Wird der Hirschhof privatisiert?

Anwohner/innen wollen, dass die Grünfläche in der Hofanlage nicht mehr öffentlich zugänglich ist

„Eine Straße mit brüchigem Charme und aufmüpfiger Vergangenheit“, charakterisierte Die Zeit vor einigen Jahren die Oderberger Straße im Berliner Stadtteil Prenzlauer Berg. Das ist lange her. Schon seit Jahren geben dort die Eigenheimbesitzer den Ton an, und sie haben wenig Verständnis für die letzten Reste der aufmüpfigen Vergangenheit. Das zeigt sich sehr deutlich am Streit um die Nutzung des Hirschhofs, der sich bereits über mehrere Jahre hinzieht. Erst wurde um den Zugang, jetzt über eine mögliche Privatisierung gestritten.

Hirschhof ist der Name einer zusammenhängenden Hofanlage an der Oderberger Straße. Noch zu DDR-Zeiten legten Anwohner/innen dort einen Garten an, der ab Mitte der 80er Jahre zu einem Treffpunkt der alternativen Szene in Prenzlauer Berg wurde. Da die Verantwortlichen in der DDR diese Entwicklung nicht gerne sahen, sollten die Altbauten abgerissen werden. Doch die Mieter/innen wehrten sich mithilfe der Wohnbezirksausschüsse (WBA) erfolgreich. Auch nach der Wende blieben die Bewohner/innen der Gegend rebellisch, und Proteste wurden unter dem Kürzel WBA organisiert. Doch dahinter verbarg sich dann die Initiative „Wir bleiben alle“, die die ersten Ostberliner Proteste gegen die Verdrängung der Bevölkerung mit
geringem Einkommen organisierte. Trotz allem konnte die Aufwertung nicht aufgehalten werden und die meisten Mietwohnungen wurden in Eigentumswohnungen umgewandelt.

Kein Gemeinschaftsprojekt hinter dem Haus

Nicht wenige der recht jungen Bewohner dürfte die Nähe des Mauerparks motiviert haben, in die Oderberger Straße zu ziehen. Auch die breiten Gehwege mit den in Eigenleistung von Mieter/innen angelegten Begrünungen machen die Straße attraktiv. Im vergangenen Jahr, als die Sanierung der Oderberger Straße anstand, haben die Anwohner/innen die Bäume, Blumenbeete und Sitzecken nicht ohne Erfolg verteidigt. Doch mit einem Gemeinschaftsgarten hinter dem eigenen Haus können sich nicht alle
anfreunden. Im Oktober 2004 sperrte der Besitzer der Oderbergerstraße 15 den Zugang zum Hof. „Deshalb hat sich das Bezirksamt die Flächen der Oderberger Straße 19 vom Liegenschaftsfonds gesichert und von dort zunächst den Zugang zum inneren Bereich des Hirschhofs geschaffen und kann nun dort auch an der Erweiterung des Hirschhofs bauen“, erklärte der Bezirksbürgermeister von Pankow Matthias Köhne dem MieterEcho. Auf dem Gelände des Hirschhofs soll eine öffentliche Grünfläche entstehen, die vor
allem Kleinkindern, Kindern bis 12 Jahren, Familien und Senioren Nutzungsräume bieten soll. Obwohl die Bauarbeiten schon begonnen haben, ist der Zugang zum Hirschhof weiter umstritten. Die Besitzer von Eigentumswohnungen aus den angrenzenden Häusern klagen gegen das Bezirksamt Pankow, weil sie einen Teil des Geländes eingezäunt haben wollen. In der ersten Instanz haben sie gewonnen. Das Bezirksamt ist in Berufung gegangen und will nachweisen, dass sich auf dem Areal auch früher schon eine Grünanlage befand. Dann würde das Grünanlagengesetz gelten und die öffentliche Nutzung wäre legitim. Sollte das Bezirksamt auch in der zweiten Instanz unterliegen, könnte zumindest ein Teil des Hirschhofs für die Allgemeinheit verschlossen bleiben und endgültig privatisiert werden.

http://www.mieterecho.de/mieterecho/mepdf/me343heft.pdf

Peter Nowak

aus:  ME 343 / November 2010

Kampf um Mitte

Auf dem Linienhof soll ein Baugruppen-Projekt entstehen

Lange Zeit hat der Linienhof in der Kleinen Rosenthaler Straße 9 in Berlin-Mitte kaum Schlagzeilen gemacht. Seit 1991 schrauben Anwohner/innen mit Einwilligung des damaligen Besitzers auf dem Grundstück an ihren Autos und Fahrrädern. Auch Kulturprojekte proben dort. Doch seit eine Baugruppe auf dem Gelände ein Mehrgenerationenhaus errichten will, ist es mit der Ruhe vorbei. Die Nutzer/innen des Linienhofs wollten das Domizil nicht räumen, verkündeten sie auf Transparenten.

Nach Ansicht von Linienhofnutzer Jürgen Leineweber müssten zumindest einige Mitglieder der Baugruppe dieses Anliegen verstehen.
Denn zu ihnen gehört etwa der Publizist Mathias Greffrath, der sich mit seinen globalisierungskritischen Texten im Umfeld der Organisation attac positioniert hat. Doch dieser weist jede Kritik zurück. Als die Baugruppe
2007 das Gelände kaufte, hätten dort lediglich einige alte Autos herumgestanden und man habe den Nutzer/innen finanzielle Umzugshilfen angeboten. Zudem moniert Greffrath, dass sich niemand namentlich
zu erkennen gegeben habe.
Rechtsanwalt Moritz Heusinger erklärte dem MieterEcho, er habe sowohl Herrn Greffrath als auch der zuständigen Polizeidienststelle mitgeteilt, dass er die Nutzer/innen juristisch vertritt. „Es handelt sich um ein Nutzungsverhältnis, das regulär gekündigt werden muss“, beschreibt Heusinger die rechtliche Situation. Schließlich seien die Nutzer/innen
Anfang der 90er Jahre von damaligen Eigentümer zur Nutzung des Grundstücks ermuntert werden, damit es nicht brach liege.
Bei einer formellen Kündigung müsste auch die Baugruppe die Namen aller Mitglieder benennen, was bisher nicht geschehen sei,betont Heusinger.

