»Kämpfende Hütten«

Ausstellung zur Geschichte der Berliner Mieterbewegung

»Kampf den Mieterhöhungen« lautete die sehr aktuelle Schlagzeile. Doch die Zeitung, in der sie zu finden ist, ist bereits 45 Jahre alt. Die »Märkische Viertel Zeitung« (MVZ) existierte von Juni 1969 bis Juli 1973 als Sprachrohr der Mieterbewegung im Märkischen Viertel. Über diese weitgehend in Vergessenheit geratenen Berliner Mietrebellen informiert die Ausstellung »Kämpfende Hütten«, die noch bis zum Sonntag im TheaterSpielRaum im Südflügel des Bethanien zu sehen ist. Vorbereitet wurde sie von ehemaligen Hausbesetzern, Aktivisten aktueller Mietkämpfe sowie Studierenden, die sich mit den Themen Mieten und Wohnraum beschäftigen.

Sie haben weitgehend unbekannte Details der Geschichte der Berliner Mieterbewegung ausgegraben. So sorgte schon im Juli 1872 die Zwangsräumung eines Schusters für tagelange Unruhen, die als Blumenstraßenkrawalle in die Geschichte eingingen. In der Endphase der Weimarer Zeit riefen in den Arbeiterstadtteilen Mieterräte mit der Parole »Erst das Essen, dann die Miete« zum Mietboykott auf.

Auch über die Westberliner Hausbesetzerbewegung der 1980er Jahre holen die Ausstellungsmacher vergessene Einzelheiten an die Öffentlichkeit. So widmen sich mehrere Tafeln der starken Rolle von Migranten in der Mieterbewegung. Türkische und kurdische Frauen gründeten im Februar 1981 in der besetzten Kottbusser Straße 8 den Treff- und Informationsort für Frauen aus der Türkei (TIO). In der Forster Straße hatten im November 1980 migrantische Familien zahlreiche Wohnungen besetzt und dann Mietverträge bekommen. Auch heute sind migrantische Gruppen im Kampf gegen Zwangsräumungen und im Widerstand gegen Verdrängung aktiv, wie die Ausstellung an verschiedenen Beispielen der letzten Monate zeigt. So wird die Bizim-Bakal-Bewegung erwähnt, die im Kampf für den Erhalt eines gekündigten Gemüseladens in Kreuzberg entstanden ist.

Bis 18.10.,TheaterSpielRaum im Südflügel des Bethanien,  Kreuzberg; kaempfendehuetten.blogsport.eu

https://www.neues-deutschland.de/artikel/987897.kaempfende-huetten.html

Petr Nowak

„Jede Zeit hat ihre Kämpfe“

RÜCKSCHAU Im Bethanien werden die Mietkämpfe der vergangenen 150 Jahre dargestellt

taz: Herr Lengemann, die Ausstellung „Kämpfende Hütten“ will eine Geschichte urbaner Kämpfe in Berlin zeigen.
Simon Lengemann: Im Zentrum der Ausstellung stehen die Kämpfe der Berliner MieterInnen der letzten 15 Jahre. Wir zeigen die ganze Bandbreite der Aktionen, von Demonstrationen über Volksbegehren bis zu verhinderten Zwangsräumungen. Zudem sollen Schlaglichter auf historische MieterInnenkämpfe geworfen werden. Anhand von Mietstreiks, migrantischen Besetzungen und Ostberliner Häuserkämpfen wird die Vielfalt vergangener Aktionen deutlich.
Wer sind die Organisatoren?
Wir sind ist ein Ausstellungskollektiv ohne institutionelle Bindung. Die Beteiligten kommen aus den aktuellen MieterInnenkämpfen,
den verschiedenen Berliner HausbesetzerInnenbewegungen  nd der akademischen Beschäftigung mit Miete und Wohnraum.
Thematisch gehen Sie bis 1872 zurück. Wie sahen damals die MieterInenkämpfe aus?
Zunächst handelte es sich um  spontane „Exmissionskrawalle“, so nannte man damals Proteste gegen Zwangsräumungen. Bekanntestes
Beispiel waren die Blumenstraßenkrawalle im Juli 1872.

In der Weltwirtschaftskrise lautete eine Parole „Erst das Essen, dann die Miete“. Welche Rolle spielten linke Parteien und MieterInnenverbände?
Die Krise brachte den offiziellen MieterInnenverbänden einen massiven Mitgliederschwund. Sie stellten sich dennoch massiv
gegen den Mietstreik und pochten auf die Einhaltung der  von ihnen mitgestalteten MieterInnengesetze. Die KPD dagegen
unterstützte die Kämpfe.

Die Ausstellung dokumentiert auch die MieterInnenbewegung im sozialen Wohnungsbau des Märkischen Viertels vor mehr als 40 Jahren. Warum konnte sie sich dort so lange halten?
Die neuen BewohnerInnen dieser Großsiedlung fanden zwar komfortable Wohnungen, aber keine städtische Infrastruktur
vor. Das waren sie vom Wedding, wo sie herkamen, anders gewöhnt. Von dort hatten sie die traditionelle Widerständigkeit
der alten ArbeiterInnenbewegung mitgebracht. Um 1968 beteiligten sich zudem auch linke Studierende und Intellektuelle
wie Ulrike Meinhof an der Stadtteilarbeit.  Mit der Moabiter Viertel Zeitung, deren Geschichte in der Ausstellung dargestellt wird,
hatten die MieterInnen sogar ein eigenes Sprachrohr.

