Gerichtsurteile gegen Gewerkschaften


Konferenz in Berlin diskutierte über die Einschränkung der Rechte für Arbeitnehmervertreter

 In verschiedenen europäischen Ländern nehmen die Angriffe auf das Streikrecht zu. Das ist das Fazit eines vom Arbeitskreis Internationalismus der IG Metall Berlin organisierten Austausches von Gewerkschaftsaktivisten aus Spanien, Polen und Frankreich am vergangenen Wochenende in Berlin.

Über 400 Mitglieder der andalusischen Regionalgewerkschaft SAT, die sich als antikapitalistische Klassenorganisation versteht und Distanz zu allen Parteien hält, wurden im vergangenen Jahr in Spanien wegen der Beteiligung an Arbeitskämpfen verurteilt. Wegen zahlreicher Geldstrafen, die Gerichte wegen Streikaktionen verhängt haben, ist die SAT hoch verschuldet und kann sich nur noch ehrenamtliche Mitarbeiter leisten. In den Medien wird die Gewerkschaft als extremistisch und Gefahr für die Wirtschaft bezeichnet. Die großen spanischen Gewerkschaftsverbände UGT und CCOO hätten durch ihren Marsch in die Mitte viel an Glaubwürdigkeit eingebüßt, berichtete Antonio Doktor, der die exkommunistische CCOO nach langjähriger Mitgliedschaft verlassen hat. »Sie hat sich dem in Spanien herrschenden politischen Diskurs angepasst, redet nicht mehr vom Kapitalismus, dafür aber von Arbeitsplätzen um jeden Preis«, kritisiert Dokter.

Wie kämpferische Gewerkschaften ausgegrenzt werden, zeigte sich vor einigen Monaten auch bei der italienischen Metallarbeitergewerkschaft FIOM. Weil sie keine Verschlechterungen der Arbeitsbedingungen akzeptierte, wurde die FIOM aus den neuen Verträgen ausgeschlossen und soll ihren Einfluss im Betrieb verlieren. Die Gewerkschafter wollen sich allerdings dem Unternehmerdiktat widersetzen und haben eine Klage gegen das Unternehmen Fiat angekündigt.

In Frankreich stehen vor allem die Aktivisten der Sud-Rail seit Jahren im Visier von Regierung und konservativen Medien. Sie werden beschuldigt, mit ihren Arbeitskämpfen Millionen Menschen an der Fahrt zur Arbeit zu hindern und damit die Wirtschaft des Landes zu gefährden. Damit sollen Aktionen, die in Frankreich traditionell Teil des Arbeitskampfes waren, kriminalisiert werden.

In Spanien hat es die sozialdemokratische Regierung im Dezember 2010 nicht bei Worten belassen, als sie den Streik der Fluglotsen vom Militär beenden ließ. Wenn der Tourismus eingeschränkt wird, endet das Streikrecht. Damit aber werden den Beschäftigten wichtige Kampf- und Druckmittel genommen. Zudem erschweren der ständige Arbeitsplatzwechsel und der Konflikt zwischen Festangestellten und Leiharbeitern eine aktive Interessenvertretung, beschrieb Piotr Krzyzaniak die Probleme kämpferischer Gewerkschaften in Polen. Seine Organisation ist nicht Mitglied in einem der drei großen Gewerkschaftsbünde des Landes und daher großen Angriffen ausgesetzt. Die werden zunehmen, wenn demnächst die Arbeitskämpfe im Bergbau beginnen.

Auf der Berliner Konferenz wurden länderübergreifende Solidaritätsaktionen von Basisgewerkschaften angeregt, falls die Gewerkschaftsrechte in einem Land angegriffen werden. 2010 konnte in Deutschland die anarchosyndikalistische FAU durch länderübergreifende Solidarität verhindern, dass ihr der Gewerkschaftsstatus juristisch aberkannt wurde. Neue Einschränkungen des Streikrechts drohen durch eine von DGB und BDA gemeinsam unterstützte Initiative zur Tarifeinheit.