 Baugruppen in der Kritik

Der Konflikt um den Linienhof hat die Rolle der Baugruppen stärker in den Mittelpunkt gerückt. „Sie werden in den letzten Jahren vom Berliner Senat zunehmend zumindest ideell gefördert, um eine finanzkräftige Mittelschicht in den zentral gelegenen Stadtteilen zu etablieren“, erklärt ein Teilnehmer einer Protestveranstaltung auf dem Linienhof.
„Während Mitglieder von Baugruppen von der Aufwertung eines Stadtteils wegen der Wertsteigerung ihres Eigentums profitieren,wird für Mieter das Wohnen teurer.“
Und eine Aktivistin der Alt-Treptower Stadtteilinitiative Karla Pappel ergänzt: „Die Folge sind oft Mieterhöhungen in der Nachbarschaft und damit verbunden eine Verdrängung von Bewohnern mit geringen Einkommen.“
In Treptow haben sich mehrere Baugruppen angesiedelt. Es sei durchaus keine
Seltenheit, dass Mitglieder von Baugruppen früher Hausbesetzer/innen waren oder wie Greffrath in sozialen Bewegungen aktiv sind, stellte die Aktivistin fest. Deshalb würden viele Baugruppen mit Begriffen wie „kollektives Wohnen“ hantieren, die im Umfeld von sozialen Bewegungen entstanden seien. Damals sei es um Aneignung gegangen, heute gehe es um Eigentumsbildung.

 http://www.mieterecho.de/mieterecho/mepdf/me343heft.pdf

Peter Nowak

aus:  ME 343 / November 2010

Bezirksamt klagt gegen Randnotiz

Mietvertrag für Haus in der Reichenberger Straße soll juristisch legitimiert werden

Im Rathaus Kreuzberg tagt heute ab 17 Uhr die Bezirksverordnetenversammlung (BVV). Schon um 16.30 Uhr wollen sich soziale Initiativen und Mieterorganisationen vor dem Rathaus treffen, um gegen Mietsteigerungen in dem Stadtteil protestieren. Der konkrete Anlass  sind drohende Mieterhöhungen in der Reichenbergerstraße 63a um bis zu 25 %. Dabei haben die Bewohner bis 2020 gültige Verträge, die ihnen einen niedrigen Mietzins garantieren.  Die Vereinbarung wurde 1990 während des ersten SPD-AL-Senats zwischen dem Bezirksamt und dem Verein der Bewohner geschlossen. Doch das Bezirksamt Kreuzberg-Friedrichshain klagt gegen den  Vertrag und beschuldigt einen mittlerweile pensionierten Mitarbeiter, die Befristung auf 2020 eigenmächtig handschriftlich eingefügt zu haben. Es fordert eine Neuverhandlung  mit höheren Mieten und kürzeren Fristen. 
Der Kreuzberger  Bezirksbürgermeister Franz Schulz führt finanzielle und  juristische Gründe für die Klage  des Bezirks und die Forderung nach Neuverhandlungen an.  
Während mit den Hausbewohnern ein niedriger   Mietzins  vereinbart sei,  bekommen die Hauseigentümer, die   Immobilienfirma Heymann und Kreuels (H&K),  die  ortsübliche Miete. Die Differenz zahle das Bezirksamt. Schulz sieht darin eine Subventionierung, die auch  vom  Landesrechnungshof beanstandet werden könnte.
„ Sollte das Gericht entscheiden, dass der Vertag bis 2020 gilt, werden wir das selbstverständlich akzeptieren. Aber dann haben wir  Rechtssicherheit“, betont Schulz.
Die Bewohnerin der Reichenbergestraße Julia Plöger äußert  gegenüber ND  ihr Erstaunen, dass das Bezirksamt gegen einen vom ihm selber abgeschlossenen Vertrag vor Gericht geht und dabei noch ehemalige Mitarbeiter im Regen stehen lässt.  „Der günstige Vertrag war auch ein Ergebnis der Instandbesetzerbewegungen in den 80er Jahren. Die drohenden Mietererhöhungen hingegen sind ein Beispiel für die rapide steigenden Mieten im Stadtteil Kreuzberg. “ Ein anderer Hausbewohner betont, dass viele der jetzt in der Reichenbergestraße 63 wohnenden Bewohner sich die neuen Mieten nicht leisten können. Deswegen setzen sie auf Gegenwehr im Stadtteil und vernetzten sich mit anderen Initiativen. Am kommenden Sonntag soll mit einem  Kreuzberger Kiezspaziergang gegen Mietsteigerungen protestiert werden. Treffpunkt ist um 14 Uhr an der Ohlauer Brücke. Eine der Stationen wird die Reichenbergerstraße 63 sein.  
    
https://www.neues-deutschland.de/artikel/182822.bezirksamt-klagt-gegen-randnotiz.html?sstr=Reichenbergerstraße

Peter Nowak

Dem Haus am Kleistpark droht die Entwurzelung

 

KUNST Die Schöneberger Einrichtung erhält immer weniger Geld. Ihr möglicher Umzug sorgt für Proteste

Die Bezirksverordneten von Schöneberg-Tempelhof erwartet zur BVV-Sitzung am heutigen Mittwoch eine besondere Begrüßung: Vor dem Rathaus Schöneberg spielen AbsolventInnen der Musikschule Leo Kestenberg.

„Wir wollen die Politiker an ihre Verantwortung für die akut bedrohte Musikschule erinnern“, sagt Christiane Lange von der Elterninitiative der Musikschule. Bereits 2010 seien die Honorarmittel um 100.000 Euro gesenkt worden, 2011 soll es der doppelte Betrag sein. Es herrscht Aufnahmestopp. Viele Eltern fragen sich auch, ob die Schule im Haus am Kleistpark bleiben kann.

