die andauernden Proteste gegen die Abholzung des Chimki-Waldstücks werden als Beispiel für das neue Selbstbewusstsein von zivilgesellschaftlichen Organisationen interpretiert. Die Bäume sollen einer mautpflichtigen Autobahn zwischen Moskau und St. Petersburg weichen.   Die Waldschützer bekommen zunehmend Unterstützung von Bürgern der russischen Hauptstadt, die für den Erhalt von Moskaus grüner Lunge eintreten.
Die Staatsmacht reagiert mit zunehmender Repression und sorgte damit russlandweit für Schlagzeilen So wurden bei Protesten gegen die Waldabholzung am 23. Juli auch zwei Journalisten festgenommen. Der russische Journalistenverband protestierte gegen die Einschränkung der Pressefreiheit und forderte die Bestrafung der verantwortlichen Milizionäre. Auch  ein Protestcamp, mit dem Umweltschützer aus ganz Russland die Rodung verhindert wollten, war Ende Juli 2010 von ca. 100 Maskierten überfallen worden. Im Anschluss nahm  die Miliz einige der Umweltschützer fest. Durch die Verhaftung von   Gaskarow und Solopowa ist die Auseinandersetzung um das Waldstück auch über Russlands Grenzen hinaus bekannt geworden.

https://www.neues-deutschland.de/artikel/177817.kampf-um-russlands-gruene-lunge.html?sstr=Russlands|grüne|Lunge

Peter Nowak

Militante mit Blog

Prozess gegen Mitglied der ominösen Leipziger Militanten Gruppe

Seit Anfang August wird vor dem Landgericht Leipzig gegen den 24-jährigen Tommy T. wegen einer Autobrandstiftung, der Androhung von Straftaten und versuchten Einbruchs in einen Computerladen verhandelt. Die Ermittlungsbehörden beschuldigten T., der seit dem 4. Februar in Untersuchungshaft sitzt, zur Militanten Gruppe Leipzig (MGL) zu gehören, die vor einigen Monaten kurz für Schlagzeilen sorgte. T. war nicht aus der U-Haft entlassen worden, weil er vorbestraft ist und das Gericht wegen der möglichen Höhe der Strafe eine Fluchtgefahr annimmt. Ein weiterer Grund dürfte gewesen sein, dass T. vor allem in den ersten Wochen nach seiner Verhaftung keine Unterstützer hatte, die sich um die Kaution für seine Freilassung kümmerten. Denn in der Leipziger Linken kursierten zunächst Spekulationen, dass Rechte als Linke getarnt unter dem Label MGL auftreten. Anhaltspunkte für den Verdacht sahen sie in den verbalradikalen Parolen der Texte und in ihrer nicht-szenetypischen Diktion. Im Januar hatte sich eine Militante Gruppe Leipzig in einem Schreiben an die »Leipziger Volkszeitung« (LVZ) zu zwei Autobrandstiftungen bekannt. Am 29. Januar wurde ein von der MGL unterschriebener Brief an die Abgeordnete der LINKEN im sächsischen Landtag, Juliane Nagel, verschickt, die zuvor einen linkspolitischen Hintergrund der Anschläge bezweifelt hatte. »Ihr Irrglaube, die linke Szene wähle vermutlich andere Mittel als Brandanschläge, macht deutlich, dass das notwendige Umdenken noch nicht bei jedem angekommen ist. Es ist an der Zeit, die Revolution einzuleiten«, hieß es in der mit MGL unterschriebenen Antwort an Nagel. Dieser Satz steht auch auf einem »vorläufig offiziellen Blog«, den die Gruppe im Internet eingerichtet hat. Dort wird der erste Anschlag der MGL auf Ende Oktober 2009 datiert. Unterstützung von außerhalb Die Internetpräsenz der Militanten hat ihre Sympathiewerte auch bei Leipzigs außerparlamentarischen Linken nicht erhöht. In einem Newsflyer des Leipziger Kulturzentrums Conne Island, das als autonomer Treffpunkt zählt, hieß es im März drastisch: »Militante Gruppe Leipzig – du mieses Stück Scheiße. Geh nach Hause, dich kann niemand leiden«. Obwohl von einem rechten Hintergrund der MGL heute in der linken Szene Leipzigs niemand mehr ausgeht, wurden die Verhaftung von T. wie auch der laufende Prozess weitgehend ignoriert. Solidaritätsaktionen kommen hingegen von auswärtigen Antirepressionsstrukturen. Sowohl von der Roten Hilfe Magdeburg als auch von der Redaktion des »Gefangeninfo« wird T. als linker politischer Gefangener gesehen und unterstützt. Dabei gehe es um sein Verhalten vor Gericht und nicht um die politische Einschätzung der Militanten Gruppe und ihrer Texte, betont ein Mitarbeiter des »Gefangeneninfos«. Er verweist darauf, dass bisher nur die Anklagebehörde einen Zusammenhang zwischen der MGL und T. herstellt. Der Beschuldigte selbst hat sich zu den Vorwürfen nicht geäußert. Am 31. August soll das Urteil verkündet werden. Nach Angaben der Lokalpresse könnte ihm bei einer Verurteilung statt einer Gefängnisstrafe die Einweisung in die geschlossene Psychiatrie drohen. Ein Gutachter, der T. als hochintelligent klassifiziert hat, beobachtet den Angeklagten während des Prozesses im Hinblick auf eine etwaige Persönlichkeitsstörung.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/177668.militante-mit-blog.html

Peter Nowak

EU-Terrorlisten teilweise rechtswidrig

Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte hat auch Folgen für die deutsche Rechtsprechung
Vor einigen Tagen hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte ein bisher in Deutschland wenig beachtetes Urteil gefällt, das aber Einfluss auf zur Zeit in Deutschland laufende Verfahren hat.
   