Was können die heutigen MietrebellInnen daraus lernen?
Jede Zeit hat ihre eigenen Kämpfe. Aber natürlich wollen wir durch die Ausstellung und das Begleitprogramm Impulse für aktuelle Auseinandersetzungen um Wohnraum und Miete geben.
INTERVIEW: PETER NOWAK
■■Die Ausstellung findet bis zum 18. Oktober im TheaterSpiel-Raum im Bethanien statt

Simon Lengemann
■■28, Historiker und Amerikanist, forscht zu MieterInnenbewegung in der Weimarer Republik in der Zeit der Weltwirtschaftskrise.

Kämpfende Hütten

Mieterkämpfe haben in Berlin eine Geschichte.
Darauf weist die Ausstellung  „Kämpfende Hütten“ hin,  die sich den Kämpfen gegen Zwangsräumungen und Mieterhöhungen in den letzten 150 Jahren widmet.

„Kampf den Mieterhöhungen“ lautet die Schlagzeilen. Doch die Zeitung, in der sie zu finden war,  ist 45 Jahre alt und war zu unrecht lange vergessen. Es handelt  sich um die Märkische Viertel Zeitung (MVZ), die von Juni 1969 bis Juli 1973 existierte. Sie war das Sprachrohr der MieterInnenbewegung im Märkisches Viertel, die Ende der 60er Jahre berlinweit für Aufsehen sorgte und mehrere Jahre aktiv war. Über diese leider weitgehend  in Vergessenheit geratenen Mietrebell/innen informiert  die Ausstellung „Kämpfende Hütten“, die am 1.10. um 19 Uhr im TheaterSpielRaum  im Südflügel des Bethanien eröffnet wird. Vorbereitet wurden sie von einem kleinen Kreis von Aktiven, die sich aus unterschiedlichen Gründen für das Thema Wohnen interessieren. Einige der Beteiligten nehmen teil an  aktuellen MieterInnenkämpfen,  andere waren in der InstandbesetzerInnenbewegung der70er Jahre in West- oder Anfang der 90er Jahre in Ostberlin engagiert. Außerdem gehören auch Studierende dauzu, die sich mit Miete und Wohnraum beschäftigen. Sie alle wollen die weitgehend vergessene Geschichte der Berliner MieterInnenbewegung  einer größeren Öffentlichkeit bekannt machen.  .

Erst das Essen dann  die Miete

Die Ausstellung erinnert auch an die als  Blumenstraßenkrawalle in die  Geschichtsbücher eingegangenen Aufstände von Teilen der armen Bevölkerung Berlins im Juli 1872. Auslöser war die Räumung der Wohnung eines armen Schusters  in der Blumenstraße wegen Mietschulden. Damals  kamen Tausende Menschen aus den agrarischen Gebieten nach  Berlin in der Hoffnung auf ein besseres Leben. Sie  landeten in oft  dunklen Hinterhauswohnungen.  Ständig gab es Räumungen.  Oft gab es auch spontanen Protest von Bekannten und NachbarInnen der Geräumten. Damals wurde  der Widerstand gegen Zwangsräumungen von der Polizei und den meisten Medien „Exmissionskrawalle“ genannt.  Die Quellenlage aus dieser Zeit ist schlecht. Meistens sind die Kämpfe in den Polizei- und Presseberichten dokumentiert. Es gab schließlich damals noch kein Archiv des Widerstands von unten. Schon besser ist die Quellenlage auch aus der Sicht der MieterInnen in der Zeit der Weimarer Republik. Vor allem in der Zeit der Wirtschaftskrise  wuchs in vielen proletarischen Kiezen eine  Bewegung, die mit der Parole „Erst das Essen dann die Miete“ zum Mietzahlungsboykott aufrief. Während die etablierten MieterInnenverbände, die in dieser Zeit viele Mitglieder verloren, die Aktion als ungesetzlich ablehnten, unterstützte die KPD sowie kleinere linke Gruppen und  ihre Presse die Aktion.

Auf die eigenen Kraft vertrauen
Das Interesse an der Geschichte der MieterInnenbewegung ist in der letzten Zeit vor allem deshalb gewachsen, weil in Berlin seit einen Jahren wieder MieterInnen auf die Straße gehen und Zwangsräumungen zu verhindern versuchen. Dieses wachsende Interesse an der „Geschichte von Unten“ ist positiv. In den Veranstaltungen, die die Ausstellungen begleiten, wird es sicher um die Gemeinsamkeiten und Unterschiede in der über 150jährigen Berliner MieterInnenbewegung gehen.  Aber     damals wie heute, galt ein Grundsatz. Die MieterInnenbewegung war immer dann stark, wenn sie sich selbst organisierte und nicht auf Parteien und Großorganisationen vertraute.

Peter Nowak
Die Ausstellung „Kämpfende Hütten wird am 1.10.2015 um 19 Uhr im TheaterSpielRaum   im Südflügel des Bethanien eröffnet.  Sie ist vom 1. – 18.10. von Donnerstag bis Sonntag von 16 – 19 Uhr geöffnet.   Im Begleitprogramm gibt  es Filme, Vorträge und Diskussionen zu Berliner MieterInnenkämpfen. Das vollständige Programm findet sich unter http://kaempfendehuetten.blogsport.eu/

http://www.bmgev.de/mieterecho/mieterecho-online/kaempfende-huetten.html

MieterEcho online 01.10.2015

Peter Nowak