Bündnis von Lovestorm und Deutschem Sozialismus

Wie es der Ultrarechten gelingt, Teil von Protestbewegungen zu werden, konnte man am Wochenende in Dresden sehen

Wochenlang (Bilderberg-Konferenz: Führungsspitze von CDU und SPD eingeladen[1]) sorgte die Bilderberg-Konferenz[2], die am vergangenen Wochenende in Dresden tagte, für Diskussionen (Bilderberg-Konferenz: Prekariat soll Thema sein[3]). Unterschiedliche Gruppen hatten zu Protesten aufgerufen. Am Ende äußerten sich Polizei und Veranstalter zufrieden.

Das diesjährige Treffen wird allen Teilnehmern in sehr guter Erinnerung bleiben“, sagte Chairman Henri de Castries. Er lobte „die einzigartige Dresdner Kulisse, die hochprofessionelle Organisation der lokalen Behörden und die ganz besondere Gastfreundschaft“.   Rund 400 Polizisten sicherten das Areal täglich ab. „Ich habe selten einen so entspannten und ruhigen Einsatz bei einem Ereignis dieser Bedeutung erlebt“, bilanzierte[4] Polizeidirektor Renè Demmler gegenüber der Presse.

Tummelplatz von Rechten jeglicher Couleur

Die Dresdner Neuesten Nachrichten vermeldeten, dass die angekündigten Proteste gegen die Konferenz weitgehend ausgeblieben seien[5]. Nur nebenbei wurde erwähnt, dass gegen einen Redner wegen Holocaust-Leugnung ermittelt wird. Ermittelt wird auch gegen eine Gruppe, die einen Mosleminfostand mit Schweinefleisch beworfen haben soll. Die beiden Aktionen, die in den Medien ohne einen politischen Kontext vermeldet wurde, waren eigentlich folgerichtig.

Schließlich zog die Bilderberg-Konferenz Rechte der unterschiedlichen Couleur an. Wenn die angekündigten Großproteste auch nicht zustande gekommen sind, so können die Proteste gegen die Bilderberg-Konferenz für die Rechte durchaus als Erfolg verbucht werden. Denn sie müssen nicht mehr als geschlossene Gruppe zu Aktionen aufrufen, was in der Regel zu Gegenprotesten führt und dafür sorgt, dass die marginalisierten rechten Gruppen isoliert blieben. Da lohnt ein Blick in die jüngere Vergangenheit.

So kündigten Neonazis 2007 an, sich an den Protesten gegen den G8-Gipfel in Heiligendamm zu beteiligen. Das rief bei den übrigen Globalisierungskritikern große Ablehnung hervor. Es war schnell klar, dass die Rechten in Mecklenburg-Vorpommern kein Bein auf den Boden kriegen würden. Während sich ein großer Teil der linken Globalisierungsgegner sich an den Gipfelprotesten beteiligte, hatte sich eine kleine Gruppe von Rechten in Berlin am Brandenburger Tor versammelt. Bei anderen Großprotesten blieb es oft bei den Ankündigungen der Rechten, die nicht in der Lage waren, ihre Pläne umzusetzen.

Doch die Zeiten scheinen vorbei, in denen Ultrarechte keine Bündnispartner in Protestbewegungen sein konnten. Diesen Eindruck konnte man in Dresden ganz eindeutig gewinnen. Da gab es die harten Neonazis, die vom immer noch besetzten Deutschland schwadronierten und „Volksverrätern“ mit Rache drohen. Dort fand sich auch ein Zuhörer, der auf seinem T-Shirt den Neonazibarden Frank Rennecke als „Sänger für Deutschland“ abfeierte und auf der Rückseite noch Hitlers Geburtsdatum spazieren trug.

Nur wenige Meter weiter hatten sich Reste der sogenannten Friedensmahnwachen versammelt. Dort wurden eifrig die rechten Publikationen Junge Freiheit und Compact gelesen und auf Schildern wurde die Neue Weltordnung oft auch in der Kurzform NWO angeprangert. Vom Aussehen hätte man die dort versammelten auch als Attac-Anhänger betrachten können.

Rechtsoffene Lovestorm-People zwischen Campact und Compact

In der Nähe der Frauenkirche hatte eine Bewegung ihr Lager aufgeschlagen, die wie Späthippies daherkamen. Sie nannten sich Lovestorm People[6] und auf ihrer Homepage ist ein Potpourri von Aufklebern und Stickern zu sehen, die lange Zeichen Kennzeichen der Alternativkultur war.

