Rechtsdrehend grün

Die »AG für klares Deutsch« der Grünen dürfte kaum bekannt sein, ihr Leiter Rolf Stolz dafür umso mehr. Nicht nur die deutsche Sprache, auch die deutsche Nation haben es dem 65-Jährigen angetan. »Die Mullahs am Rhein. Der Vormarsch des Islams in Europa« und »Der Deutsche Komplex. Alternativen zur Selbstverleugnung« und »Deutschland Deine Zuwanderer« sind nur drei von vielen Büchern, in denen der bündnisgrüne Publizist für Nationalstolz eintritt.

Für die rechtskonservative Wochenzeitung »Junge Freiheit« publizierte Stolz ebenso wie er für verschiedene Rechtsaußenorganisationen als Referent tätig ist. In diesen Kreisen fällt er vor allem wegen seiner Parteimitgliedschaft auf. Denn Stolz ist seit 34 Jahren Mitglied der Grünen. »Ich bleibe bei den Grünen, um das politische Erbe von Petra Kelly und all denen, die wie ich seit 1980 für eine ökologische, pazifistische, soziale Antiparteien-Partei gekämpft haben, zu verteidigen«, sagte er gegenüber »neues deutschland«.

Die Kölner Kreisvorsitzende der Grünen, Katharina Dröge, strebt nun ein Ausschlussverfahren gegen Stolz an. Der aktuelle Anlass ist eine Rede bei der rechtslastigen Burschenschaft Danubia, wo er vor einer Überfremdung Deutschlands und der Antifa warnte. Es ist nicht das erste Mal, dass die Grünen Stolz loswerden wollen.

Er ist der bekannteste Vertreter des deutschnationalen Flügels bei den Grünen, der in der Frühphase viel von sich reden machte, heute aber kaum noch bekannt ist. Schon in den 80er Jahren wollte Stolz Rechte mit Linken ins Gespräch bringen. Davon will er sich auch durch Austrittsdrohungen nicht abhalten lassen. Vor allem nicht, wenn sie von denen kommen, die »aus der freiheitlichen Friedenspartei der 80er Jahre eine olivgrün militarisierte Block-FDP 2.0 gemacht haben«, so Stolz. Auch die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di wollte Scholz ausschließen, ist damit aber gescheitert.

https://www.neues-deutschland.de/artikel/937667.rechtsdrehend-gruen.html

Peter Nowak

Von Putinverstehern und Friedensbewegten

Berlins Verfassung soll keine Rasse mehr kennen

Grüner Rechtsruck

Links

[1]

http://www.welt.de/politik/deutschland/article108279073/Gruener-warnt-vor-Wahlkampf-mit-Roth-und-Trittin.html

[2]

http://www.taz.de/Kommentar-Bundestagswahl-2013/!124214/

[3]

http://www.heise.de/tp/blogs/8/154968

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http://www.dradio.de/aktuell/2261023/

Wer ist schuld am grünen Absturz?

Links

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Pädos, Indianerkommune und noch eine grüne Vergangenheitsdebatte

Links

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http://www.taz.de/Gruene-und-Paedophilie/!121767

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http://www.demokratie-goettingen.de/institut/prof-franz-walter

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http://www.demokratie-goettingen.de/mitarbeiter/klecha-stephan

[4]

http://www.faz.net/aktuell/politik/aufarbeitung-der-vergangenheit-die-parteien-und-die-paedophilen-12514590.html

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http://www.faz.net/aktuell/politik/inland/irrige-positionen-gruene-spitzenkandidaten-loben-paedophiliestudie-12529105.html

[6]

http://www.dagmar-doering.de/lebenslauf.php

[7]

http://www.dagmar-doering.de/

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http://gegen-kapital-und-nation.org/zur-sozialdemokratisierung-des-bundesverbandes-jungdemokratinnen-junge-linke

[9]

http://www.cohn-bendit.eu/de/ct/392-Verleihung-des-48.-Theodor-Heuss-Preises-an-Daniel-Cohn-Bendit#center

[10]

http://www.cohn-bendit.eu/de

[11]

http://www.heise.de/tp/blogs/8/154270

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http://www.taz.de/Paedophiliedebatte-in-den-1980ern/!121701/

[13]

http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2013-01/femen-herbertstrasse-protest

[14]

http://www.hydra-berlin.de/ueber_uns/ziele_von_hydra/

Ein Coffeeshop in Kreuzberg?

Links

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http://www.youtube.com/watch?v=FFTLKLzUX_I

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http://www.stroebele-online.dae/presse/26813.html

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http://www.hanfparade.de/

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http://www.hanfparade.de/ziele-motto/motto.html

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http://www.bz-berlin.de/bezirk/kreuzberg/drogenrazzien-im-goerli-sind-sinnlos-article1716997.html

[6]

http://www.kop-berlin.de/veranstaltung/schluss-mit-den-rassistischen-polizeikontrollen-end-racial-profiling-es-gibt-hier-kein-problem-mit-der-sicherheit-es-gibt-hier-ein-problem-mit-der-polizei-there-s-no-problem-with-safety-here-there-s-a-problem-with-the-police

[7]

http://www.tagesspiegel.de/berlin/polizei-justiz/goerlitzer-park-in-berlin-drogenkontrollen-und-gegenkundgebung/8587460.html

Schulterschluss mit der Wirtschaft und bloß nirgendwo anecken

Auf dem grünen Parteitag wurden grundlegende politische Diskussionen nicht geführt

Nach dem Parteitag der Grünen geht es zum Protest. Die Parteitagsregie und der Castorwiderstand machten es möglich, dass viele Delegierte des grünen Parteitags doch noch von Kiel in das Wendland fahren und zumindest symbolisch Präsenz zeigen konnten. Auf dem Parteitag wurde denn auch immer wieder über die Stationen des Castors informiert. Es sollte in der Öffentlichkeit gar nicht erst der Eindruck entstehen, dass die Grünen den Castorwiderstand für Vergangenheit halten.
Allerdings war dieser Eindruck nicht zuletzt durch ein Interview entstanden, das der neue grüne Hoffnungsträger, der erste grüne Ministerpräsident Winfried Kretschmann, der Zeit gegeben hatte. „Der Protest macht keinen Sinn mehr“, wurde dort der von den Medien nach dem Parteitag mit Begriffen wie „grüner Papst“ titulierte Politiker zitiert. Auch auf dem Parteitag machten sich einige per Twitter über den Personenkult um Kretschmann lustig.

