Rechter Schulterschluss bei CSU-Klausur

Victor Orbán besucht die bayerische Partei zu einer Zeit, in der führende CSU-Politiker politisch artikulieren, dass es in Deutschland eine rechte Mehrheit gibt

Nun ist schon lange bekannt, dass der rechtskonservative ungarische Ministerpräsident Orbán für die CSU ein Vorbild ist. Bereits 2015 und 2016 war Orbán von Seehofer eingeladen worden und auch im letzten Jahr war der ungarische Rechtsaußen schon Gast bei der CSU-Klausurtagung.

Nur findet der diesjährige Orbán-Besuch besonders viel Aufmerksamkeit, weil er vor den entscheidenden Gesprächen eines Regierungsbündnisses der Unionsparteien mit der SPD stattfindet, die wohl von vielen Kommentatoren eher aus Bequemlichkeit noch immer als große Koalition bezeichnet wird. Dabei würde das Bündnis rechnerisch weniger Mandate aufbieten, als sie die sogenannte Kleine Koalition aus SPD und FDP in den 1970er Jahren besaß.

Orbán: Vorbild für unterschiedliche Rechte

Vor allem aber kommt der Orbán-Besuch zu einer Zeit, in der führende CSU-Politiker politisch artikulieren, dass es in Deutschland eine rechte Mehrheit gibt. Die kann aber nur mit der AfD realisiert werden. Nun gab es in den letzten Wochen bereits in verschiedenen Landtagen gemeinsame Abstimmungen zwischen Union und AfD.

Doch vor allem der Merkel-Flügel der Union betont die klare Abgrenzung nach Rechtsaußen. Die Mehrheit der CSU hat allerdings schon immer mit Merkel gefremdelt und sich in der Flüchtlingsfrage direkt als ihr Gegner aufgespielt. Das hat nun dem Merkel-Flügel aller Parteien genützt, der die Kanzlerin zu einer Politikerin der offenen Grenzen aufbaute. Das hatte Wirkung bis weit ins linke Lager.

Tatsächlich wurden unter Merkel die schärfsten Flüchtlingsabwehrgesetze erlassen. Doch der Merkel-Flügel der Union registriert auch, dass Teile der deutschen Industrie Arbeitskräfte brauchen. Daher verband man dort eben Flüchtlingsabwehr mit dem Konzept der flexiblen Einwanderung, wie sie in den USA schon lange praktiziert wird.

Die CSU hingegen gibt sich als Interessenvertreter der Kreise in Bevölkerung und Industrie, die die Grenzen möglichst dichtmachen wollen. Orbán gehört zu den europäischen Politikern, die mit dem Dichtmachen der Grenze Ernst gemacht haben. Seitdem ist er ein Vorbild für ganz unterschiedliche rechte Strömungen in Europa. Er wird auf Pegida-Aufmärschen gelobt, ebenso von der rechtspopulistischen österreichischen FPÖ. Aber natürlich ist es für den ungarischen Ministerpräsidenten eine größere Aufwertung, nun wieder einmal Gast der CSU zu sein.

Aufruf zu einer konservativen Revolution

Dass aber führende CSU-Politiker durchaus auch die Innenpolitik in Deutschland mit im Blick haben, wenn sie Orbán einladen, zeigt ein Artikel, den CSU-Generalsekretär Dobrindt unter dem bezeichnenden Artikel „Für eine konservativ-bürgerliche Wende“ in der Welt veröffentlicht hat. Gleich der erste Absatz zeigt, um was es Dobrindt geht:

Deutschland ist ein bürgerliches Land. Die Mehrheit der Menschen in unserem Land lebt und denkt bürgerlich. Es gibt keine linke Republik und keine linke Mehrheit in Deutschland. Das hat nicht zuletzt die Bundestagswahl 2017 wieder ganz klar gezeigt. Und doch dominiert in vielen Debatten eine linke Meinungsvorherrschaft eine dieses Schauspiel ertragende bürgerliche Mehrheit. Der Ursprung dafür liegt vor genau 50 Jahren, im Jahr 1968. Damals haben linke Aktivisten und Denker den Marsch durch die Institutionen ausgerufen und sich schon bald Schlüsselpositionen gesichert in Kunst, Kultur, Medien und Politik. Sie wurden zu Meinungsverkündern, selbst ernannten Volkserziehern und lautstarken Sprachrohren einer linken Minderheit. Die 68er waren dabei immer eine Elitenbewegung, eine Bürger-, Arbeiter- oder Volksbewegung waren sie nie.

Alexander Dobrindt

Hier sind alle Topoi vertreten, die auch die unterschiedlichen rechten Gruppen verwenden. Da wird 50 Jahre nach 1968 noch einmal der rechte Kulturkampf gegen den damaligen Aufbruch, der schon längst zur Schwungmasse des neoliberalen Kapitalismus wurde, geführt.

Da wird bis in die Begrifflichkeiten von „den Volkserziehen und den lautstarken Sprachrohren einer linken Minderheit“ ein Duktus verwendet, die Orbán und seine Anhänger in Ungarn genauso beherrschen wie die AfD. Die hat Dobrindt schon einmal mit einbezogen in seine bürgerliche Mehrheit, die ja nur zustande kommt, wenn er Union und AfD und womöglich auch die FDP zusammenaddiert.

Wenn die letzten Linksliberalen in der FDP wie Leutheusser-Schnarrenberger nun innerparteilich auf stärkere Abgrenzung zur AfD drängen, zeigt dies, dass der Lindner-Kurs, die FDP zu einer AfD light zu machen, sehr wohl innerparteilich wahrgenommen wird.

