Rund 500 Menschen demonstrieren am Samstag gegen den Bau des Amazon-Hochhauses an der Warschauer Brücke. AnwohnerInnen fürchten Verdrängung

Kampf dem Turm

Zu den RednerInnen auf der Auftaktkundgebung gehörten auch Beschäftigte aus den Amazon-Filialen in Bad Hersfeld und im polnischen Poznan. Sie beschrieben die prekären Arbeitsverhältnisse dort und monierten Stress und Überwachung am Arbeitsplatz.

„Fight the Tower“ und „Flower Power statt Amazon“ lauteten die Parolen auf Schildern, die am Samstagnachmittag auf einer Demonstration gegen die geplante Amazon-Ansiedlung an der Warschauer Brücke zu sehen waren. Indes haben vor der Eastside-Mall die Ausgrabungsarbeiten für den Edge-Tower bereits begonnen. Der 140 Meter hohe Büroturm mit rund 63.000 Quadratmetern Bürofläche soll 2023 bezugsfertig sein. 28 der 35 geplanten Etagen will der Internetkonzern Amazon anmieten. Das Bündnis Berlin vs. Amazon, die Kiezkommune Friedrichshain und die Tech Workers Coalition hatten zu der Demonstration mobilisiert. Am Startpunkt am Frankfurter Tor war der Kreis der Teilnehmenden zunächst recht überschaubar. Zu den RednerInnen auf der Auftaktkundgebung gehörten auch ….

„Kampf dem Turm“ weiterlesen

Zehn Jahre »New Yorck«

Linkes Hausprojekt feiert Jubiläum: 2005 wurde der Ostflügel des Bethanien besetzt

Das einstige Bethanienkrankenhaus am Kreuzberger Mariannenplatz wurde zweimal besetzt. Heute ist es ein wichtiger Treffpunkt der linken Szene.

Kommst Du nachher noch ins New Yorck? Diese Frage hört man im linken Kreuzberger Milieu häufig. Schließlich handelt es sich beim New Yorck um den Ostflügel des Bethanien, der vor zehn Jahren besetzt wurde und zu einem wichtigen Treffpunkt der außerparlamentarischen Linken Berlins wurde.

Zur Feier des Jubiläums gibt es in den nächsten Tagen im New Yorck zahlreiche Diskussionsveranstaltungen, Partys und Konzerte. Am 8. Juni wird es ab 21 Uhr einen Streifzug durch die Berliner Hausbesetzungen zwischen 1970 und 2015 geben, mit Berichten von Beteiligten, Kurzclips und Videos. Dabei spielt das ehemalige Bethanienkrankenhaus am Mariannenplatz eine zentrale Rolle. 1970 wurde es stillgelegt und sollte abgerissen werden, was von neu gegründeten Bürgerinitiativen verhindert wurde. 1971 wurde das Gebäude besetzt, die Band »Ton Steine Scherben« machte die Aktion und den Polizeieinsatz mit ihren Songs berühmt. 1973 beschloss der Senat, im Hauptgebäude ein Künstlerhaus zu errichten.

Am 11. Juni 2005 wurde der Ostflügel des Gebäudes besetzt, aus dem einige Monate vorher das Sozialamt von Friedrichshain-Kreuzberg ausgezogen war. Ein Großteil der Besetzer war fünf Tage zuvor durch ein massives Polizeiaufgebot aus dem linken Hausprojekt Yorckstraße 59 geräumt worden. Der Eigentümer wollte die Räume teuer verkaufen. Im Bethanien gründeten die Vertriebenen ihr New Yorck.

Die Räumung war von einer Blockade und Protesten in der ganzen Stadt begleitet. Der Einzug ins Bethanien war der Höhepunkt. Die neuen Bewohner betrachteten das Gebäude als Ersatzobjekt für die geräumte Yorckstraße. Eigentlich hätte es die Besetzung gar nicht geben dürfen. Schließlich wird nach der Berliner Linie jede Besetzung innerhalb von 24 Stunden geräumt. Doch die angeheizte Stimmung nach der Räumung und die große Menschenmenge, die sich wegen eines Straßenfestes vor dem Bethanien aufhielt, ließen die Polizei von einer Räumung absehen.

Die Besetzer hatten vor allem in Kreuzberg viele Unterstützer. Dazu gehörten auch Abgeordnete der Grünen und der heutigen Linkspartei in Kreuzberg. Es gründet sich eine Initiative Zukunft Bethanien (IZB), die ein Bürgerbegehren für die Legalisierung des New Yorck einleitete und viel Zustimmung erfuhr. Im September 2006 erfüllte das Bezirksamt die wichtigsten Forderungen des Bürgerbegehrens. Seitdem ist das New Yorck ein wichtiger Teil der Infrastruktur der außerparlamentarischen Linken.