Hat die Partei also einen neuen Joschka Fischer? Wie beim Ex-Außenminister lässt sich auch bei Kretschmann schon jetzt feststellen, dass Inhalte ausgeblendet werden. So wurde auch der baden-württembergische Ministerpräsident auf dem Parteitag gefeiert, obwohl es im Vorfeld viel Kritik dafür gab, dass er bei der neuen Endlagersuche den Standort Gorleben nicht ausgeschlossen hatte. Nun hört sich die vehemente Forderung aus dem Wendland, dass unter allen Regionen Deutschlands ausgerechnet die dünnbesiedelte Gegend um Gorleben auf jeden Fall für ein Atommüll-Lager ungeeignet sein soll, nach dem Prinzip an: „Hautsprache nicht hinter meinen ökologisch gedüngten Kleingarten“.

Gorleben ist aber für die grüne Seele wichtig, weil viele dort schon mal demonstriert haben. Daher gab es im Vorfeld viel Kritik an Kretschmanns Kompromiss. Doch wie so oft in der grünen Geschichte ist für die grüne Seele seit Jahren Claudia Roth zuständig, wenn es um die Macht geht, wird dann doch Kretschmann bejubelt, wie ein Jahrzehnt vorher Fischer.

Ein Wunder oder ein Fiasko von Stuttgart?

Dabei ist die Position des ersten grünen Ministerpräsidenten gar nicht so sicher, wie es scheint. Vieles wird von dem heutigen Ausgang der Volksabstimmung über das Bahnprojekt Stuttgart 21 abhängen. Wird es mit der nötigen Quote abgelehnt, werden alle vom Wunder von Stuttgart reden und die Grünen werden ihren Politiker bei den schwierigen Verhandlungen der Abwicklung den Rücken stärken. Sollte es ein klares Votum für den Bau von Stuttgart 21 geben, wird die grüne Seele eine Nacht baumeln und dann wird die Partei ihre Regierungsfähigkeit damit begründen, dass sie einen Konflikt auf besondere Weise befriedet hat. Ein umstrittenes Projekt wird mit dem Bürgervotum geadelt gebaut, und wer weiterhin dagegen ist, wird marginalisiert. Ein solches Konfliktbearbeitungsmodell würde die Partei auch an anderen Brennpunkten interessant machen.

Doch was passiert, wenn das hohe Quorum der Volksbefragung in Baden-Württemberg knapp verfehlt, aber eine hohe Ablehnung des Bahnprojekts zustande kommt? Wie reagiert dann der Koalitionspartner SPD, der sich für das Projekt ausspricht? Und wird auch dann die grüne Basis still leiden und das Projekt ansonsten nicht mehr gefährden? Diese vielen offenen Fragen, die an der Zukunft von Kretschmann als Ministerpräsident hängen, dürfen bei dem großen Applaus für ihn in Kiel nicht außer Acht gelassen werden. Schnell kann das Wunder von Stuttgart zu einem Fiasko werden, wenn die Koalition am Streit um die Interpretation der Volksabstimmung zerbrechen sollte.

Wie schnell Hoffnungsträger bei den Grünen out sind, musste erst vor einigen Monaten Renate Künast in Berlin erleben. Als Kandidatin für das Amt der Regierenden Bürgermeisterin mit viel Vorschusslorbeeren aufgestellt, wurde sie bald für alle Fehler des Grünen Wahlkamps in Berlin verantwortlich gemacht. Am Ende hatte die Partei eine innerparteiliche Polarisierung erlebt, wie er in der Partei eigentlich nach dem Austritt der Linken vor nun mehr als 20 Jahren nicht mehr für möglich gehalten wurde.

Nachdem bei der Vorstandswahl in Berlin die Realos alle Posten für sich reklamieren konnten, rebellierte der linke Flügel und meldete sich sogar mit einer eigenen Pressekonferenz zu Wort. Vorerst ist ein kalter Friede in der Berliner Partei verordnet worden, nachdem der Exponent des rechten Parteiflügels Volker Ratzmann von seinen Vorstandsposten zurücktrat. Der linke Flügel konnte sich allerdings auch nicht mit seiner Forderung nach einen eigenen Kandidaten durchsetzen, so dass jetzt die pragmatischer auftretende Ramona Pop die Vorstandsarbeit alleine ausführt.


Steuersatz wie unter Helmut Kohl zu radikal?

Solche grundlegenden politischen Differenzen kamen auf dem Parteitag gar nicht erst auf. Konflikte, die es um den neuen grünen Steuersatz gab, wurden schon im Vorfeld von der Parteitagsregie geglättet. So befürchteten wichtige Parteiexponenten, die guten Beziehungen zu der Wirtschaft könnten gestört werden, wenn auf dem Parteitag wie von der Grünen Jugend und einigen Wirtschaftspolitkern gewünscht, ein Spitzensteuersatz von 52 %, wie er unter der schwarz-gelben Bundesregierung unter Helmut Kohl galt, als künftige Richtschnur festgelegt worden wäre.