Auch auf den Platz fanden sich Jugendliche mit Campact-Fahnen neben einen Demonstranten, der auf selbstgemalten Schildern ein Titelblatt der rechten Zeitschrift Compact geklebt hat. Eifrig wurde weißer Stoff mit Parolen gegen die Neue Weltordnung bemalt. Auf einen anderem selbstgemachten Schild hatte ein junger Mann neben Parolen gegen den Zionismus und die Neue Weltordnung den Aufkleber einer Neonazikameradschaft platziert, auf dem ein „Deutscher Sozialismus“ propagiert wurde. Er trug diese Insignien so, dass sie gut sichtbar waren.

Kritische Nachfragen oder gar offene Ablehnung brauchte er bei dem rechtsoffenen Lovestorm nicht zu befürchten. Schließlich hatte eine Rednerin vor dem Mikrophon die Zustimmung der kleinen Zuhörerschaft, als sie erklärte, es gehe nicht um rechts und links, sondern um unten gegen oben.

Zumindest am vergangen Samstag konnte man in Dresden rechte Ideologieelemente der unterschiedlichsten Varianten beobachten. Es gab am Samstag auch den Versuch, die Bilderkonferenz einer rationalen Kritik unterziehen und sich ganz klar von dem deutschen Lovestorm zu distanzieren, der dort als Bilderbergkritiker aufgezogen war. Unter dem Motto „Gegen jeden Antisemitismus“ zogen ca. 80 Menschen am Samstagnachmittag von Dresden-Neustadt zum Neumarkt.

Droht bei Protestbewegungen eine rechte Hegemonie?

Das Dresdner Szenario könnte ein Blick in die Zukunft sein, wo es vermehrt rechtsoffene Protestbewegungen geben wird. Sicher fällt es den unterschiedlichen Rechten bei der Bilderberg-Konferenz besonders leicht, sich zu positionieren. Sie scheint wie geschaffen für Verschwörungstheorien und regressive Kapitalismuskritik.

Doch längst gibt es auch bei vielen anderen Protestbewegungen vom Kampf gegen TTIP bis zu Demonstrationen für gesunde Ernährung rechte Positionen. Manchmal machen Ultrarechte ihre Teilnahme an größeren Bündnisaktionen selber öffentlich. Die offene Rechte muss dann gar nicht mehr zu eigenen Aktionen aufrufen, wenn es ihr gelingt, Elemente ihrer Propaganda in größere Kreise einzuspeisen. Dann würde es ihr auch gelingen, eine Hegemonie herzustellen.

Da kann die Friedenstaube mit den Aufklebern einer rechten Kameradschaft koexistieren und ein Aufruf gegen weitere Privatisierungen wird mit einem Plakat gegen die NWO kombiniert. Lange Zeit gab es bei größeren Protestbewegungen eine linke Hegemonie. Das bedeutete nicht, dass alle Teilnehmer sich als Linke verstanden. Sie wählten aber Motive und Symbole, die aus dem linken Diskursumfeld kamen. Nun könnte sich eine Protestbewegung etablieren, in der rechte Zeichen und Symbole ganz offen getragen und kombiniert werden.

Diese Gefahr einer rechten Hegemonie auf Protestbewegungen wird bisher auch in antifaschistischen Kreisen noch wenig diskutiert. Das verhindert natürlich auch die Debatte über Gegenstrukturen. Der Fokus der Versuche, eine antifaschistische Praxis neu zu begründen, liegt im Kampf gegen die AfD[7]. Da wird selbst in außerparlamentarischen Kreisen dem Rechtsruck in den Parlamenten ein wesentlich größerer Stellenwert zugeschrieben, als einer möglichen rechten Hegemonie bei vielen Protestbewegungen.

Zudem wird ziemlich inflationär mit dem Begriff Querfront agiert und suggeriert, es gebe hier eine Kooperation zwischen rechts und links. Doch das ist eher ein Wunschbild verschiedener rechter Gruppen als die Realität. Daher wäre es viel sinnvoller von einer rechtsoffenen Protestszene und Protesten mit einer rechen Hegemonie zu sprechen.

http://www.heise.de/tp/artikel/48/48524/1.html

Anhang

Links

[1]

http://www.heise.de/tp/artikel/48/48210/

[2]

http://www.bilderbergmeetings.org/

[3]

http://www.heise.de/tp/artikel/48/48465/

[4]

https://mopo24.de/nachrichten/dresden-kempinski-taschenbergpalais-hotel-bilderberg-konferenz-protest-69775

[5]

http://www.dnn.de/Dresden/Lokales/Bilderberg-Konferenz-in-Dresden-beendet-Verhaltene-Proteste

[6]

http://lovestorm-people.com

[7]

http://www.hagalil.com/2016/06/bilderberger/#more-42525