Eigentlich wollte Basak Sahin Duman nur ein paar Tage Urlaub in Kroatien machen. Doch die Reise wurde zum Albtraum, denn die türkische Staatsbürgerin, die seit 2006 mit ihrem Ehemann in Deutschland lebt, wurde am 29. Mai am Flughafen von Zagreb verhaftet und sitzt seitdem in Auslieferungshaft. Der Grund: Die türkische Justiz hatte einen internationalen Haftbefehl erlassen, nachdem Duman wegen angeblicher »Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung« zu einer Haftstrafe von sieben Jahren verurteilt worden war.
Duman wird vorgeworfen, sich 2004 als Medizinstudentin in linken Initiativen engagiert und an einer Demonstration teilgenommen zu haben. Gegen 24 Teilnehmer dieser Aktion hat die türkische Justiz langjährige Haftstrafen verhängt. Mehrere der Betroffenen sitzen in türkischen Gefängnissen. Andere konnten sich durch die Flucht in verschiedene europäische Länder der Inhaftierung entziehen. Duman erhielt Asyl in Deutschland. Mittlerweile liegt dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte ein Antrag vor, die Urteile zu überprüfen.
Nach der Verhaftung Dumans hat sich rasch ein internationales Solidaritätskomitee gegründet, das ihre sofortige Freilassung fordert. »Sie darf nicht in das Land ausgeliefert werden, in dem demokratische Grundrechte ausgehebelt und Oppositionelle sowie demokratische Basisbewegungen gezielt verfolgt und unterdrückt werden«, heißt es in einem Aufruf, den zahlreiche Migranten- und Menschenrechtsorganisationen unterzeichnet haben. Die Urteile der türkischen Gerichte, so der Aufruf weiter, dienten dazu, die »Sozialistische Plattform der Unterdrückten« (ESP) als Teil der in der Türkei verbotenen kommunistischen Partei MLKP darzustellen. Damit wäre die Kriminalisierung all ihrer Mitglieder verbunden. Zudem würden alle Wähler der ESP, die sich inzwischen als Partei konstituiert hat, zu Terroristen erklärt.
In mehreren europäischen Metropolen haben bereits Protestaktion vor kroatischen Botschaften stattgefunden, auch in Kroatien wurde für Dumans Freilassung demonstriert. Mit einer erstinstanzlichen Entscheidung der kroatischen Justiz wird in den nächsten Tagen gerechnet.
Ein Mitarbeiter des Auswärtigen Amts erklärte gegenüber einer Bundestagsabgeordneten der LINKEN, dass von deutscher Seite einer Rückkehr von Duman nichts im Wege stehe, eine konsularische Betreuung aber nur bedingt möglich sei, weil sie keine deutsche Staatsangehörige ist.
http://www.neues-deutschland.de/artikel/233089.solidaritaet-fuer-
tuerkische-aktivistin.html
Peter Nowak
JUSTIZ Am Donnerstag hat der Prozess gegen Gülaferit Ü. begonnen – nach dem Anti-Terror-Paragrafen 129 b. Vor dem Gericht gab es Proteste
Vor dem Kammergericht hat am Donnerstag der Prozess gegen eine mutmaßliche Linksterroristin begonnen: Der 42-jährigen Gülaferit Ü. wird Mitgliedschaft in einer verbotenen türkischen Gruppe vorgeworfen. Es ist in Berlin das erste Verfahren nach Paragraf 129 b, der die Mitgliedschaft in politischen Organisationen unter Strafe stellt, die als terroristisch erklärt werden. In der Vergangenheit wurde damit unter anderem in Hamburg, Stuttgart und Düsseldorf gegen mutmaßliche AktivistInnen islamischer sowie linker türkischer und kurdischer Gruppen vorgegangen.
Ü. soll Mitglied der marxistischen „Revolutionären Volksbefreiungspartei/-front“ (DHKP-C) gewesen sein. Diese in den 70er Jahren gegründete Organisation hatte in den Armenvierteln der großen Städte sowie an den Universitäten der Türkei ihre Basis. Nach dem Vorbild von Che Guevara propagierte sie die Kombination legaler politischer Arbeit mit militanten Aktionen. Die Gruppe ist in der Türkei und in Deutschland verboten.
Am ersten Prozesstag am Donnerstag äußerte sich die Angeklagte nur zu ihrer Person, nicht zur Anklage. Sie saß hinter Panzerglas, für den Prozess waren verstärkte Sicherheitskontrollen angeordnet.
Die Staatsanwaltschaft verlas Auszüge aus einer Datei, die die Justizbehörden von der belgischen Polizei erhalten haben. Sie sei bei einer Razzia in Büros von legal arbeitenden türkische Organisationen in Belgien gefunden worden. Laut Staatsanwaltschaft handelt es sich dabei um eine politische Biografie, die Ü. selbst verfasst haben soll. Der Text schildert ihren politischen Werdegang in der Türkei, darunter eine Haftstrafe wegen Beteiligung an einer militanten Aktion.
Seit Oktober in U-Haft
Die Datei enthielt auch Adressen und Telefonnummern einiger Verwandten Ü.s. Eine der Nummern habe die Angeklagte gewählt, als sie nach ihrer Überstellung nach Deutschland mit Angehörigen Kontakt aufnahm, so die Staatsanwaltschaft. Ü. wurde im Oktober 2011 aus Griechenland nach Deutschland ausgeliefert und sitzt seitdem in Untersuchungshaft im Frauengefängnis Lichtenberg.
Vor Prozessbeginn am Donnerstagmorgen organisierte ein Initiativkreis, dem verschiedene politische Gruppen angehören, eine Kundgebung vor dem Kammergericht. Sie forderten Ü.s Freilassung sowie die Abschaffung der Paragrafen 129 a und 129 b, die sie als „Instrument der Gesinnungsjustiz“ bezeichneten. RednerInnen monierten, die Angeklagte sei erschwerten Haftbedingungen ausgesetzt. So würden ihre Post zensiert, die Zusendung deutschsprachiger Literatur erschwert und der Kontakt zu türkischen Mitgefangenen unterbunden.
Schon in Griechenland hatten sich Menschenrechtsgruppen gegen Ü.s Auslieferung an Deutschland eingesetzt. Sie sahen in der Anklage nach dem Paragrafen 129 b ein politisches Instrument, mit dem völlig legale Tätigkeiten wie das Verteilen nicht verbotener Zeitungen oder die Solidaritätsarbeit mit politischen Gefangenen als Terrorismus deklariert werde. Eine solche Kritik äußern auch JuristInnenorganisationen in Deutschland. Auch sie wollen das Berliner Verfahren kritisch begleiten.
Der Prozess wird sich in die Länge ziehen. Das Kammergericht hat Termine bis Ende November festgesetzt.
http://www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=bl&dig=2012%2
F07%2F20%2Fa0146&cHash=c90d5a9175
Peter Nowak
Während die Familie, die zu den Eigentümern von Krauss-Maffei gehört, juristisch auf die Aktion „25000 Euro“ reagiert, wächst auch andernorts der Widerstand gegen deutsche Rüstungsexporte
Eigentlich können die Politkünstler vom Zentrum für politische Schönheit zufrieden sein. Nur wenige Wochen, nachdem sie im Internet bekannt machten, dass zu den Eigentümern der Waffenhersteller Krauss Maffei bekennende Philanthropen und Humanisten gehören, die in ihrer Freizeit in diversen Menschenrechtsorganisationen engagiert sind, haben zwei der Familienmitglieder sich vom Panzerdeal mit Saudi Arabien distanziert.
So erklärte Burkhart von Braunbehrens in einem Interview, den Waffendeal mit Saudi Arabien verhindern zu wollen, und auch Vera von Braunbehrens ließ verlautbaren, das Waffengeschäft nicht zu billigen. Damit sind zwei Mitglieder der „Panzerfamilie“ auf Distanz gegangen. Im Internet wird nun darüber debattiert, wie ernst diese Distanzierungen gemeint sind und vor allem, ob damit auch die Bereitschaft verbunden ist, auf die Profite an dem Rüstungsdeal zu verzichten. Diese Reaktionen sind ganz im Sinne der Kampagne, wie sie auf der Homepage der Politkünstler in sechs Schritten skizziert ist. Mittlerweile ist der unter Punkt 6 genannte Machtkampf zwischen den beiden Eigentümerfamilien von Krauss Maffei im Gange und der Ausgang ist noch ungewiss.
