Ein Hauch Bonapartismus in Berlin?

Merkels Zukunftsdialoge über Deutschland stoßen nicht nur auf Zustimmung

„Ihre Ideen und Vorschläge sind mir wichtig. Ich freue mich auf Ihre Ideen.“ Dieses Zitat von Bundeskanzlerin Merkel kann man auf der Website Dialog über Deutschland lesen, die am 1. Februar online geschaltet wurde. Drei Fragen sollen im Mittelpunk stehen: Wie wollen wir zusammen leben? Wovon wollen wir leben? Wie wollen wir lernen? Merkel: „Jeder kann seine Ideen vorschlagen oder auf gute Praxisbeispiele hinweisen. Diese Vorschläge können dann wiederum kommentiert und bewertet werden“, so Merkel.

SPD und Grüne sorgten sich nach dem Start des Online-Bürgerdialogs, ob auch die Trennung zwischen Regierung und Partei gewahrt bleibt. Es dürfe nicht sein, dass sich Merkel durch den Zukunftsdialog „mit viel Steuergeld, großem Stab und vielen Mitarbeitern“ auf den Wahlkampf 2013 vorbereite, mäkelt der SPD-Politiker Oppermann. Der parlamentarische Geschäftsführer der Grünen, Volker Beck ist gespannt, ob es dabei um „echte und nicht nur PR-orientierte, simulierte Bürgerbeteiligung geht“. Diese Äußerungen lassen auch den Neid derer erkennen, die gerne selber an Merkels Stelle die Fragen stellen würden.

Bürgerbeteiligung als Absicherung von Elitenherrschaft

Grundsätzlichere Einwände gegen Merkels Online-Dialog hat der Kultursoziologe und Publizist Thomas Wagner. Er sieht darin das Kennzeichen eines „demokratisch verkleideten autoritären Regierungsstils“. Dieser direkte Dialog zwischen Regierenden und der Bevölkerung werde „seit den Tagen von Napoleon III vor mehr als 150 Jahren auch Bonapartismus genannt „, erklärte Wagner am Mittwochabend auf einer Veranstaltung in Berlin, wo er sein im Papyrossa Verlag herausgegebene Buch Deutschlands sanfter Weg in den Bonapartismus vorstellte.

Dort befasst er sich kritisch mit verschiedenen Herrschaftsmethoden, die sich als Bürgerbeteiligung ausgeben, aber in Wagners Augen Formen einer „plebiszitär abgesicherten Elitenherrschaft“ sind. Dabei nimmt die direkte Ansprache an die Bürger ohne Vermittlung durch Parlamente oder Gewerkschaften ebenso eine zentrale Rolle ein wie die Forderungen nach Volksbefragungen. Solche Modelle erfreuen sich nicht nur in allen politischen Parteien, sondern auch in der außerparlamentarischen Bewegung einer großen Beliebtheit.

Übernimmt Merkel Rolle des Bundespräsidenten mit

So wurde die Forderung nach einer Direktwahl des Bundespräsidenten von Politikern der Linkspartei genau so erhoben wie von dem konservativen Parteienkritiker Hans Herbert von Arnim. Der plädiert zudem für einen deutlichen Machtzuwachs des Staatsoberhauptes und findet Unterstützung bei verschiedenen Rechtsaußenparteien wie der NPD. „Unserer Ansicht nach sollte der Bundespräsident mehr als nur eine repräsentative Funktion haben, um ein Gegengewicht gegen den von zahlreichen Sonderinteressen beherrschten Parteienstaat bilden zu können“, zitiert Wagner den parlamentarischen Geschäftsführer der sächsische NPD-Fraktion Johannes Müller. Der Parteienstaat, der unterschiedliche Interessen austarieren müsse, hindere am kraftvollen Durchregieren, lamentierten schon rechtskonservative Parlamentskritiker in der Weimarer Republik. Wagner sieht in dieser Polemik in erster Linie einen Versuch, den Einfluss organisierter Interessenvertretung von Lohnabhängigen oder Erwerbslosen auf die Politik zu minimieren.

In einer Zeit, in der der ins Gerede gekommene Bundespräsident als Prototyp eines starken Politikers ausfällt, scheint Merkel diese Rolle mit zu übernehmen. Ihre Beliebtheitswerte steigen und mit dem Bürgerdialog inszeniert sie sich als Politikerin, die über das Parlament hinweg direkt mit dem Bürger kommuniziert. „Das kann der Beginn von etwas ganz Großem werden“, lautete ein Eintrag auf Kommentarspalte der Zukunftsdialoge. Scheinbar sehnen sich manche nach etwas Bonapartismus in Berlin.
http://www.heise.de/tp/blogs/8/151356
Peter Nowak

Aufklärung unerwünscht?

Peter Hammerschmidt über Barbie und den Verfassungsschutz

Der Doktorand an der Mainzer Gutenberg-Universität forscht zum Umgang der BRD mit Altnazis wie Klaus Barbie.


nd: Wie kamen Sie dazu, über Klaus Barbie zu forschen?

