Das Magazin Cilip zeigt, wie man Repression und Staatsgewalt ohne Phrasendrescherei und Moralisieren kritisieren kann, was heute nötiger denn je ist

Wozu ein Informationsdienst zur Polizeientwicklung im Jahr 2019?

Eine Publikation wie die Cilip ist also auch heute nötiger denn je. Umso mehr, weil es in der Politik es kaum Bündnispartner für eine grundlegende Polizeikritik gibt.

Im Vorfeld des 30ten Jahrestag des Mauerfalls heißt es immer, dass damals die Freiheit über die Diktatur gesiegt hat. Kaum erwähnt wird, dass es in der BRD eine lange Geschichte von Grundrechtseinschränkungen, aber auch einen langen Kampf dagegen gab. Das Magazin Cilip mit dem Untertitel „Bürgerrechte und Polizei“ ist ein Archiv von vier Jahrzehnten Kampf gegen Gesetzeseinschränkungen und gegen Polizeigewalt. Das aktuelle Heft 118/119 vom Juni 2019 ist gleichzeitig auch eine Ausgabe zum 40ten Jubiläum.Im März 1978 war die Nullnummer von Cilip erschienen. Die Texte wurden damals noch mit der Schreibmaschine abgetippt. Wenn sich heute auch das Erscheinungsbild stark verändert hat, so haben die im Laufe der Jahrzehnte wechselnden Autoren doch ….

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Möglichkeiten von Befreiung

Karl Reitters »Heinz Steinert und die Widerständigkeit seines Denkens«

Der 2011 verstorbene Heinz Steinert war ein Universalgelehrter. Er studierte Philosophie, Psychologie, Germanistik und Literaturwissenschaft, absolvierte eine psychoanalytische Ausbildung, wurde im Fach Psycho­logie promoviert und habilitierte sich in Soziologie. Er war Mitbegründer und bis 2000 wissenschaftlicher Leiter des Instituts für Rechts- und ­Kriminalsoziologie in Wien und von 1978 bis 2007 Professor für Sozio­logie an der Goethe-Universität in Frankfurt. Nun ist eine Einführung in das Denken Steinerts, der mit ­seiner Arbeit immer auch die gesellschaftliche Emanzipation vorantreiben wollte, erschienen. Verfasst hat sie der Wiener Philosoph Karl Reitter.

Mit Adorno und der Frankfurter Schule hatte sich Steinert jahrelang beschäftigt. Während er trotz aller Kritik im Detail die Frankfurter Schule zum widerständigen Denken zählte, hielt er Max ­Webers zentrales Werk »Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus« für unwissenschaftlich. Reitter zeichnet in einem Kapitel die gravierenden Fehler nach, die Steinert Weber nachwies. Ein weiteres Kapitel widmet sich dem Kriminalsoziologen Steinert, der sich wissenschaftlich begründet für eine Gesellschaft ohne Gefängnisse einsetzte und die Sinnhaftigkeit von Haft­strafen hinterfragte.

Dabei formulierte er Thesen, die gerade in der derzeitigen Law-and-Order-Stimmung erstaunlich aktuell sind: »Zwischen der Strenge der Strafen, der Anzahl der Menschen in Gefängnissen und der Summe der verübten Strafen besteht ein erkennbarer Zusammenhang. Weder die Höhe der Strafen noch die Wahrscheinlichkeit, ein­gesperrt zu werden, selbst die Todesstrafe verhindern Verbrechen.« Reitter schließt das informative Buch mit der Hoffnung, dass es dazu beitrage, »widerständiges Denken ­bekannter zu machen«. Das ist ihm zu wünschen.

Karl Reitter: Heinz Steinert und die Widerständigkeit seines Denkens. Dampfboot-Verlag, Münster 2018, 213 Seiten

https://jungle.world/artikel/2018/43/moeglichkeiten-von-befreiung

Peter Nowak