Anwaltskosten drohen Initiative lahmzulegen
Doch mittlerweile haben die Braunbehrens auch juristische Schritte gegen die Künstler eingeleitet. Deshalb musste die Webseite umgestaltet werden, bestimmte Formulierungen durften nicht mehr verwendet werden. Doch gravierender für die Künstlerinitiative sind die Kosten, die durch die Klagen auf sie zukommen. „Am Freitag mussten wir sogar die Anwaltskosten des 90fachen Millionärs und Waffenhändlers Rüdiger von Braunbehrens (1.248,31 Euro) schultern. Unsere Webseite mussten wir selbst zensieren, um Schadenersatzforderungen in Millionenhöhe abzuwenden“, erklärt Philipp Ruch vom Zentrum für politische Schönheit.
Die Initiative ruft zu Solidaritätsspenden auf. Die sollen bei der GLS-Bank auf ein Konto der „Initiative für die Verteidigung der Menschlichkeit e.V.“ eingezahlt werden. Leider inszeniert sich die Initiative fast in Occupy-Manier als Interessenvertreter von nicht gleich 99, aber doch 94 Prozent der deutschen Öffentlichkeit, die laut Meinungsumfragen gegen den Export der Leopard 2 Panzer nach Saudi Arabien seien. Wenn Ruch in seinem Solidaritätsaufruf so oft betont, wie viel die Initiative bereits riskiert hat und sie jetzt „nicht mit Waffen sondern per Gerichtsverfahren“ zum Schweigen gebracht werden soll, klingt das Eigenlob doch sehr deutlich durch. Dabei hätte sie das gar nicht nötig. Schließlich hatte die Aktion eine überwiegend positive Berichterstattung. Zudem hat die Initiative mittlerweile Nachahmer bei Politaktivisten gefunden.
Unter dem Motto „Aufschrei – Stoppt den Waffenhandel“ agieren zahlreiche Initiativen und Nichtregierungsorganisionen gegen den deutschen Waffen- und Rüstungsgüterexport. Ein Kampagnenschwerpunkt lautet auch dort, „den Tätern Namen und Gesicht zu geben“. In der letzten Augustwoche soll im Namen eines Illuminationsprojekts eine Bildmontage mit Bundeskanzlerin Angela Merkel als Panzerkommandantin per Laserstrahl an öffentliche Gebäude projiziert werden. Auch Aktionen am Firmensitz des Panzerherstellers Krauss Maffei-Wegmann in Kassel gehören zum Protestfahrplan.
Allerdings sollen auch die Firmensitze von anderen Unternehmen besucht werden, die am Rüstungsgeschäft verdienen. Dazu gehören die ATM-Computersysteme in Konstanz, die die Software für den Leopard-Panzer liefern, wie die Diehl-Defence in Überlingen, die Geschäfte mit der Produktion von Munition, Drohnen und Panzerketten macht, sowie die MTU Friedrichshafen GmbH, die Panzermotoren herstellt.
Nichtregierungsorganisationen befürchten, dass ihnen die Gemeinnützigkeit mittels Steuerrecht aberkannt werden könnte
Änderungen im Steuerrecht interessieren in der Regel nur Fachpolitiker und Experten. Doch die im Rahmen des Jahressteuergesetzes 2013 geplante Änderung des § 51 Abs. 3 AO sorgt schon im Vorfeld für heftige Debatten. In einen offenen Brief, den 60 Nichtregierungsorganisationen von Attac-Deutschland bis Robin Wood unterschrieben haben, wird unmissverständlich gefordert:
„Wir rufen Sie dazu auf, Ihre Stimme dem Gesetzesvorhaben zu verwehren und sich darüber hinaus für die ersatzlose Streichung des § 51 Abs. 3 AO einzusetzen!“
In der inkriminierten Klausel hieß es bisher: „Bei Körperschaften, die im Verfassungsschutzbericht des Bundes oder eines Landes als extremistische Organisation aufgeführt sind, ist widerlegbar davon auszugehen, dass die Voraussetzungen des Satzes 1 nicht erfüllt sind.“ Nun soll ein Wörtchen gestrichen worden, was nach Meinung der Unterzeichner des Offenen Briefes gravierende Folgen haben könnte:
„Durch die in der Gesetzesvorlage vorgesehene Streichung des Wortes ‚widerlegbar‘ würde, bei (auch unbestimmter) Nennung einer als gemeinnützig anerkannten Organisation in einem der 17 jährlich veröffentlichten Verfassungsschutzberichte des Bundes und der Länder, bei den Finanzämtern der Automatismus einer Versagung der Steuervergünstigungen ausgelöst. Der bisherige Ermessensspielraum der Finanzämter vor Ort entfiele ebenso wie die Möglichkeit der betroffenen Organisation, bei Finanzgerichten Rechtsschutz zu suchen.“
Juristische Grauzone
Neben der kleinen Änderung mit möglicherweise großen Folgen kritisieren die NGO den 2009 eingeführten § 51 Abs. 3 AO generell. Er bewege sich in einer juristischen Grauzone, da der verwendete Begriff „Extremismus“ ein unbestimmter Rechtsbegriff sei, so die Kritiker. Mehrere Gutachter, darunter ein vom wissenschaftlichen Dienst des Bundestages erstelltes, sind zu dem Schluss gekommen, dass die vom Verfassungsschutz verwendete Bezeichnung „Extremismus“ kein definierter Rechtsbegriff ist. Er werde in keinem einzigen Gesetzestext verwendet – mit Ausnahme des Steuerrechts.
Schon in der Vergangenheit gab es Versuche, Nichtregierungsorganisationen die Gemeinnützigkeit mittels Steuerrecht abzuerkennen. Betroffen davon war unter anderem die Informationsstelle Militarisierung e.V. in Tübingen, aber auch Anti-AKW-Initiativen mussten die Disziplinierung durch den Fiskus fürchten. Bisher sind solche Versuche nach öffentlichen Protesten schnell wieder aufgegeben worden. Ob der aktuelle Vorstoß auch ein so schnelles Ende findet, wird sich zeigen. Er ist ein Versuch, Nichtregierungsorganisationen auf staatliche Politiken auszurichten und hat disziplinierenden Charakter. Wer befürchten muss, durch den Kontakt zu einer missliebigen Initiative die Gemeinnützigkeit zu verlieren, woran die Existenz mancher Gruppe hängt, wird im Zweifel solche Kontakte unterlassen So wie die auch juristisch und politisch umstrittene Extremismusklausel ist auch der Verfassungsschutz mittels Steuerrecht Teil einer staatlichen Disziplinierungsstrategie, die in unterschiedlichen Formen in allen europäischen Ländern angewandt wird.
Amtsgericht verurteilt Castor-Gegner zu einer Geldstrafe
Allein die Absicht zum »Schottern« ist strafbar. Hermann Theisen kommt sein schriftlicher Widerstand gegen Atommülltransporte teuer zu stehen.
Das Amtsgericht Lüneburg hat am 18. Juni den Heidelberger Anti-AKW-Aktivisten Hermann Theisen zu einer Geldstrafe von 600 Euro verurteilt, weil er die Absichtserklärung »Castor? Schottern! 2010? mit unterzeichnet hatte. Dort hatten ca. 1000 Aktivisten bekundet, zur Verhinderung der Castortransporte in das Wendland Steine aus dem Gleisbett der Bahn entfernen zu wollen. Das Gericht folgte der Auffassung der Staatsanwaltschaft, dass er damit zur Störung öffentlicher Betriebe aufgerufen habe.
Die Verteidiger von Theisen hatten dagegen argumentiert, dass es während der Castortransporte keinen öffentlichen Bahnverkehr gäbe. Zudem sei die Absichtserklärung kein Aufrufung sondern eine Erklärung zum eigenen Handeln.
Bereits Mitte März war Gotthilf Lorch (nd berichtete) und am 31. Mai Olaf Meyer ebenfalls wegen Aufforderung zu einer Straftat zu Geldstrafen verurteilt worden. Während das Gericht bei Meyer allerdings die Busse in 16 Tagessätze aufgliederte, verhängte das Gericht gegen Theisen 15 Tagessätze. Diese kleine Differenz kann juristische Folgen haben.
Bis zu 15 Tagessätzen kann das Gericht entscheiden, ob es eine Revision zulässt oder wegen Geringfügigkeit ablehnt. Ab 16 Tagessätze ist ein zweites Verfahren zwingend vorgeschriebne, wenn eine der Prozessparteien dies fordert.