Das macht der Europäische Gerichtshof gleich in der Überschrift der Pressemitteilung zu dem Urteil deutlich. Dort heißt es:
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 Die Beschlüsse des Rates, mit denen die DHKP-C vor Juni 2007 unter Verstoß gegen elementare Verfahrensgarantien in Listen aufgenommen wurde, die im Rahmen von Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus erstellt wurden, können nicht dazu beitragen, die strafrechtliche Verfolgung von Mitgliedern der genannten Organisation zu stützen, die nicht in diese Listen aufgenommen wurden.
 

Bei dem erwähnten Verfahren handelt es sich bei um ein mehrmonatiges Verfahren vor dem Düsseldorfer Staatsschutzsenat. Dort wird gegen zwei türkische Migranten verhandelt, die beschuldigt werden, für die in Deutschland und der Türkei verbotene marxistische Organisation DHKP-C Spenden gesammelt zu haben. Weil diese Organisation auf der EU-Terrorliste aufgeführt ist, hätten die Angeklagten durch das Weiterleitung von Spenden gegen das deutsche Außenwirtschaftsgesetz verstoßen, so die Anklagebehörde.

Nach § 34 Abs. 4 Außenwirtschaftsgesetz (AWG) macht sich strafbar, wer „einem im Bundesanzeiger veröffentlichten, unmittelbar geltenden Ausfuhr-, Einfuhr-, Durchfuhr-, Verbringungs-, Verkaufs-, Liefer-, Bereitstellungs-, Weitergabe-, Dienstleistungs-, Investitions-, Unterstützungs- oder Umgehungsverbot eines Rechtsaktes der Europäischen Gemeinschaften zuwiderhandelt, der der Durchführung einer vom Rat der Europäischen Union im Bereich der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik beschlossenen wirtschaftlichen Sanktionsmaßnahme dient“.

Mit rechtsstaatlichen Grundsätzen unvereinbar

Diesem Bestreben hat Menschenrechtsgerichtshof jetzt Grenzen gesetzt. Den Angeklagten sei es nicht möglich gewesen, gegen die Aufnahme der DHKP-C in die Terrorlisten gerichtlich vorzugehen. Zudem habe bis 2007 eine Begründung für die Aufnahme der Organisation in die Terrorliste gefehlt, so dass eine gerichtliche Kontrolle nicht erfolgen konnte. Weil dadurch gegen elementare Verfahrensgarantien verstoßen worden sei, kann das Außenwirtschaftsgesetz bis Juni 2007 nicht auf die Terrorlisten angewendet werden, urteilt der Menschenrechtsgerichtshof.

Es war nicht die erste juristische Korrektur der Terrorlisten, wie die europäische Menschenrechtsorganisation ECCHR betont:
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 Bislang führte jedoch jede Klage vor europäischen Gerichten gegen die in diesem Fall betroffene EU-Terrorismusliste zur Streichung des jeweiligen Betroffenen von der Liste. Grund dafür waren systematische Verstöße gegen das Recht auf Verteidigung, insbesondere auf ein faires Verfahren, das Recht auf rechtliches Gehör des Betroffenen sowie den Eigentumsschutz.
ECCHR

Die Organisation benennt auch das Problem ganz deutlich:
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 Bevor überhaupt strafrechtlich relevantes Verhalten vorliegt, werden aufgrund von unbestimmten Vermutungen und unter gravierender Verletzung von elementaren rechtsstaatlichen Grundsätzen einschneidende und stigmatisierende Maßnahmen gegen Einzelne verhängt.
ECCHR

Allerdings haben die juristischen Niederlagen nicht zur grundlegenden Hinterfragung der sogenannten Politik der Terrorlisten geführt, die mit rechtsstaatlichen Grundsätzen unvereinbar sind. Das hat der ECCHR in seiner Stellungnahme an den Europäischen Gerichtshof noch einmal klargestellt. Die Beschlüsse, mit denen Personen und Gruppen in die Liste aufgenommen wurden, seien rechtswidrig und daher für ungültig zu erklären. Das ECCHR betont zudem, dass die EU sich um ein rechtsstaatliches und faires Verfahren zur Konteneinfrierung von Terrorismusverdächtigen bemühen muss, das alle Verteidigungs- und Verfahrensrechte der Betroffenen respektiert. Insbesondere seien aufgrund der immensen wirtschaftlichen, finanziellen und gesellschaftlichen Folgen einer Aufnahme in eine Terrorismusliste, die einer strafrechtlichen Sanktion gleichkommen, auch strafrechtliche Verfahrensgarantien im Listungsverfahren zu beachten.