Das 1880 errichtete Gebäude beherbergt seit 1967 ein Kulturzentrum. Der Bezirk will es verkaufen, um 2,3 Millionen Euro für Reparaturen und Infrastruktur einzusparen. Für die jetzigen MieterInnen müssten neue Räume gefunden werden. Betroffen wären auch eine Galerie, mehrere Ateliers und das Kulturamt.

Jetzt wächst der Widerstand gegen den Verkauf. „Der kulturpolitische Schaden für Berlin und den Bezirk wäre viel größer als der erzielbare Spareffekt. Es würde Jahre dauern, einen neuen Standort zu etablieren“, warnt der Vorstandsvorsitzende des Berufsverbands Bildender Künstler (bbk), Herbert Mondry. Die kürzlich gegründete „Initiative Pro Haus am Kleistpark“ (Initiative proHaK) sammelte in wenigen Tagen über 1.000 Unterschriften, der Regierende Bürgermeister sprach sich für den Erhalt des Hauses aus.

Renovieren statt sanieren

Auch aus der Bezirkspolitik kommt Unterstützung für das Haus: SPD und Grüne wollen es erhalten und kostengünstige Varianten für die nötige Instandhaltung prüfen. Sinnvoller als die „Komplettsanierung“ sei eine Renovierung, die nur die gefahrlose Nutzung gewährleiste, erklärte der Fraktionschef der Schöneberger Grünen, Jörn Oltmann. Das Problem fehlender Toiletten ließe sich etwa mit einem Container lösen. Positives Beispiel für Maßnahmen zur Gefahrenabwehr, so Oltmann, sei die schon beschlossene Installation von Rauchmeldern und Entrauchungsklappen, Kostenpunkt zirka 140.000 Euro.

Der Widerstand scheint Wirkung zu zeigen. Gegenüber der taz erklärte Kulturstadtrat Dieter Hapel (CDU), ein Verkauf stehe aktuell nicht an, es gebe noch nicht einmal InteressentInnen. Das fehlende Geld für die Sanierung sei aber weiterhin ein großes Problem. Man wolle prüfen, ob ein Stiftungsmodell eine Lösung darstelle.

http://www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=bl&dig=2010%2F10%2F27%2Fa0155&cHash=7a754c3d2f

PeterNowak

Haus am Kleistpark

Kampf um Kulturhaus

Das Bezirksamt Tempelhof / Schöneberg muss sparen. Deswegen will der zuständige Stadtrat für Bildung, Schule und Kultur, Dieter Hapel (CDU), eine über die Bezirksgrenzen hinaus bekannte Kultureinrichtung verkaufen.

Das Haus am Kleistpark in der Schöneberger Grunewaldstraße wurde 1880 als Königlich Botanischer Garten errichtet. Im Jahr 1967 wurde es zu einem Kulturzentrum umgewandelt. In der Galerie im Obergeschoss werden jährlich fünf Ausstellungen mit Werken internationaler Künstler präsentiert. Zudem haben in dem Gebäude die Musikschule, verschiedene Kulturvereine, Ateliers sowie das Kulturamt des Bezirks ihr Domizil. Sollte das Haus verkauft werden, müssten die Einrichtungen umziehen. Doch die Kulturinitiativen befürchten, dass die in Jahrzehnten gewachsenen Strukturen dadurch auseinander gerissen werden. Die Befürworter eines Verkaufs wollen die jetzigen Mieter auf Einrichtungen im gesamten Bezirk verteilen.

Doch mittlerweile formiert sich der Protest gegen den Verkauf. »Unklug und kurzsichtig«, nennt der Vorstandsvorsitzende des Berufsverbandes Bildender Künstler Berlin (bbk), Herbert Mondry, die Pläne des Bezirksamtes. »Der kulturpolitische Schaden wäre um vieles größer als der damit zu erreichende geringe Spareffekt. Es würde Jahre dauern, um einen neuen Standort zu etablieren«, warnt Mondry.

Doch nicht nur die Interessenverbände der Künstler wenden sich gegen den Verkauf. Denn die Einrichtungen in dem Haus werden von den Bewohnern intensiv genutzt. So setzt sich eine Elterninitiative für den Verbleib der Musikschule in dem Gebäude ein. Auch der Quartiersrat Schöneberger Norden hat sich für den Erhalt des Hauses ausgesprochen.

Mittlerweile haben sich auch die politischen Parteien der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) zu dem drohenden Verkauf positioniert. Während LINKE und Grüne eindeutig dagegen sind, legt sich die SPD nicht endgültig fest. In einem Antrag fordert die SPD, zu prüfen, wie die Kultureinrichtung erhalten und trotzdem Geld eingespart werden kann. Als Vorbild wird das Kulturhaus Bethanien in Kreuzberg genannt. Dort gibt es keine Zuwendungen mehr vom Bezirk. Reparaturen sollen aus Mieteinnahmen bezahlt werden. Wie damit die etwa 600 000 Euro aufgebracht werden können, die laut Haus am Kleistpark für Renovierungsarbeiten und behindertengerechte Zugänge notwendig wären, bleibt allerdings unbeantwortet.

Am morgigen Donnerstag um 17 Uhr will sich der Ausschuss für Bauen, Wohnen und Verkehr der BVV Tempelhof / Schöneberg im Schöneberger Rathaus mit den Perspektiven des Hauses am Kleistpark befassen. Auch die Gegner eines Verkaufs haben sich angekündigt.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/182253.haus-am-kleistpark.html

Peter Nowak

Vor die Tür gesetzt

FRIEDRICHSHAIN Teilräumung eines Hausprojekts in der Scharnweberstraße. Die Kündigungen gehen weiter

Die Kündigungen gehen weiter
„Wir bleiben alle“, schallte es am frühen Donnerstagmorgen durch die Scharnweberstraße in Friedrichshain. An die 40 Personen hatten sich vor dem Eingang der Nummer 29 versammelt. Sie versuchten dem Gerichtsvollzieher den Weg zu versperren. Ein großes Polizeiaufgebot räumte die Blockade und im Anschluss die erste Etage des Hausprojekts. Vier BewohnerInnen und ein Kleinkind mussten die Wohnung verlassen, danach wurden die Schlösser ausgetauscht.