Hammerschmidt: Ein Hauptseminar an der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz über die deutsche Südamerika-Auswanderung im 19. und 20. Jahrhundert hat mein Interesse an den »Rattenlinien« geweckt. Die »Rattenlinien« waren die von westlichen Geheimdiensten, dem Roten Kreuz und dem Vatikan initiierten Fluchtrouten, über die hochrangige NS-Funktionäre nach 1945 nach Südamerika und somit einer Strafverfolgung entkamen. Eine Person, die von dieser Protektion profitierte, war Klaus Barbie, der Schlächter von Lyon, der trotz seiner Eintragung auf internationalen Fahndungslisten bis 1983 in Freiheit lebte und sein NS-Repressionswissen an westliche Nachrichtendienste und an südamerikanische Militärdiktaturen weitergab.

Sie haben auch beim Verfassungsschutz Akten zu Barbie angefordert.
Das mittlerweile aufgrund hartnäckiger Interventionen freigegebene Aktenmaterial von ausländischen Nachrichtendiensten und anderen Behörden legt die Vermutung nahe, dass Barbie bei seinen Reisen in die Bundesrepublik auch von Seiten des Bundesamtes für Verfassungsschutz protegiert wurde. Ein Antrag auf Akteneinsicht wurde im Herbst 2011 mit der Begründung abgewiesen, dass aufgrund der »hohen Anzahl von Verschlusssachen« verschiedener Nachrichtengeber in den Akten sowie aufgrund des »hohen personellen Aufwandes« keine Einzelprüfung erfolgen könne. Nach einer weiteren Intervention ließ sich der Inlandsnachrichtendienst Mitte Oktober 2011 dazu bewegen, doch eine entsprechende Einzelprüfung durchzuführen.

Und das Ergebnis?
Nach einer »überschlägigen Sachverhaltsprüfung« kam der Verfassungsschutz zu dem Ergebnis, dass eine »Offenlegung der Gesamtakte zu Barbie in absehbarer Zeit aus Sicherheitsgründen nicht möglich« sei.

Welche brisanten Inhalte könnten in den Akten zu finden sein?
Die Forschungsergebnisse legen nahe, dass Barbie in Deutschland neofaschistische Strukturen organisierte und darüber hinaus zwischen 1978 und 1979 ausgewählte Neofaschisten für den politischen Umsturz in Bolivien rekrutierte. In den 1970er Jahren scheint Barbie in diesem Zusammenhang auch aktiv an der Organisation der geheimen NATO-Struktur Gladio beteiligt gewesen zu sein.

Gibt es Möglichkeiten, die Herausgabe der Akten einzuklagen?
Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts in Leipzig im Fall des Bundesnachrichtendienstes, das die Öffnung von Aktenmaterial im Fall Adolf Eichmann ermöglichte, bietet auch für eine juristische Intervention in diesem Fall entsprechende Perspektiven.

Wie bewerten Sie die Erklärungen des Verfassungsschutzes, dass ihm »eine transparente und wissenschaftlich seriöse Aufarbeitung der eigenen Geschichte ein wichtiges Anliegen ist«?
Meines Erachtens ist der Wille zu einer transparenten Aufarbeitung des Bundesamtes für Verfassungsschutz mit Blick auf personelle NS-Kontinuitäten nicht zu erkennen, wenn bereits der Freigabe einer Einzelakte angebliche Sicherheitsrisiken entgegenstehen.
http://www.neues-deutschland.de/artikel/217564.aufklaerung-unerwuenscht.html
Interview: Peter Nowak

»Banken-Bashing ist nicht unser Ziel«

Für den 31. März planen linke Gruppen aus verschiedenen europäischen Ländern einen europäischen, antikapitalistischen Aktionstag. Das Bündnis »Ums Ganze!« gehört zum Netzwerk »M31«, das die bundesweiten und internationalen Proteste koordiniert. Die Jungle World hat nach den Formen und Inhalten der Mobilisierung in Deutschland gefragt.

Wie ist die Idee zu einem europäischen Aktionstag entstanden?

Die Frage, wie auf die derzeitige Krise reagiert werden kann, wird seit dem Beginn der sogenannten Bankenkrise in unterschiedlichsten Spektren der antikapitalistischen Linken diskutiert. Gruppen aus dem »Ums-Ganze!«-Bündnis haben sich in den vergangenen Jahren an regionalen Initiativen beteiligt. Gleichzeitig konnten wir aber auch international unsere Kontakte ausbauen. Im September 2011 hat »Ums Ganze!« einen Vortrag in Thessaloniki gehalten und dort erste Gespräche mit griechischen Aktivistinnen und Aktivsten geführt. Daraus entstand die Idee, sich zu vernetzen. Andere Gruppen aus dem »M31«-Netzwerk, etwa die FAU, sind über die anarchosyndikalistische »Internationale ArbeiterInnen As­soziation« (IAA) seit vielen Jahren international organisiert.

Wie gehen Sie damit um, dass es in einigen EU-Ländern beträchtlichen sozialen Widerstand gibt, während in Deutschland kaum protestiert wird?

