Am 5. März jährte sich Stalins sechzigster Todestag. Noch immer gibt es auch in der linken Bewegung Verteidiger seines Systems, die aber auf eine heftige Gegenrede stoßen
„Während seiner Agonie drängten sich Millionen von Menschen im Zentrum Moskaus, um den sterbenden Führer die letzte Ehre zu erweisen.“ So beschreibt der italienische Historiker Domenico Losurdo die Reaktion auf Stalins Tod, der sich am 5. März zum sechzigsten Mal jährte.
Der Autor hat auch Meldungen in seinem im letzten Jahr im Papyrossa-Verlag auf Deutsch erschienenen Buch „Stalin – Geschichte und Kritik einer schwarzen Legende“ zusammengetragen: „Viele weinten auf den Straßen von Budapest und Prag.“ Dass Stalins Tod in der Zeitung der israelischen Kibbuzbewegung al Hamishamar mit dem Satz: „Die Sonne ist untergegangen“ kommentiert wurde, wird heute viele überraschen, denen nicht bekannt ist, dass die Sowjetunion sich in der UN vehement für die Gründung Israels einsetzte. Erst mit dem Beginn des Kalten Krieges positionierte sich Israel auf Seiten der USA und die SU und der gesamte Ostblock ging auf Konfrontationskurs.
Losurdo gehört zu einer Strömung in der Linken, die noch immer Argumente zusammensucht, um die Politik Stalins zu verteidigen oder zumindest zu relativeren. Dabei reiht er in den acht Kapiteln Zitat an Zitat aneinander, mit dem er zu beweisen sucht, dass Stalin von Historikern und Politikern zu bestimmten Zeiten gelobt wurde. So ist mitunter erpicht, spätere erklärte Gegner Stalins mit einem lobenden Zitat vorführen zu können. Dem sowjetischen Historiker Wadim Rogowin, der Philosophin Hannah Ahrendt und dem britischen Premierminister Winston Churchill schreibt Losurdo Sätze zu, die Stalin in einem positiven Licht erscheinen lassen sollen. Dabei verzichtet der Autor allerdings auf eine Einordnung der Zitate in einen politischen Kontext. So war Churchills Stalin-Lob das Geschäft eines Staatsmannes, der den jeweiligen Bündnispartner nicht vor dem Kopf stoßen will. Stalin war nun mal in Zeiten der Anti-Hitler-Koalition ein solcher Verbündeter.
Nun mag Losurdo noch so akritisch jedes Zitat sammeln, das Stalin irgendwie in einem guten Licht erscheinen lassen soll, eines ist ihm nicht gelungen: Stalin irgendwie mit linken Ideen oder gar mit dem Kommunismus in Verbindung zu bringen. Dass gilt übrigens auch für Losurdo selbst. Denn der ist sich mit seinen größten Gegnern in dem Verdikt einig, dass eigentlich schon Marx und Lenin, vor allem aber die linken Bolschewiki mit ihren übersteigerten Vorstellungen einer Gesellschaft der Gleichheit und dem Infragestellen von Familie und Nation für Terror und Massenmord mit verantwortlich sind. Stalin, der starke Mann, der Schluss gemacht hat mit dem Chaos der Revolution, der wieder den starken Staat und die russische Nation in den Mittelpunkt seiner Politik stellte, mit diesen Ruf hat der sowjetische Machthaber schon zu seinen Lebzeiten bei Antikommunisten aller Couleur Anerkennung gefunden. In dieser Tradition stehen auch diejenigen, die heute Stalin verteidigen oder die zumindest seine Politik als alternativlos hinstellen, auch wenn sie sich selbst als Linke begreifen.
Die Sehnsucht nach dem gerechten Staat
Allerdings sind solche Positionen heute nicht nur in der linken Bewegung minoritär. Sie stoßen auch auf heftigen Widerspruch. Besonders linke DDR-Oppositionelle wie der in der DDR inhaftierte Historiker Thomas Klein haben in den letzten Jahr vehement ihre Stimme erhoben,wenn autoritäre Staatsmodelle unter vermeintlich linken Vorzeichen verteidigt wurden.
Der Historiker Christoph Jünke hat schon vor einigen Jahren in einen Vortrag von den „langen Schatten des Stalinismus“ gesprochen und sich auch an einer Erklärung versucht: „Mehr als mit einer gewünschten Rückkehr zur SED-Diktatur hat diese Nostalgie nämlich etwas zu tun mit ‚dem Wunsch, in eine Periode sozialer Sicherheit und öffentlicher Wohlfahrt zurückzukehren'“, zitiert Jünke den britischen Politikwissenschaftler Peter Thompson.
Dabei grenzen sich Jünke und Thompson von Positionen à la Götz Aly ab, die schon jeden Wunsch nach einem Sozialstaat unter Totalitarismusverdacht stellen. Wenn allerdings soziale Gerechtigkeit nicht als Ergebnis von gesellschaftlichen Auseinandersetzungen verstanden wird, sondern ein starker Staat dafür sorgen soll, dass alles irgendwie seine Ordnung hat, dann kann schnell eine Nostalgie nach staatssozialistischen Modellen entstehen.
Nein, nein das ist nicht der Kommunismus</strong>
Allerdings haben sich in der letzten Zeit viele Autoren kritisch mit dem Nominalsozialismus auseinandergesetzt und wie die Leipziger Gruppe Inex in ihrem Sammelband „Nie wieder Kommunismus?“ eine Kritik an staatssozialistischen Modellen entwickelt, die sich auch von konservativen und rechten Antikommunismus abgrenzt.
Eine wahre Fundgrube ist auch das materialreiche Buch „Staat oder Revolution“ des Politologen Hendrik Wallat, in dem er mit vielen Fundstellen eine Geschichte des dissidenten Sozialismus und Kommunismus nachzeichnet und diejenigen kritisch würdigt, die in den unterschiedlichen Staatssozialismen bekämpft und verfolgt wurden. Das ist 60 Jahre nach dem Tod jenes Mannes, dessen politisches System daran einen entscheidenden Anteil hatte, doch eine kleine Rehabilitierung.
http://www.heise.de/tp/blogs/8/153865
Peter Nowak