Tanzen und trinken gegen Terror

SOLIDARITÄT Die von Nachtclubs gestartete Kampagne „Nachtleben für Rojava“ wirbt für die Unterstützung der Menschen in der Stadt Kobani und der Region Westkurdistan

Tausende Menschen gingen am vergangenen Samstag auch in Berlin auf die Straße, um die von den Islamisten des IS eingeschlossenen KurdInnen zu unterstützen (taz berichtete). Der überwiegende Teil waren in Berlin lebende KurdInnen – der kleinere Teil UnterstützerInnen aus der deutschen Linken.

Zu ihnen gehört auch Jan Hoffmann. Er verteilte auf der Demonstration Flyer und Aufkleber mit dem Motto „Nachtleben für Rojava“. Die Kampagne startete am Abend des 1. November – dem Tag des Internationalen Karenztages. Als „Rojava“ wird von Kurden der Anteil Syriens am kurdischen Siedlungsgebiet bezeichnet, das Gebiet ist kurdisch kontrolliert.

Die Kampagne wurde von Menschen organisiert, die als KonzertveranstalterInnen, BarkeeperInnen, TürsteherInnen oder DJs im Berliner Nachtleben tätig sind. „Fassungslos verfolgen wir, was in Irak und Syrien passiert, und fühlen die Verpflichtung, aktiv zu werden“, sagt Jan Hoffmann. Schließlich sei bei vielen Menschen, die tagsüber auf eine Demonstration gingen, nachts beim Feiern die Solidarität oft schnell vergessen.

Für Hoffmann und seine KollegInnen war und ist das ein unbefriedigender Zustand, den sie ändern wollten. „Dabei ist uns die Idee gekommen, eine Initiative zu starten, die Leute in einem Bereich anspricht, in dem wir uns auskennen, vernetzt und kulturell verwurzelt sind – im Berliner Nachtleben“, so Hoffmann. Damit sollen auch Menschen angesprochen werden, die nicht auf Solidemos gehen.

Zunächst wurden Bars und Clubs auf eine Unterstützung angesprochen, die den OrganisatorInnen persönlich bekannt sind. Einige arbeiten dort auch in den unterschiedlichen Bereichen. Zu den Einrichtungen, die den Aufruf sofort unterstützt haben, gehören die Clubs SchwuZ, about blank und Rosis.

Zwei zentrale Ziele hat die Kampagne: Sie will Öffentlichkeit über die Situation der Menschen in Rojava schaffen. Zudem möchte man Spenden sammeln, mit denen die Menschen in Rojana unterstützt werden sollen. In welcher Form die Spenden gesammelt werden, bleibt jeder Location selber überlassen. Einige erheben einen Aufpreis von einem Euro bei den Eintrittspreisen oder den Getränken, andere spenden einen Teil der Einnahmen. Mit Plakaten und Flyern werden die potenziellen BesucherInnen der Einrichtungen über die Ziele der Kampagne informiert.

Von den ersten Reaktionen ist Jan Hoffmann positiv überrascht. Für ihn liegt der Grund dafür vor allem daran, dass die Situation in Rojava medial sehr präsent ist und viele Leute das Bedürfnis verspüren sich einzubringen. „Dabei fehlen jedoch häufig die entsprechenden Kontakte oder konkrete Ideen, sodass unsere Initiative von vielen Leuten dankbar aufgenommen wird.“

In der nächsten Zeit soll die Zahl der beteiligten Clubs und Bars erweitert werden. Diskussionen darüber gibt es in so angesagten Clubs wie Berghain oder SO 36. Die Gespräche unter den MitarbeiterInnen laufen und sind teilweise noch nicht abgeschlossen. Doch Hoffmann ist optimistisch, dass sich in der nächsten Zeit weitere Einrichtungen dem Aufruf anschließen werden. Mittlerweile habe es auch Anfragen von KollegInnen aus Hamburg und Frankfurt gegeben, so Hoffmann.

Waffen für Rojava

Eine Erfolgsmeldung kam auch von einer anderen Kampagne „Waffen für Rojava“, die Anfang Oktober wesentlich von der Neuen Antikapitalistischen Organisation (NaO) initiiert worden ist. „Mittlerweile sind 50.000 Euro gesammelt worden“, erklärte NaO-Sprecher Michael Prütz gegenüber der taz. Mitte Oktober wurde dem Berliner Vorsitzenden der kurdischen Partei der demokratischen Union (PYD) Sherwan Abdulmajid auf einer Pressekonferenz ein Scheck über 20.000 Euro übergeben. Die Solidaritätsinitiative aus dem Berliner Nachtleben begrüßt Michael Prütz als willkommene Ergänzung. (pn)

http://www.taz.de/Solidaritaet-mit-Kobani/!148849/

Peter Nowak

Trotzkisten übernehmen Linke

ANTIFA Die radikale Linke organisiert sich neu: Die „Antifaschistische Revolutionäre Aktion“ geht im trotzkistischen Projekt „Neue antikapitalistische Organisation“ auf

VON PETER NOWAK

Das Feld der Berliner Antifagruppen lichtet sich weiter. Vor vier Wochen hat sich die Antifaschistische Linke Berlin (ALB) aufgelöst. Jetzt gab die Antifaschistische Revolutionäre Aktion (Arab) bekannt, dass sie in der bisherigen Form nicht weiterarbeiten wird. Die 2007 gegründete Gruppe will mit dem Projekt „Neue antikapitalistische Organisation“ (NaO) fusionieren.