Das Netzwerk »M31« versucht, diesen unterschiedlichen Erfahrungen Rechnung zu tragen: Es geht um Kapitalismuskritik, nicht um personalisierende Banker- oder Politikerschelte. Wir sind ein ­internationales Netzwerk mit antinationaler Perspektive. Wir stellen uns gegen alle Versuche der nationalistischen Spaltung und solidarisieren uns nicht mit Staaten, sondern mit den sozialen Kämpfen für ein besseres Leben für alle. Es geht um die Vernetzung konkreter Kämpfe – nicht um abstrakte Solidarität. Deshalb wird es gleichzeitig in vielen europäischen Städten Aktionen geben, die jeweils auf die konkrete Situation vor Ort Bezug nehmen. Wichtig für uns ist: Der 31. März soll der Beginn eines langfristigen theoretischen und praktischen Austausches zwischen den unterschiedlichen europäischen Linken markieren.

Welche Länder und Gruppen sind im Netzwerk vertreten?

In Deutschland ging die Initiative vor allem vom Frankfurter Krisenbündnis sowie von den beiden bundesweiten Organisationen »Ums Ganze!« und FAU aus. Inzwischen wird das Netwzerk »M31« von einer ganzen Reihe von Gruppen unterstützt. Unser Ziel ist eine Mobilisierung, die konstruktiv mit politischen Differenzen umgeht. Auf europäischer Ebene sind bisher vor allem syndikalistische Gewerkschaften und antiautoritäre bzw. antinationale Initiativen aus Griechenland, Polen und Spanien dabei. Auch Antifa-Gruppen aus Österreich, den Niederlanden und Belgien beteiligen sich an der Mobilisierung. In Frankreich, Italien und Großbritannien wird über die Form der Beteiligung diskutiert. Wie breit die Proteste in den einzelnen Ländern werden, wird sich in den nächsten Wochen zeigen. Positiv ist jetzt schon, dass unser gemeinsamer Aufruf derzeit spektren- und grenzübergreifend diskutiert wird.

Wird die Europa-Politik der deutschen Regierung in den Debatten thematisiert?

Die deutsche Niedriglohnpolitik bei enormer Produktivität hat ja auch dazu geführt, dass weniger produktive Länder wie Griechenland oder Spanien an den Rand der Staatspleite getrieben wurden. Nun versucht Deutschland im Zuge der sogenannten Eurokrise, den Staaten der europäischen Peripherie neue Spar- und Sanierungsprogramme aufzuhalsen unter der Drohung einer Einstellung weiterer Finanzhilfen. Deshalb spielt Deutschland selbstverständlich eine Rolle bei den Mobilisierungen. Über die Finanz- und Wirtschaftspolitik der EU wird heute ja vor allem in Berlin und Paris entschieden. Wenn Deutschland sich zur EU und zum Euro bekennt, dann ist das keine Abkehr von nationaler Interessenpolitik. Im Gegenteil, Deutschland braucht die EU nicht nur als Binnenmarkt, sondern auch als Block auf dem Weltmarkt gegenüber den USA, Japan, Russland und vor allem China.

Warum wurde Frankfurt am Main als Ort für den Aktionstag ausgewählt?

Das Frankfurter Krisenbündnis war unter den Initiatoren der internationalen Vernetzung. Zum anderen ist Frankfurt der Sitz der EZB und somit zumindest der Standort einer der Institutionen, die maßgeblich an der Umsetzung der Sparprogramme für die Peripherie Europas beteiligt sind. Krisenpolitik ist auch Finanz- und Geldpolitik. Doch die antikapitalistischen Mobilisierungen sollen sich nicht auf die EZB und die Rolle der Geschäftsbanken beschränken. Der Kapitalismus ist ein umfassendes gesellschaftliches Herrschaftsverhältnis, und wir werden versuchen, dies an mehreren Orten zu thematisieren: vom Jobcenter über Zeitarbeitsfirmen bis hin zu den gentrifizierten Stadtteilen.

Gab es nicht dennoch Bedenken, dass die Konzentration auf die deutsche Bankenmetropole die Kritik auf den Finanzsektor beschränkt?

Diese Befürchtungen lassen sich schnell ausräumen. Die EZB als europäische Notenbank ist ja keine Geschäftsbank wie die Deutsche Bank oder die Commerzbank, sondern eine politische Institution. Uns geht es explizit um den politischen und ideologischen Charakter der Krisenbewältigung. Nicht Banken-Bashing ist unser Ziel. Im Zentrum unserer Kritik steht der systemische Charakter anonymer Verwertungszwänge im Kapitalismus. Insofern halten wir die ideologische Trennung zwischen dem »bösen« Finanzsektor und der »guten« Realwirtschaft für falsch und gefährlich.

Es gab bereits die Kritik, dass die EZB das falsche Objekt sei, weil sie sich mit ihrer Geldpolitik auch nicht gerade auf der Linie der Bundesregierung befindet .

Die EZB ist formal unabhängig in ihren Entscheidungen. Zugleich trägt sie geldpolitische Verantwortung für Wachstum und Stabilität in der Euro-Zone. Von der Höhe des Leitzinses hängt ab, wie viel frisches Geld den Geschäftsbanken zur Verfügung steht. Gerade deshalb hat sie aber auch in der Krise eine so große Bedeutung. Die Auseinandersetzung zwischen nationalen Regierungen und der EZB ist wesentlich für die Krisenpolitik, weil sich ja immer erst in der Zukunft zeigt, ob eine bestimmte Strategie den gewünschten Effekt bringt. Im Kern geht es aber um den gleichen Zweck, nämlich die Euro-Zone für den Weltmarkt fit zu machen oder – allgemeiner ­gesprochen – die Kapitalakkumulation sicherzustellen. Wir kritisieren diesen Zweck und wollen die Diskussion über eine Alternative zum Kapitalismus neu aufnehmen.

