Freitags 18 Uhr in Greiz

Nazis nutzen Initiative gegen Flüchtlingsheim

Seit Wochen mobilisiert eine rechte Bürgerinitiative in Greiz regelmäßig zu Aufmärschen gegen ein Flüchtlingsheim. Inzwischen nimmt die Resonanz bei den Einheimischen ab.

»Sascha, der ist Deutscher und Deutschsein, das ist schwer«. Dieser Refrain eines bekannten Songs der Punkband »Tote Hosen« schallte am Freitagabend über den Marktplatz des thüringischen Städtchen Greiz. Rund 120 Menschen hatten sich dort eingefunden, um ihre Solidarität mit den Flüchtlingen auszudrücken, die seit einigen Wochen in einer Unterkunft am Zaschberg leben. Darunter waren Kommunalpolitiker der LINKEN und der SPD, Aktivisten des Geraer Bündnisses gegen Rechts, sowie von regionalen Antifagruppen.

Sie protestierten mit der Kundgebung gegen eine von der »Greizer Bürgerinitiative gegen das Asylheim am Zaschberg« angemeldete Demonstration. Unter den etwa 80 Teilnehmern waren wie schon in den Vorwochen in der Region bekannte Neonazis vertreten. Seit Mitte September mobilisiert die rechte Bürgerinitiative immer am Freitag um 18 Uhr zu Kundgebungen gegen die Flüchtlingsunterkunft. Damals warf der Flüchtlingsrat der Landrätin des Kreises Greiz vor, die Bevölkerung nicht ausreichend informiert zu haben. So sei versäumt worden, bestehende Ängste auszuräumen und Vorurteilen rechtzeitig zu begegnen.

Am 22. September organisierten Nazigegner erstmals eine Gegenkundgebung. Nachdem die Rechten am 4. Oktober eine Demonstration in der Nähe des Flüchtlingsheims organisiert hatten, marschierten sie am letzten Freitag erstmals durch die Greizer Innenstadt.

Beobachter werten es als positives Zeichen, dass die Beteiligung von Anwohnern an den rechten Aufmärschen zurückgegangen ist. »Anfangs hatten sich Bewohner des Zaschberges daran beteiligt, aber mittlerweile bleiben die Neonazis auf den Kundgebungen weitgehend unter sich«, erklärte ein Mitarbeiter eines antifaschistischen Rechercheteams. Er hat unter den Teilnehmern langjährige Aktivisten von rechten Gruppierungen der Region ausgemacht. Dazu gehörte die Reichenbacher Aktionsfront (RAF), die im thüringisch-sächsischen Vogtland einige Jahre lang das politische Klima prägte.

Seit drei Jahren versucht im Vogtland auch eine Kameradschaft Revolutionäre Nationale Jugend (RNJ) vor allem unter jungen Menschen Anhang zu gewinnen. Auf ihrer im Herbst 2012 abgeschalteten Homepage veröffentlichte die RNJ ein Selbstverständnispapier, in dem zum »Kampf gegen Multikulti« und gegen »den deutschen Volkstod« aufgerufen wird.

Im September 2012 hatte die RNJ im Internet zwar eine Auflösungserklärung veröffentlicht. Doch bereits wenige Wochen später trat die Gruppierung bei überregionalen rechten Demonstrationen mit einem eigenen Transparent auf. Auch bei den Protesten gegen das Flüchtlingsheim sind RNJ-Kader wieder aktiv.

Antifaschisten sprechen schon Hellersdorfer Zuständen in Thüringen. Auch in jenem Ostberliner Stadtteil mobilisierte eine von bekannten Neonazis gesteuerte Bürgerinitiative gegen ein Flüchtlingsheim. In Greiz fanden sich Nachahmer. Die Nazigegner haben angekündigt, auch in Zukunft Gegenaktionen gegen den rechten Aufmarsch zu veranstalten. Zudem fordern sie die Abschaffung des die Flüchtlinge diskriminierenden Gutscheinsystems und die Auszahlung von Bargeld an die Heimbewohner.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/835842.freitags-18-uhr-in-greiz.html
Peter Nowak

„Gegen Multikulti und Volkstod“

Neonazis aus dem Umfeld der „Revolutionären Nationalen Jugend“ im Vogtland mobilisieren zu wöchentlichen Kundgebungen gegen Flüchtlingsunterkunft.

„Ich habe ein schulpflichtiges Kind und jetzt habe ich Angst, dass es ohne Schuhe und Jacke nach Hause kommt“. Mit starkem Applaus quittierten die rund 120 Teilnehmer einer Kundgebung im Greizer Stadtteil Pohlitz in Thüringen am Freitagabend solche und ähnliche Statements. Sie hatten sich zusammengefunden, um gegen eine Flüchtlingsunterkunft am Greizer Zaschberg zu agieren, die vor wenigen Wochen eröffnet wurde. Es war bereits die zweite Aktion innerhalb weniger Tage. Mehrere Teilnehmer der Kundgebung stellten sich als Bewohner des Stadtteils vor und überboten sich in Ressentiments gegen die Flüchtlinge. Während ein Redner monierte, sie würden Gartenbeete zertrampeln und Birnen und Äpfel stehlen, beschwor ein anderer bürgerkriegsähnliche Zustände in Greiz.

Für die Logistik und Anmeldung der Kundgebung sorgten mit Kevin Pahnke und David Köckert zwei in der Region seit Jahren aktive rechte Kader. Beide waren in der „Reichenbacher Aktionsfront“ (RAF) aktiv, die im thüringisch-sächsischen Vogtland vor einigen Jahren das politische Klima prägte. Seit drei Jahren wirbt im Vogtland auch die Kameradschaft „Revolutionäre Nationale Jugend“ (RNJ) vor allem unter jungen Menschen um Anhänger. Nachdem im September 2012 die Homepage der RNJ abgeschaltet wurde, erklärte die Kameradschaft im September 2012 im Internet ihre Auflösung. Doch bereits wenige Wochen später trat sie bei überregionalen rechten Demonstrationen mit einem eigenen Transparent auf. Im auf der abgeschalteten Homepage veröffentlichten Selbstverständnis der RNJ spielte der Kampf gegen „Multikulti und den deutschen Volkstod“ eine zentrale Rolle. Solche Inhalte wurden auch in zahlreichen Kurzbeiträgen auf der Kundgebung geäußert. Am Schluss kündigten mehrere Redner an, sich künftig jeden Freitagabend in der Nähe des Flüchtlingsheims zu versammeln.

http://www.bnr.de/artikel/aktuelle-meldungen/gegen-multikulti-und-volkstod

Peter Nowak