Herman Theisen spricht deshalb von juristischen Tricks und will gegen eine mögliche Ablehnung der Revision Rechtsmittel prüfen lassen. Auch politisch gibt sich Theisen kämpferisch.
„Meiner Meinung nach liegt weder ein Aufruf vor, noch stellt Schottern eine Straftat dar. Ich habe mit meiner Unterschrift meinen Widerspruch zur herrschenden Atompolitik öffentlich bekundet. Schottern ist eine Aktionsform unter vielen, dessen Ziel es ist den Castortransport zu verzögern, um den gesellschaftlichen Widerstand gegen die menschenverachtende Atomenergie sichtbar zu machen,“ sagte er unmittelbar nach dem Urteil.
Die Pressesprecherin der Kampagne „Castor? Schottern!“ Hannah Spiegel sieht die Justiz in der Defensive:
„Das Urteil lässt darauf schließen, dass die Justiz einerseits die Prozesse um „Castor? Schottern!“ vom Tisch haben will, da ihnen klar ist, dass sie rechtlich schlechte Karten haben. Andererseits würde aber eine Einstellung oder gar ein Freispruch ihre Hetze gegen „Castor? Schottern!“ als politische Kriminalisierung und Einschüchterung entlarven.“.
Für die große Mehrheit der Unterzeichner wird ihre Unterschrift keine juristischen Folgen haben, betont Spiegel. Allerdings stehen noch gerichtliche Verfahren gegen mehrere Personen an, de Plakate zur Aktion „Castro? Schottern!“ geklebt haben sollen.
Nicht erst die Blockupy-Proteste, schon der antikapitalistische Aktionstag am 31.März war ein Beispiel für den Polizeistaat in Aktion. Nachdem es zu Steinwürfen auf verschiedene Gebäude in der Innenstadt gekommen war, wurden mehrere hundert Menschen bis zu sechs Stunden eingekesselt. Der Versuch der Veranstalter, eine kürzere Route anzumelden, um die Demonstration fortzusetzen, wurde von der Polizei abgelehnt und mit deren Auflösung beantwortet.
Das Verhalten der Polizei löste kaum öffentliche Kritik aus. Vielmehr waren in den folgenden Tagen die eingeschlagenen Fensterscheiben das Hauptthema. Damit wurde auch das Verbot der Blockaden am 17./18.Mai begründet. Die in Frankfurt führende, konservative Frankfurter Allgemeine Zeitung hat maßgeblich das Drehbuch für das Verbot geschrieben.
Die März-Demonstration in Frankfurt
«Stadt muss Flagge zeigen», titelte das Blatt schon am 11.April. «Warum suchen linksextreme Demonstranten immer wieder ausgerechnet diese Großstadt heim? Die Antwort dürfte einfach sein: Weil Frankfurt wie keine andere deutsche Stadt für die Finanzwelt steht und sich deshalb besonders eignet, um den Protest gegen Kapitalismus und die europäische Finanzpolitik kundzutun», schreibt die Faz-Korrespondentin Katharina Iskandahar und listet konkrete Gegenmaßnahmen auf. «Dass es als liberale Großstadt aber auch darum geht, im Sinne der Bürger zu entscheiden und, wenn auch nur symbolisch, ein Verbot auszusprechen, hat die Politik lange Jahre versäumt.»
Dass es sich am Ende nun keinesfalls um ein symbolisches Verbot handelte, dürfte ganz im Sinne der Geschäftswelt gewesen sein. Aber auch Journalisten, die die Repression gegen Blockupy kritisierten, beteiligten sich an der Spaltung in gute und böse Kapitalismuskritiker. So begründet der Kommentator der Taz, Martin Kaul, sein Eintreten für Blockupy mit der Begründung, die «Märzrandalierer» seien daran nicht beteiligt.
Damit wurde eine Demonstration von über 5000 Menschen (am 31.März) unter Generalverdacht gestellt, obwohl die Organisatoren immer betont haben, dass sie eine politische Demonstration planten, die das Ziel, die neue Baustelle der EZB im Frankfurter Osten, erreicht und sich nicht unterwegs in Scharmützel mit der Polizei verwickeln lassen will.
Eine kleine Gruppe von Demonstrierenden setzte sich über diese von den OrganisatorInnen und der übergroßen Mehrheit der Teilnehmenden gewünschte Maßgabe hinweg. Bei der Demonachbereitung in Berlin gab es deshalb eine Diskussion über den Umgang der radikalen Linken mit einem solchen unsolidarischen Verhalten.
Das Problem besteht darin, politische Kritik zu formulieren, ohne in die allseitige Forderung nach Distanzierung von den Autonomen einzustimmen. Besonders die FAU, die Sozialistische Initiative Berlin (SIB) und die Internationalen KommunstInnen (IK) betonten die Notwendigkeit einer politischen Kritik an der scheinmilitanten Aktionen. Nach ihrer Auffassung ist es ein zutiefst autoritäres Verhalten, wenn gegen den Willen des Großteils der Demonstrierenden Scharmützel an der Demoroute provoziert werden, von deren Folgen alle Teilnehmenden betroffen sind.
Zudem würden dadurch Menschen nicht nur aus politischen Gründen abgeschreckt. Schließlich haben Migranten, Eltern mit kleinen Kindern, Personen mit gesundheitlichen Handicaps viele gute Gründe, einer Konfrontation mit der Polizei aus dem Weg zu gehen. So werde der neoliberale Leistungsgedanken reproduziert, wenn nur der Fitteste, Schnellste, Jüngste an Protesten teilnehmen kann.
Es ist auch nicht möglich, mit den politisch Verantwortlichen für die Scharmützel in eine politische Diskussion zu treten, weil sie aus verständlichen Gründen nicht offen auftreten. Damit wird aber die Kritik an ihrem autoritären Verhalten noch unterstrichen. Die Debatte über den notwendigen Umgang damit wird sicher weitergehen.
Die Berliner Mai-Festspiele
Auch in Berlin schränkte die Polizei das Demonstrationsrecht von mehr als 20.000 Menschen massiv ein, die sich am Abend des 1.Mai an einer revolutionären Maidemonstration in Berlin beteiligt hatten. Die hohe Teilnehmerzahl und die Beteiligung von Menschen aller Altersgruppen wurde sogar von den Medien registriert, die bisher die Maidemonstration immer als unpolitisches Ritual einstuften. Als Grund für den Zulauf wurden die unsicheren Arbeits- und Lebensverhältnisse vieler Menschen im Krisenkapitalismus sowie die zunehmenden Probleme, in Berlin eine bezahlbare Wohnungen zu bekommen, genannt.
Erstmals beteiligte sich die Jugend der Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di mit einem eigenen Wagen. Die Polizei erklärte schon im Vorfeld, die Demonstration werde spätestens vor dem Gebäude des Springerkonzerns enden. Doch der neuralgische Punkt wurde ohne große Zwischenfälle passiert. Danach hätte dem Weg nach Mitte zum angemeldeten Endpunkt am August-Bebel-Platz nichts mehr im Wege gestanden. Doch die politische Botschaft einer großen Demonstration der radikalen Linken, die im den Zentrum der Macht endet, war für die politisch Verantwortlichen nicht tragbar.
Also startete die Polizei in der Höhe des Jüdischen Museum eine Provokation. Ohne Grund stürmte sie in die Spitze der Demonstration, riss Transparente weg und knüppelte auf die Menschen in den vordersten Reihen ein. Es gab zahlreiche Verletzte. Ein Demonstrant lag mehr als zehn Minuten bewusstlos auf dem Straßenpflaster, bevor medizinische Hilfe eintraf. Die Medien nahmen diese Gewalt kaum zur Kenntnis, denn sie ging nicht von den Demonstrierenden aus. Trotzdem löste die Polizei die Demonstration auf.
Wenige Tage später wurde bekannt, dass auf der Route einige Rohrbomben gefunden wurden, die nicht wirklich gefährlich waren, aber einen weiteren Vorwand für ein Demoverbot gegeben hätten, wenn die Polizeiprovokation nicht geklappt hätte.
Die Mai-Demonstration in Frankfurt
Laut Veranstalter demonstrierten am 19.Mai mehr als 25.000 Menschen in der Frankfurter Innenstadt gegen die Politik der EU-Troika.
