Schwierige Solidarität

Seit dem 04. Februar 2010 ist Tommy Tank in Haft.

Dem 24-Jährigen wurde vorgeworfen, Aktivist der „Militanten Gruppe Leipzig“ (MGL) und an mehreren ihrer Aktionen beteiligt gewesen zu sein. Ende August 2010 wurde er vor dem Leipziger Landgericht zu drei Jahren und sechs Monaten Haft wegen schwerer Brandstiftung, Störung des öffentlichen Friedens und versuchten Diebstahls verurteilt. Es gab nach seiner Festnahme und auch während des Verfahrens wenig Solidarität mit Tank. Selbst in linken Medien wurde kaum über diesen Fall berichtet. Teile der Leipziger Linken übertrugen ihre Ablehnung gegenüber der Leipziger Militanten Gruppe auf Tommy Tank, obwohl der von seinem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch und keine Angaben zu den Vorwürfen der Anklagebehörde machte, Mitglied der MGL zu sein. Er bekannte sich lediglich zu einem versuchten Einbruchsversuch in einen Computerladen, in dem er längere Zeit gearbeitet hatte. Erst als die Arge sein Beschäftigungsverhältnis nicht mehr finanzierte, musste er die Tätigkeit beenden. Deswegen sagte die Anwältin von Tank, Rita Belters, in ihrem Plädoyer in Bezug auf ihren Mandaten: „Wenn überhaupt, dann hätte er schon die Arge anzünden müssen, denn die hat seine Existenz zerstört.“ Weil sie noch ergänzte, dass er für eine solche Aktion wahrscheinlich Zustimmung in der Bevölkerung bekommen hätte, erntete sie wütende Reaktionen von Seiten der Arge und der Leipziger Lokalpresse. Streit um den

Status als politischer Gefangener

 Auch in linken Kreisen gab es viele Stimmen, die Tommy Tank den Status als politischer Gefangenen absprachen. Mit Verweis auf seine problematische Kindheit wurde erklärt, dass der Mann psychische Probleme habe. Auch auf Seiten der Justiz gab es ähnliche Überlegungen. Wie die örtliche Leipziger Presse während des Prozesses gegen Tank meldete, bestand durchaus die Gefahr, dass er nach einem Schuldspruch in eine geschlossene psychiatrische Klinik eingewiesen wird. Ein Gutachter beobachtete den nach Presseangaben „hochintelligenten Angeklagten“, um festzustellen, ob sich eine früher diagnostizierte Persönlichkeitsstörung verschlimmert habe. Gleichzeitig verneinte auch die Justiz einen politischen Hintergrund der Tank vorgeworfenen Anklagepunkte. So erklärte der in dem Verfahren zuständige Richter Jens Kaden: „Linke Ideen sind ihm völlig egal, er kümmert sich nur um sich.“ Auch spiele es keine Rolle, ob es die Militante Gruppe gebe, ob der Angeklagte dazugehöre oder ein Trittbrettfahrer sei.

Besondere Haftbedingungen

Trotz dieser Entpolitisierungsversuche ist Tank seit seiner Inhaftierung besonderen Haftbedingungen unterworfen, wie sie auch bei politischen Gefangenen bekannt sind. So wurden die Namen aller BesucherInnen seines Prozesses notiert, eine Beschwerde von Tanks Anwältin dagegen abgewiesen. Legale Publikationen, wie das Gefangenen Info (GI) und der Direct-Action-Kalender, wurden entweder schon bei der Zustellung zur Habe genommen oder bei der Zellendurchsuchung beschlagnahmt. Tank schrieb zur Beschlagnahme von drei Ausgaben des Gefangenen Infos im Sommer 2010: „Am 17.06. wurde ich gefragt durch einen Herrn Fuhrmann, auf welchem Weg mich die GI erreichten. Kurz danach rief er beim Sicherheitsbeamten der JVA an und teilte mir mit, dass der VS die GI angefordert habe und die Anstalt die drei Ausgaben dorthin schickte.“ Es ist sehr wahrscheinlich, dass durch die Beschlagnahme die Kommunikation zwischen Tank, anderen Gefangenen sowie UnterstützerInnen draußen erschwert werden soll. Hat er doch großes Interesse an politischer Auseinandersetzung gezeigt. So schreibt er in einem Brief über einen in Deutschland nach Paragraph 129b abgeurteilten türkischen Linken: „Noch mehr rührte mich die Situation Faruk Ererens. In einem Brief vom 7.11. schreibt er, sehr allein zu sein, dass ihm der Kontakt zu Menschen fehle und dass er versucht, sich mit Büchern und der Schreibmaschine zu beschäftigen. Faruk habe seit Monaten keinen Umschluss gehabt, weil die JVA niemanden finde, der mit ihm zusammengeschlossen werden könne. Darüber bin ich zutiefst gerührt. Diese Isolation ist sehr schädlich für die Menschen. Es dürfte nichts geben, was dieses Wegschließen rechtfertigt. Da geht man doch kaputt dran… Es darf nicht vergessen werden. dass es hier in Deutschland und in anderen Ländern diese „weiße Folter“ gibt. Eine schon zu RAF-Zeiten praktizierte Form, um die Leute zum Auspacken zu bringen. Lasst euch nicht brechen, das wünsche ich den Betroffenen.“ Es ist fraglich, ob diejenigen in der Linken, die Tank eine politische Motivation absprechen und seinen Status als politischer Gefangener in Zweifel ziehen, er in einem Brief über einen in Deutschland nach Paragraph 129b abgeurteilten türkischen Linken: „Noch mehr rührte mich die Situation Faruk Ererens. In einem Brief vom 7.11. schreibt er, sehr allein zu sein, dass ihm der Kontakt zu Menschen fehle und dass er versucht, sich mit Büchern und der Schreibmaschine zu beschäftigen. Faruk habe seit Monaten keinen Umschluss gehabt, weil die JVA niemanden finde, der mit ihm zusammengeschlossen werden könne. Darüber bin ich zutiefst gerührt. Diese Isolation ist sehr diese Briefe überhaupt gelesen haben. AktivistInnen des Netzwerks für politische Gefangene, des Gefangenen Infos, der Roten Hilfe Magdeburg und anderer linker Gruppen haben die Kommunikation mit Tank in Form von Besuchen und Briefen aufgenommen und organisieren Informationsveranstaltungen.