Das Gutachten des ECCHR führt weiter aus, dass rechtsfehlerhafte Beschlüsse nicht die Grundlage einer Strafverfolgung sein können. Die Beschlüsse werden halbjährlich in teilweise veränderter Form und mit verändertem Inhalt vom Europäischen Rat verabschiedet. Diese dynamische Änderung der Beschlüsse und damit aufgrund des deutschen Außenwirtschaftsgesetz auch eine sich ständig ändernde Strafnorm habe zur Folge, dass der Bürger die Rechtsfolgen seines Verhaltens nicht voraussehen kann und sich somit unter Umständen strafbar macht. Eine solche Strafbarkeit verstößt gegen den grundgesetzlichen Bestimmtheitsgrundsatz. Danach muss ein Straftatbestand hinreichend genau formuliert und seine Rechtsfolgen müssen bestimmt sein, führt das ECCHR an.

Folgen des Urteils

Der Bundestagsabgeordnete der Linken Andrej Hunko, der für seine Partei im Ausschuss für europäische Angelegenheiten sitzt und das Düsseldorfer Verfahren besucht hat, nennt das Urteil eine „schallende Ohrfeige für die Bundesanwaltschaft“:
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 Während das Oberlandesgericht Düsseldorf trotz gravierender offener Fragen nicht bereit war, die Verhandlung bis zur Vorabentscheidung auszusetzen, hat der EuGH mit einem beschleunigten Verfahren seine Verantwortung rechtzeitig wahrgenommen. Sein Urteil zeigt erschreckend deutlich, dass die Bundesanwaltschaft nicht einmal grundlegende Rechtsprinzipien wie das Verbot der Rückwirkung von Vorschriften respektiert.
Andrej Hunko

Allerdings wird das Verfahren vor dem Düsseldorfer Staatsschutzsenat weitergehen, weil gegen die beiden Angeklagten auch nach § 129b (Unterstützung einer ausländischen terroristischen Vereinigung) verhandelt wird. Dieser Paragraph steht in der Kritik von Menschenrechtsorganisationen und linker Solidaritätsgruppen, war aber nicht Gegenstand einer juristischen Überprüfung vor dem Europäischen Gerichtshof.

http://www.heise.de/tp/r4/artikel/32/32899/1.html

Peter Nowak

Wirtschaftsspionage verdrängt linke und rechte Gewalt

Die Zahl der dem Linksextremismus zugerechneten Gewalttaten ist nach dem Verfassungsschutzbericht stark angestiegen
Der am 21. Juni in Berlin vorgestellte Verfassungsschutzbericht 2009 erhebt den Kampf gegen die Wirtschaftsspionage zu einem neuen Schwerpunkt. Durch verstärkten Datenaustausch und die Nutzung des Internet steige das Risiko, ausspioniert zu werden, erheblich. Diese Gefahr werde von vielen Firmen noch unterschätzt, erklärte Bundesinnenminister Thomas de Maizière, der den aktuellen VS-Bericht gemeinsam mit Verfassungsschutzpräsident Heinz Fromm der Öffentlichkeit präsentierte.

In dem Bericht wird auf zwei Länder besonders eingegangen: „Die Bundesrepublik Deutschland ist wegen ihrer geopolitischen Lage, ihrer wichtigen Rolle in EU und NATO sowie als Standort zahlreicher Unternehmen der Spitzentechnologie für fremde Nachrichtendienste sehr attraktiv. Ihre offene und pluralistische Gesellschaft erleichtert den Nachrichtendiensten die Informationsbeschaffung. Hauptträger der Spionageaktivitäten in Deutschland sind derzeit die Russische Föderation und die Volksrepublik China. Darüber hinaus sind Länder des Nahen, Mittleren und Fernen Ostens sowie Nordafrikas zu nennen.“

Der Duisburger Politikwissenschaftler Thomas Heberer hatte allerdings in der letzten Woche anlässlich der Vorstellung der von ihm mit erarbeiteten Studie Die Chinaberichterstattung in den deutschen Medien die besondere Fokussierung auf China kritisiert und darauf verwiesen, dass von Wirtschaftsspionage von Seiten der USA viel weniger gesprochen wird, obwohl die wesentlich größere Ausmaße habe (Beispiel Echelon).

Auch dem Themenfeld Islamismus ist im VS-Bericht ein eigenes Kapitel gewidmet. Danach ist die Zahl der Islamisten in Deutschland im Jahr von 34.720 im Jahr 2008 auf 36.270 im Jahr 2009 gestiegen. Ca. 200 „Menschen mit Deutschlandbezug“ sollen sich in den letzten Jahren in islamistischen Ausbildungscamps aufgehalten haben.

Rechte und linke Gewalt

Wer die Debatten der letzten Wochen verfolgt hat, wird auch über die VS-Erkenntnisse im Bereich des sogenannten Rechts- und Linksextremismus wenig überrascht sein. Danach war im letzten Jahr die Zahl von Straftaten mit rechter Motivation mit 18.750 – davon 13.280 „Propagandataten“ – viermal so hoch wie die 4.735 Straftaten mit linker Motivation. Bei den erfassten Gewalttaten mit rechter Motivation wurde 2009 ein Rückgang von 1.040 auf 890 konstatiert, während die linksmotivierten Gewalttaten im Berichtszeitraum von 700 auf 1.115 um über 50 Prozent gestiegen seien.