„Wir müssen mit der ausgestreckten Hand, nicht mit der Faust auf die Wirtschaft zugehen“, betonte der Parteivorsitzende Cem Özdemir, als sei die Kohl-Regierung ein Hort des Klassenkampfes gewesen. Doch seine Intervention hatte am Parteitag Erfolg. Die Delegierten sprachen sich mehrheitlich für einen Spitzensteuersatz von 49 % ab einem Jahreseinkommen von 80.000 Euro aus. Den grünen Schulterschluss mit der Wirtschaft symbolisierte der Generalsekretär des Handwerksverbandes, Holger Schwannecke, als einer der Hauptredner. Als Partner der Wirtschaft wollen die Grünen Deutschland in einen grünen Kapitalismus führen.

Partei der moderaten deutschen EU-Interessen

Auch die Frage der Finanzmärkte soll in enger Kooperation mit der Wirtschaft angegangen werden. Die Grünen gaben sich ein betont EU-freundliches Programm und sprachen sich im Gegensatz zur Bundesregierung, aber im Einklang mit vielen Politikern anderer EU-Staaten für Eurobonds aus.

Als einer der bejubelten Gastredner nahm der vor wenigen Wochen von den EU-Gremien gestürzte griechische Ministerpräsident Papandreou am grünen Parteitag teil. Gerade die Weichenstellung als Pro-EU-Partei könnte die Grünen als Regierungspartner auch für die Eliten aus der Wirtschaft interessant werden lassen. Die Bundesregierung hat sich mittlerweile mit ihrer Ablehnung von Eurobonds und ihrer Betonung des Wirtschaftsliberalismus nicht nur bei großen Teilen der Bevölkerung in den EU-Staaten, sondern auch bei vielen Politikern und Ökonomen isoliert. Es könnte sich bald erweisen, dass sie sich damit in eine Sackgasse manövriert hat. Dann könnten die Grünen als Partei, die die deutschen Interessen in der EU scheinbar moderater und mehr im Einklang mit den Partnerländern treffen will, an Bedeutung gewinnen.

Wenn in immer mehr EU-Staaten, nicht nur an der Peripherie, von einen deutschen Diktat geredet und selbst in Frankreich Unmut über die Merkel-Linie laut wird, kommt eine Partei, die die anderen EU-Ländern nicht von Anbeginn das Gefühl gibt, sie seien nur untergeordnet, gut an. Was die grüne EU-Linie in der Praxis für große Teile der Bevölkerung bedeutet, steht auf einem anderen Blatt. Von der vielfältigen Protestbewegung gegen die sozialen Zumutungen des wirtschaftlichen EU-Diktats, die es in Griechenland, Spanien und Portugal gibt, wurde auf dem Parteitag wenig Notiz genommen.

Eingeknickt vor der Verwertungsindustrie?

Auch der Versuch grüner Netzpolitiker, das Urheberrecht gründlich zu reformieren, wurde zunächst vertagt. Ihr Antrag, das Urheberrecht auf 5 Jahre auf Veröffentlichung zu begrenzen, fand keine Mehrheit („VermittlerInnen“ und „ProduzentInnen“). „Grüne fürchten den Zorn der Kreativen“, titelten die Medien schon im Vorfeld.

Doch es war wohl eher die kreative Lobbyarbeit der Rechteverwertungsindustrie, die ihre Interessen gerne mit schlecht bezahlten Künstlern begründet, die das Votum der Delegierten beeinflusst haben dürfte. Der Berliner Konzertagent und Publizist Bertold Seliger hat kürzlich mit seinem Artikel über diese ideologische Verknüpfung in der Zeitschrift Konkret eine Debatte ausgelöst, bei der neben Polemik auch viele bedenkenswerte Argumente ausgetauscht wurden.

Auf dem Parteitag der Grünen wurde hingegen der Antrag zur Verkürzung des Urheberrechts lediglich unter den Blickpunkt vertagt, wie man es vermeiden kann, bei der Wirtschaft anzuecken. Dieses Prinzip galt auch für die Debatte um ein erneutes NPD-Verbotsverfahren. Nur, wenn es erfolgreich zu Ende geführt werden kann, lautet die Formel, die zur Zeit aus allen politischen Lagern zu hören ist. Da aber in einer juristischen Auseinandersetzung ein Erfolg nicht sicher sein kann, heißt das, es wird kein neues Verfahren geben.

Ob das Prinzip „Schulterschluss mit der Wirtschaft und bloß nirgendwo anecken“, auf die Dauer ausreicht, um auf der grünen Erfolgswelle der letzten Monate weiter zu surfen, ist fraglich. Der Einschnitt bei der Berliner Wahl ist ein erstes Zeichen, dass die Partei wieder in der Realität angekommen ist und zur Kenntnis nehmen muss, dass sie ein festes Wählerpotential von knapp 10 % hat.
http://www.heise.de/tp/artikel/35/35954/1.html
Peter Nowak

Kuschen Berliner Grüne vor Sarrazin?

Die Integrationspolitik sorgte auf der Landesdelegiertenkonferenz der Berliner Grünen Streit
„Eintritt frei. Eine Stadt für Alle“ lautete das Motto der Landesdelegiertenkonferenz der Berliner Grünen. Sie war auch medial mit besonderer Aufmerksamkeit verfolgt worden, weil die Berliner Grünen dieses Mal zur Abgeordnetenhauswahl mit dem Anspruch antreten, den Posten des Regierenden Bürgermeisters zu besetzen.

Mittlerweile sind allerdings die zunächst guten Umfragewerte für Renate Künast gefallen. Auch nach der Konferenz reißt die Kritik nicht ab. Bemängelt werden allerdings eher fehlende Visionen der Kandidatin als ihre konkrete Politik.

