Plädoyers eines Linksanwalts

Der nigerianische Student Obi Ifeobu wurde im Februar 1967 von der Polizei im Hamburger Studentenwohnheim verhaftet, sofort zum Flughafen gefahren und in seine Heimat abgeschoben, weil er an studentischen Demonstrationen, unter anderem gegen den Besuch von afrikanischen Potentaten, beteiligt war. An sein Schicksal erinnerte der Rechtsanwalt Heinrich Hannover in seinem Buch „Reden vor Gericht“. Es beginnt mit dem Fall des NS-Widerstandskämpfers Willy Meyer-Buer, der wegen der Fortsetzung der Aktivitäten der verbotenen KPD angeklagt wurde, weil er 1961 als Parteiloser zur Bundestagswahl kandidierte. Als Verteidiger des Antimilitaristen Lorenz Knorr, der Hitler-Generäle Massenmörder genannt hatte, ging Hannover durch mehrere Instanzen, bis das Verfahren 1972 eingestellt wurde. Später verteidigte er Karl Heinz Roth, der 1975 auf einen Kölner Parkplatz bei einer Polizeikontrolle schwer verletzt und als Terrorist vorverurteilt wurde. Schließlich musste er freigesprochen werden. Auch die RAF-Aussteiger Astrid Proll und Peter-Jürgen Boock hat Hannover verteidigt. Über Boocks Lügen war der Anwalt so enttäuscht, dass er das vorbereitete Plädoyer nicht verlas, sondern zu den Akten legte. Seine prominentesten Fälle waren die Nebenklage im Prozess gegen den Mörder des KPD-Vorsitzenden Ernst Thälmann und die Verteidigung von Hans Modrow im Verfahren wegen Wahlmanipulationen in der DDR. Auch einige Plädoyers in „unpolitischen“ Fällen sind in dem Buch dokumentiert. Insgesamt bieten die Texte einen guten Einblick in die politische Verfasstheit dieser Gesellschaft jenseits der Sonntagsreden. Der größte Teil der Plädoyers ist auch auf einer dem Buch beigelegten CD zu hören.

Peter Nowak

Heinrich Hannover: Reden vor Gericht. Plädoyers in Text und Ton. Mit einer Audio-CD. Papyrossa-Verlag, Köln 2010. 276 Seiten, 22 EUR

 http://www.akweb.de/ak_s/ak559/20.htm

Peter Nowak