Der Gerichtsvollzieher räumte im Auftrag der dem Kaufmann Gijora Padovicz gehörenden Immobilienfirma Siganadia Grundbesitz GmbH & Co KG. Der hatte gegen sämtliche MieterInnen des linken Hausprojekts Kündigungen ausgesprochen (taz berichtete). Gerichte wiesen die meisten davon zurück, lediglich die Kündigungen in der ersten Etage wurde bestätigt. Weil eine Revision ausgeschlossen wurde, klagen die BewohnerInnen vor dem Bundesgerichtshof. Aufschiebende Wirkung hat dieser Schritt aber nicht.

Auch die Räumung wird ein juristisches Nachspiel haben. „Es wurde ein Untermieter geräumt, der einen gültigen Vertrag vorweisen konnte und gegen den kein Räumungstitel vorlag“, kritisierte Hausbewohner Tim Zülch gegenüber der taz. „Dabei verbietet ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts in diesem Fall eine Räumung.“

Vermittlung durch Bezirk

Mittlerweile hat Padovicz die Räume im Erdgeschoss des Hauses gekündigt, in denen auch der Schenkladen Systemfehler untergebracht ist. Eine gerichtliche Entscheidung steht noch aus.

Die BewohnerInnen wollen nun, dass sich die Bezirkspolitik in den Fall einschaltet. „Schließlich hat das Land Berlin im Rahmen des Programms Soziale Stadterneuerung einen Teil der Sanierungskosten für das Haus übernommen“, so Bewohner Kai Schmitz. Gegenüber der taz erklärte der Bürgermeister von Kreuzberg-Friedrichshain, Franz Schulz, seine Bereitschaft zu einer Vermittlung.

http://www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=bl&dig=2010%2F10%2F08%2Fa0229&cHash=46ea5af536

Peter Nowak

Zittern in der ersten Etage

FRIEDRICHSHAIN Hausprojekt droht Teilräumung am Donnerstag

Einem ehemals besetzen Haus in Friedrichshain droht am Donnerstag die Teilräumung. Der Kaufmann Gijora Padovicz, dem in Friedrichshain zahlreiche Häuser gehören, hat vor Gericht die Herausgabe der ersten Etage der Scharnweber Straße 29 durchsetzen können, die nun vollzogen werden darf.

Das Haus war wie viele in Ostberlin 1990 besetzt worden. Im Jahr 2001 hatte es Padovicz‘ Firma Siganadia gekauft. Die BewohnerInnen bekamen zwar Verträge, die den Fortbestand des Hausprojekts auch nach der Sanierung sichern sollten. Doch die Konflikte setzten sich fort, als die BewohnerInnen wieder in das Haus zurückgezogen waren, beklagt Mieter Kai Schmitz.

„Padovicz hat jeden Antrag auf MieterInnenwechsel abgelehnt und wegen illegaler Untervermietung gekündigt“, so Schmitz. Um Beweise zu sammeln, seien von MitarbeiterInnen der Hausverwaltung Möbeltransporte fotografiert worden. Einem in dem Haus wohnenden Pressefotografen wurde wegen Kontakten zur Friedrichshainer Besetzerszene gekündigt, weil er bei einem Konflikt in der Liebigstraße 34, die damals ebenfalls Padovicz gehörte, vor Ort war.

Teilerfolg vor Gericht

Die meisten Kündigungen wurden von Gerichten zurückgewiesen, nur nicht die für die erste Etage. „Weil die Richterin gegen die Entscheidung eine Revision ausgeschlossen hat, klagen wir vor dem Bundesgerichtshof“, sagt der MieterInnenanwalt Burkhard Dräger. Eine aufschiebende Wirkung habe das nicht.

Die BewohnerInnen hoffen nun auf ein Eingreifen der Politik. Schließlich habe das Land Berlin einen Teil der Sanierungskosten für das Haus übernommen, betont Schmitz. Der Bürgermeister von Friedrichshain-Kreuzberg, Franz Schulz, hat sich als Vermittler angeboten. „Ob der Bezirk wegen der Sanierungsbeihilfen besondere Einflussmöglichkeiten hat, hängt aber von den konkreten Formulierungen im Vertrag ab“, betonte Schulz.

http://www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=bl&dig=2010%2F10%2F05%2Fa0146&cHash=8ed4b8dec4

Peter Nowak

Hausprojekt verliert langen Rechtsstreit

KIEZ Der Nachbarschaftsladen A6 in der Kreuzberger Adalbertstraße muss schließen. Eigentümer klagte
Die MieterInnen der Adalbertstraße 6 erwarten in den nächsten Tagen Besuch vom Gerichtsvollzieher. Er soll im Auftrag der T. Akar Hausverwaltung die Erdgeschosswohnung des Hauses übernehmen. Dort befand sich mehrere Jahre ein Nachbarschaftsladen, in dem Stadteilinitiativen zu Treffen und Partys einluden. Die MieterInnen haben einen langen Rechtsstreit um den Bestand ihres Ladens verloren.

Mit der Gewerbesiedlungs-Gesellschaft GSG wurden Mitte der 80er Jahre in dem ehemals besetzten Haus nicht nur Etagenmietverträge abgeschlossen. Man handelte zudem Vereinbarungen über die gemeinschaftliche Hausreinigung, über die Hofbegrünung und außerdem über die Nutzung der Erdgeschosswohnung als Nachbarschaftsladen aus. Doch im Jahr 2005 ging die Adalbertstraße 6 in den Besitz der T. Akar Hausverwaltung über, der in Kreuzberg bereits zahlreiche Mietshäuser gehören.