Wie steht der Aktionstag zur »Occupy«-Bewegung, die auch ihr Zentrum in Frankfurt am Main hat?

In Frankfurt haben wir in der Vergangenheit durchaus schon mit Gruppen aus der »Occupy«-Bewegung zusammengearbeitet. International ist diese Bewegung sehr heterogen und in vielen Ländern eine Sammelbewegung unterschiedlicher Spektren. Vor allem in den USA gingen von dieser Bewegung wichtige Impulse aus, praktischen Antikapitalismus voranzutreiben. In Griechenland hingegen spielt »Occupy« überhaupt keine Rolle.

Bei dem für den Mai geplanten und unter anderem von der Interventionistischen Linken favorisierten Aktionstag soll die »Occupy«-Bewegung einbezogen werden. Ist eine Koopera­tion mit »M31« auch vorstellbar?.

Ja, sicher. Mit der Interventionistischen Linken führen wir ja auch schon Gespräche und werden für ihre Aktion werben, sobald sie öffentlich feststeht. Man sollte die Proteste gegen die Krise als Gesamtchoreographie betrachten. Inhaltliche Differenzen spielen sicherlich eine Rolle, aber uns geht es darum, nach Wegen zu suchen, diese Auseinandersetzungen produktiv auszutragen.

Der 31. März soll den Auftakt der Proteste markieren. Das hört man oft vor größeren Mobilisierungen. Was wird dafür getan, jenseits der guten Absichten?

Zunächst zum Aktionstag: Unsere Demonstration hat das Ziel, unterschiedliche Praxisformen und Themenfelder miteinander zu verbinden. Hierzu koordinieren sich einzelne Arbeitsgruppen. Und für die eine oder andere Überraschung wird auch gesorgt sein. Da möchten wir hier noch gar nicht zu viel verraten.

Jenseits dessen sind weitere Proteste geplant, etwa die Aktionen der Interventionistischen Linken und anderer Initiativen. Nach dem 31. März werden wir uns daran beteiligen und die internationalen Kontakte nutzen, um weitere Mobilisierungen vorzubereiten. Insgesamt gilt es, die teilweise sehr unterschiedlichen Debatten in den einzelnen Ländern zu berücksichtigen. Die Reaktionen auf den gemeinsamen Aufruf sind sehr ermutigend. Wir brauchen aber einen langen Atem.

http://march31.net
Interview: Peter Nowak

http://jungle-world.com/artikel/2012/05/44784.html

Mit Energie gegen alte Energien

KONFERENZ Am Wochenende diskutieren Aktivisten der Umweltbewegung, wie sie mit Energiethemen Menschen mobilisieren können. Unterstützung für neues Volksbegehren

Mit Energiethemen kann man gut mobilisieren – das glauben zumindest Teile der Umweltbewegung. Wie das am besten geschehen kann, darüber wird am Wochenende im Mehringhof in Kreuzberg diskutiert. Die Strategie- und Aktionskonferenz unter dem Motto „Energiekämpfe in Bewegung“ wird von den energiepolitischen Initiativen Gegenstrom Berlin, Klimagerechtigkeit Leipzig und Ausgekohlt NRW organisiert. Diese drei Bündnisse haben sich zuletzt für umweltpolitische Themen engagiert, die nichts mit dem Kampf gegen Atomkraftwerke und Atommüll zu tun haben.

Auf der Konferenz wird die AKW-Thematik vom Berliner Anti-Atomplenum (AAP) behandelt. „Es ist der bundesweit erfolgreichste Energiekampf“, sagte Simon Straub, Aktivist von Gegenstrom, der taz. Anders als bei Konferenzen in der Vergangenheit stehe im Mehringhof aber die Vernetzung der unterschiedlichen Teilbereiche im Mittelpunkt, so Straub. Er wird am Freitagabend die Auftaktdiskussion moderieren. Sie soll ab 19 Uhr der Frage nachgehen, welche Unterschiede und Konflikte es zwischen den verschiedenen Ausrichtungen der Initiativen gibt. Teilnehmen werden AktivistInnen, die sich gegen AKW-Betrieb engagiert haben, KämpferInnen gegen die Kohleverstromung und die CO2-Spreicherung.

Am Samstag Vormittag sollen in Arbeitsgruppen auch für EinsteigerInnen in die aktuelle umweltpolitische Thematik Begriffe wie Wachstumskritik, Klimagerechtigkeit und Rekommunalisierung erklärt werden. Eine Arbeitsgruppe will sich mit der Frage befassen, ob und wo es im kommenden Sommer in Brandenburg ein Klimacamp geben soll. Im vergangenen Jahr gab es ein Anti-Kohle-Camp in der Nähe von Jänschwalde und einige Wochen später ein Camp in einem Kohle-Abbaugebiet in Nordrhein-Westfalen.