Dabei ist Künast am Wochenende nur knapp an einer innerparteilichen Niederlage vorbeigeschrammt. Mit 81 zu 61 Stimmen setzte sich ein von ihr unterstützter Antrag in der Integrationspolitik durch. Die Stoßrichtung formulierte Künast schon in ihrer Eröffnungsrede. Nachdem sie die Leistung vieler Migranten gewürdigt hatte, kam sie zu den Schattenseiten: „Es gibt auch kleine Gruppen, mit denen gibt es Probleme. Das müssen wir in unserem Programm ansprechen, wenn wir für die ganze Stadt da sein wollen.“

Im Wahlprogrammentwurf werden sogenannte Ehrenmorde, Drogenhandel und islamischer Fundamentalismus angesprochen. Die Benennung dieser Probleme ist auch in grünen Kreisen kein Tabu. Doch die Art der Präsentierung hatte bei manchen Delegierten den unangenehmen Eindruck, hier würde auf die Sarrazin-Debatte reagiert. Die Bildungsstadträtin des Bezirks Friedrichshain-Kreuzberg Monika Herrmann warnte davor, Vorurteile wie die von Sarrazin oder die des Neuköllner Bürgermeisters Buschkowsky zu bedienen. Auch die Parteiarbeitsgemeinschaft Migration moniert, im Wahlprogramm befänden sich Textpassagen mit provokativen und verletzenden Tönen gegenüber Migranten.

Chancen für Schwarz-Grün gestiegen?

Manche Delegierte sahen sogar die berühmten grünen Werte gefährdet. Er befürchte, „dass wir nicht nur den Kampf um das Rote Rathaus verlieren, sondern auch uns selbst“, wurde ein Delegierter in der Taz zitiert. Künast musste noch einmal ans Rednerpult treten, um ihre Positionen zu verteidigen, und wurde dabei auch vom Berliner Fraktionschef Wolfgang Wieland unterstützt. Beobachter sehen in dieser Intervention den Grund, dass ein Gegenantrag zur Migrationspolitik knapp scheiterte. Die grünennahe Taz zumindest sieht Künast danach gestärkt und die Chancen für die Fortsetzung des gerade gescheiterten Hamburger Modells wachsen.

http://www.heise.de/tp/blogs/8/149395

Peter Nowak

Grüner Abschwung in Berlin

Ist Künast zu grün?

Viel zu feiern hat die SPD in diesen Tagen nicht. Da rechnet sie sich eine aktuelle Forsa-Umfrage der Berliner Zeitung zu den Wahlpräferenzen in Berlin schon als Erfolg an. Danach kommt die SPD in Berlin auf 27 % Prozent, was eigentlich in der Stadt, in deren Westteil sie lange Zeit absolute Mehrheiten erreichte, ein schlechtes Ergebnis ist.

Aber knapp 10 Monate vor der nächsten Abgeordnetenhauswahl ist die Hauptstadt-SPD bescheiden geworden. Schließlich steht die CDU mit 19 % noch schlechter da und müsste sich gar mit dem dritten Platz begnügen. Mit 25 % liefern sich die Grünen ein Kopf-an-Kopf-rennen mit der SPD. Dabei hatten sie seit Monaten die Nase vorn. Schließlich wurden die Grünen schon bei 30 % gelistet und schon gab es Diskussionen, ob sie sich dann die Union oder die SPD als Juniorpartner aussuchen.

Künast zu grün?

Wenige Wochen vor der Entscheidung der Politikerin Renate Künast für das Amt des Regierenden Bürgermeisters zu kandieren, waren die Erwartungen besonders hoch geschraubt worden. Doch kaum hatte sie ihre Bereitschaft bekundet, begann die Enttäuschung. Bei der grünennahen Taz konnte man den Auf- und Abschwung der Renate K. gut nachverfolgen. Schon Ende Oktober hieß es in einem Kommentar zu ihrer Kandidatur: „Es war der Hype aus Umfragen und Heilserwartungen, der ihr letztlich keine Wahl mehr ließ.“ Wenige Wochen später trat die „Ernüchterung nach dem Künast-Hype“ ein.

Die taz brachte auf den Punkt, dass mache an der grünen Basis Künast einfach zu grün ist. „Künast war kaum zur Kandidatin gewählt, da propagierte sie berlinweit Tempo 30 und legte zudem nahe, dass die Grünen langfristig das Gymnasium abschaffen könnten – wogegen es selbst parteiintern bei den Bildungsbürgerlichen einen Aufstand geben würde. Und erst jüngst stellte sie den Berliner Großflughafen, der 2012 eröffnen soll, in seiner Funktion als internationales Drehkreuz in Frage. Das überraschte umso mehr, als sich die Fraktionsspitze der Landes-Grünen in den vergangenen Monaten intensiv und durchaus erfolgreich um Anerkennung bei Unternehmen und Wirtschaftsverbänden mühte.“

Die bekannte Realopolitikerin avancierte gar zur Populistin, weil sie sich den geplante Flughafen Berlin-Brandenburg auch eine Nummer kleiner vorstellen konnte.