Das Spektrum der Demonstranten reichte von Gewerkschaften (vorwiegend der GEW), der Linkspartei, Attac bis zu den linksradikalen Bündnissen Ums Ganze und der Interventionistischen Linke. Auch ein großer Block «Gewerkschafter gegen Stuttgart 21» war dabei. Große Gruppen aus Italien und Frankreich drückten das Bedürfnis aus, im europäischen Maßstab Aktionen zu koordinieren und handlungsfähig zu werden.
Aus aktuellem Anlass wandten sich viele Parolen gegen die autoritäre Staats- und Sicherheitspolitik, die in den Tagen vor der Demonstration in den Frankfurter Straßen zu erleben war. Flächendeckende Protestverbote, das Anhalten von Bussen, Aufenthaltsverbote für viele Aktivisten in der Frankfurter Innenstadt haben die Diskussion über den Abbau der Grundrechte parallel zur wirtschaftlichen und sozialen Krise wieder belebt. Die Demonstranten haben dafür den Begriff «Coopucky» kreiert. Tatsächlich hat nur die Polizei das Bankenviertel blockiert. «Ihr habt Euch selbst blockiert», lautete denn auch eine häufig gerufene Parole auf der Demonstration.
Doch das geht am Kern der Vorgänge vorbei. Die Belagerung des Bankenviertels durch die Staatsmacht legte das Bankengeschäft keineswegs lahm. Was die Polizei in den letzten Tagen lahm gelegt hat, war vielmehr der Protest gegen den Krisenkapitalismus. Wenn die Protestorganisatoren in einer Presseerklärung trotzig behaupten: «Die Blockupy-Aktionstage mit der Besetzung des Paulsplatzes und des Römerbergs sowie die heutige Demonstration zeigen: Wir lassen nicht zu, dass Frankfurt zur demokratiefreien Zone wird. Empörung lässt sich nicht verbieten», dann ist das vor allem Zweckoptimismus. Die vergangenen Tage haben vielmehr gezeigt, dass alle Proteste, die über eine Großdemonstration hinausgehen, effektiv behindert wurden.
Statt, wie geplant, die Kritik am Kapitalismus zu artikulieren, stand der Protest gegen die Demokratieeinschränkungen im Mittelpunkt. Die Frankfurter Polizei erklärte nach der Demonstration denn auch, die Bürger seien größtenteils zufrieden. Es herrsche nun das Gefühl, «dass alles nicht so schlimm sei». Das könnte auch erklären, warum die massiven Grundrechtseinschränkungen ohne große Proteste hingenommen wurden.
Die Zahl der Aktivisten war am 17. und 18.Mai kleiner als erwartet. Das hängt damit zusammen, dass es erkennbar schwierig ist, die Krisenproteste mit aktuellen sozialen Kämpfen zu verbinden. So ist in den letzten Wochen wieder viel von einer Schließung des Opelwerks in Bochum die Rede. Dort gibt es eine kämpferische Minderheit in der Belegschaft, die schon vor Jahren mit selbst organisierten Streiks auf sich aufmerksam gemacht hat. Trotzdem war die drohende Schließung von Opel-Bochum auf der Demonstration genauso wenig ein Thema wie die Abwicklung vieler Schlecker-Filialen in den letzten Wochen. Dabei hat die Berliner Schlecker-Gesamtbetriebsrätin Mona Frias einen gewerkschaftlichen Unterstützungsaufruf für Blockupy mit unterzeichnet.
Doch es sind weder in erster Linie die abschreckenden Maßnahmen der Polizei noch große Fehler der Protestorganisatoren, die verhindern, dass Opel- oder Schlecker-Beschäftigte sich massenhaft an den Blockupy-Protesten beteiligen. Die Ungleichzeitigkeit der Krisenpolitik und ihrer Wahrnehmung durch die Betroffenen erschwert einen gemeinsamen Widerstand.
Diese Entkoppelung stellt für Linke ein großes Problem dar, «das keineswegs mit bloßen Appellen und weltweiten Aufrufen bewältigt werden kann», schreiben die Sozialwissenschaftler Peter Birke und Max Henninger in dem von ihnen kürzlich im Verlag Assoziation A herausgegebenen Buch «Krisen Proteste». In zwölf Texten werden die sozialen Bewegungen seit 2009 analysiert. Das Buch liefert einige Anregungen für eine Perspektivdebatte nach Blockupy.
Der Andrang war groß im Büro von »Reporter ohne Grenzen« in Berlin. Die Organisation hatte am Donnerstag den russischen Journalisten Leonid Nikitinski zu einem Pressegespräch eingeladen. Nikitinski arbeitet seit 2003 als Gerichtsreporter für die kremlkritische Zeitung »Nowaja Gaseta« in Moskau. Der Grund seines Besuchs war eine Drohung gegen seinen Kollegen Sergej Sokolow, der bei der »Nowaja Gaseta« zu Kriminalfällen arbeitet. Dabei hat er sich wohl einige Feinde bei der Justiz gemacht.
Nach Angaben Nikitinskis war der russische Chefermittler Alexander Bastrykin am 4. Juni mit Sergej Sokolow in einen Wald bei Moskau gefahren, hatte ihn dort wegen eines kritischen Artikels beschimpft und gedroht, sollte dem Journalisten etwas zustoßen, werde er selbst die Ermittlungen leiten. Bereits zuvor hatte der Chefermittler den Journalisten bei einem gemeinsamen Pressetermin heftig angegriffen. Sokolow floh jedenfalls sofort ins Ausland. Bastrykin ist als oberster Ermittler auch für die Untersuchungen im Mordfall Anna Politkowskaja verantwortlich. Die Journalistin hatte für die »Nowaja Gaseta« über die Gewalt in Tschetschenien berichtet und wurde vor fünfeinhalb Jahren in Moskau erschossen. Bastrykin habe Politkowskaja gegenüber Sokolow als »Schlampe« bezeichnet, berichtete Nikitinski und wertete den Vorfall als Zeichen dafür, dass »die Presse unter Putin insgesamt wieder stärker kontrolliert werden soll«. Dennoch habe die Sache für ihn eher eine lächerliche als eine bedrohliche Note: »Weder Politkowskaja noch andere Kollegen wurden gewarnt, man hat sie einfach auf offener Straße ermordet.«
Tatsächlich fand die Kontroverse zwischen Bastrykin und der »Nowaja Gaseta« ein – vorläufig – glückliches Ende: Am selben Abend, da Nikitinski in Berlin auftrat, entschuldigte sich der Chefermittler bei Sokolow für seinen unzulässigen »emotionalen Ausbruch«. Der Journalist selbst gab zu, dass seine Vorwürfe gegen Bastrykin möglicherweise zu harsch gewesen seien, und die »Nowaja Gaseta« erklärte den Konflikt für ausgeräumt.
http://www.neues-deutschland.de/artikel/229850.journalisten-im-konflikt-mit-der-justiz.html
Paul Watsons Image als selbstloser Retter der Meerestiere wird durch den jüngsten Haftbefehl nur verstärkt, aber mittlerweile wird auch Kritik laut
Costa Rica steht in der Regel nicht im Brennpunkt des öffentlichen Interesses. Trotzdem verlief der jüngste Deutschlandbesuch der costaricanischen Präsidentin Laura Chinchilla recht turbulent. Mehrere hundert Menschen demonstrierten für die Freilassung des Umweltaktivisten Paul Watson. Der Gründer der Tierschutzorganisation Seasheperd war auf Grund eines internationalen Haftbefehls am 13. Mai bei der Einreise nach Deutschland verhaftet worden. Die Justiz von Costa Rica wirft ihm vor, vor 10 Jahren beim Drehen eines Filmes über die Jagd auf Haie den Schiffsverkehr behindert zu haben. Watson vermutet, dass Japan hinter den Haftbefehl steckt. Schließlich hat er sich wegen des Walfangs in den letzten Jahren immer wieder mit den Behörden des Landes angelegt.
Nach einer Meldung von Interpol ist der Ökoaktivist allerdings wieder von der Liste gestrichen worden, nachdem sich der Verdacht erhärtete, dass der Haftbefehl politisch motiviert ist. Mittlerweile ist Watson gegen Kaution aus dem Gefängnis entlassen werden, darf aber Deutschland nicht verlassen, bis über das Auslieferungsverfahren endgültig entschieden ist. Mittlerweile gibt es in vielen Ländern Solidaritätsaktionen für Watson. Der Kanadier genießt unter Tierrechtsaktivisten vor allem wegen seines Kampfes gegen den Walfang Starkult.
