Wer kürzt, wird belagert

Bundestagsblockade will Proteste gegen das Sparpaket anheizen
 

Zu einer Herbstkampagne gegen das Sparpaket der Bundesregierung ruft das Berliner Bündnis »Wir zahlen nicht für Eure Krise« auf, in dem sich soziale Initiativen, Erwerbslosengruppen und Gewerkschafter zusammengeschlossen haben. Es hat seit 2009 mehrere Protestaktionen organisiert, zuletzt eine Großdemonstration am 12. Juni. Jetzt steht die Protestagenda für die nächsten Wochen fest.

Am 29. September sollen im Rahmen des europäischen Aktionstages gegen unsoziale Politik auch in Berlin mehrere Banken belagert werden. »Wir gehen zu den Profiteuren der Krisenpolitik, protestieren vor und in Banken gegen die Sozialisierung ihrer Verluste und fordern eine Umverteilung des gesellschaftlichen Reichtums«, erklärt der emeritierte Berliner Politologe Peter Grottian die Aktion. Der Aktionstag soll mit einer Demonstration enden, die unter dem Motto »Sparpakete stoppen, hier und europaweit!« steht.

Der Höhepunkt der herbstlichen Protestagenda ist Ende November: Am Tag der Verabschiedung des Sparpakets ruft das Antikrisenbündnis zur »Belagerung« des Bundestags auf. Die letzte, entscheidende Lesung des Sparpakets wird nach den aktuellen Planungen am 26. November stattfinden. »Der Aktionsvorschlag wurde vom Berliner Bündnis ohne Gegenstimmen verabschiedet«, so Michael Prütz gegenüber ND über die geplante Blockade. »Erst gehen wir zu den Banken, dann zur Politik«, beschreibt er die Choreographie der nächsten Wochen.

»Wir rufen zu einer legitimen Form des zivilen Ungehorsams und zu keinen kriminellen Handlungen auf und erwarten daher auch keine Kriminalisierung«, betont die zweite Bündnissprecherin Christina Kaindl in Richtung Polizei. Sie kritisiert die Bannmeilenbestimmung, die politische Manifestationen im Regierungsviertel enorm erschwert. »Der Bundestag und seine Umgebung dürfen kein demokratie- und politikfreier Raum sein. Auch hier können sich die Betroffenen zu Wort melden«, so Kaindl. Die Details für den konkreten Ablauf der Blockaden werden in der Vorbereitungsgruppe noch beraten, erklärt Prütz. In der Vergangenheit wurden bei Protesten im Regierungsviertel Kundgebungen häufig am Rande der Bannmeile angemeldet.

Die bisher größte Bundestagsblockade fand vor mehr als 15 Jahren statt – damals noch in Bonn. Die Aktion am 26. Mai 1993 richtete sich gegen die Verschärfung der Asylgesetzgebung. In Berlin ist eine Bundestagsblockade dagegen politisches Neuland. Vorbild dafür sind die Protestaktionen gegen den G8-Gipfel in Heiligendamm im Jahr 2007. Seitdem wurden mit Blockadeaktionen mehrere Naziaufmärsche erfolgreich verhindert, beispielsweise im Februar 2010 in Dresden. Sollte die Mobilisierung in Berlin ähnlich erfolgreich sein, dürfte diese Aktionsform künftig noch häufiger bei sozialen Protesten zur Anwendung kommen.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/179131.wer-kuerzt-wird-belagert.html

Peter Nowak

Bündnis oder eigene Stärke?

Herbstaktionen gegen Sparpaket / Diskussionen über Protestbündnisse

Die Mobilisierung für die im Herbst geplanten Proteste gegen die Sparpläne der Bundesregierung läuft an. Neben den Gewerkschaften rufen die LINKE und viele Gruppen und Initiativen zu Protesten auf. Der Höhepunkt der Protestagenda sollen betriebliche Aktionswochen im Oktober und November sein.