Die Kooperation von unterschiedlichen Spektren der umweltpolitischen Bewegung soll die Konferenz prägen, wünscht sich Simon Straub. Daher seien VertreterInnen von Umweltverbänden und Nichtregierungsorganisationen ebenso eingeladen worden wie AktivistInnen von außerparlamentarischen Gruppen, darunter das Berliner Anti-Atomplenum.

Am Sonntag soll von 11 bis 14 Uhr die energiepolitische Agenda für die nächsten Monate festgelegt werden. Dabei will die Gruppe „Für eine linke Strömung“ (fels) die Idee einer Kampagne zur Vergesellschaftung des Vattenfall-Konzerns vorstellen. Sie soll das vom Berliner Energietisch initiierte Volksbegehren „Neue Energie für Berlin“ begleiten. Vor dem Hintergrund des Ende 2014 auslaufenden Strom-Konzessionsvertrags will das Bündnis dafür sorgen, dass sich „die nur alle 20 Jahre ergebende Chance zur Rekommunalisierung der Stromnetze“ genutzt wird. Gleichzeitig wird die Gründung berlineigener Stadtwerke gefordert. Die erste Phase des Volksbegehrens soll mit der Unterschriftensammlung im Frühjahr beginnen.

„Wir unterstützten diese Initiative“, erklärt Philip Stein von fels. Seine Gruppe will mit der Forderung nach der Vergesellschaftung des Vattenfall-Konzerns noch darüber hinausgehen. Denn auch nach einer erfolgreichen Rekommunalisierung der Stromnetze könne der Konzern seine Politik in anderen Bereichen fortsetzen.
http://www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=bl&dig=2012%
2F02%2F03%2Fa0163&cHash=fc49ec6eab
Peter Nowak

Gegen ein plumpes Bankenbashing

Broschüre der Rosa-Luxemburg-Stiftung zur Kapitalismuskritik in der Bildungsarbeit
In Zeiten der Eurokrise haben Verschwörungstheorien Konjunktur. Seriös aufklären will die AG Politische Ökonomie im Jugendbildungsnetzwerk der Rosa-Luxemburg-Stiftung mit der Broschüre »Bildung zu Kapitalismus und Kapitalismuskritik«.

Die drei Euro für die hundertseitige Broschüre sind gut investiert. Denn die Autoren beweisen, dass es möglich ist, Kapitalismuskritik allgemein verständlich darzustellen, ohne in Klischees zu verfallen. Unter den Überschriften »Der Ablauf der Finanzkrise«, »Durchschnittsvermögen in Deutschland«, »Über Ökonomie reden« werden einige Methoden vorstellt, mit denen Menschen Informationen über ökonomische Mechanismen vermittelt werden sollen. Hinter der Überschrift »Warum der Markt mehr leistet« verbirgt sich keine Marktwirtschaftspropaganda.
Vielmehr werden Zitate des Ökonomienobelpreisträgers und Marktideologen Friedrich August von Hayek einer kritischen Prüfung unterzogen. »Der vorherrschende Glaube an die soziale Marktwirtschaft ist gegenwärtig wahrscheinlich die schwerste Bedrohung einer freien Zivilisation«, erklärte Hayek in den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts.

Die Materialien sollen die Teilnehmer von Kursen in der politischen Bildungsarbeit zu kritischem Hinterfragen der vorgestellten Thesen befähigen. Daher werden immer wieder auch gegensätzliche Standpunkte gegenübergestellt. So kommen in den Methoden zu den Sonderwirtschaftszonen in Zentralamerika Stimmen zu Wort, die sich über die schlechten Arbeitsbedingungen und Löhne beklagen. Daneben betonen Beschäftigte, dass sie froh sind, diese Arbeit überhaupt bekommen zu haben. Die Kursteilnehmer werden zusammen mit den Teamern herausarbeiten, dass solche Stellungnahmen Ausdruck der prekären Lebensverhältnisse vieler Menschen im globalen Süden sind. Ein Kapitel widmet sich in der Broschüre der völkischen Kapitalismuskritik rechter Gruppen. Dabei soll beschrieben werden, inwieweit sich deren Ansatz von linker Kritik unterscheidet, aber auch wo es Schnittpunkte gibt. Die sehen die Verfasser vor allem beim plumpen Bankenbashing und einer personifizierenden Kapitalismuskritik.

Die kann sich in der auch in linken Kreisen beliebten Parole »Das große Geld beherrscht die Welt« ausdrücken, die im ersten Kapitel der Broschüre mit Bild und Text kritisiert wird. Das Kapitel ist den Fallstricken gewidmet, die nicht nur in der Bildungsarbeit zum Thema Kapitalismuskritik beachtet werden sollen. Wenn man manche Parolen auf Protestflugblättern und -transparenten liest, könnte auch dort eine Lektüre der Broschüre nichts schaden.

Der Bedarf an derart politischer Bildungsarbeit ist offenbar groß. Die im Oktober 2011 herausgegebene Broschüre der Rosa-Luxemburg-Stiftung ist ausverkauft und wird gerade nachgedruckt.

