Ein Wettstreit der Revolutionärsten

Verpasste Chancen auf NaO-Tagung in Berlin

Linke haben eine neue Initiative gegründet, NaO genannt. Deren Untergruppen streiten am liebsten mit sich selbst – so das Fazit einer Tagung in Berlin.

»Imperialismus. Krise. Krieg. Fragen. Antworten. Widerstand«, lautete das Motto der zweitägigen Internationalismustage, die am vergangenen Freitag und Samstag in Berlin stattgefunden haben. Eingeladen hatte die Neue Antikapitalistische Organisation (NaO). Zu diesem Projekt hatten sich Ende 2013 nach einer längeren Diskussion mehrere Gruppierungen vor allem aus dem trotzkistischen und linksgewerkschaftlichen Spektrum zusammengeschlossen. In der Gründungserklärung hieß es, man wolle »ein internationalistisches und klassenkämpferisches Profil in der radikalen Linken vertreten«.

Im Oktober 2014 hatte sich die »Antifaschistische Revolutionäre Aktion« (ARAB) der NaO angeschlossen. Doch danach hat man von dem neuen Bündnis wenig gehört. Auf den Internationalismustagen wurde nun in Arbeitsgruppen über die Situation in Griechenland, Kurdistan, Portugal, Syrien und Polen diskutiert. Am Freitagabend sollte sich eine Podiumsdiskussion auch hiesigen Verhältnisse zuwenden. Das Motto der Debatte und die Zusammensetzung des Podiums versprachen eine kontroverse Diskussion. »Der deutsche Imperialismus auf dem Vormarsch – und die radikale Linke?«, lautete der Titel. Doch eigentlich ging es nur um die Frage: »Wer ist der Revolutionärste im ganzen Land?«

Diesen ironischen Einwurf machte ein Zuhörer. Zuvor hatte ein junger Mann, der sich als Mitglied der trotzkistischen Jugendorganisation Revolution vorstellte, bereits den Diskussionsstil kritisiert. Er sei nach Berlin gekommen, weil er sich Perspektiven für seine politische Arbeit erhofft. Das Bedürfnis mancher Diskussionsteilnehmer, nur die eigene Kleingruppe als revolutionär anzusehen und alle anderen als Reformisten zu entlarven, bezeichnete er als unerträglich.

Vor allem Tim Fürup von der Strömung Antikapitalistischen Linke in der Linkspartei wurde zur Zielscheibe der Kritik. Er hatte erklärt, dass eine Stärkung der LINKEN bei den Wahlen positive Wirkungen auf die außerparlamentarischen Kräfte hätte. Ein Vertreter des außerparlamentarischen Bündnisses Interventionistische Linke (IL) stimmte Fürup zu. Er betonte, dass parlamentarische und außerparlamentarische Linke auf verschiedenen Ebenen agieren und sich solidarisch aufeinander beziehen können.

Georg Ismael von der Gruppe Revolution warnte dagegen vor Illusionen bezüglich der reformistischen Linken. Allerdings betonte er, dass er sich trotz seiner scharfen Kritik mehr Aktivitäten von der IL und der Linkspartei wünsche. Im Publikum stieß er damit nicht nur auf Zuspruch. Ein Teilnehmer forderte die entschiedenen Linken zum Verlassen der Linkspartei auf, weil die längst im System angekommen sei.

Die NaO zumindest dürfte als Alternative ausfallen. Offen wurde die Krise in der noch jungen Organisation angesprochen. Es sei nicht gelungen, die Unterschiede zwischen den am NaO-Prozess beteiligten Gruppen zu überwinden und gemeinsam einen Neuanfang zu beginnen. Das Fazit der Diskussion ist daher ernüchternd. Während der deutsche Imperialismus erstarkt, ist ein Teil der radikalen Linken vor allem damit beschäftigt, die Verantwortung dafür, bei anderen linken Gruppierungen zu suchen.

Peter Nowak

Trotzkisten übernehmen Linke

ANTIFA Die radikale Linke organisiert sich neu: Die „Antifaschistische Revolutionäre Aktion“ geht im trotzkistischen Projekt „Neue antikapitalistische Organisation“ auf

VON PETER NOWAK

Das Feld der Berliner Antifagruppen lichtet sich weiter. Vor vier Wochen hat sich die Antifaschistische Linke Berlin (ALB) aufgelöst. Jetzt gab die Antifaschistische Revolutionäre Aktion (Arab) bekannt, dass sie in der bisherigen Form nicht weiterarbeiten wird. Die 2007 gegründete Gruppe will mit dem Projekt „Neue antikapitalistische Organisation“ (NaO) fusionieren.