Hervorgehoben wird, dass nicht nur die „Zahl der Gewalttaten mit zu vermutendem linksextremistischen Hintergrund mit 1.096 registrierten Delikten gegenüber dem Vorjahr (2008: 701) deutlich gestiegen“ sei, zu beobachten sei auch „eine in ihrer Aggressivität deutlich zunehmende verbale Militanz“. Während die Zahl der Rechtsextremen zurückgehe, steige die der Linksextremen, zu denen auch Parteimitglieder der Linken gezählt werden, z.B. die Mitglieder der Kommunistischen Plattform (Verfassungsschutz wird die Linkspartei weiter beobachten).

Der Innenminister bezeichnete den Verfassungsschutz als „Frühwarnsystem“. Man werde dem Verhalten der Linksextremisten „entschlossen entgegentreten“. Dabei müsse man stärker darauf achten, „die Leitfiguren der Szene zu identifizieren, Kommunikationswege aufzudecken und das daraus erwachsende Gewaltpotenzial perspektivisch zu bewerten“.

Die innenpolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion der Linkspartei kritisiert diese Zuordnung und plädiert mit Verweis auf die Ergebnisse einer Kleinen Anfrage im Bundestag für eine differenzierte Betrachtung der Statistiken über linke Gewalt: „Trotz des Kampagnencharakters der Warnungen vor einem Anstieg ‚linker‘ Straftaten gibt es keinerlei verbindliche Statistik, die diesen Anstieg belegt. Stattdessen gibt es eine Vielzahl unterschiedlicher Statistiken, die miteinander nicht kombinierbar sind“, so Jelpke.

http://www.heise.de/tp/blogs/8/147867

Peter Nowak

Justiz setzt BKA-Überwachung auf Verdacht Grenzen

Bundesgerichtshof erklärt BKA-Überwachung von drei Libertad-Aktivisten für illegal

Der Bundesgerichtshof hat eine BKA-Überwachung von drei Aktivisten der linken Solidaritätsorganisation Libertad für illegal erklärt. Der Beschluss ist schon Anfang März gefallen, aber erst jetzt den Klägern und ihren Anwälten zugestellt worden.

Im Jahr 2001 waren die drei politischen Linksaktivisten vom BKA verdächtigt worden, Mitglieder der Militanten Gruppe (mg) zu sein. In einem Dossier des Verfassungsschutzes wurde der Verdacht damit begründet, dass sich Libertad gegen Kriegseinsätze und für politische Gefangene einsetzt, alles Themen, die auch bei den Zielen der mg eine Rolle spielten. Mit einem umfangreichen Überwachungsprogramm sollten die Beweise für die mg-Mitgliedschaft der Verdächtigten gesammelt werden.

Über ein Dutzend Telefonanschlüsse wurden abgehört, E-Mails wurden gelesen und die Internetnutzung ausgewertet. Auf die Haustüren waren hochauflösende Videokameras gerichtet, zeitweise wurden die drei rund um die Uhr von Observationsteams begleitet. Das BKA verwanzte Autos und erstellte aus Peilsendern und den Funkzellendaten von Mobiltelefonen Bewegungsprofile. Die Maßnahmen endeten offiziell 2006. Libertad-Sprecher Hans-Peter Kartenberg erklärte gegenüber Telepolis, dass aus den Akten der Beschuldigten hervorgeht, dass die Bewachungsmaßnahmen auch danach fortgesetzt wurden. Im Jahr 2008 waren die Ermittlungen gegen die Beschuldigten aus Mangel an Beweisen eingestellt.

Der BGH hat mit seinem Beschluss nun den Ermittlungsbehörden Grenzen gesetzt. „Die angeordneten und durchgeführten verdeckten Ermittlungsmaßnahmen waren bereits deshalb rechtswidrig, weil zum jeweiligen Zeitpunkt ihrer Anordnung und Durchführung ein ausreichender Tatverdacht … nicht bestand“, heißt es zur Begründung. „Den Ausführungen des Verfassungsschutzes lässt sich zwar entnehmen, dass die früheren Beschuldigten dem politisch linken Spektrum zuzuordnen sind und sich mit Themenbereichen befasst haben… Dabei handelt es sich jedoch mit der Problematik der Entschädigung von Zwangsarbeitern und Ähnlichem um eher allgemeine, zur damaligen Zeit auch verstärkt in der öffentlichen Diskussion befindliche und nicht derart spezielle Themen, dass hieraus nähere Rückschlüsse auf die Personen der früheren Beschuldigten gezogen werden können“, pointieren die Richter ihre Kritik.

Rüge für Ermittlungsrichter

Die Begründung enthält auch eine Rüge an den Ermittlungsrichter am Bundesgerichtshof Ulrich Hebenstreit, der die Überwachung gegen die Libertad-Mitglieder genehmigt hat.