Hier kann der Inhalt der Broschüre eingesehen werden:

poloek.arranca.de/wiki/start Bestellungen für die zweite Auflage der Broschüre können an bb@arranca.de gerichtet werden.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/
217384.gegen-ein-plumpes-bankenbashing.html
Peter Nowak

Deutsche Bank hat sich nicht vom Acker gemacht


Entgegen Versprechungen gegenüber foodwatch zieht sich die Deutsche Bank anscheinend nicht aus Geschäften mit der Spekulation von Nahrungsmitteln zurück

Die NGO foodwatch wirft der Deutschen Bank vor, weiterhin nicht aus dem Geschäft mit der Nahrungsmittelspekulation auszusteigen und eine Entscheidung darüber hinauszuzögern. Damit habe Josef Ackermann ein Versprechen gebrochen, so die enttäuschte foodwatch-Sprecherin Christiana Groß.

Die Organisation hatte Ende Oktober letzten Jahres einen Report unter dem Titel Die Hungermacher veröffentlicht, in dem die Folgen der Nahrungsmittelspekulation geschildert werden. An konkreten Beispielen wurde aufgezeigt, wie dadurch die Lebensmittelpreise steigen und für viele Menschen im globalen Süden unerschwinglich werden. Unter dem Motto „Hände weg vom Acker, Mann“ initiierte die Organisation eine Protestkampagne.

Die kritische Berichterstattung setzte die Deutsche Bank unter Druck und Ackermann kündigte eine Entscheidung bis Ende Januar an. In einem Brief an den Vorsitzenden von foodwatch, Thilo Boode, schrieb Ackermann:

„Ich teile Ihre Betrübnis darüber, dass viele Menschen auf dieser Welt immer noch in Armut leben und Hunger leiden müssen.“

Eigene Studie angekündigt

Doch jetzt will die Deutsche Bank erst einmal weiterprüfen. „Wir stehen erst am Anfang der von mir zugesagten Überprüfung unseres Geschäfts mit Agrar-Rohstoffen“, hieß es in einem Brief von Ackermann an foodwatch. Per E-Mail ergänzte die für Nachhaltigkeit zuständige Mitarbeiterin Ackermanns, die Deutsche Bank werde nun „in den kommenden Monaten eine umfassende Studie zum Thema“ erarbeiten. Einen konkreten Zeitpunkt für die Entscheidung nannte sie allerdings nicht. Das ist für foodwatch eine unverständliche Haltung, zumal es schon zahlreiche Studien über die Folgen der Nahrungsmittelspekulation gebe.

„Während die Deutsche Bank angeblich prüft und Studien erarbeitet, sterben Menschen in den ärmsten Ländern an Hunger – auch wegen der Spekulationsgeschäfte der Deutschen Bank“, moniert der foodwatch-Vorsitzende Thilo Bode. Er zweifelt mittlerweile an der Bereitschaft der Deutschen Bank, die Folgen der Nahrungsmittelspekulation ernsthaft überprüfen zu wollen. Schließlich habe bei einem Gespräch von foodwatch mit Deutsche-Bank-Vertretern in London Mitte Dezember 2011 ein leitender Rohstoff-Händler sogar klipp klar zugegeben, dass er den foodwatch-Report nicht einmal gelesen habe.

Das Thema Nahrungsmittelspekulation und die Deutsche Bank wurde im Dezember letzten Jahres öffentlich prominent durch einen vom Zentrum für politische Schönheit produzierten Film, in dem Manager der Deutschen Bank recht offenherzig über Nahrungsmittelspekulation und die afrikanischen Länder reden. Nachdem die Deutsche Bank mit der Begründung, die Interviews seien nicht autorisiert gewesen, juristisch gegen den Film vorgehen wollte, war das Thema erst richtig bekannt geworden (Die Bank, die Kunst und der Hunger).
http://www.heise.de/tp/blogs/8/151343
Peter Nowak

Pannen und Boykott

Datenschützer ziehen Bilanz über die Volkszählung im letzten Jahr

Die Zensus 2011 genannte Volkszählung ist im öffentlichen Bewusstsein längst vergessen und auch die Medien haben längst andere Themen entdeckt. Manche linken Aktivisten erinnern sich vielleicht wehmütig an die große Anti-Volkszählungsbewegung in der BRD der 80er Jahre des letzten Jahrhunderts. Damals beschäftigte das Thema Gerichte, Gesellschaft und Politik über Jahre.

Doch die Bilanz, die der Arbeitskreis (AK) Zensus, eine im Mai 2010 unter dem Dach des Arbeitskreises Vorratsdatenspeicherung gegründete Bürgerinitiative, jetzt vorgelegt hat, zieht eine für die Kritiker positive Bilanz.

Anfang November 2011, sechs Monate nach dem Stichtag der Volkszählung „Zensus 2011“ hatten nach Auskunft der Behörden noch rund 400.000 Haushaltsbefragte keine Antworten gegeben und beinahe 4 Millionen ausgesendete Fragebögen der Gebäude- und Wohnungszählung waren noch nicht zurückgeschickt worden. „Es gibt also trotz allerlei anderslautender Bekundungen ein nicht zu unterschätzendes Verweigerungspotential der Bevölkerung gegenüber den per Gesetz verankerten Auskunftspflichten“, schreibt der AK Zensus.