Bei seinen öffentlichen Auftritten hat er immer wieder deutlich gemacht, dass er für seine Aktivitäten auch bereit ist, ins Gefängnis zu gehen. „Sie können mich ja verhaften“, erklärte Paul Watson schon vor einigen Jahren selbstbewusst. So richtig bekannt wurde er in Deutschland durch einen Film mit dem programmatischen Titel Bekenntnisse eines Ökoterroristen, der von einem engen Mitarbeiter Watsons gedreht wurde. In der Filmbeschreibung wird das Selbstbild eines Mannes deutlich, der sich als Rächer der beleidigten Natur zu inszenieren versteht.
„Es handelt sich um einen Dokumentarfilm, der die wahre Odyssee des meistgesuchten Meeresschützers Captain Paul Watson zeigt. Nachdem er Greenpeace gegründet hatte, verließ Watson die Organisation schließlich aufgrund seiner kompromisslosen Leidenschaft, den Planeten vor Umweltverbrechern zu schützen und wegen seiner ungewöhnlichen Taktiken. Fernab von Bürokratie und Politik schmiedete Watson seine eigene Armada, die Sea Shepherd Conservation Society – eine Organisation, die sich kompromisslos dem Schutz der Meeresbewohner verschrieben hat und gerne mal die geltenden Gesetze selber durchsetzt.“
Kritik am Walretter-Image
Das Image als selbsternannter Cowboy für die Interessen der Meeresbewohner pflegt Watson mit Hingabe. Der jüngste Haftbefehl ist für ihn daher wie ein weiterer Orden auf der Brust des Kriegers der Meerestiere. Mittlerweile wird auch bei entschiedenen Gegnern des Walfangs Kritik am autoritären Führungsstil Watsons und der Instrumentalisierung von Mitstreitern laut. Auch mit Greenpeace hat sich Watson längst zerstritten, obwohl er nach seiner jüngsten Festnahme öfter mit der Organisation in Verbindung gebracht wurde. Für Watson hat sich die ehemals von ihm mit gegründete Organisation längst in einen Verein von Lobbyisten verwandelt.
Bei allen Differenzen sind Watson und Greenpeace Verfechter eines Weltretterunternehmung, das Millionen Menschen zum Spenden animieren soll. Die jüngste Verhaftung hat das Bild von Watson als kompromisslosen Walretter nur noch verstärkt und dürfte viel Geld in die Spendenkassen seiner Organisation spülen.
http://www.heise.de/tp/blogs/8/152065
Peter Nowak
Aktivisten fühlten sich an die bleiernen Jahre des Deutschen Herbstes erinnern. Nicht Blockupy, sondern die Polizei hat das Bankenviertel blockiert
„Blockupy: EZB und Bankenviertel erfolgreich blockiert“, heißt es auf der Homepage des globalisierungskritischen Netzwerkes Attac. Damit hatten sie nicht unrecht, aber es war die Polizei, die mit ihren Maßnahmen für die Blockaden sorgte. Den ganzen Tag über waren sie auf der Suche nach Menschen, die sich vielleicht zu politischen Zwecken im öffentlichen Straßenraum bewegten. Immer wieder wurden Menschen eingekesselt, gelegentlich setzte die Polizei auch Wasserwerfer ein. Insgesamt wurden im Laufe des Tags fast 500 Personen zumindest kurzzeitig festgenommen.
Auswärtige Aktivisten kamen oft schon gar nicht nach Frankfurt, das von Schwarz-Grün regiert wird. So waren schon am Donnerstag mehrere Busse aus Berlin in unmittelbarer Nähe von Frankfurt angehalten und von der Polizei zur Rückkehr nach Berlin aufgefordert worden. Eine italienische Protestgruppe musste in den letzten Tagen auf einen Campingplatz am Rande von Frankfurt bleiben. Wenn sie in der Innenstadt entdeckt worden wären, hätte ihnen Haft gedroht. Dagegen regte sich in Italien Protest. Vor der deutschen Botschaft in Rom demonstrierten Menschen gegen die Einschränkungen der Bewegungsfreiheit. In Venedig wurde sogar das deutsche Konsulat besetzt.
Die erneuten Stadtverbote sind schon deshalb erstaunlich, weil erst vor wenigen Tagen an mehr 400 Personen persönlich gerichtete Verfügungen aufgehoben worden waren, während der Aktionstage die Frankfurter Innenstadt nicht zu betreten. Damals waren die Maßnahmen zuvor begründet worden, dass die Betroffenen während des antikapitalistischen Aktionstages am 31. März polizeilich kontrolliert worden seien. Da aber niemandem eine Straftat nachgewiesen wurde, hätte das Stadtverbot wohl einer juristischen Nachprüfung nicht standgehalten, was ein Grund für die Aufhebung war. Wieso aber nun ein Stadtverbot gegen Personen, die nur mit einem Bus aus Berlin nach Frankfurt gefahren sind, eine größere rechtliche Basis haben soll, konnten auch Anwälte nicht beantworten.
Die Frankfurter Polizei zumindest äußerte sich höchst zufrieden mit dem bisherigen Ablauf. In der täglichen Pressemitteilung wurde unter den wenigen Sachbeschädigungen ein abgerissenes Verkehrsschild aufgeführt. Trotzdem geht der harte Kurs, der vor allem von der Lokalkorrespondentin der Frankfurter Allgemeinen Zeitung ausdrücklich begrüßt wurde, noch bis in die Abendstunden weiter. Am späten Freitagabend wurden rund um den Unicampus, auf dem sich zahlreiche Aktivisten aufhielten, die Kontrollen verstärkt.
Weniger Teilnehmer als erwartet
Insgesamt blieb die Zahl der Teilnehmer an den Aktionen hinter den Erwartungen der Organisatoren zurück. Daran hat sicher das Verbot ebenso beigetragen wie die mediale Berichterstattung, die Menschen von der Teilnahme abschrecken sollte. Allerdings zeigte sich auch in den letzten Tagen wieder einmal, dass ein ausgeprägtes Krisenbewusstsein bei einem großen Teilen der Bevölkerung nicht vorhanden ist und auch nicht durch Großaktionen erzeugt werden kann.
Jetzt wird von der Teilnahme an der genehmigten Großdemonstration abhängen, ob die Aktionstage ein Erfolg waren oder nicht. Nach den Tagen der Demonstrationsverbote wird eine fünfstellige Teilnehmerzahl erwartet. Vor allem wird sich nun zeigen, ob sich das liberale Frankfurter Bürgertum, das in den letzten Tagen still blieb, in die Debatte einmischt. Schließlich können sich selbst langjährige Aktivisten, wie die Ökolinx-Stadtverordnete Jutta Ditfurth, an ähnlich massive Demokratieeinschränkungen in Frankfurt nicht erinnern. Man muss schon in die späten 70er Jahre zurückblicken, um auf ähnliche flächendeckende Verbote zu stoßen.
http://www.heise.de/tp/artikel/36/36964/1.html
Peter Nowak
Trotz eines starken Polizeiaufgebots gab es heute Demonstrationen von Kapitalismuskritikern in der Innenstadt von Frankfurt, Blockupy plant weitere Kundgebungen
Um die 1000 Menschen protestierten auf dem Frankfurter Paulsplatz mit dem Grundgesetz in der Hand gegen die gerichtlich bestätigten Demonstrationsverbote in der Frankfurter Innenstadt und die gestrige Räumung des Occupy-Camps. „Wir sind hier und wir sind laut, weil man uns die Freiheit klaut“, lautete ein häufig gerufener Protestslogan.
Der Platz wurde wegen der historischen Implikationen bewusst gewählt. Die Paulskirche gilt als Geburtsstätte der bürgerlichen Demokratie von 1848. Allerdings ist dieser Bezug nicht unproblematisch. Schließlich waren die in der Paulskirche diskutierten Konzepte längst nicht so demokratisch, weil dort Freiheiten weitgehend vom Einkommen abhängig gemacht wurden. Außerdem bekommen die Proteste durch den Paulskirchenbezug einen nationalstaatlichen Bezug, den die Blockupy-Proteste gerade überwinden wollten. So könnte schnell in den Hintergrund geraten, dass noch immer die griechische Bevölkerung von den EU-Sparplänen am meisten betroffen ist.