„Die (…) eigenständige Prüfung der Anordnungsvoraussetzungen durch den Ermittlungsrichter muss allerdings in der Praxis häufig unter großem Zeitdruck durchgeführt werden; der Akteninhalt ist oft umfangreich. Die Erfüllung seiner Funktion als Kontrollorgan der Ermittlungsbehörden (…) wird deshalb nicht unerheblich erschwert und verzögert, wenn der Ermittlungsrichter nicht annehmen kann, dass die Beweislage, soweit sie für die Entscheidung relevant ist, in den Antragsschriften ohne erhebliche Lücken dargetan ist“, moniert der BGH.

Peter Nowak

Pazifisten an der Front

Pazifisten an der Front
ANTIMILITARISMUS Bei der Friedensgesellschaft wird scharf geschossen: Landesverband und Bundesvorstand streiten sich um den juristischen Umgang mit einem satirischen Flugblatt

Der Landesverband der Deutschen Friedensgesellschaft – Vereinigte Kriegsdienstgegner (DFG-VK) wirft seinem Bundesvorstand Denunziation vor. Der Bundesvorsitzende der ältesten friedenspolitischen Organisation Deutschlands, Jürgen Grässlin, hat die Namen von drei Berliner DFG-VK-Mitgliedern sowie ein internes Schreiben an die Staatsanwaltschaft weitergegeben, nachdem diese die Herausgabe der Daten verlangt hatte. „Die Übermittlung der Namen geschah in vollem Wissen, dass den Betroffenen nun mit hoher Wahrscheinlichkei Hausdurchsuchungen bevorstehen und ein Ermittlungsverfahren wegen ihrer politischen Aktivitäten droht“, so der Landesverband Berlin-Brandenburg in einer Stellungnahme.

Der Grund sind Ermittlungen wegen eines satirisch gemeinten Aufrufs der DFG-VK Berlin-Brandenburg, der unter dem doppeldeutigen Motto „Feste feiern, wenn sie fallen“ zum Schampus-Saufen aufruft, wenn ein Bundeswehrsoldat beim Afghanistan-Einsatz ums Leben kommt (siehe Interview unten). Die im April beendete Aktion hatte bundesweit für Aufmerksamkeit gesorgt und juristische Ermittlungen nach sich gezogen. Mehrere von Bundeswehrverbänden angestrengte Klagen wegen Beleidigung waren zwar bereits im vorigen Jahr eingestellt worden. Doch das Berliner Landeskriminalamt ermittelt weiter.

Im April waren in Berlin drei Buchläden, die Büroräume eines Internetproviders und Privatwohnungen auf der Suche nach den Verantwortlichen der Aufrufe durchsucht worden. Weil die Ermittlungsbehörden keinen Hinweis auf die Urheber der satirischen Aufrufe gefunden haben, wandten sie sich an den DFG-VK-Bundesvorsitzenden – mit Erfolg.

„Als BSK waren wir uns einig, dass wir den Ermittlungsbehörden keinen Vorwand für eine Hausdurchsuchung in der Bundesgeschäftsstelle mit der Beschlagnahme aller Computer und weiterer Unterlagen geben dürfen“, begründete der Bundessprecher Jürgen Grässlin gegenüber der taz die Datenweitergabe. „Die Personendaten unserer mehr als 4.000 Mitglieder sowie die weiteren Unterlagen, wie Brief- und Mailwechsel, Protokolle all unserer Aktivitäten, gehen die Staatsanwaltschaft absolut nichts an.“ Zudem verstehe sich die DFG-VK nicht als Untergrundorganisation, die mit subversiven Mitteln gegen die Staatsmacht angeht. „Wir bekennen uns bei all unseren Aktionen mit unserem Namen zu unseren Taten“, so Grässlin.

Hinter dem Streit stehen politische Gegensätze. Während sich viele DFG-VK-Mitglieder in der Friedensbewegung der 80er-Jahre politisierten und heute vor allem bei der Organisierung von Ostermärschen gegen Atomraketen und als Kritische AktionärInnen von Rüstungsbetrieben engagieren, sorgten im Landesverband Berlin-Brandenburg jüngere AntimilitaristInnen mit provokativen Aktionen auch verbandsintern öfter für Unmut. So wurde das Plakat „Schritt zur Abrüstung“ mit dem Sarg eines getöteten Soldaten auch von DFG-VK-Mitgliedern als menschenverachtend kritisiert.

Die Weiterleitung der Namen hat die Krise zugespitzt. Der Landesverband Berlin-Brandenburg will vorerst keine Informationen über geplante Aktivitäten mehr an die Bundesebene weiterleiten. Man plane aber keinen Austritt aus dem Verband, sagte ein Landesverbandsmitglied der taz.

 http://www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=bl&dig=2010%2F05%2F14%2Fa0194&cHash=c53e000247

Peter Nowak

Antimilitaristen angeschwärzt?

DFG-VK-Bundessprecher gibt Namen an Staatsanwaltschaft weiter
Gegen Mitglieder der Deutschen Friedensgesellschaft-Vereinigte Kriegsdienstgegner (DFG-VK) ermittelt die Staatsanwaltschaft. Wie jetzt bekannt wurde, hat ein Spitzenfunktionär der Organisation mit den Ermittlungsbehörden zusammengearbeitet.