Sollten die Grünen also tatsächlich gemessen an den Umfragewerten vom Spätsommer 2010 bei den Wahlen einbrechen, ist die Schuldige schnell gefunden. Die lange umworbene Kandidatin war noch zu grün. Warum noch eine Abschaffung des Gymnasiums fordern, wenn ein Teil des gutverdienenden grünen Klientels dann wie bei der Volksabstimmung in Hamburg dagegen stimmt? Auch Öko-Ladenhüter wie Tempo 30 oder ein kleinerer Flughafen kommen bei vielen konsumbewussten und grün wählenden Lohas nicht mehr gut an. Die zahlen lieber schon mal einen ökologischen Ausgleich, als auf den Flug zu verzichten.

http://www.heise.de/tp/blogs/8/148967

Peter Nowak

Grüne Angst vor dem Höhenflug

Die Umfrageergebnisse bereiten den Grünen nicht nur Freude, wie sich auf ihrem Parteitag in Freiburg am Wochenende zeigte
„Oben bleiben“, das Motto der Stuttgarter S-21-Gegner hätten viele Delegierte des Grünen Parteitags am Wochenende in Freiburg gerne übernommen. Doch die Parteitagsregie hat erkannt, dass soviel Populismus und das Schielen auf die Wahlumfragen medial nicht gut angekommen wären. Auf die Idee, das Motto des Castorwiderstands von Gorleben „Wir stellen uns quer“ zu übernehmen, ist selbst der linke Flügel nicht gekommen. Die Zeiten, in denen solche Parolen auf grünen Parteitagen Mehrheiten bekommen haben, sind lange vorbei.
   

Die Grünen bereiteten sich darauf vor, in künftigen Landesregierungen und vielleicht auch im Bund (Und am Ende ein Kanzler Trittin?) die Rolle des Juniorpartners zu verlassen und selber zur stärksten Partei zu werden. Ganz Optimistische träumen schon davon, in Baden-Württemberg das Ministerpräsidentenamt und in Berlin den Posten des Regierenden Bürgermeisteramts für die Partei zu reklamieren. Schon machen sich die Parteistrategen Gedanken, wie man der Parteibasis schonend beibringt, dass auch bei einer solchen Konstellation keineswegs die ökologische Republik ausgerufen wird und die grünen Parteitagsbeschlüsse nicht im Gesetzblatt stehen werden.

Eigentlich hatte man gemeint, dass die Grünen diese Phase längst hinter sich haben. Schließlich waren sie in unterschiedlichsten Konstellationen an Landesregierungen und sieben Jahre an der Bundesregierung beteiligt. Aber in allen Fällen befanden sie sich in der Rolle des Juniorpartners und mancher sah die Ursache von ungeliebten Beschlüssen darin, nun mal der kleinere Partner in der Koalition zu sein.

 Wenn dieses Argument wegfallen sollte und die Grünen auch unter einer Regierenden Bürgermeisterin Künast oder einem Ministerpräsidenten Kretschmann merken, dass sie nur an der Regierung, aber nicht an der Macht sind, dann sind sie endlich die ganz normale Partei, die viele ihrer Mitglieder schon lange sein wollen und einige wenige fürchten. So stellen sich schon manche die Frage, ob Stuttgart 21 nicht eher mit einer starken außerparlamentarischen Opposition verhindert werden kann, in der die Grünen ein Teil sind, als von einen grünen Ministerpräsidenten, der gar nicht so viele Möglichkeiten hat, das Projekt zu stoppen, aber den außerparlamentarischen Protest eher schwächt.

Schmerzhafte Entscheidungen

Um solche für die Wahlchancen nicht sonderlich geeignete Fragen erst gar nicht aufkommen zu lassen, haben führende grüne Politiker ihren Diskurs verändert. Seit die Grünen von der Unionschefin zum Hauptgegner erklärt wurden, ist die Diktion führenden Politiker staatstragender geworden. So redet Jürgen Trittin von einer Politik „Jenseits der Illusionen“ und wie alle Parteipolitiker von den künftigen schmerzhaften Entscheidungen und vom Haushaltsvorbehalt, der auch bei den Grünen künftig das Wünschbare vom Möglichen scheidet. Trittin hat auch schon erkannt, dass einer gestärkten grünen Partei auch der konservative Gegenwind heftiger entgegenwehen wird.

Kaum hat Künast in Berlin für mehr Tempo 30-Zonen geworben, machen die Autolobby und konservative Boulevardmedien mobil. In Berlin-Kreuzberg muss sich der grüne Bezirksbürgermeister mit Mietern auseinandersetzen, die nicht einsehen wollen, dass sie nach einer ökologischen Sanierung ihrer Wohnungen viel mehr zahlen sollen.

Wie sich die kräftigen Strompreiserhöhungen, die führende Stromkonzerne mit Verweis auf die gestiegenen Kosten für die Erneuerbaren Energien angekündigt haben, auf die Wahlpräferenzen auswirken, ist noch völlig offen. Doch gerade Menschen mit geringen Einkommen dürften damit kaum für Alternativenergie und die für sie werbenden Politiker zu gewinnen sein.

Gegen den Standort Gorleben und die Olympiade in München

Auf dem Parteitag in Freiburg war der der Widerspruch zwischen einer Realpolitik, die sich schon der Logik des Machbaren verschrieben hat, und einer Position, die sich auf gewisse grüne Grundsätze stützt, an mehreren Stellen zu beobachten. Am grünen Vorzeigethema Gorleben konnte ein Streit erst kurz vor Beginn des Parteitags beigelegt werden. Während im Leitantrag zur Energiepolitik der Standort Gorleben für ein Endlager nicht vollkommen ausgeschlossen werden sollte, konnte sich die kritische Basis durchsetzen. Nun soll ein Endlager nur noch außerhalb von Gorleben gefunden werden. Die Grünen wissen aber auch, dass, wo immer neue Projekte ins Auge gefasst werden, sich Initiativen unter Einschluss der lokalen Grünen dagegen wenden werden.

In der Frage der Münchner Olympiabewerbung 2018 konnte der Streit nicht mehr vor dem Parteitag geschlichtet werden. Eine knappe Mehrheit der Delegierten lehnte die Olympiabewerbung ab und Claudia Roth, die bisher für ihre Partei im Kuratorium der Bewerbergesellschaft gesessen hat, zieht sich zurück. Die übrigen Parteien hatten einmal mehr Gelegenheit, auf die „Dagegen-Partei“ zu schimpfen. Allerdings wurden sowohl die Olympiabefürworterin Roth als auch der Co-Vorsitzende Cem Özdemir mit guten Ergebnissen in ihren Ämtern bestätigt.