Nun bedeutet es nicht, dass in den nächsten Wochen eine Rechtskoalition in Deutschland etabliert wird. Doch die CSU setzt hier Wegmarken und das sie dabei den Begriff der „Konservativen Revolution“ benutzt, der seit Jahren für unterschiedliche Rechtsaußengruppen ein wichtiger Bezugspunkt ist, ist kein Zufall.

Wenn es einen Staat gibt, wo die Vorstellungen der extremen Rechten aller Couleur realpolitisch umgesetzt werden, dann ist es Ungarn. Deswegen ist er auch ein Vorbild der sonst durchaus zerstrittenen extremen Rechten. Die CSU macht deutlich, dass sie ein relevanter Teil dieser Rechten ist und bleibt. Damit steht sie ganz in der Tradition von Franz Josef Strauß, der auch den unterschiedlichen Rechtsgruppierungen als Vorbild diente.

Es gab über Jahre hinweg von Rechtsaußenfiguren das Konzept der Vierten Partei, einer bundesweiten CSU unter der Führung von Strauß. Zudem hat es Orbán geschafft, seine eindeutig antisemitische Kampagnen nicht nur gegen Soros durch eine besondere Nähe zur gegenwärtigen israelischen Rechtsregierung zu kaschieren.

So gehört Orbán zu denjenigen im Kreis der EU-Politiker, die die angekündigte Verlegung der US-Botschaft nach Jerusalem begrüßen. Auch hier ist Orbán ein Vorbild für viele europäische Rechtsaußengruppen, die Pro-Israel-Positionen mit Antisemitismus kombinieren wollen.

Die kläglichen SPD-Reaktionen

Natürlich kritisiert die SPD diese Klarstellungen der CSU besonders stark. Schließlich werden damit die Bemühungen der Parteiführung nicht einfacher, die Parteibasis auf ein Regierungsbündnis mit der Union einzuschwören, das nach den Bundestagswahlen noch ausgeschlossen worden waren.

Doch die Kritik ist, wie von der SPD zu erwarten, erbärmlich harmlos. So kritisieren führende SPD-Politiker, es wäre ein anti-europäisches Signal, wenn Orbán von der CSU eingeladen wird. Dabei wird ausgeblendet, dass Orbán schon längst zum führenden Kopf einer rechten EU-Version geworden ist, die in den Visegrad-Staaten umgesetzt wird und Unterstützung durch die neue österreichische Rechtsregierung bekommen hat.

Auch die CSU hat schon immer Sympathien mit dieser rechten EU-Version gezeigt. Nur ist eben das auch von der SPD favorisierte EU-Modell stärker an den neoliberalen Interessen führender Kapitalkriese orientiert, aber deswegen nicht wesentlich emanzipatorischer. Wenn nun die SPD-Politikerin Manuela Schwesig als Kritik an Dobrindts rechten Kampfbekenntnis mit dem schlichten Satz kommentiert, dass die Bürger keine Revolution, sondern eine stabile Regierung wollen, zeigt das eben die Harmlosigkeit der SPD.

Da hat sich seit dem Ende der Weimarer Zeit wenig geändert. Nicht einmal die Herleitung des Begriffs „Konservative Revolution“ aus dem Ideologiefundus der extremen Rechten kommt ihr über die Lippen. Da kündigt sich schon an, wie viel Kompromisse die SPD gegenüber Rechtsaußen an den Tag legen wird, um die stabile Regierung zu ermöglichen.

Koalition ohne die CSU

Nun haben manche Merkelaner auch und vor allem außerhalb der Union ein Regierungsbündnis von CDU, SPD und Grünen ins Gespräch gebracht. Dann wäre neben der AFD und der FDP auch die CSU Teil der rechten Opposition. Dass einige CSU-Politiker die Orbán-Einladung auch nicht gut finden sollen, nährt bei ihnen die Hoffnung, dass in solch einen Bürgerblock auch einige aus dieser Partei überwechseln.

Doch unabhängig davon, dass es dabei darum nur geht, welche bürgerliche Variante für die sozialen Zumutungen zuständig sein soll, die für die Mehrheit der Lohnabhängigen in Deutschland schon angekündigt sind, dürften solche Planspiele schon daran scheitern, dass sich damit auch die CDU spalten würde.

Denn der Rechtskurs der CSU hat viele Unterstützer in der Union, die sich in Zeiten der Merkel-Dämmerung lauter bemerkbar machen. Immerhin darf nicht vergessen worden, dass ein großer politischer Freund Orbáns Helmut Kohl war.

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Peter Nowak

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[1] https://www.tagesschau.de/inland/orban-csu-105.htm
[2] https://www.welt.de/debatte/kommentare/article172133774/Warum-wir-nach-den-68ern-eine-buergerlich-konservative-Wende-brauchen.html
[3] https://www.welt.de/debatte/kommentare/article172133774/Warum-wir-nach-den-68ern-eine-buergerlich-konservative-Wende-brauchen.html
[4] http://www.spiegel.de/politik/deutschland/fdp-sabine-leutheusser-schnarrenberger-fordert-klare-kante-gegen-afd-a-1186115.html
[5] https://www.blaetter.de/archiv/jahrgaenge/2017/august/afd-light-lindners-neue-fdp
[6] http://www.comlink.de/cl-hh/m.blumentritt/agr221s.htm
[7] https://www.heise.de/tp/features/Oesterreich-Modell-fuer-Europa-und-vielleicht-auch-fuer-die-FDP-3919969.html
[8] http://www.augsburger-allgemeine.de/politik/Kritik-an-CSU-Schwesig-fordert-mehr-Sachlichkeit-id42915776.html
[9] http://www.spiegel.de/politik/deutschland/viktor-orban-bei-helmut-kohl-a-1088033.html