Erzwingungshaft angedroht

Nach Angaben des Datenschutzexperten Werner Hülsmann, der den Zensus mit einer Klage verhindern wollte, hätten die Landesstatistikämter mittlerweile Zwangsgelddrohungen an die Volkszählungsmuffel verschickt. In einigen Bundesländern seien die Briefe bereits im November 2011, in anderen in den letzten Tagen rausgegangen.

Das angedrohte Zwangsgeld beträgt mit den anfallenden Amtsgebühren 406 Euro, kann aber bei konsequenter Weigerung an der Volkszählung teilzunehmen, mehrmals vollstreckt werden. In Berlin sei bereits mit der Verhängung von Ersatzzwangshaft gedroht worden. Hülsmann hält eine Vollstreckung allerdings für extrem unwahrscheinlich, weil sie nach juristischen Gesichtspunkten unverhältnismäßig sei.

Wegen einer Panne könnten in Hamburg und Schleswig-Holstein verschickte Zwangsgeldandrohungen aus juristischer Sicht haltlos sein. In den förmlichen Zustellungen forderten die Behörden mit Nachdruck auf, „den mit diesem Schreiben übermittelten Fragebogen“ unbedingt zu beantworten. Doch dem Schreiben lag kein Fragebogen bei, berichteten Betroffene dem AK Zensus.

Pannen hat es nach Ansicht der Datenschützer auch beim Ablauf der Befragung in zahlreichen Bundesländern gegeben. So monierte die hessische Landesdatenschutzbehörde erhebliche Mängel bei der praktischen Umsetzung der Volkszählung. Amtsräume, die für die Durchführung der Volkszählung genutzt wurden, seien unbesetzt gewesen, während die Tür offen stand. Rechner seien widerrechtlich ans Internet angeschlossen gewesen, Software falsch installiert gewesen.

Das hessische Datenschutzamt spricht allerdings lediglich von kleinen Fehlern bei der Durchführung. „Dass die hessische Landesdatenschutzbehörde die gravierenden Vorfälle zu bagatellisieren versucht, ist für mich völlig unverständlich“, meint dagegen Michael Ebeling vom AK Zensus. Er vermutet in den bekannt gewordenen Pannen „nicht mehr als nur die Spitze des Eisbergs“. Schließlich seien in einigen Bundesländern, beispielsweise in Niedersachsen, keine Überprüfungen durchgeführt worden.
http://www.heise.de/tp/blogs/8/151332
Peter Nowak

Zensusmuffel sind gezählt

Bürgerrechtler haben eine Bilanz des Zensus 2011 vorgelegt.

Dabei sieht es für die Gegner der Volkszählung gar nicht so schlecht aus. Offenbar gibt es weit mehr Verweigerer als bis jetzt bekannt, teilte der Arbeitskreis (AK) Zensus, eine Bürgerinitiative unter dem Dach des AK Vorratsdatenspeicherung, mit. So hätten Anfang November 2011, also sechs Monate nach dem Stichtag der Volkszählung, nach Auskunft der Behörden noch rund 400 000 Haushaltsbefragte keine Antworten gegeben und beinahe vier Millionen Fragebögen der Gebäude- und Wohnungszählung seien noch nicht zurückgeschickt worden. »Es gibt also trotz allerlei anderslautender Bekundungen ein nicht zu unterschätzendes Verweigerungspotenzial der Bevölkerung gegenüber den per Gesetz verankerten Auskunftspflichten«, heißt es in einer Mitteilung des AK Zensus.

Die hohe Ausfallquote bei den Immobilienbesitzern erklärt das Statistische Bundesamt mit falsch verschickten Fragebögen. So seien 25,1 Millionen Fragebögen verschickt worden. Dabei gehe man nur von 17,5 Millionen Eigentümern von Wohnungen aus.

Nach Angaben des Datenschutzexperten Werner Hülsmann haben die Landesstatistikämter mittlerweile Zwangsgelddrohungen an die Volkszählungsmuffel verschickt. In einigen Bundesländern seien die Briefe bereits im November, in anderen in den letzten Tagen rausgegangen. Das angedrohte Zwangsgeld beträgt mit den anfallenden Gebühren 406 Euro. Es kann aber bei fortgesetzter Weigerung mehrmals verhängt werden. In Berlin sei bereits mit Ersatzzwangshaft gedroht worden. Hülsmann hält eine Vollstreckung allerdings für extrem unwahrscheinlich, weil sie nach juristischen Gesichtspunkten unverhältnismäßig sei. Wegen einer Panne könnten Zwangsgeldandrohungen in Hamburg und Schleswig-Holstein gänzlich haltlos sein. So sehen es Juristen aus den Reihen der Volkszählungsgegner. Demnach haben Boykotteure die amtliche Aufforderung bekommen, »den mit diesem Schreiben übermittelten Fragebogen« unbedingt zu beantworten. Doch der Fragebogen fehlte, wie Betroffene dem AK Zensus berichteten.

Pannen hat es nach Angaben der Datenschützer auch beim Ablauf der Befragung gegeben. So monierte die hessische Landesdatenschutzbehörde erhebliche Mängel bei der praktischen Umsetzung der Volkszählung. Amtsräume, die für die Durchführung der Zählung genutzt wurden, seien unbesetzt gewesen, während die Tür offen stand. Rechner seien widerrechtlich ans Internet angeschlossen, Software falsch installiert gewesen. Die sensiblen Personendaten hätten also leicht abhanden kommen können. »Unsere Bedenken wurden offenbar nicht ernst genommen«, kritisiert Michael Ebeling vom AK Zensus die Sicherheitsmängel.
http://www.neues-deutschland.de/artikel/217173.zensusmuffel-sind-gezaehlt.html
Peter Nowak

Deutsche Teaparty?