Seitdem gab es Konflikte mit den MieterInnen, für deren Vorstellungen von gemeinschaftlichem Wohnen die neuen Gesellschafter offenbar wenig Verständnis hatten. „Akar und Hasan Durak haben uns gegenüber deutlich gemacht, das sie jetzt bestimmen, was im Haus geschieht“, erinnert sich Bewohner Jörg Pleha. So seien die Hofbegrünung und die Kompostanlage zerstört und auch der Zugang zum Dach gesperrt worden. Darüber hinaus sei den MieterInnen die Nutzung des Nachbarschaftsladens untersagt worden.

Anfangs Erfolg vor Gericht

Dagegen zogen die MieterInnen mit Verweis auf die mit der GSG geschlossenen Verträge vor Gericht und hatten zunächst Erfolg. In letzter Instanz gab das Berliner Landgericht nun aber den Eigentümern mit der Begründung recht, es habe sich bei der Vereinbarung zwischen der GSG und den BewohnerInnen um einen leicht kündbaren Gewerbevertrag gehandelt. Gegen die Entscheidung ist keine Berufung möglich.

Die BewohnerInnen befürchten auch in Zukunft weitere Konflikte mit den Eigentümern. In der Vergangenheit sei es mit Unterstützung von MieterInnenorganisationen gelungen, mehrere Abmahnungen und Mieterhöhungen als unwirksam zurückzuweisen.

Von der T. Akar Hausverwaltung wollte sich gegenüber der taz niemand zu den Vorwürfen äußern.

http://www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=bl&dig=2010%2F09%2F22%2Fa0152&cHash=df457043f3

PETER NOWAK

Nächste Instanz

KREUZBERG Streit um die Reiche 63a geht weiter

Weil im Streit zwischen dem Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg und den BewohnerInnen des Hinterhauses der Reichenberger Straße 63a eine außergerichtliche Einigung nicht möglich scheint, wird das Berliner Landgericht das letzte Wort haben.

Die BewohnerInnen sehen nicht ein, warum sie einen für sie günstigen Vertrag neu verhandeln sollen, der 1990 mit dem Bezirksamt geschlossen wurde und bis 2020 gilt. Das Bezirksamt vertritt den Standpunkt, diese Befristung hätte ein Mitarbeiter, der dazu gar nicht berechtigt gewesen sei, handschriftlich in den Vertrag eingefügt, und fordert eine Neuverhandlung.

Dahinter stecken finanzielle Gründe. Während das Bezirksamt mit den BewohnerInnen einen niedrigen Mietzins vereinbart hat, sieht der Vertrag mit den HauseigentümerInnen, der Immobilienfirma Heymann und Kreuels (H&K), die Zahlung der ortsüblichen Miete vor. Die Differenz trägt das Bezirksamt. Der Bezirksbürgermeister Franz Schulz (Grüne) sieht darin „eine nicht mehr zu rechtfertigende Subventionierung“.

„Wir sehen keinen Grund, auf dieses Angebot einzugehen, weil wir uns weder einen Kündigungstermin setzen noch die Miete erhöhen werden“, begründet Bewohnerin Julia Plöger die Ablehnung des Angebots. Den BewohnerInnen gehe es um den langfristigen Erhalt des Wohnprojekts, in dem auch Menschen mit geringen Einkommen leben. Das wäre aber durch höhere Mieten und eine kürzere Laufzeit des Vertrags gefährdet.

Wenn es bis Ende September zu keiner Einigung kommt, muss das Landgericht entscheiden. „Sollte es sich die Version der BewohnerInnen zu eigen machen, werden wir das selbstverständlich akzeptieren. Aber dann haben wir Rechtssicherheit“, erklärt Franz Schulz der taz. Er fürchtet, dass der Landesrechnungshof wegen der Mietzahlungen an die Eigentümer intervenieren könnte. Mit einem gültigen Gerichtsentscheid könne er dem gelassen entgegensehen.

Die BewohnerInnen sehen sich unterdessen nach anderen BündnispartnerInnen um. „Wir sehen unsere Auseinandersetzung mit dem Bezirksamt als Teil eines gemeinsamen Kampfes gegen steigende Mieten und profitorientierte Immobilienpolitik“, betont Plöger. Sie fände es auch gut, wenn sich BezirkspolitikerInnen gegen Mietsteigerungen einsetzen, ist aber pessimistisch. „Leider nehmen wir in unserem Fall das Bezirksamt eher als Erfüllungsgehilfen bei der Verdrängung wahr.“

http://www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=bl&dig=2010%2F09%2F18%2Fa0243&cHash=904d218085

 PETER NOWAK

 

Debatte ohne Baugruppen

Linke Strukturen beklagten drohende Verdrängung
Noch immer ist die Zukunft des Linienhofes offen. Das Gelände in der Linienstraße in Mitte wird von unkommerziellen Handwerkern und Künstlern für ihre Arbeiten genutzt. Nun will eine Baugruppe, die das Gelände gekauft hat, mit der Errichtung eines Mehrfamilienhauses beginnen. Anfang August sollten die Bauarbeiten starten und die Nutzer des Linienhofes mobilisierten ihre Unterstützer. Doch die Bagger sind bisher nicht angerollt.

Seitdem herrscht Funkstille zwischen Platznutzern und Baugruppe. Bei der Diskussionsveranstaltung unter dem Motto »Baugruppen und gewachsene linke Strukturen im Interessenkonflikt« am Montagabend in dem Berliner Cafe Morgenrot war kein Baugruppenmitglied anwesend. Ob fehlende Bereitschaft oder Kommunikationsprobleme der Grund waren, ist unklar. Das Baugruppenmitglied Mathias Greffrath erklärte der ehemaligen Baustadträtin von Mitte, Karin Baumert, die die Veranstaltung moderierte, er habe die per Mail verschickte Einladung zu spät erhalten.