 Bei der DFG-VK wird zur Zeit heftig gestritten. Der Landesverband Berlin-Brandenburg der ältesten deutschen Friedensorganisation wirft dem Bundessprecherkreis (BSK) Denunziation vor. Bundesvorstandsmitglied Jürgen Grässlin habe die Namen von drei Berliner DFG-VK-Mitgliedern sowie ein internes Schreiben an die Staatsanwaltschaft weitergegeben, nachdem sie per Fax die Herausgabe dieser Daten verlangt hatte, so der Vorwurf.

Der Grund sind Ermittlungen wegen eines satirischen Aufrufs der DFG-VK Berlin-Brandenburg. Unter dem Motto »Feste feiern, wie sie fallen« hat der Landesverband zum Schampus-Saufen aufgerufen, wenn ein Bundeswehrsoldat beim Afghanistan-Einsatz ums Leben kommt. Die innerhalb der Organisation umstrittene, Ende April 2010 beendete Aktion sorgte bundesweit für große Aufmerksamkeit und zog juristische Ermittlungen nach sich. Mehrere angestrengte Klagen wegen Beleidigung und übler Nachrede wurden im vergangenen Jahr eingestellt. Doch das Berliner Landeskriminalamt ermittelt weiter, weil die Flyer zu der Aktion ihrer Ansicht nach geeignet seien, »den im Ausland stationierten Soldaten der Bundeswehr ein Lebensrecht abzusprechen«. Außerdem werde durch den Aufruf zum Feiern das Sicherheitsgefühl der Bundeswehrangehörigen und deren Familien stark beeinflusst.

Im April waren in Berlin mehrere Buchläden, die Büroräume eines Internetproviders und Privatwohnungen erfolglos nach Hinweisen auf die Verantwortlichen der inkriminierten Flyer durchsucht worden. Nachdem die Behörden nicht fündig geworden sind, wandten sie sich mit Erfolg an den DFG-VK-Bundessprecher.

»Als BSK waren wir uns einig, dass wir den Ermittlungsbehörden keinen Vorwand für eine Hausdurchsuchung in der Bundesgeschäftsstelle mit der Beschlagnahme aller Computer und weiterer Unterlagen geben dürfen«, begründet Jürgen Grässlin auf ND-Nachfrage die Datenweitergabe. Zudem verstehe sich die DFG-VK nicht als Untergrundorganisation, die mit subversiven Mitteln gegen die Staatsmacht angeht. »Wir bekennen uns bei all unseren Aktionen mit unserem Namen zu unseren Taten und stehen oft genug auch vor Gericht zu den sich für uns ergebenden Folgen«, so Grässlin.

Der politische Geschäftsführer der Organisation, Monty Schädel, der verbandsintern gegen die Weitergabe der Daten opponierte, kritisierte gegenüber ND seine Mitstreiter: »Ich bin entsetzt über dieses unsolidarische Vorgehen, auch wenn ich mir selbst vorwerfen muss, nicht in allen Phasen des Ablaufs energisch und aufmerksam genug gegen dieses Vorgehen eingeschritten zu sein.« Er wirft dem BSK vor, die Daten übergeben zu haben, obwohl lediglich ein Fax, aber kein rechtsverbindliches Anschreiben der Staatsanwaltschaft vorlag. Zudem sei ein Termin mit dem Landesverband Berlin-Brandenburg, auf dem über einen gemeinsamen Umgang mit den Ermittlungen beraten werden sollte, ignoriert worden.

Nach der Datenübergabe hat der Landesverband beschlossen, vorerst keine Informationen über geplante Aktivitäten mehr an die Bundesebene weiterzuleiten. Man sei allerdings weiterhin an einer handlungs- und bündnisfähigen DFG-VK interessiert und plane daher keinen Austritt aus dem Verband, so die Berliner Antimilitaristen. Viel werde jetzt von den Reaktionen des Bundessprecherkreises abhängen.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/170885.antimilitaristen-angeschwaerzt.html

Peter Nowak

Antifaschist im Visier von Polizei und Nazis

 

Die Polizei durchsuchte am 27. April die Wohnung eines aktiven Antifaschisten in Königs Wusterhausen bei Berlin. Dabei beschlagnahmten die Beamten ein Handy, zahlreiche linke Broschüren sowie verschiedene Plakate und Aufkleber mit antifaschistischen Motiven. Der Antifaschist wurde im November 2009 in der Nähe der von Rechten besuchten Kneipe »Zum Henker« in Berlin-Schöneweide von Neonazis zusammengeschlagen und schwer verletzt. Die Polizei wirft ihm vor, zusammen mit weiteren Unbekannten zuvor einen Angriff auf die Kneipe verübt zu haben und ermittelt wegen Landfriedensbruch. Ein weiterer Grund für die Hausdurchsuchung war das Verkleben eines antifaschistischen Aufklebers, in dem die Polizei einen Aufruf zu Straftaten sieht. Nach Angaben einer lokalen Antifagruppe steht der von der Hausdurchsuchung betroffene Antifaschist seit Monaten im Visier von Neonazis. So habe es mehrere Farbattacken auf sein Wohnhaus gegeben. Im März 2010 sei das Auto seiner Eltern demoliert worden.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/170381.bewegungsmelder.html

Polizei macht Jagd auf „Interim“

Am Donnerstag hat die Polizei die Schwarze-Risse-Buchläden im Mehringhof und der Kastanienallee sowie den Buchladen 021 und den Laden des Antifa-Versand Red Stuff durchsucht. Begründet wurde dies mit der Suche nach aktuellen Ausgaben der autonomen Publikationen Interim und Prisma. Dort sollen, so der Vorwurf der Ermittlungsbehörden, Bastelanleitungen für Molotowcocktails abgedruckt sein. In dem Buchladen Schwarze Risse wurde außerdem nach älteren Ausgaben und der Zeitungen Interim und Radikal gesucht. In allen durchsuchten Läden wurden Computer beschlagnahmt.