Die Occupy-Bewegung streitet über ihre politische Orientierung
Occupy-Aktivisten loben den wirtschaftsliberalen Parteienkritiker Hans-Olaf Henkel und strapazieren damit die Solidarität bei Unterstützern.

Die Kontroverse macht sich an der Person von Hans-Olaf Henkel fest. Der ehemalige Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI) wurde in einem Facebook-Beitrag von einigen Occupy-Aktivisten zum Bündnispartner erklärt. Henkel gehört zu den rechten Parteienkritikern, die der Bundesregierung eine angebliche Abkehr vom Wirtschaftsliberalismus vorwerfen. Auch als Kritiker des Euros hat sich Henkel einen Namen gemacht. Sein Name fällt immer wieder, wenn von einer deutschen Version der Teaparty-Bewegung, einer rechten, von Großkonzernen gesponserten US-Bürgerbewegung, die Rede ist. Von Anfang an gab es Versuche, die Occupy-Bewegung in ein solches Bündnis einzugliedern, das sich gegen alle Parteien und Gewerkschaften, den Euro und eine angebliche Bevormundung durch die EU-Gremien in Brüssel wendet.

Erst im Dezember wurde unter dem Titel »Tea Party und/oder Occupy?« in Berlin das Potenzial einer solchen Verbindung diskutiert. Daran nahm Bastian Menningen von Occupy Berlin teil. »Er machte auf dem Podium Bella Figura, war freundlich und verbindlich«, schrieb Jürgen Elsässer in seinem Blog. Der einst linke und nun volksfrontbefürwortende Publizist hatte die Veranstaltung moderiert und spricht sich für ein Bündnis zwischen Teaparty und Occupy-Bewegung aus.

Doch diesen Weg wollen längst nicht alle Occupy-Aktivisten mitgehen. »Wir nehmen Abstand von Rechtspopulisten wie Hans-Olaf Henkel und sehen uns in keiner Weise der eigenverantwortlichen Gruppe Occupy Germany verbunden oder zugehörig«, heißt es in einer von den Thüringer Gruppen Gera und Zeulenroda unterschriebenen Erklärung. Auch bisher solidarische Unterstützer sind irritiert. So fragte der Mitarbeiter der antineoliberalen Internetplattform »Nachdenkseiten«, Jens Berger, jetzt in einem Beitrag, ob es mit den inhaltlichen Ansprüchen der Bewegung vereinbar sei, »den Rechtspopulisten Hans-Olaf Henkel zu ›interviewen‹ und dazu auf Facebook einen wohlwollenden, komplett kritiklosen Artikel zu schreiben, der jedem Leser den Eindruck vermittelt, die Ziele von Henkel seien mit denen von Occupy Deutschland deckungsgleich«? Die unter dem Henkel-Lob geposteten Links zu Artikeln, die sich kritisch mit dem Ex-BDI-Chef befassen, waren dagegen gelöscht worden.

Alexis Passadakis vom Attac-Koordinierungskreis, der mit Occupy zusammenarbeitet, glaubt nicht an eine rechte Unterwanderung. Er sieht in den losen Strukturen das Problem. »Die Occupy-Gruppen haben einen vorpolitischen Unmut ohne festgelegte Position und sind in dieser Hinsicht unerfahren.« Deshalb würden auch rechtspopulistische Positionen teilweise kritiklos aufgenommen, analysiert Passadakis.

Occupy-Aktivisten bestätigen diesen Befund. Ein Mann aus Berlin moniert, dass Kritik an rechten Positionen schnell als ideologisch abgewehrt würden.

Steckbrief

Der Name
Der Name »Occupy« – Besetzen – ist Programm. Nach dem Vorbild von Ägypten, Spanien und den USA besetzten Aktivisten im Oktober 2011 in mehreren deutschen Städten öffentliche Plätze und stellten Zelte auf. In Berlin wurde das Camp Anfang Januar geräumt. In Frankfurt am Main hingegen trotzt es der Winterkälte.

Die Verbreitung
Bundesweit gibt es rund 40 Occupy-Zusammenhänge.

Das Programm
Die gemeinsamen Vorstellungen sind vage. Geteilt werden die Kritik an der Macht der Banken und der Wunsch nach mehr direkter Demokratie. Im Selbstverständnis von Occupy Deutschland heißt es: »Wir brauchen eine ethische Revolution. Anstatt das Geld über Menschen zu stellen, sollten wir es wieder in unsere Dienste stellen.«

Die Aktionen
Derzeit passiert nicht viel. Aber im Frühjahr sollen wieder verstärkt Aktionen stattfinden.

Besonderes Merkmal
Die täglichen Vollversammlungen mit ihren basisdemokratischen Entscheidungs- und Kommunikationsformen.

Peter Nowak
http://www.neues-deutschland.de/artikel/217171.deutsche-teaparty.html