Attac erinnerte in einer Pressemitteilung immerhin daran, dass die EZB massiven Druck auf die griechische Regierung ausübt, gegen den Wählerwillen die Vereinbarungen mit der EU-Troika umzusetzen. Zudem hat die EZB mehreren griechischen Banken keine weitere Liquidität mehr zur Verfügung gestellt, um den Druck zu erhöhen „Mit dieser Entscheidung beteiligt sich die EZB an der Erpressung Griechenlands. Sie will das Land zwingen, die desaströse Austeritätspolitik fortzuführen, die weder tragbar noch erfolgreich ist“, sagte Thanos Contargyris von Attac Hellas, der sich an den Blockupy-Protesten beteiligen will. Auch aus weiteren europäischen Ländern sind Aktivisten auf dem Weg in die Mainmetropole.
Das Blockupy-Bündnis hat mittlerweile eine aktuelle Protestagenda veröffentlicht, die sie trotz der massiven Behinderungen in den nächsten Tagen umsetzen will. Neben Demonstrationen und Kundgebungen will man auch eine Konferenz der sozialen Bewegungen abhalten.
Juristische Auseinandersetzung geht weiter
Schon jetzt ist klar, dass die juristische Auseinandersetzung auch nach dem Ende der Aktionstage weitergehen wird. So ist es nicht unwahrscheinlich, dass wie schon in der Vergangenheit bei anderen Protestaktionen das Verbot nachträglich für rechtswidrig erklärt wird. Die juristischen Auseinandersetzungen der letzten Monate haben nach Meinung von Protestbeobachtern Auswirkungen auf den Polizeieinsatz in Frankfurt. So sei bisher auf den Einsatz von Drohnen und die Funkzellenauswertung verzichtet worden. Diese Maßnahmen kamen bei Demonstrationen in den letzten Jahren zur Anwendung und haben Kritik von Datenschützern und Juristen ausgelöst.
Morgen wird sich zeigen, ob die Polizei weiterhin ohne diese viel kritisierten Instrumentarien auskommen wird. Dann werden Tausende Globalisierungskritiker aus der ganzen Republik zu den lange geplanten Protesten in Frankfurt eintreffen. Allerdings hat die Polizei mit ihren Maßnahmen bereits für ein Ziel des Protestes gesorgt: das Bankenviertel in Frankfurt ist blockiert.
Mit der Räumung des Occupy-Camps hat die Polizei die Konfrontation gegen die Kapitalismuskritiker eingeleitet
Sie haben kalten Winternächten getrotzt, sich mit Bankiers und Polizisten ablichten lassen und waren fast schon eine Art Berühmtheit in der Stadt: die Occupy-Aktivisten, die seit letztem Herbst vor der Europäischen Zentralbank in Frankfurt/Main campten. Nun wurde das Camp einen Tag vor Beginn der internationalen Krisenproteste geräumt, die unter dem Namen Blockupy einen Neustart der Occupy-Bewegung mit dem Protest von sozialen Bewegungen aus ganz Europa verbinden wollten.
Mit der Räumung haben die Behörden die Gelegenheit genutzt, die Bewohner los zu werden, die längst nicht mehr so wohlgelitten in der Stadt waren wie noch vor Wochen. Schließlich haben viele Wohnungslose in Frankfurt das Camp als Refugium genutzt und damit einen Skandal deutlich gemacht: Wohnungslosigkeit in der Bankenmetropole wurde sichtbar. Schon längst hat das Frankfurter Bürgertum genug davon, dass Elend so hautnah zu sehen, wenn man abends aus dem Theater kommt.
Doch die Räumung des Camps war auch eine Kampfansage an die in Deutschland schwache kapitalismuskritische Bewegung. Einen Tag vor den lange geplanten europäischen Protesten hat die Polizei mit der Räumung die Konfrontation begonnnen. Das Verwaltungsgericht Kassel hatte am Mittwochmorgen eine Klage von Campbewohnern gegen die Räumung zurückgewiesen und damit den repressiven Kurs der Frankfurter Behörden bestätigt. Die Bewohner wehrten sich gemeinsam mit den ersten aus ganz Europa einreisenden Kapitalismuskritikern mit Sitzblockaden gegen die Räumung. Daran konnten auch einige der Personen teilnehmen, die noch vor einigen Tagen von der Frankfurter Polizei während der Aktionstage Stadtverbot hatten.
Stadtverbote aufgehoben
„Nach einer intensiven Erörterung mit dem Verwaltungsgericht Frankfurt hat sich das PP Frankfurt entschlossen, die am 11.05.2012 ausgesprochenen Aufenthaltsverbote zurück zu nehmen. Das Gericht signalisierte, dass die Ereignisse am 31. März hierfür nicht ausreichten. Es werden daher die auf dieser Grundlage erlassenen Aufenthaltsverbote nicht durchgesetzt“, heißt es in einer kurzen Erklärung der Polizei.
Allerdings gilt die Aufhebung nur für die Betroffenen, die mit einem Eilantrag Widerspruch gegen das Stadtverbot eingelegt hatten. Man könnte zynisch sagen, wenn sowieso fast alle Aktionen verboten sind, brauchen keine besonderen Stadtverbote mehr verhängt werden.
Wenn Proteste zum Gefahrenpotential werden
In einer Erklärung der Frankfurter Polizei wird dieser Zusammenhang ebenso hergestellt. Dort hieß es:
„Nachdem durch den VGH Kassel am heutigen Vormittag die Verbotsverfügungen der Versammlungsbehörde bestätigt wurden, sind aktuelle keine Veranstaltungen im Zusammenhang mit der ‚Blockupy- Bewegung‘ genehmigt.
Die Polizei weist daher daraufhin, dass Teilnehmer dieser verbotenen Veranstaltungen – damit sind auch Besucher der Raveveranstaltung gemeint – abgewiesen werden. Auf der Anfahrt befindliche Teilnehmer werden daher gebeten umzukehren.
Der Verwaltungsgerichtshof hat im Beschluss deutlich gemacht, dass einer der Entscheidungsgründe die Sicherheit der eingesetzten Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten war. Die dann hier bleibenden Teilnehmer würden auch das Gefahrenpotential in der Stadt erhöhen.“
Nur wenige Stunden später erklärt die Frankfurter Polizei, dass der erste Protesttag ruhig verlaufen sei und die von der Blockuppy geplanten Proteste nicht stattgefunden haben.
Nicht wenige Menschen, die nicht nur zur Protestzwecken in der Frankfurter Innenstadt das große Polizeiaufgebot gesehen haben, fühlten sich an die immer wieder verbotenen Aktionen der Putingegner in Russland erinnert. Dazu gibt es immer große Debatten über die schlechte Menschenrechtssituation in Russland. Schon vor einigen Jahren hatte Putin solche Kritiker auf den Umgang der Polizei mit den G8-Protesten in Heiligendamm hingewiesen. Jetzt kann er auf Frankfurt verweisen.
Auch die Universitätsverwaltung wurde in die Strategie eingespannt und ließ für die Dauer der Aktionstage sämtliche Universitätsgebäude der Stadt schließen, was von der Studierendenvertretung kritisiert wurde.
Wie weiter?
Der Fortgang der Protesttage wird auch davon abhängen, wie viele Aktivisten in den nächsten Tagen sich nicht von den Warnungen der Polizei abschrecken lassen und doch noch nach Frankfurt kommen. Unter dem Motto „Jetzt erst recht! Kommt alle nach Frankfurt“ rufen die Protestorganisatoren dazu auf.
Allerdings geben auch Aktivisten offen zu, das Totalverbot und die gerichtliche Bestätigung in dem Ausmaß nicht für möglich gehalten zu haben. Dabei gab es in der Geschichte der Bundesrepublik durchaus ähnliche Beispiele. So wurden 1987 auf dem Höhepunkt der zweiten Anti-AKW-Bewegung eine Bundeskonferenz der AKW-Gegner in Regensburg verboten.
Eine Fachschaftskonferenz von Chemiestudierenden, die die Gebannten Asyl gewährten, wurde im Anschluss ebenfalls untersagt. Die Grünen haben sich damals mehrheitlich mit den Umweltaktivisten solidarisch erklärt.
Heute findet man auf der Homepage der Grünen im Römer nur die Polizeimeldung über die Verbote der Proteste. Schließlich sind die Grünen Teil der Frankfurter Stadtregierung. Mittlerweile haben sich allerdings führende Vertreter der Grünen, der Piratenpartei und die SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles kritisch über das Blockupy-Verbot geäußert. Schließlich wurde auch eine Mahnwache der Frankfurter Jusos gegen Homophobie und Transphobie am 17.Mai in Frankfurt verboten, weil die Polizei eine Blockupy-Unterstützung vermutete.