Von der Wohlfühl- zur Enteignungspartei?

Auch bei der Bürgerversicherung als Alternative zur Kopfpauschale im Gesundheitswesen folgten die Delegierten den zahmen Vorgaben der Parteigremien nicht. Sie beschlossen mehrheitlich, bei der Einführung einer Bürgerversicherung im Gesundheitssystem die Beitragsbemessungsgrenze auf 5.500 Euro zu erhöhen. Dieser Beschluss dürfte noch inner- und außerparteiliche Nachwirkungen haben.

Ein Kommentator der konservativen „Welt“ sieht die Grünen auf dem Weg zu einer Enteignungspartei und spricht von einem „Anschlag auf die Mitte der Gesellschaft“. Seit die CDU die Grünen zum Hauptgegner erklärt und schwarz-grüne Allianzen als nicht sinnvoll bezeichnet hat, kehren im rechten Blätterwald die alten Beißreflexe zurück. Selbst von Konservativen wurde gegenüber den Grünen solch schweres ideologisches Geschütz in letzter Zeit kaum noch aufgefahren. Es erinnert eher an die medialen Reaktionen aus einer Zeit, als Ökolinke wie Thomas Ebermann und Jutta Ditfurth wesentlich die Politik der Grünen bestimmten. Diese Zeiten sind aber endgültig vorbei.

Parteimitbegründerin Ditfurth erklärte im Interview mit dem Deutschlandfunk, dass die Grünen der 80er Jahre und die heutige Partei zwei völlig verschiedene Projekte sind. Über die aktuelle Zusammensetzung der Mitgliedschaft sagt Ditfurth:
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 Das eine ist, es gibt – und das ist eher das, was mich verwundert hat – ja immer noch einen Teil grüner Wählerschaft, die immer sagen, wir wollen es gar nicht so genau wissen, wir möchten aber gerne glauben dürfen, dass die Grünen immer auch noch ein ganz klein bisschen links sind, und diese Menschen werden demnächst aufwachen, weil sie mitkriegen, dass das, was den Grünen an neuen Mitgliedern und an neuen Wählern zufließt, dermaßen erzkonservativ ist, aber gerne mit gutem Gewissen, das sein möchte.
Jutta Dittfurth

Diese neue Mitglieder- und Wählerschicht könnte aber zu dem Klientel gehören, die bei dem beschlossenen Modell der Bürgerversicherung selber zur Kasse gebeten wird, wie die taz anmerkt. Parteiinterne Kritiker des Beschlusses wie Theresa Schopper erklärten nachher: „Wir müssen auch nach dem Parteitag erhobenen Hauptes über den Dorfplatz gehen können – ohne von wütenden Beamtinnen und Architektinnen beschimpft zu werden.“

Der weitere parteiinterne Umgang mit dem Beschluss könnte zum Lackmustext für die Grünen werden. Sie sind längst eine linksliberale Partei mit einer bürgerlichen Klientel und wenig Interesse an sozialen Themen. Ein linksliberaler Vordenker war in den frühen 70er Jahren Karl-Hermann Flach, der bei der FDP Liberalismus und soziale Demokratie versöhnen wollte. Die damals verabschiedeten Freiburger Thesen könnten für die Grünen als Erbin der Linksliberalen von Interesse sein. Doch wie viel soziale Gerechtigkeit ist das grüne Klientel bereit mitzutragen, wenn sie selber dafür zahlen soll? Sollte dieser Konflikt offen ausbrechen, könnte es mit den grünen Höhenflügen schnell vorbei sein. Parteipolitische Konkurrenz scheint aber für die Grünen zurzeit die geringste Sorge. Die Piratenpartei beispielsweise, die vor einem Jahr durchaus als Konkurrent für die Grünen wahrgenommen wurde, fand auf ihrem Parteitag in Chemnitz nur eine begrenzte öffentliche Resonanz.

Peter Nowak

http://www.heise.de/tp/r4/artikel/33/33705/1.html

Attacken auf die „grüne Patin“

 

POLIT-BASHING Der Wahlkampf hat schon begonnen: FDP und „B.Z.“ kritisieren die Grünen für Mietgarantien in einem Kreuzberger Wohnhaus. Die basieren auf einem Vertrag von 1990

Grüne Klientelpolitik in Kreuzberg auf Kosten der Steuerzahler“, so lautet der Titel einer kleinen Anfrage, die der FDP-Abgeordnete Sebastian Czaja gestellt hat. Es geht um das Wohnhaus in der Reichenberger Straße 63a, mit dessen Bewohnern die damalige Kreuzberger Baustadträtin Franziska Eichstädt-Bohlig (Grüne) im Jahr 1990 Verträge abgeschlossen hat, die ihnen günstige Mieten garantieren. Der Hauseigentümer, die Immobilienfirma Heymann und Kreuels (H&K), erhält allerdings die ortsübliche Miete. Für die Differenz kommt das Bezirksamt auf.

Der seit 20 Jahren bekannte Vertrag dient FDP und B.Z. jetzt als Munition im Vorwahlkampf: Ihm werde angst und bange bei dem Gedanken, dass die Grünen nach einem Wahlsieg vielleicht schon 2011 über den gesamten Berliner Landeshaushalt bestimmen könnten, erklärt Czaja dem Springerblatt. Und für B.Z.-Kommentator Gunnar Schupelius ist Eichstädt-Bohlig die „Patin der Hausbesetzer“.