Der Stuttgarter ver.di-Vorsitzende Bernd Riexinger bezeichnet es gegenüber ND als großen Erfolg, dass auch DGB und IG Metall zu den Protesten mobilisieren. Riexinger ist einer der Initiatoren eines bundesweiten Krisenprotestbündnisses, das 2009 und 2010 unter dem Motto »Wir zahlen nicht für Eure Krise« bundesweite Großdemonstrationen organisiert hat. Allerdings wird das Bündnis bei den gewerkschaftlichen Protestaktionen eher eine untergeordnete Rolle spielen. Das liege vor allem an der IG Metall, so Riexinger, die bei ihren Aktionen auf die eigene Stärke in den Betrieben setze und wenig Wert auf Bündnispartner aus den sozialen Bewegungen lege.

Riexinger sieht eine Art Arbeitsteilung zwischen Bündnis und Gewerkschaften. »Das Krisenprotestbündnis kommt dann zum Zug, wenn die Gewerkschaften nicht in der Lage oder bereit sind, zu Protesten zu mobilisieren. Rufen die Gewerkschaften dagegen zu Protesten auf, verliert das Bündnis an Bedeutung«, so der Stuttgarter Gewerkschafter gegenüber ND.

Dass indes in Teilen der Gewerkschaftsbasis der Unmut über das Agieren der Gewerkschaftsspitze groß ist, zeigte sich auch an der Nachbereitung der Antikrisendemonstration am 12. Juni in Stuttgart. So monierte der Stuttgarter Metallertreff in einem Offenen Brief, dass auf Druck des DGB-Landesvorstands Baden-Württemberg der oppositionelle Opelbetriebsrat Tom Adler von der Rednerliste bei der Abschlusskundgebung gestrichen worden sei. Für Riexinger geht es bei dem Konflikt dagegen um Kräfteverhältnisse. Das Krisenbündnis sei vor allem in Stuttgart aktiv, IG Metall und DGB-Landesvorstand hingegen können flächendeckend mobilisieren. Wenn die einen oppositionellen Gewerkschafter auf der zentralen Kundgebung ablehnen, könne das nicht einfach ignoriert werden.

Das Krisenbündnis wird demnächst einen Aufruf zu den Herbstaktionen veröffentlichen. Dort wird die Beteiligung an den Gewerkschaftsaktionen nur ein Punkt auf der herbstlichen Protestagenda sein. Beispielsweise bereitet Attac für den 29. September, an dem auch der Europäische Gewerkschaftsbund zu einem internationalen Aktionstag aufruft, einen Bankenaktionstag vor. Zudem plant ein Bündnis, das sich »Aktionsgruppe Georg Büchner« nennt, für den 18. Oktober eine eintägige Blockade des Bankenzentrums in Frankfurt am Main. Zu den Aufrufern einer bundesweiten Aktionskonferenz am 21. August in Frankfurt am Main, auf der die Planungen konkretisiert werden sollen, gehören neben außerparlamentarischen Initiativen, Erwerbslosengruppen und Politikern der LINKEN auch die IG BAU-Jugend Hessen, die DGB-Jugend Südhessen und zahlreiche Gewerkschaftssekretäre.

Caren Lay und Werner Dreibus, Bundesgeschäftsführer der LINKEN, haben die Kreisvorstände mit einem Brief Ende Juli sowohl zur Beteiligung an den gewerkschaftlichen Protesten als auch zu eigenen Aktionen bereits im Sommer aufgerufen. Bis September sollen lokale Aktionen mit Bezug auf die Finanznot der Kommunen laufen. Vom 13. bis 18. September wird dann im Bundestag das schwarz-gelbe Sparpaket debattiert – ein weiterer Anlass für medienwirksamen Protest.

»Seit dieser Woche rufen wir die Kreisvorstände an, um sie nach ihren konkreten Planungen für den Herbst zu fragen«, erzählt Claudia Gohde, Leiterin der Öffentlichkeitsarbeit bei der LINKEN. Es zeichne sich ab, dass sich sehr viele an den Protesten beteiligen wollen, für einen Gesamtüberblick sei es allerdings noch zu früh. Noch ist Urlaubszeit.