Eine Ausstellung, die zum zehnjährigen Jubiläum in den Fluren der Veranstaltungsetage zu sehen ist, macht deutlich, welch wichtige Rolle das New Yorck bei verschiedenen Kampagnen der Mieter- und Recht-auf-Stadt-Bewegung Berlins in den letzten Jahren spielte. Die Kampagne »MediaSpree versenken« hat sich in den Räumen zur Vorbereitung ihres erfolgreichen Bürgerbegehrens ebenso getroffen wie die Initiative »100 Prozent Tempelhof«. Später wurden Aktionen der Mieterbewegung in den Räumen vorbereitet. »Die erfolgreiche Besetzung und die große Unterstützung der IZB haben Mut gemacht«, so eine Besetzerin der ersten Stunde.

Die Termine zum New-Yorck-Jubiläum unter newyorck.net/

http://www.neues-deutschland.de/artikel/973670.zehn-jahre-new-yorck.html

Peter Nowak

Die Mauer muss bleiben


Die große Koalition der Mauerretter in Berlin formiert sich

Wann sind sich in Berlin schon mal autonome Stadtteilkämpfer und die konservative Boulevardpresse einig? Bei der Forderung: „Die Mauer muss bleiben.“ Was wie ein vorgezogener Aprilscherz klingt, ist die Fortschreibung der gegenwärtigen Berliner Protestgeschichte. Ort der Auseinandersetzung ist die East Side Galery eines Freilichtmuseum an einem Mauerstück, die nun wie so vieles in Berlin Investoreninteressen weichen sollen. Allerdings sollen die Mauerstücke nicht, wie viele Mieter in angesagten Stadteilen gleich an die Peripherie verfrachtet, sondern nur einige Meter umgesetzt werden.

„Das Brandenburger Tor wird ja auch nicht abgerissen“

Doch die Betreiber der East-Side-Galery sehen das nicht ein und liefern dafür in ihrer Erklärung eine originelle Begründung:

„Andere Denkmäler, wie beispielsweise das Brandenburger Tor oder die Gedächtniskirche, werden ja auch nicht abgetragen, teilabgerissen oder beschmiert. Bei der East Side Gallery scheint es anders zu sein.“

In der Erklärung der Künstler wird am Rande auch „die Schaffung von Luxuswohnungen“ kritisiert, aber im Grunde geht es ihnen darum, einen zugkräftigen Tourismusmagneten zu erhalten. Was bei der Kulturruine Tacheles am Ende nicht geklappt hat, scheint der East Side Galery zu gelingen. Die Mauerretter haben es zumindest am 1. März geschafft, die Abbrucharbeiten durch Proteste zu stoppen. Am kommenden Montag sollen allerdings die Abbrucharbeiten fortgesetzt werden.

Nun hat eine große Mobilisierung eingesetzt, die von rechten Boulevardmedien über Künstlerinitiativen bis zur stadteilpolitischen Initiative Mediaspree versenken reicht. Die Berliner Grünen, die im Stadtteil Kreuzberg/Friedrichshain den Bürgermeister stellen, aber im Abgeordnetenhaus in der Opposition sind, fordern den Berliner Senat zum Retten der East Side Galery auf.

Die große Empörung vom Boulevard bis zu Stadtteilinitiativen muss misstrauisch machen. Wenn nun der Berliner Kurier von einer neuen Mauer-Schande spricht, weil ein Stück der Berliner Mauer verlegt werden soll, und selbst ein Sprecher der Stadtteilinitiative Mediaspree nicht wie die Aktivisten noch vor zwei Jahrzehnten ein bekennender Anti-Berliner sein will, sondern sich wegen der Mauerverlegung schämt, ein Berliner zu sein, muss man sich fragen, ob es hier überhaupt noch um stadtpolitische Themen geht.

Neues Mauermuseum?

Denn die sind es nicht, die die Wogen in Berlin so hoch schlagen lassen. Vielmehr soll die East Side Galery neben der offiziellen Gedenkstätte zu einem zweiten Mauermuseum in Berlin werden. „Nur ein zusammenhängendes Mauerstück verdeutlicht authentisch, wie brutal der Todesstreifen Berlin einst zerschnitten hat“, erklärt der Berliner CDU-Generalsekretär Kai Wegner. „Mediaspree versenken“ liegt da in der Argumentation nicht weit daneben, wenn die Forderung aufgestellt wird: „Keine Luxuswohnungen auf dem ehemaligen Todesstreifen.“

Auch der Taz-Kommentator Klaus Hillenbrand nennt die Verschiebung der Mauerstücke einen barbarischen Umgang mit der Geschichte und giftet mit antiamerikanischem Einschlag über „Geschichte à la Disneyland“. Bei soviel sinnfreier Empörung muss man sich fragen, ob da die alte Parole „Die Mauer muss weg“ nicht auch in diesem Fall emanzipatorischer wäre.
http://www.heise.de/tp/blogs/6/153846
Peter Nowak