Wäre Greffrath anwesend gewesen, hätte er sich manche Kritik anhören müssen. »Baugruppen sind eine Form der Eigentumsbildung, die denen verschlossen bleibt, die nicht das nötige Eigenkapital zum Einstieg mitbringen. Ihre Mitglieder kommen aus kreditfähigen Mittelklassehaushalten«, erklärte ein Vertreter des Bündnisses »Steigende Mieten stoppen«. Weil die Grundstücke, auf denen Baugruppen ihre Häuser errichten, für einen sozialen Wohnungsbau nicht mehr zur Verfügung stehen und sich durch das Konsumverhalten der Baugruppenmitglieder teure Läden und Restaurants in der Umgebung ansiedeln, tragen sie auch zur Verdrängung von Menschen mit wenig Einkommen bei.

Das bestätigte Karla Pappel, eine Aktivistin der Alt-Treptower Stadtteilinitiative, wo sich mehrere Baugruppen angesiedelt haben. Sie trügen zu Mietsteigerungen in der Umgebung bei. Die Stadtteilaktivistin kritisierte zudem, dass die Baugruppen Begrifflichkeiten verwenden, die in sozialen Bewegungen entwickelt worden sind. So sei das Schlagwort vom kollektiven Wohnen oder die Parole »Die Häuser denen, die drin wohnen«, in den 80er Jahren von der Hausbesetzerbewegung kreiert worden. »Damals ist es aber um Aneignung und nicht um Eigentumsbildung gegangen«, betonte sie. Die Nutzung der Begriffe sei aber nicht zufällig. Nicht wenige der Baugruppenmitglieder waren in ihrer Jugend Hausbesetzer oder sind noch heute in sozialen Bewegungen aktiv. So hat sich Mathias Greffrath publizistisch im Umfeld von Attac gegen eine unsoziale Globalisierung positioniert.

Dass es bei dem Konflikt um die Baugruppen um unterschiedliche Interessen geht, machte der Stadtsoziologe Andrej Holm deutlich. »Mitglieder von Baugruppen profitieren von der Aufwertung eines Stadtteils, weil der Wert des Eigentums steigt. Für Mieter hingegen wird dadurch das Wohnen teurer.« Dieser reale Interessenkonflikt bestehe auch dann, wenn sich die Mitglieder der Baugruppe als politisch links definieren und sich sogar, wie in Alt-Treptow geschehen, als Gegner der Gentrifizierung bezeichnen. Der Grund der vor allem ideellen Förderung der Baugruppen durch den Berliner Senat liegt für Holm in dem Interesse, eine wohlhabende Mittelschicht in den Stadtteilen zu etablieren. Die Diskussion soll fortgesetzt werden. Eine größere Veranstaltung auch mit Mitgliedern der Baugruppen ist in Planung. Dann wird sich vielleicht auch die Perspektive für den Linienhof geklärt haben.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/179203.debatte-ohne-baugruppen.html?sstr=Linienhof|Baugruppen

Peter Nowak

Im Schatten der Aufwertung

Auch im Wedding wollen sich Mieter/innen gegen Gentrifizierung wehren

Wenn es um Aufwertung und Mietsteigerungen in Berlin geht, fällt den meisten nicht an erster Stelle der Wedding ein. Daher scheint es auf den ersten Blick verwunderlich, dass sich seit Mai 2010 ein Kreis von Bewohner/innen über die Gentrifizierung im Wedding und mögliche Gegenstrategien verständigen will.

Auf einem ersten Treffen wurde klar, dass der Wedding in Bezug auf Aufwertungstendenzen mit Stadtteilen wie Prenzlauer Berg und
Nordneukölln nicht zu vergleichen ist. Die aktuelle Höhe der Mieten bei Neuvermietungen sei noch wesentlich niedriger als in anderen Stadtteilen. Das ist auch das Ergebnis einer Marktmietenanalyse des Internetportals
Immowelt von Anfang Mai 2010. Danach liege die durchschnittliche Nettokaltmiete von Wohnungen im Wedding bei Neuvermietungen unter 6 Euro/qm. Doch wenn man die unterschiedlichen Kieze und Quartiere im Wedding
betrachtet, kann man durchaus Aufwertungstendenzen beobachten. Der Stadtsoziologe Andrej Holm nennt als Beispiel die Brunnenstraße, wo sich die landeseigene Wohnungsbaugesellschaft Degewo verstärkt um eine besserverdienende Mieterschaft bemüht. Auch können Veränderungen im Bereich des Einzelhandels beobachtet werden. „Die preiswerten Geschäfte wurden alle geschlossen. Die neuen Läden sind fast immer leer und die Kleider und Taschen dort haben nicht einmal Preisschilder“, so die Beobachtung einer Mieterin.
Verantwortungsbewusste Vermietung
Wie solche Aufwertungstendenzen vor allem von der Geschäftswelt initiiert werden, zeigt das Beispiel der Initiative „Aktives Stadtzentrum
Müllerstraße“. Sie hat sich zum Ziel gesetzt hat, die Müllerstraße als attraktives, wirtschaftliches Zentrum zu stärken, und will „an der Müllerstraße den Wedding neu entdecken“. Das von dem Architektur- und
Stadtplanungsbüro Jahn, Mack & Partner ausgearbeitete Handlungskonzept für ein sogenanntes Geschäftsstraßenmanagement zielt auf „Ansprache und Beratung von Eigentümer/innen für eine verantwortungsbewusste
Vermietung“ und „gezieltes Ansiedlungsmanagement für einen attraktiven Branchenmix“. Die von der Initiative sicherlich begrüßten Folgen beschreibt eine Mieterin: „Die meisten 1-Euro-Läden sind schon verschwunden und damit auch viele günstige Angebote. Was jetzt neu hinzukommt, ist meist in den höheren Preisklassen angesiedelt. Keine Ahnung wer da einkaufen soll – wir sicherlich nicht mehr.“ Da stellt sich natürlich die Frage, ob hier die Mieterstruktur dem Warenangebot angepasst werden soll.

Sorgt die BND-Zentrale für einen Wedding-Hype?