Diese Kooperation ist auf den ersten Blick überraschend. Denn in der NaO hatten sich nach einer längeren Diskussion Ende 2013 mehrere Gruppierungen vor allem aus dem trotzkistischen und linksgewerkschaftlichen Spektrum zusammengeschlossen. Sie wollten „ein internationalistisches und klassenkämpferisches Profil in der radikalen Linken vertreten“, heißt es in der Gründungserklärung der Gruppe. Zu ihren zentralen Politikfeldern gehören Betriebs- und Gewerkschaftsarbeit sowie der Kampf gegen hohe Mieten.

Der Arab hingegen wurde regelmäßig vom Berliner Verfassungsschutz bescheinigt, sie sei „eine der aktivsten linksextremistischen Gruppen, die neben Aktionen zu Themen wie Sozialabbau, Antimilitarismus und Antiglobalismus auch einen militanten Antifaschismus in Verbindung mit Antikapitalismus vertritt“. Seit 2008 war die Arab federführend an der Vorbereitung der Revolutionären 1.-Mai-Demonstration beteiligt.

Ein Arab-Vertreter mit dem Alias-Namen Jonas Schießer bezeichnete die Fusion mit der NaO gegenüber der taz als Ergebnis einer monatelangen Diskussion und einer gemeinsamen politischen Praxis. Schnittmengen gebe es vor allem beim Thema Internationalismus.

Für die erste gemeinsame Aktion unter dem Titel „Waffen für Rojava“ wird seit Anfang Oktober bereits Geld gesammelt, mit dem die Bewaffnung der von der IS bedrohten kurdischen KämpferInnen im Norden Syriens unterstützt werden soll (siehe Kasten). Ein weiteres gemeinsames Politikfeld sei die Intervention in soziale Kämpfe, so Schießer. „Die Arab war nie eine reine Antifagruppe, sondern hat sich seit ihrer Gründung gegen die Hartz-IV-Gesetze engagiert und immer wieder Streiks unterstützt.“

Im letzten Jahr hätten Arab und NaO gemeinsam zur Repolitisierung der Revolutionären 1.-Mai-Demonstration beigetragen, sagt Schießer. Teile der autonomen Szene haben beiden Gruppen anschließend eine Befriedungspolitik vorgeworfen, weil sie auf eine geschlossene Demonstration statt auf Scharmützel mit der Polizei orientierten. „Wenn jetzt einige Autonome lästern, die Arab verbündet sich mit den Trotzkisten, stört mich das nicht“, betonte Schießer. Allerdings stellt er auch an seine neuen GenossInnen den Anspruch, sich vom „trotzkistischen Stallgeruch“ zu befreien, weil nur so der Aufbau einer neuen Linken möglich sei.

NaO-Mitbegründer Michael Prütz, der sich in der trotzkistischen Tradition der 70er Jahre sieht, unterstützt dies. „Ziel der NaO war es nicht, eine neue trotzkistische Partei, sondern eine Organisation aufzubauen, die gesellschaftlich relevant ist, die wahrgenommen wird und die in der Lage ist, die politische Initiative zu ergreifen.“

Schießer bleibt zurückhaltend, was die Perspektive der NaO betrifft. Die Fusion beurteilt er bescheiden im PolitikerInnenjargon als „Schritt in die richtige Richtung“. Es gehe um einen gemeinsamen Lernprozess, der auch scheitern könne. Deshalb hält es Schießer auch für wichtig zu betonen, dass sich die Arab anders als die ALB nicht aufgelöst, sondern mit der NaO fusioniert hat. „Sollten wir nach einer Zeit feststellen, dass sich im Rahmen der NaO unsere Vorstellungen nicht umsetzen lassen, können wir immer austreten und wieder als Arab weiterarbeiten.“

Kampagne Waffen für Rojava

Anfang Oktober initiierten NaO und Arab mit kurdischen Solidaritätsgruppen die Spendenkampagne „Waffen für Rojava“.

Schon nach einer Woche sei UnterstützerInnen der kurdisch-syrischen Miliz YPG und den Frauenverteidigungseinheiten YPJ, die gegen den IS kämpfen, ein Scheck von 30.000 Euro übergeben worden, sagt NaO-Sprecher Michael Prütz. Danach habe die Postbank, bei der das Konto eingerichtet war, das Konto gesperrt. Die Gründe seien weder ihm noch seinen AnwältInnen mitgeteilt worden. Rund 8.000 Euro sind laut Prütz an die SpenderInnen zurücküberwiesen worden. Mittlerweile wurde ein neues Konto eingerichtet, und die Spendenkampagne geht weiter. PETER NOWAK

Infos zur Aktion: www.facebook.com/WaffenFuerRojava

http://www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=ba&dig=2014%2F10%2F20%2Fa0121&cHash=2ef2e10e7c43a1e004c38006df730415

Peter Nowak