Die Behörden fahren eine harte Linie gegen Occupy, weil sie die Interessen der Geschäftswelt bedroht sehen. Die konservative Presse gibt dem Vorschub
Die Frankfurter Innenstadt dürfte in den nächsten Tagen zu einem heißen Pflaster werden. Kapitalismuskritiker aus ganz Europa wollen im Rahmen der Blockupy-Tage ab dem 16. Mai gegen die Politik von Banken, Konzernen und Regierungen protestierten. Seit Monaten hat ein Bündnis, das von Attac über Linkspartei bis zur Interventionistischen Linken reicht, ein umfangreiches Protestprogramm vorbereitet.
Doch in den letzten Tagen sind die Aktivisten vor allem mit der Repression beschäftigt, mit der die Behörden auf die Proteste reagieren. Schon in der letzten Woche wurden sämtliche Anlauf- und Kundgebungspunkte verboten. Das Verwaltungsgericht Frankfurt hat die Verbote inzwischen weitgehend bestätigt und lediglich das Demonstrationsverbot für einige Veranstaltungen am Mittwoch und Samstag aufgehoben. Auch das Occupy-Camp in unmittelbarer Nähe der Europäischen Zentralbank (EZB) soll während der Aktionstage geräumt sein.
Zudem wurde mehreren Hundert Menschen aus ganz Deutschland verboten, sich während der Protesttage in der Frankfurter Innenstadt aufzuhalten. Sollten sie dagegen verstoßen und etwa auf die Idee kommen, in der Frankfurter Innenstadt auch nur einzukaufen, wird ihnen die „Anwendung unmittelbaren Zwanges“ durch die Polizei und ein Zwangsgeld von 2.000 Euro oder eine entsprechende Ersatzfreiheitsstrafe angedroht, heißt es in einem Schreiben. Viele der von dem temporären Frankfurt-Verbot Betroffenen sind nie wegen einer Straftat verurteilt worden. Es genügte offenbar schon, auf dem Weg zu einer Demonstration von der Polizei kontrolliert worden zu sein, um auf die Liste der verbannten Personen zu geraten.
Altes Instrument aus der Schublade gezogen
Mit dieser Maßnahme haben die Ordnungsbehörden wieder ein Instrument aus der Schublade gezogen, das vor einem Jahrzehnt auf dem Höhepunkt der globalisierungskritischen Proteste extensiv zur Anwendung kam und in ganz Europa in die Kritik geraten ist. Schon damals monierten Menschenrechtler und Juristen, dass die Unschuldsvermutung aufgehoben würde, wenn schon eine Polizeikontrolle für ein Demonstrationsverbot ausreichen sollte. Zahlreiche Betroffene haben deswegen vor Gericht geklagt – und Recht bekommen. In den letzten Jahren haben die Behörden nur noch selten von der Einschränkung der Bewegungsfreiheit Gebrauch gemacht.
Dass nun im Vorfeld der Krisenproteste in Frankfurt wieder die Repressionskeule geschwungen wird, hat nicht nur lokale Gründe. Es greift zu kurz, wenn Frankfurter Rechtshilfegruppen vor allem dem Frankfurter Ordnungsdezernenten Markus Frank (CDU) vorwerfen, eine neue Eskalationsstufe beschritten zu haben. Die Maßnahmen gegen die Proteste in Frankfurt liegen im europäischen Trend. So wurden kürzlich in Spanien neue Gesetze erlassen, die das Zelten auf öffentlichen Plätzen mit hohen Strafen belegt. Als „die Empörten“ am 12. Mai ihre Bewegung neu erwecken und öffentliche Plätze besetzen wollten, verhinderte das die Polizei prompt.
Während Feuilletonisten der Occupy-Bewegung bescheinigen, sie hätten doch sehr vernünftige Forderungen und man sollte mit ihnen in den Dialog treten, regieren Behörden und Polizisten mit Verboten, Polizeiknüppel und sogar Untersuchungshaft. So wurde in Spanien die CGT-Gewerkschafterin Laura Gomez am 29. März verhaftet, nachdem sie einen landesweiten Generalstreiks maßgeblich mitorganisiert hatte. In den Leitmedien Deutschlands war das bisher keine großen Berichte wert.
Faz lieferte Drehbuch für Demoverbot
Wenn jetzt auch in manchen Medien verhaltene Kritik aufkommt, ob die Ordnungsbehörden in Frankfurt mit ihrer harten Linie nicht über das Ziel hinausschießen, so darf nicht vergessen werde, dass konservative Medien schon vor Wochen genau eine solche harte Hand gegen Krisenprotestler forderten. Unter der Überschrift „Stadt muss Flagge zeigen“ lieferte die FAZ am 11. April praktisch das Drehbuch für den Umgang der Behörden mit Blockupy. „Warum suchen linksextreme Demonstranten immer wieder ausgerechnet diese Großstadt heim? Die Antwort dürfte einfach sein: Weil Frankfurt wie keine andere deutsche Stadt für die Finanzwelt steht und sich deshalb besonders eignet, um den Protest gegen Kapitalismus und die europäische Finanzpolitik kundzutun“, schrieb die FAZ-Korrespondentin Katharina Iskandahar und listete konkrete Gegenmaßnahmen auf. „Dass es als liberale Großstadt aber auch darum geht, im Sinne der Bürger zu entscheiden und, wenn auch nur symbolisch, ein Verbot auszusprechen, hat die Politik lange Jahre versäumt.“
Nicht nur für konservative Journalisten sind Demonstrationen und Proteste in erster Linie eine Bedrohung für die Interessen der Geschäftswelt statt Bürgerrecht. Darauf stützen sich auch die Verbote der Ordnungsbehörden. Ob sie symbolisch bleiben, wird sich in den nächsten Tagen zeigen. Schon jetzt aber hat die Haltung der Behörden nicht nur in Frankfurt denjenigen Recht gegeben, die davor warnen, dass eine neoliberale Wirtschaftspolitik und eine autoritäre Innen- und Rechtspolitik einander bedingen.
http://www.freitag.de/politik/1219-grundrechte-im-zeitalter-der-krise
Peter Nowak
Im Gegensatz zur neuen spanischen Empörungswelle zeichneten sich die gestrigen Demonstrationen in Berlin dadurch aus, dass ein Großteil bald wieder nachhause ging
Mit Trommeln, bunten Regenschirmen und Anticapitalista-Sprechchören hat sich gestern die Occupy-Bewegung in Berlin mit einem Sternmarsch zurück gemeldet. Die Aktion in Berlin war Teil eines europäischen Aktionstages. Wie schon im vergangenen Jahr zeigten sich auch beim Neustartversuch länderspezifische Unterschiede.
Während in Spanien wie im vergangenen Jahr wieder Tausende auf die öffentlichen Plätze zurückgekehrt sind und sich auch durch staatliche Repression nicht einschüchtern ließen, war in Berlin ein Großteil der nach Veranstalterangaben knapp 5.000 Demonstranten schon vor Ende der Abschlusskundgebung verschwunden.
Polizei, Kunst und Occupy
Die Polizei hatte bereits im Vorfeld angekündigt, wie auch im letzten Jahr keine Zelte in der Innenstadt zu dulden. Im Gegensatz zum letzten Jahr hat die Occupy-Bewegung allerdings einen Rückzugsort in den Berliner Kunstwerken gefunden, wo in der großen Halle im Erdgeschoss auch Zelte aufgestellt werden können. Im Rahmen der 7.Biennale wurde auch die Occupy-Bewegung zu einer Kunstform erklärt. Es gibt dort auch regelmäßige Veranstaltungen und Filmvorführungen. Allerdings ist die Kooperation zwischen Kunst und Occupy von beiden Seiten umstritten.
Einen Effekt hat sie aber schon gehabt. Sie wird auch von Künstlern mittlerweile als Protestform benutzt. Als in der letzten Woche Studierende der Schauspielschule Ernst Buch um den ihnen zugesagten, dann aus finanziellen Gründen wieder gestrichenen neuen Standort in Berlin-Mitte kämpften, kopierten sie von Occupy die Aktionsformen und zelteten einige Tage und Nächte auf einer Wiese. In diesem Fall ließen sich die Träger von konkreten Alltagskämpfen durch Occupy inspirieren. Was in Spanien in den letzten Monaten Alltag geworden ist, wird in Deutschland zumindest gelegentlich ausprobiert. .