Die neue Zentrale des Bundesnachrichtendienstes in der Chausseestraße könnte zahlungskräftige Mieter/innen in den Wedding bringen. In den Immobilieninfos der Berliner Sparkasse heißt es über dieses Großprojekt:
„Ein besonderer Magnet wird die neu errichtete BND-Zentrale an der Chausseestraße.
Hier entstehen alleine ca. 7000 neue Arbeitsplätze. Die sich hier niederlassende Klientel ist einkommensstark und zwischen 30 und 45 Jahre alt. Aufgrund der vorhandenen Grundstücksflächen entstehen viele Neubauvorhabenin dieser Region.“ Der „richtige Wedding-Hype“ werde noch
kommen, erklärte Volker Devermann vom Immobilienunternehmen IMQ Nordverbund
bereits im letzten Jahr dem Tagesspiegel. Der Verwalter von drei großen Baugenossenschaften und einigen privaten Investoren gibt sich optimistisch: „Der Wedding ist im Wandel.“ Das verdanke er auch Zuziehenden
von auswärts, darunter Studenten, Künstler und Berufspendler. In dieser Einschätzung ist er sich einig mit Jörg-Christian Dreyer, dem Geschäftsführer der Immobilienfirma GD Real,die unter dem Etikett „modernes, komfortables Wohnen im Gründerzeitbau“ Wohnungen
im Wedding vermarktet. Dazu gehören auch drei Gründerzeithäuser in der
Schererstraße 9 bis 11. Direkt daneben befindet sich das linke Hausprojekt Schererstraße 8, deren Bewohner/innen den Austausch über die Gentrifizierung im Wedding initiiert haben und fortsetzen wollen. Zurzeit bemüht sich die Initiative um weitere Informationen über ertungstendenzen, Mietsteigerungen, Kündigungen etc. im Wedding.
Kontakt: weddingrecherche@riseup

http://www.bmgev.de/mieterecho/mepdf/me341heft.pdf

Peter Nowak

Aus für den Linienhof?

Baugruppe drängt auf sofortigen Wegzug
Geschäftiges Treiben herrscht im Linienhof in der Kleinen Rosenthaler Straße 9 in Berlin-Mitte. Noch wird auf dem Areal und in den beiden Garagen gehämmert, geschmiedet und gelötet. Seit 1991 wird das Gelände als offenes Kulturprojekt, aber auch selbst organisierter Handwerkshof genutzt. »Bis zu 30 Menschen arbeiten im Linienhof an verschiedenen Projekten. Manche reparieren Autos, andere gestalten künstlerische Arbeiten«, sagt Jürgen Leinweber gegenüber ND. Er ist Mitglied im Verein Kathedral, der für den Linienhof zuständig ist. Mit regelmäßigen »Tagen der Offenen Tür« wird die Nachbarschaft in die Arbeit einbezogen.

Doch wenn die Nutzer des Linienhofs am kommenden Dienstag um 9 Uhr Freunde und Nachbarn einladen, hat es einen ernsten Hintergrund. Denn die schattige Idylle soll einem Mehrfamilienhaus Platz machen. Die Mitglieder einer Baugruppe, die das Grundstück vor drei Jahren gekauft hat, haben für den 3. August eine Begehung des Geländes angekündigt. Schon am 5.August soll mit den Bauarbeiten begonnen werden. Der Publizist Mathias Greffrath, der unter anderem als regelmäßiger Autor der globalisierungskritischen Monatszeitung Le Monde Diplomatique bekannt ist, gehört zu den Mitgliedern der Baugruppe.

Leinweber ist sauer. »Hier werden die letzten Freiräume in Mitte von Menschen zerstört, die sich eigentlich für deren Erhalt einsetzen müssten«. Mathias Greffrath weist diese Vorwürfe gegenüber ND zurück. Es habe immer wieder Kontakte mit den Nutzern des Hofes gegeben und man habe ihnen auch Umzugshilfen angeboten. »Die Nutzer wussten, dass mit dem Bau demnächst begonnen wird«, betont Greffrath. Er kritisiert zudem, dass sich die Nutzer nicht namentlich zu erkennen gegeben hätten. Dies kann Leinweber wiederum nicht verstehen. »Über unseren Verein Kathedral sind wir für die Baugruppe ansprechbar«.

Die Fronten sind mittlerweile verhärtet. »Unsere Kompromissbereitschaft ist erschöpft. Der Baubeginn wird definitiv in der nächsten Woche erfolgen«, betont Greffrath. Das sei auch deshalb nötig, weil bestimmte Fördermittel vom Senat einen baldigen Baubeginn erforderlich machen. »Wir lassen uns nicht von hier verdrängen«, erklärt Leinweber. Es seien in den letzten Jahren schon zu viele Projekte an den Stadtrand vertrieben worden. Es sei auch nicht das erste Mal, dass sich nichtkommerzielle, alternative Projekte und Baugruppen um die letzten begehrten Grundstücke in angesagten Berliner Stadtteilen streiten.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/176465.aus-fuer-den-linienhof.html

Peter Nowak

Räumung trotz juristischer Unklarheiten

Mit einem großen Polizeiaufgebot wurde am 16. März die Erdgeschosswohnung des ersten Hinterhauses der Bödikerstraße 9 in Friedrichshain geräumt. Damit wurde ein Urteil des Amtsgerichts Lichtenberg vollstreckt, das die Kündigung für die als Versammlungsraum genutzten Räume für zulässig erklärt hatte (ND berichtete). Die Platinum Consult s.r.o., die das Haus 2007 gekauft hatte und dort Eigentumswohnungen errichten will, befindet sich seit Langem im Streit mit den 20 Mietern des ersten Hinterhauses. Die Räumung dürfte noch ein gerichtliches Nachspiel haben.