„Ich stehe noch heute dazu“, erklärt die Grünen-Politikerin gegenüber der taz. Die Durchsetzung einer behutsamen Stadterneuerung habe ihren politischen und beruflichen Werdegang bestimmt. Diese Politik sei auch mit dem damaligen Senat abgestimmt gewesen. „Es ging in Kreuzberg darum, Umsetzwohnungen für Menschen aus Sanierungsgebieten zu schaffen und Konflikte mit HausbesetzerInnen zu befrieden.“ Diesem Ziel habe auch der mit den BewohnerInnen der Reichenberger 63a geschlossene Mietvertrag gedient. Allerdings habe sie nur bis 1990 als Baustadträtin amtiert – für die Zeit danach könne sie nicht sprechen, betonte die Politikerin.

Moderate Mieterhöhung

Der Sprecher der Grünen in der BVV Friedrichshain-Kreuzberg, Daniel Wesener, bestätigte gegenüber der taz, dass nach einer kürzlich getroffenen Gerichtsentscheidung die mit dem Verein „Trottke e. V.“ abgeschlossenen Verträge für das Hinterhaus der Reichenberger 63a gültig sind und nicht einseitig gekündigt werden können. Dort ist eine günstige Miete bis 2020 festgeschrieben. Die werde aber nicht zu halten sein, so Wesener. „Wir haben den jetzigen MieterInnen deutlich gemacht, dass es angesichts des absehbaren Wegfalls der Fördermittel nicht bei der derzeitigen durchschnittlichen Miethöhe von 3,31 Euro pro Quadratmeter bleiben kann. Eine moderate Erhöhung muss drin sein, sonst geht die niedrige Miete für die BewohnerInnen mittelfristig zu Lasten anderer sozialen Leistungen.“ Nach der beabsichtigten Erhöhung würden sich die Mieten zwischen 3,21 und 4,54 Euro pro Quadratmeter bewegen. Es habe bei Gesprächen mit den MieterInnen Anzeichen von Entgegenkommen gegeben, so Wesener.

„Wir setzen weiter auf eine einvernehmliche Lösung und kämpfen sowohl gegen die populistische Stimmungsmache der B.Z. als auch gegen Mieterhöhungen von bis zu 25 Prozent“, erklärt Benno Cors, der in der Reichenberger Straße 63a wohnt. „Würde die Subventionierung durch den Bezirk wegfallen, müssten die meisten von uns wegziehen“, befürchtet Cors und präsentiert einen anderen Lösungsvorschlag zum Defizitausgleich: „Wenn der Eigentümer weniger Geld bekommen würde, wäre die Subventionierung unserer Miete nicht mehr nötig.“

http://www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=bl&dig=2010%2F11%2F13%2Fa0225&cHash=9c93982226

Peter Nowak

Und am Ende ein Kanzler Trittin?

Den Grünen wird zur Zeit viel zugetraut: das Ministerpräsidentenamt in Baden-Württemberg, den Posten als Regierende Bürgermeisterin in Berlin und auch das Kanzleramt

Einen Spitznamen hat die Wunschkandidatin der Grünen für die Berliner Abgeordnetenhauswahl im September 2010 schon bekommen. „Granate Renate“ tituliert die Taz Renate Künast, über die in der Zeitung wochenlang gerätselt wurde. Tritt sie nun als Spitzenkandidatin der Grünen an oder nicht? Ihre Fans haben Umfragewerte präsentiert, die belegen sollen, dass die Ökopartei mit Künast besonders gute Chancen hätte, stärkste Partei in Berlin zu werden.
Solche Vorwahlmethoden sind von der Kandidatenkür in den USA bekannt. Mit Meldungen dieser Art bringen sich Kandidaten dort oft gerne selber in Stellung, bleiben aber offiziell dezent im Hintergrund. Sie können sich lange bitten lassen und ihre Bereitschaft zur Kandidatur inszenieren, als würden sie nur einem Ruf der Basis nachgeben. Sollte der Ruf aber nicht laut genug sein, kann der Politiker immer noch sagen, die Bereitschaft zur Kandidatur nie erklärt zu haben.

Im Fall Künast scheint der Ruf laut genug gewesen zu sein. Nicht nur die Taz hat sich für ihre Kandidatur interessiert. Allerdings hat die Politikerin ihre Bereitschaft zur Kandidatur nur indirekt erklärt. Auf der Webseite der Berliner Grünen wird die Politikerin noch nicht erwähnt. Für den 5. November laden die Grünen zu einem erweiterten Mitgliederabend mit Künast ins Berliner Museum für Kommunikation. Zwei Tage später auf der Landesdelegiertenkonferenz soll ihre Kandidatur dann offiziell bekannt gegeben werden.

Künast lässt sich herab

Dieses Prozedere stößt in dem grünen Umfeld nicht nur auf Sympathie. So überschrieb die Taz einen Kommentar mit: „Künast lässt bitten“. Dieser Gestus lässt noch erahnen, dass diese Partei einmal, lang, lang ist es her, gegen solche Machtspielchen bei den damals etablierten Parteien angetreten ist. Gerade in Westberlin, wo die Grünen lange Zeit Wert darauf legten, sich Alternative Liste zu nennen, war die Distanz zu den Etablierten besonders ausgeprägt.