Die Ergebnisse des nur mäßig besuchten Berliner Treffens sollen in verschiedene Sprachen übersetzt und über das Internet verbreitet werden.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/196610.gerichtsurteile-gegen-gewerkschaften.html

Peter Nowak

Klima der Angst bei Telekom

Gewerkschafter: Konzern missachtet Gewerkschaftsrechte in den USA
In den USA sind die Rechte der Arbeitnehmer und Gewerkschafter teilweise weit weniger gesichert als hierzulande. Diesen Umstand machen sich anscheinend zunehmend auch deutsche Unternehmen wie die Telekom zunutze.
»Seit Beginn der Geschäftsstätigkeit von T-Mobile auf dem US-amerikanischen Markt im Jahr 2001 hat das Unternehmen durch wiederholte Belästigungen und Einschüchterungen von Angestellten, die sich für eine gewerkschaftliche Vertretung einsetzen, auf sich aufmerksam gemacht«, klagte Larry Cohen am Freitag auf einer von der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di organisierten Pressekonferenz die Deutsche Telekom an. Cohen ist Vorsitzender der US-amerikanischen Telekommunikationsgewerkschaft CWA, die 700 000 Angestellte in der Medien- und Telekommunikationsbranche vertritt.

Nach Angaben von Cohen bedient sich die Telekom bei ihrem Vorgehen der Schlupflöcher im aktuellen US-amerikanischen Arbeitsrecht, die Antigewerkschaftskampagnen seitens des Managements zulassen. »Uns ist bewusst, dass T-Mobile gegen Gewerkschaftsunterstützer eine Aggressionspolitik betreibt, die in Deutschland oder anderen europäischen Ländern nicht gebilligt werden würde«, erklärte der US-Gewerkschaftler. Die Einschüchterung erzeuge bei den Beschäftigten ein Klima der Angst. Deshalb sei auf einer Pressekonferenz in Washington ein Telekom-Mitarbeiter nur verkleidet bereit gewesen, über die Einschüchterungen zu berichten. Er befürchtete, bei einer Identifizierung abgestraft zu werden.

Der Direktor für Arbeitsforschung an der San Francisco State Universität, John Logan, hat die Arbeitsbedingungen bei den Telekom-Filialen in den USA untersucht. Dazu wertete er zahlreiche Unternehmenshandbücher aus und sprach mit Mitarbeitern verschiedener Telekom-Standorte in den USA. Logan präzisierte die Vorwürfe der Behinderung der Gewerkschaftsarbeit. Er sprach von »einem Jahrzehnt der Gewerkschaftsverweigerung« durch ein deutsches Vorzeigeunternehmen. »Die Deutsche Telekom nutzt die Kanzlei Proskauer Rose, eine berüchtigte Firma, die auf die Vermeidung von Gewerkschaften spezialisiert ist«.

Die vom Bildungsfonds für Arbeitsrechte (American Rights at Work Education Fund) in Auftrag gegebene und von Logan erarbeitete Studie zu den Telekom-Praktiken wirft der Firma einen Doppelstandard vor: »Einerseits die Respektierung von Arbeitnehmerrechten und eine enge Zusammenarbeit mit der Gewerkschaft ver.di in Deutschland, anderseits die Missachtung von Arbeitnehmerrechten und die Einmischung in ihr Recht, sich zu organisieren, in den Vereinigten Staaten.«

Logan betonte, dass es sich bei den gewerkschaftsfeindlichen Aktionen nicht um isolierte Maßnahmen einzelner Manager, sondern um »eine zentrale und systematische Politik« handele. Er rief die Telekom auf, die die Sozialcharta verhöhnenden Praktiken aufzugeben. Auch der Leiter des internationalen Gewerkschaftsdachverbandes UNI, Marcus Courtney, forderte von der Telekom die Einhaltung internationaler Arbeitsrechte.

Als eins ihrer Hauptanliegen sehen es die Gewerkschafter an, die Unterschiede im Umgang mit Mitarbeitern abzubauen, die Unternehmen zwischen ihren Stammländern und den USA machen. Die Kooperation mit ver.di soll dabei Hilfestellung geben. Telekom-Personalvorstand Thomas Sattelberger wies die Vorwürfe dagegen zurück, sprach in einer Mitteilung von einer »organisierten Kampagne«.

 http://www.neues-deutschland.de/artikel/168788.klima-der-angst-bei-telekom.html

Peter Nowak