Schon am Mittwochnachmittag war der Kreuzberger „Gemischtwarenladen mit Revolutionsbedarf“ M99 ebenfalls wegen der Interim und Prisma durchsucht und der Computer beschlagnahmt worden. Ladeninhaber Hans-Georg Lindenau erklärte der taz: „Das war die 49. Durchsuchung in dem Laden. Die Beamten haben mir die fünfzigste schon angekündigt.“ Sowohl der M99 als auch Schwarze Risse waren bereits in der vergangen Woche gefilzt worden.

www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=ba&dig=2010%2F04%2F30%2Fa0223&cHash=34726abb24

Bundeswehr durch Satireflyer bedroht?

Berliner LKA durchsucht Räume antimilitaristischer Gruppen
„Feste feiern, wie sie fallen“, lautet die Überschrift. Darunter findet man eine männliche Person in Bundeswehruniform und Tiermaske. In seinem Rücken ist unverkennbar das Ehrenmal für die gefallenen Soldaten zu erkennen. Diese von antimilitaristischen Gruppen produzierten Satireflyer haben in den vergangenen Tagen zu zwei Polizeirazzien in Berlin geführt.

Letzte Woche war der Buchladen Schwarze Risse und am letzten Montag ein Internetserver betroffen. Dort wurde neben den Serverräumen auch die Privatwohnung eines Mitarbeiters durchsucht. Während die schon beschlagnahmten Computer im Serverraum auf Beschluss der Staatsanwaltschaft wieder zurückgegeben wurden, ohne dass Daten kopiert wurden, beschlagnahmten Beamte in der Wohnung zwei Computer.

Das Berliner LKA begründete die Suche nach den Verantwortlichen für den Flyer mit der Verletzung des Sicherheitsgefühls der Bundeswehrsoldaten im Ausland und ihrer Angehörigen. Die Flyer seien geeignet, „den im Ausland stationierten Soldaten der Bundeswehr ein Lebensrecht abzusprechen und durch den Aufruf zum Feiern auch das Sicherheitsgefühl der Bundeswehrangehörigen und deren Familien stark zu beeinflussen“.

Der politische Geschäftsführer der Deutschen Friedensgesellschaft-Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen Monty Schädel hingegen sieht im Gespräch mit Telepolis die Razzien im Zusammenhang mit der verstärkten Debatte über den Afghanistan-Einsatz nach dem Tod von Bundeswehrsoldaten:

„Es ist ein Skandal, dass Kritiker des Kriegseinsatzes mit staatlicher Repression konfrontiert werden, während gleichzeitig die Ermittlungen der Bundesanwaltschaft gegen den für das ‚Kundus-Bombardement‘ verantwortlichen Oberst Klein eingestellt werden.“

Er verweist darauf, dass die Satireaktion durch die antimilitaristischen Gruppen bereits beendet war und schon vor Monaten mehrere von Bundeswehrverbänden angestrengte Klagen gegen den Satireflyer eingestellt worden sind. Deswegen sieht Schädel in den jüngsten Razzien den Versuch, antimilitaristische Zusammenhänge auszuforschen.

Auch liberale Kolumnisten warnen davor, dass Kriegsgegner mit der steigenden Zahl gefallener deutscher Soldaten verstärkt unter Druck gesetzt werden könnten. So sagte etwa der konservative Bundeswehr-Professor Michael Wolfssohn, dass Kriegskritiker unfreiwillig das Geschäft der Taliban betreiben könnten, weil diese Opposition in den Heimatländern der Soldaten als Argumente für ihren Widerstand verwenden könnten.

http://www.heise.de/tp/blogs/8/147518

Peter Nowak

Wegen spätrömischer Tendenz vor dem Kadi?

Manchmal schreibt der Amtsschimmel die besten Aprilscherze
Am 1.April sind Erwerbslose aus Darmstadt zur Kriminalpolizei vorgeladen. Den Aktivisten der Gewerkschaftlichen Arbeitsloseninitiative Darmstadt wird Hausfriedensbruch vorgeworfen. Sie hatten am 3. März als Römer verkleidet die Darmstädter FDP-Geschäftsstelle aufgesucht, um spätrömische Tendenz zu spielen. Deshalb hatten sie Tabletts voller Trauben, Häppchen und Champagner dabei, als sie ganz zivilisiert bei der FDP anklingelten.