Deshalb kann Christian Ströbele dort ohne große Unterstützung der Parteispitze sein Direktmandat holen und verteidigen. Seine Wahlplakate vermitteln den Eindruck, als hätte man dafür extra noch einmal sämtliche grünen und alternativen Träume und Ressentiments ausgepackt. Selbst der Spruch „Ströbele wählen, heißt Fischer quälen“ durfte nicht fehlen. Im Politalltag aber ist die grüne Basis realpolitisch genug, um mit einer Politikerin als Spitzenkandidatin anzutreten, die betont, von Fischer viel gelernt zu haben. Die gut inszenierte Kandidatenkür gehört dazu. Innerparteilich hatte sie damit Erfolg. Ihr potentielle Konkurrent Volker Ratzmann, der sich vom Anwalt der linken Szene Berlins zum Oberrealo, der auch mit der Union regieren würde, entwickelte, hat schon im Vorfeld deutlich gemacht, dass er Künast nicht im Wege stehen wird.

Nach allen Seiten offen

Nach ihrer offiziellen Kandidatur wird der Kampf um die gesellschaftliche Mehrheit beginnen. Der wird für Künast nicht so einfach wie ihr innerparteilicher Durchmarsch. Schließlich gibt es sowohl bei den bekennenden Konservativen in Westberlin, als auch in den Resten des Arbeitermilieus in beiden Teilen Berlins weiterhin große Vorbehalte gegen die Grünen, wenn sie auch in den letzten Jahren geschrumpft sind.

Eine Koalition mit den Grünen als Juniorpartner wird von keinem der beiden Blöcke ausgeschlossen. Schließlich hat Berlin Erfahrungen mit SPD-Grünen Regierungen. Die Chancen eines Bündnisses mit den Konservativen haben sich auch mit dem Rückzug von Friedbert Pflüger aus der Politik nicht verschlechtert. Der gescheiterte Herausforderer von Wowereit bei der letzten Abgeordnetenhauswahl stand in der Union für eine Öffnung zu den modernen Teilen des Bürgertums, das die Grünen repräsentieren.

Pflüger versuchte die Berliner Union nach dem Vorbild von Hamburg zu modernisieren. Jetzt könnte es der Union sogar passieren, dass sie im Duell zwischen Künast und Wowereit auf den 3. Platz rutscht und als Juniorpartner in eine von Künast geführte Regierung eintritt. Ein solches Szenario hätte vor 25 Jahren niemand auch nur zu denken gewagt. Damals galt die Alternative Liste in konservativen Kreisen als eine Ansammlung von linken Spinnern und Chaoten, die möglichst schnell wieder aus dem Parlament verschwinden sollten.

Genau so undenkbar wäre es vor 25 Jahren auch gewesen, dass ein amtierender Nato-Generalsekretär bei einer Konferenz der grünen Bundestagsfraktion reden und mit Applaus empfangen wird, wie es in diesen Tagen geschehen ist.

Trotz ihres Drangs nicht nur in die arithmetische, sondern auch in die politische Mitte mussten die Grünen immer noch befürchten, zwischen SPD und Union zerrieben zu werden. Durch Ihre nicht nur in Berlin historisch hohen Umfragewerte scheinen solche Probleme vorerst in den Hintergrund zu treten.

Auf den Weg zu einer Mittelpartei?

Der Politologe Lothar Probst analysiert den grünen Erfolg als eine Entwicklung von einer Funktions- zu einer Mittelpartei in einem sich verfestigenden 5-Parteien-System. Sie ist damit nicht mehr automatisch Mehrheitsbeschafferin von SPD oder Union, sondern kann in bestimmten Bundesländern eigene Kandidaten für das Amt zum Ministerpräsidenten aufstellen, die sogar Aussicht auf Mehrheiten haben. Dabei wäre ein grüner Ministerpräsident in Baden-Württemberg auf kultureller Ebene eine größere Überraschung, als eine Regierende Bürgermeisterin Künast.

In vielen ostdeutschen Bundesländern hingegen müssen die Grünen noch immer um das Überspringen der Fünfprozenthürde kämpfen. Zurzeit sind die Grünen in drei Landtagen nicht vertreten. In dieser Lage befindet sich auch die Linkspartei, die in ostdeutschen Bundesländern stärkste Partei werden kann und in westdeutschen Bundesländern wie Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz um den Einzug in den Landtag bangen muss.

Selbst die FDP, eigentlich eine klassische Funktionspartei, stellte in Baden-Württemberg nach 1945 den Ministerpräsidenten. Vor fast 10 Jahren, als das Duo Möllemann/Westerwelle das Projekt 18 ins Leben gerufen hatte, wurde kurzzeitig erneut auch die Möglichkeit von liberalen Ministerpräsidentenkandidaten ins Gespräch gebracht.

Kanzler Trittin?

Dafür ist ein möglicher Kanzler Trittin heute eine durchaus denkbare Option. Schließlich liegen in Umfragen SPD und Grüne gleichauf, gelegentlich liegen auch schon die Grünen vorn. Dabei handelt es sich freilich um Momentaufnahmen. Die gegenwärtige Regierungsmehrheit wird nichts unversucht lassen, um eine solche Konstellation als Gift für die Wirtschaft darzustellen.

Bei der Auseinandersetzung um das Projekt Stuttgart 21 ist eine solche Strategie schon deutlich erkennbar. Der grüne Co-Parteichef Özdemir hat in einem Taz-Interview darauf schon mit dem Bekenntnis geantwortet, keine „Dagegen-Partei“ zu sein und angekündigt, dass Regieren angesichts leerer Kassen „beinhart“ werden wird.

Bald dürften sich dann die Konflikte häufen, wie sie bei den bayerischen Grünen über die Winterolympiade 2018 ausgebrochen sind. Während ein Teil der Grünen diese Pläne unterstützt, beteiligen sich andere am Protestbündnis. Wegen solcher Konflikte macht sich bei einigen Grünen angesichts der hohen Umfragewerte schon Höhenangst breit. Schließlich sehen sie am Beispiel der FDP, wie schnell eine Partei in der Wählergunst abstürzen kann.

http://www.heise.de/tp/r4/artikel/33/33540/1.html

Peter Nowak