Diese Kooperation ist auf den ersten Blick überraschend. Denn in der NaO hatten sich nach einer längeren Diskussion Ende 2013 mehrere Gruppierungen vor allem aus dem trotzkistischen und linksgewerkschaftlichen Spektrum zusammengeschlossen. Sie wollten „ein internationalistisches und klassenkämpferisches Profil in der radikalen Linken vertreten“, heißt es in der Gründungserklärung der Gruppe. Zu ihren zentralen Politikfeldern gehören Betriebs- und Gewerkschaftsarbeit sowie der Kampf gegen hohe Mieten.

Der Arab hingegen wurde regelmäßig vom Berliner Verfassungsschutz bescheinigt, sie sei „eine der aktivsten linksextremistischen Gruppen, die neben Aktionen zu Themen wie Sozialabbau, Antimilitarismus und Antiglobalismus auch einen militanten Antifaschismus in Verbindung mit Antikapitalismus vertritt“. Seit 2008 war die Arab federführend an der Vorbereitung der Revolutionären 1.-Mai-Demonstration beteiligt.

Ein Arab-Vertreter mit dem Alias-Namen Jonas Schießer bezeichnete die Fusion mit der NaO gegenüber der taz als Ergebnis einer monatelangen Diskussion und einer gemeinsamen politischen Praxis. Schnittmengen gebe es vor allem beim Thema Internationalismus.

Für die erste gemeinsame Aktion unter dem Titel „Waffen für Rojava“ wird seit Anfang Oktober bereits Geld gesammelt, mit dem die Bewaffnung der von der IS bedrohten kurdischen KämpferInnen im Norden Syriens unterstützt werden soll (siehe Kasten). Ein weiteres gemeinsames Politikfeld sei die Intervention in soziale Kämpfe, so Schießer. „Die Arab war nie eine reine Antifagruppe, sondern hat sich seit ihrer Gründung gegen die Hartz-IV-Gesetze engagiert und immer wieder Streiks unterstützt.“

Im letzten Jahr hätten Arab und NaO gemeinsam zur Repolitisierung der Revolutionären 1.-Mai-Demonstration beigetragen, sagt Schießer. Teile der autonomen Szene haben beiden Gruppen anschließend eine Befriedungspolitik vorgeworfen, weil sie auf eine geschlossene Demonstration statt auf Scharmützel mit der Polizei orientierten. „Wenn jetzt einige Autonome lästern, die Arab verbündet sich mit den Trotzkisten, stört mich das nicht“, betonte Schießer. Allerdings stellt er auch an seine neuen GenossInnen den Anspruch, sich vom „trotzkistischen Stallgeruch“ zu befreien, weil nur so der Aufbau einer neuen Linken möglich sei.

NaO-Mitbegründer Michael Prütz, der sich in der trotzkistischen Tradition der 70er Jahre sieht, unterstützt dies. „Ziel der NaO war es nicht, eine neue trotzkistische Partei, sondern eine Organisation aufzubauen, die gesellschaftlich relevant ist, die wahrgenommen wird und die in der Lage ist, die politische Initiative zu ergreifen.“

Schießer bleibt zurückhaltend, was die Perspektive der NaO betrifft. Die Fusion beurteilt er bescheiden im PolitikerInnenjargon als „Schritt in die richtige Richtung“. Es gehe um einen gemeinsamen Lernprozess, der auch scheitern könne. Deshalb hält es Schießer auch für wichtig zu betonen, dass sich die Arab anders als die ALB nicht aufgelöst, sondern mit der NaO fusioniert hat. „Sollten wir nach einer Zeit feststellen, dass sich im Rahmen der NaO unsere Vorstellungen nicht umsetzen lassen, können wir immer austreten und wieder als Arab weiterarbeiten.“

Kampagne Waffen für Rojava

Anfang Oktober initiierten NaO und Arab mit kurdischen Solidaritätsgruppen die Spendenkampagne „Waffen für Rojava“.

Schon nach einer Woche sei UnterstützerInnen der kurdisch-syrischen Miliz YPG und den Frauenverteidigungseinheiten YPJ, die gegen den IS kämpfen, ein Scheck von 30.000 Euro übergeben worden, sagt NaO-Sprecher Michael Prütz. Danach habe die Postbank, bei der das Konto eingerichtet war, das Konto gesperrt. Die Gründe seien weder ihm noch seinen AnwältInnen mitgeteilt worden. Rund 8.000 Euro sind laut Prütz an die SpenderInnen zurücküberwiesen worden. Mittlerweile wurde ein neues Konto eingerichtet, und die Spendenkampagne geht weiter. PETER NOWAK

Infos zur Aktion: www.facebook.com/WaffenFuerRojava

http://www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=ba&dig=2014%2F10%2F20%2Fa0121&cHash=2ef2e10e7c43a1e004c38006df730415

Peter Nowak