http://www.18maerz.de/web/media/files/rh-zeitung-180311_web.pdf

Peter Nowak

aus Sonderausgabe der roten hilfe, März 2011

Militante mit Blog

Prozess gegen Mitglied der ominösen Leipziger Militanten Gruppe

Seit Anfang August wird vor dem Landgericht Leipzig gegen den 24-jährigen Tommy T. wegen einer Autobrandstiftung, der Androhung von Straftaten und versuchten Einbruchs in einen Computerladen verhandelt. Die Ermittlungsbehörden beschuldigten T., der seit dem 4. Februar in Untersuchungshaft sitzt, zur Militanten Gruppe Leipzig (MGL) zu gehören, die vor einigen Monaten kurz für Schlagzeilen sorgte. T. war nicht aus der U-Haft entlassen worden, weil er vorbestraft ist und das Gericht wegen der möglichen Höhe der Strafe eine Fluchtgefahr annimmt. Ein weiterer Grund dürfte gewesen sein, dass T. vor allem in den ersten Wochen nach seiner Verhaftung keine Unterstützer hatte, die sich um die Kaution für seine Freilassung kümmerten. Denn in der Leipziger Linken kursierten zunächst Spekulationen, dass Rechte als Linke getarnt unter dem Label MGL auftreten. Anhaltspunkte für den Verdacht sahen sie in den verbalradikalen Parolen der Texte und in ihrer nicht-szenetypischen Diktion. Im Januar hatte sich eine Militante Gruppe Leipzig in einem Schreiben an die »Leipziger Volkszeitung« (LVZ) zu zwei Autobrandstiftungen bekannt. Am 29. Januar wurde ein von der MGL unterschriebener Brief an die Abgeordnete der LINKEN im sächsischen Landtag, Juliane Nagel, verschickt, die zuvor einen linkspolitischen Hintergrund der Anschläge bezweifelt hatte. »Ihr Irrglaube, die linke Szene wähle vermutlich andere Mittel als Brandanschläge, macht deutlich, dass das notwendige Umdenken noch nicht bei jedem angekommen ist. Es ist an der Zeit, die Revolution einzuleiten«, hieß es in der mit MGL unterschriebenen Antwort an Nagel. Dieser Satz steht auch auf einem »vorläufig offiziellen Blog«, den die Gruppe im Internet eingerichtet hat. Dort wird der erste Anschlag der MGL auf Ende Oktober 2009 datiert. Unterstützung von außerhalb Die Internetpräsenz der Militanten hat ihre Sympathiewerte auch bei Leipzigs außerparlamentarischen Linken nicht erhöht. In einem Newsflyer des Leipziger Kulturzentrums Conne Island, das als autonomer Treffpunkt zählt, hieß es im März drastisch: »Militante Gruppe Leipzig – du mieses Stück Scheiße. Geh nach Hause, dich kann niemand leiden«. Obwohl von einem rechten Hintergrund der MGL heute in der linken Szene Leipzigs niemand mehr ausgeht, wurden die Verhaftung von T. wie auch der laufende Prozess weitgehend ignoriert. Solidaritätsaktionen kommen hingegen von auswärtigen Antirepressionsstrukturen. Sowohl von der Roten Hilfe Magdeburg als auch von der Redaktion des »Gefangeninfo« wird T. als linker politischer Gefangener gesehen und unterstützt. Dabei gehe es um sein Verhalten vor Gericht und nicht um die politische Einschätzung der Militanten Gruppe und ihrer Texte, betont ein Mitarbeiter des »Gefangeneninfos«. Er verweist darauf, dass bisher nur die Anklagebehörde einen Zusammenhang zwischen der MGL und T. herstellt. Der Beschuldigte selbst hat sich zu den Vorwürfen nicht geäußert. Am 31. August soll das Urteil verkündet werden. Nach Angaben der Lokalpresse könnte ihm bei einer Verurteilung statt einer Gefängnisstrafe die Einweisung in die geschlossene Psychiatrie drohen. Ein Gutachter, der T. als hochintelligent klassifiziert hat, beobachtet den Angeklagten während des Prozesses im Hinblick auf eine etwaige Persönlichkeitsstörung.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/177668.militante-mit-blog.html

Peter Nowak