Die Juristin und Bundestagsabgeordnete der LINKEN, Halina Wawzyniak, deren Wahlkreis in Friedrichshain liegt, betont, die Räumung hätte aus juristischen Gründen aufgeschoben werden müssen. Der Mieteranwalt Max Althoff hatte einen Untermieter der Erdgeschossräume präsentiert, gegen den kein Zwangsvollstreckungstitel vorlag. Nach einem Urteil des Bundesgerichtshofs von 2008 darf in einem solchen Fall die Zwangsvollstreckung nicht betrieben werden. Auch die Lichtenberger Gerichtsvollzieherstelle hatte sich für einen Aufschub der Räumung bis zur juristischen Klärung ausgesprochen. Doch die zuständige Gerichtsvollzieherin und die Eigentümer bestanden auf der Räumung.

Hausbewohner und Unterstützer kritisierten gegenüber ND das »aggressive Auftreten der Polizei« gegen Menschen, die mit einer Sitzblockade vor dem Hauseingang die Räumung verhindern wollten. Mehrere Personen seien durch Schläge ins Gesicht und den Einsatz von Pfefferspray verletzt worden.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/167385.raeumung-trotz-juristischer-unklarheiten.html

Peter Nowak

Hausprojekt ein bisschen geräumt

LINKE SZENE Polizei räumt das Erdgeschoss des Wohnprojekts in der Bödikerstraße in Friedrichshain
Am Dienstagmorgen wurde die Erdgeschosswohnung des Wohn- und Kulturprojekts Bödikerstraße 9 in Friedrichshain von einem großen Polizeiaufgebot geräumt. Damit wurde ein Urteil des Amtsgerichts Lichtenberg vollstreckt, das die Kündigung für die als Versammlungsraum genutzten Räume für zulässig erklärte (taz berichtete). Zahlreiche UnterstützerInnen hatten sich am Dienstagvormittag eingefunden, um gegen die Räumung zu protestieren. Nach einer kurzfristigen Blockade des Hauseingangs wurden mindestens elf Personen festgenommen.

Hausbewohner Jörg Friedrich kritisierte gegenüber der taz das „extrem aggressive Verhalten“ der Polizei, obwohl von den anwesenden Personen keinerlei Gewalt ausgegangen sei. In den letzten Tagen hatten sich BezirkspolitikerInnen von Linken und Grünen sowie der Anwalt der BewohnerInnen vergeblich für einen Räumungsaufschub einsetzt. „Obwohl das juristische Verfahren noch nicht abgeschlossen ist, wurde die Räumung mit aller Gewalt durchgesetzt“, monierte Friedrich.

Die MieterInnen befürchten, dass sie von den Eigentümern des Hauses, die dort Eigentumswohnungen errichten wollen, weiter unter Druck gesetzt werden.

http://www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=bl&dig=2010%2F03%2F17%2Fa0069&cHash=90d33d368e

Peter Nowak

Die Handschrift des Vermieters

FRIEDRICHSHAIN Veranstaltungsraum eines Hausprojekts soll Dienstag geräumt werden. Problem ist ein Zusatz im Mietvertrag
„Wer ist denn dieser Bodi?“ Diese Frage muss sich Karen Vogler öfter anhören, wenn sie in Szenekneipen Flyer mit der Parole „Solidarität mit der Bödi 9“ auslegte. Die Künstlerin ist eine von 20 BewohnerInnen des ersten Hinterhauses der Bödikerstraße 9 in Friedrichshain. Im Erdgeschoss haben die MieterInnen einen Versammlungsraum eingerichtet. Dort werden Filme gezeigt und es gibt einmal in der Woche Essen zu günstigen Preisen.

Doch damit könnte es bald vorbei ist. Für Dienstag hat sich die Gerichtsvollzieherin angesagt. Dann sollen die Erdgeschossräume besenrein übergeben werden. Eine Kündigung durch den Eigentümer wurde vom Lichtenberger Amtsgericht bestätigt mit der Begründung, dass es sich bei den Räumen im Erdgeschoss nicht um Wohnraum handele. Grund war ein handschriftlicher Eintrag auf dem Anfang der 90er-Jahre mit dem damaligen Hausbesitzer geschlossenen Vertrag. Der hatte beim Erdgeschoss mit Bleistift das Wort „Hobbyräume“ eingetragen. „Wir haben die juristische Bedeutung dieses Vermerks nicht erkannt“, meint Bewohner Jörg Friedrich.

Die BewohnerInnen hatten Anfang der 90er-Jahre kurzzeitig ein Haus in der Friedrichshainer Modersohnstraße besetzt und nach Verhandlungen mit BezirkspolitikerInnen die Bödikerstraße 9 im relativ abgeschlossenen Teil vom Friedrichshain zwischen den S-Bahnhöfen Ostkreuz und Warschauer Straße als Ersatzobjekt akzeptiert. Statt Szenelokalen dominieren hier noch die Berliner Bierkneipen. Viele Läden stehen leer.

Doch seit 2007 hat das Haus neue Eigentümer. Der Garten wurde in einen Parkplatz verwandelt, im zweiten Hinterhaus entstanden Lofts. Auch die Projektbewohner sollten gehen. Die Kündigung sämtlicher Mietverträge im ersten Hinterhaus war jedoch ungültig, weil die neuen Eigentümer noch nicht ins Grundbuch eingetragen waren. Auch der Versuch, die MieterInnen per Gericht zu Modernisierungsvereinbarungen zu zwingen, scheiterte. Vogler befürchtet daher, dass die Eigentümer nun im Erdgeschoss mit der Modernisierung beginnen und die BewohnerInnen unter Druck setzen könnten. Deshalb wollen sie die Räumung noch verhindern – per Anwalt und mit Hilfe von außen. Bezirksbürgermeister Franz Schulz (Grüne) ist bereit, Gespräche mit den Eigentümern zu moderieren. Die BewohnerInnen laden zunächst für Dienstag ab 8 Uhr zum Frühstück mit Kulturprogramm, Sitzblockade nicht ausgeschlossen.

http://www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=ba&dig=2010%2F03%2F13%2Fa0224&cHash=c7a4a84318

PETER NOWAK