Occupycamp in Frankfurt soll geräumt werden
In der nächsten Woche werden allerdings die monatelang geplanten europaweiten Krisenprotesttage (Nachgetreten!) in Frankfurt/Main im Mittelpunkt der Protestbewegung stehen. Dafür wurde am Samstag kräftig geworben. Der konkrete Ablauf ist noch sehr unklar, weil das Frankfurter Ordnungsamt einen Großteil der vom Veranstalter angemeldeten Plätze und Straßen frei von Protesten halten will. Davon ist auch das Occupy-Camp betroffen, das seit Herbst vor der Europäischen Zentralbank in Frankfurt ausharrt.
Während der Protesttage soll der Platz geräumt werden. In der Verfügung wird auch ausdrücklich untersagt, eine Versammlung an einem Platz in Frankfurt während dieses Zeitraums zu organisieren. In der Verbotsverfügung wird auch darauf hingewiesen, dass die geplanten Aktionen „die europarechtlichen Verpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland gegenüber den Vertragspartnern und der EZB“ beeinträchtigten würde.
Gefährderansprachen
Mittlerweile hat die Polizei ein Instrumentarium wieder belebt, das in der Hochphase der globalisierungskritischen Bewegung öfter zum Einsatz kam und von Juristen scharf kritisiert wurde, die sogenannte Gefährderansprachen. So sollen mehrere hundert Menschen aus ganz Deutschland Verfügungen erhalten, die ihnen den Aufenthalt während der Protesttage in Frankfurt untersagen.
Medien bereiteten harte Maßnahmen mit vor
Die Maßnahmen wurden schon vor Wochen von konservativen Medien wie der FAZ („Warum suchen linksextreme Demonstranten immer wieder ausgerechnet diese Großstadt heim?“) nahegelegt. Gleichzeitig war in den Medien unterschiedlicher politischen Richtungen in Zusammenhang mit den Protesten pauschal von Randalierern und Gewalttätern die Rede. Damit wurden die juristischen Grundlagen geschaffen, mit denen jetzt ein Verbot der Aktionen begründet wird.
http://www.heise.de/tp/blogs/8/151990
Peter Nowak
Die für Mitte Mai geplanten Krisenproteste wurden von den Behörden verboten und könnten zum Mobilisierungsschub führen, sind aber auch Ausdruck der Nervosität durch die EU-Krise
Um die Occupy-Bewegung war es zumindest in Deutschland in den letzten Wochen stillgeworden. In Frankfurt war das Camp der Bewegung in den kalten Tagen des vergangenen Winters zum Zufluchtsort der wachsenden Zahl der Wohnungslosen geworden, die es in der Bankenmetropole gibt.
Doch gerade zu Beginn der wärmeren Jahreszeit wächst die Kritik von Geschäftswelt und den Behörden. So soll eine rumänische Familie, die Teil des Camps ist, den Platz verlassen. Die Occupy-Aktivisten lehnen das Ansinnen, ihre Teilnehmer nach Pässen zu sortieren, empört ab. Auch andere, lange Zeit von den Behörden geduldeten Vorgänge werden auf einmal von den Behörden moniert. Die Zeit, in der sich Opernbesucher, Polizisten und sogar Bankchef Ackermann gerne mit den Paradiesvögeln von Occupy ablichten ließen, scheint vorbei.
Der Grund ist schnell gefunden und nennt sich Blockuppy, eine Kooperation der Krisenproteste und der Occupy-Bewegung, die vom 16.-19. Mai mit internationaler Beteiligung das Zentrum von Frankfurt zu einem Forum der Debatten und des Protestes machen will. Die Aktionstage knüpfen an den europäischen Krisenprotesttag M31 an, an dem am 31. März in verschiedenen europäischen Ländern soziale Bewegungen auf die Straße gegangen waren. Doch knapp zwei Wochen vor dem anvisierten Protestbeginn wollen die Behörden das Areal um das Bankenviertel zur demonstrationsfreien Zone erklärt.
Zunächst haben die Behörden 12 von den Blockuppy-Organisatoren angemeldete Mahnwachen, Camps und Kundgebungen untersagt. Wenige Tage später verschärften die Behörden ihren Kurs noch einmal und verboten sogar einen Rave und eine Mahnwache von kapitalismuskritischen Ordensleuten verboten. Die Aktivisten geben sich kämpferisch und organisieren juristischen und politischen Protest. Die Liste der Unterzeichner der Protestresolution gegen das Blockupy-Verbot reicht von Politikern der Grünen und der SPD bis zu international bekannten Wissenschaftlern.
Wiederholt sich das Szenario von Dresden in Frankfurt?
Manche Aktivisten witzeln schon, das Verbot sei das beste, was den Aktivisten geschehen konnte. Schließlich war die mediale Aufmerksamkeit für Blockuppy lange gering und auch die Mobilisierung in der sozialen Bewegung ließ eher zu wünschen übrig. Zudem fragen sich manche Aktivsten, warum sie nach dem M31-Aktionstag wenige Wochen später erneut in Frankfurt/Main protestieren sollen.
Das Demoverbot hat die Frage beantwortet. Nun geht es um die Verteidigung der Grundrechte, die mit dem Totalverbot aller Kundgebungen in Frage gestellt sind. Erinnerungen werden wach an die Wochen vor den Protestaktionen gegen den G8-Gipfel in Heiligendamm, die durch eine Polizeirazzia Zulauf bekamen. Ähnlich war es mit den Blockadeaktionen gegen einen rechten Aufmarsch in Dresden, gegen den die Justiz mit Hausdurchsuchungen und Strafverfahren mobilisierte. Die Folge war eine enorme Sympathiewelle für die Aktivisten, die als Sieger .aus dem Machtkampf mit der Justiz hervorgingen.
Vieles spricht dafür, dass es Mitte Mai in Frankfurt/Main ähnlich ausgeht. Da es weder politisch noch juristisch möglich sein wird, Tausende Menschen daran zu hintern, nach Frankfurt zu kommen, werden die Behörden ihre harte Haltung kaum aufrecht erhalten können. Es ist wahrscheinlich, dass die Gerichte das Totalverbot kippen.
Grundrechte im Zeichen der Krise
Dabei wäre es aber falsch, die Maßnahmen als Alleingang von einigen Behörden zu interpretieren. Schließlich hat sich die hessische Landesregierung klar hinter den harten Kurs gestellt. Zudem soll auch den Aktivisten, die in Berlin zum12 März im Rahmen eines internationalen Aktionstages einen Occupy-Neustart planen, eine zweiwöchige Dauermahnwache an einem zentralen Platz untersagt worden.
Am vergangenen Wochenende wurde in Brüssel dem international bekannten Kapitalismuskritiker Walden Bello die Einreise zu einer Konferenz untersagt, die sich mit der Koordinierung der Proteste befasste. Er wurde am Brüsseler Flughafen festgehalten und zurück in die USA geschickt. Die fortdauernde europäische Krise sorgt auch in Ländern wie Belgien und Deutschland bei den politisch Verantwortlichen für Nervosität, wie die Verbote, Einreiseverbote und andere Grundrechtseinschränkungen zeigen.
http://www.heise.de/tp/blogs/8/151976
Peter Nowak
Wegen einer Sitzblockade auf der Zufahrtsstraße zum Atomkraftwerk Mühleberg wurden mehr als 30 Schweizer AKW-Gegner zu hohen Geldstrafen von insgesamt 30 000 Franken verurteilt. Die Initiative »Mühleberg aussitzen« erklärte, mit der zivilgesellschaftlichen Aktion im Herbst 2011 habe man verhindern wollen, dass der wegen zahlreicher Sicherheitsmängel in die Kritik geratene Reaktor wieder in Betrieb genommen wird. Dagegen hatte es massive Kritik in der Schweiz gegeben, die bis in Politik und Justiz reicht. »Obwohl das Bundesverwaltungsgericht zu dem gleichen Schluss über den Schrottreaktor Mühleberg wie die besorgten Bürger kam, werden diese bestraft und die AKW-Betreiber kommen ungeschoren davon«, moniert die Pressesprecherin der ökologischen Initiative. Die Umweltinitiative hat ein Sammelkonto eingerichtet, damit die Betroffenen nicht auf den Geldforderungen sitzen bleiben. www.aussitzen.ch
http://www.neues-deutschland.de/artikel/225078.bewegungsmelder.html
Peter Nowak