»Wir gucken uns natürlich vorher an, wo potenzielle Bündnispartner politisch stehen«, sagte ver.di-Sprecherin Cornelia Haß gegenüber ND, und mit der LINKEN gebe es beim Sparpaket die gleichen Kritikpunkte. In anderen Bereichen sehe das anders aus, so Haß. Es müsse indes unterschieden werden zwischen öffentlichem und betrieblichem Protest. Bei Demonstrationen wie zuletzt in Stuttgart am 12. Juni wird im Bündnis zusammengearbeitet. Die betrieblichen Aktionswochen, die vom 24. Oktober bis 13. November Schwerpunkt des Widerstands gegen die Sparpläne sein werden, organisieren die Gewerkschaften alleine. Bei der IG BAU steht fest, dass die Rente mit 67 und die Gesundheitsreform Schwerpunkte des Protests sein werden. Auch sollen bei lokalen Aktionen die Bündnisse vor Ort einbezogen werden, so Sprecher Jörg Herpich. Alles weitere berate der Bundesvorstand ab kommender Woche.

Genug Aufrufe zu einem »heißen Herbst« gibt es. Nun dürfte es daran liegen, ob die Akteure mit ihrer Mobilisierung überzeugen können, dass nur mit vereinter Kraft die Bundesregierung zur Rücknahme ihrer Sparpläne zu bewegen sein wird.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/177305.buendnis-oder-eigene-staerke.html

Peter Nowak und Jörg Meyer

Sind wir alle Griechen?

Soziale Initiativen wenden sich gegen antigriechische Stimmung und erklären sich mit griechischen Protesten solidarisch
Vor einigen Monaten hatten die Medien das Ende der Finanz- und Wirtschaftskrise herbei geschrieben. Doch durch die Debatte über die Euroschwäche und die Rettungspakete für die griechische Wirtschaft ist das Krisenbewusstsein wieder in den gesellschaftlichen Diskurs zurück gekehrt.

Am vergangenen Mittwoch hatten soziale Initiativen unter dem Motto „Von Athen bis Berlin – Wir zahlen nicht für Eure Krise“ zu einer Demonstration durch Berlin-Mitte aufgerufen, ca. 300 Teilnehmer waren gekommen. „Die Zahl entsprach unseren Erwartungen. Schließlich war die Zeit der Mobilisierung extrem kurz“, meinte Florian Becker vom Krisenbündnis gegenüber Telepolis. Erst Mitte Mai hatte sich in Berlin ein Solidaritätskreis gegründet, der sich in der ersten Presseerklärung gegen eine antigriechische Stimmung in deutschen Medien wandte und mit den Teilen der griechischen Bevölkerung solidarisch erklärte, die gegen den mit dem Rettungsplan verbundenen Sparauflagen und Kürzungen protestierten und streiken.

In zahlreichen Redebeiträgen hoben Vertreter verschiedener sozialer Organisationen, aber auch griechische Verbände in Berlin hervor, dass es in Griechenland die bisher stärksten europäischen Proteste gegen das Abwälzen der Krisenlasten auf die Bevölkerung gäbe. Mit Parolen wie „Wir sind alle Griechen“ oder „Wir müssen griechisch lernen“ wurde ein Ausbreiten des Widerstands auch in andere Länder propagiert.

In Deutschland sind in den nächsten Wochen einige Antikrisenaktivitäten geplant. So soll auf einem Workshoptag am 5.Juni in Berlin die Krise theoretisch ergründet werden. Auf Demonstrationen in Berlin und Stuttgart soll am 12. Juni gegen die unterschiedlichen Auswirkungen der Krisenpolitik wie Bildungsabbau, Lohnverzicht und Bildungsabbau demonstriert werden.

Dort wird mit griechischen Verhältnissen sicher nicht zu rechnen sein, aber das Krisenbewusstsein in Teilen der Bevölkerung wächst. Das zeigt auch der Film Der Gewinn der Krise, in dem 9 Menschen aus 6 Städten berichten, welche Auswirkungen die Krise auf ihr Leben hat. Vertrauen in Politiker ist bei den Gesprächspartnern kaum vorhanden, aber auch die Bereitschaft zu Protest findet sich nur vereinzelt.

http://www.heise.de/tp/blogs/8/147664

Peter Nowak