Doch der Leiter der Geschäftsstelle Gunther Hartel rief die Polizei und stellte Anzeige wegen Hausfriedensbruch und Körperverletzung. Für ihn ist die Aktion „Hausfriedensbruch erster Güte“. Die Aktion schilderte er so: „Ich machte die Tür auf und wurde bedrängt. Die haben sich nicht vorgestellt und nicht gesagt, was sie vorhaben.

Dabei hatte der FDP-Vorsitzende Guido Westerwelle nur wenige Tage zuvor eine zu soziale Politik auch gegenüber Erwerbslosen als „spätrömische Dekadenz“ bezeichnet und davor gewarnt. Die Aktivisten wurden dadurch zu ihrer Satireaktion ermutigt.

Humor statt Geschichtsbelehrung

Damit durchbrachen sie auch das oft bierernste Agieren mancher Erwerbslosengruppen, die sich über ihre Diskriminierung beschweren und Westerwelle mangelnde Geschichtskenntnis vorwerfen. So wurde der FDP-Politiker in einer Pressemitteilung des Erwerbslosenforums belehrt: „Das spätrömische Reich ist ganz bestimmt nicht an den Armen zusammen gebrochen, sondern an der Maßlosigkeit der Oberschicht.“

Das mag historisch nicht falsch sein. Die Galinda-Aktivisten aber haben mit ihrer Aktion gezeigt, dass für sie zu einem schönen Leben niedrighängende Trauben als Obst und Wein ebenso gehören wie ein delikates Häppchen. Mag sein, dass der Darmstädter FDP-Politiker mit seiner Anzeige auch Nachahmungsversuche verhindern will. Schließlich hatte Westerwelle ja vor der spätrömischen Dekadenz gewarnt. Die Satireaktion wäre auch für den 1.April prima geeignet. Ob sie an diesem Tag unter dem Schutz der Satire fallen würde und straffrei bleibt? 
 http://www.heise.de/tp/blogs/8/147361

Peter Nowak

Grenzen der Meinungsfreiheit

Hat sich eine Erlanger Medienwissenschaftlerin der üblen Nachrede schuldig gemacht, als sie nach dem Mord an Marwa El-Sherbini das Polizeiverhalten kritisierte?
Der Mord an der Ägypterin Marwa El-Sherbini, die am 1. Juli 2009 in den Räumen der Dresdner Justizbehörde von einem Rechtsextremisten, den sie wegen Beleidigung angezeigt hatte, erstochen wurde, wird am 24. März erneut die Gerichte beschäftigen.

Angeklagt ist die Medienwissenschaftlerin Sabine Schiffer, die eine umfangreiche Presseanalyse zur Bluttat erstellt hat und sich in Interview kritisch mit dem Verhalten der Polizei auseinandersetzte. Die hielt den Ehemann der Getöteten zunächst für den Täter und verletzte ihn durch Schüsse. Schiffer hatte in den inkriminierten Interviews den Verdacht geäußert, dieser Fehlschuss könne einen rassistischen Subtext gehabt haben.

Wegen übler Nachrede bekam die Medienwissenschaftlerin einen Strafbefehl von 6.000 Euro. Über ihren Widerspruch wird am Mittwoch vor dem Erlanger Amtsgericht verhandelt. Das Gericht muss entscheiden, ob sich die Medienwissenschaftlerin der üblen Nachrede schuldig gemacht oder ob sie mit dem Interview auf rassistische Strukturen in der Gesellschaft aufmerksam machen wollte.

Schiffers Anwalt Markus Künzel fordert die Einstellung des Verfahrens auch mit der Begründung, die von seiner Mandantin als Medienwissenschaftlerin getätigten Äußerungen stünden unter dem Schutz des Grundgesetzes. Dieser Meinung sind auch Politiker, Wissenschaftler und Publizisten, die in dem Verfahren gegen Schiffer eine Kriminalisierung der Aufklärungsarbeit zum Mordfall El-Sherbini sehen und zur Solidarität mit Frau Schiffer aufrufen.

Hetzerin gegen Deutschland?

Islamgegner wiederum sehen in Schiffer eine Hetzerin gegen Deutschland und monieren besonders, dass die Wissenschaftlerin auch in einem Telefoninterview mit einem iranischen Sender ihre kritische Lesart zur Dresdner Bluttat geäußert zu haben. Schiffer hat danach zahlreiche Hassmails, teilweise auch mit Morddrohungen erhalten.

http://www.heise.de/tp/blogs/6/147305

Peter Nowak

Akt von Zivilcourage

161 Studierende der Johann-Wolfgang-Goethe-Universität in Frankfurt am Main müssen mit juristischen Verfahren wegen ihrer Aktivitäten im Bildungsstreik rechnen.

Sie gehören zu den 171 Personen, deren Personalien bei der Räumung eines besetzten Unigebäudes am 2. Dezember 2009 festgestellt wurden. Die Universitätsleitung hat die von zahlreichen Studierenden und Wissenschaftlern geforderte Rücknahme der Strafanzeigen wegen Hausfriedensbruch von der Unterzeichnung einer Erklärung abhängig gemacht, in der sich die Betroffenen zur Gewaltlosigkeit am Campus verpflichten sollen. In einem Einschreiben wird auch die Besetzung von Unigebäuden als Gewaltakt bezeichnet.

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