Beobachtung rechtswidrig

Verfassungsschutz durfte Daten nicht weitergeben
Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfVS) kassierte gleich zwei juristische Niederlagen gegen den Journalisten Friedrich Burschel.

Ein knappes Jahrzehnt war der Journalist vom Verfassungsschutz (VS) beobachtet worden. In seiner Akte waren neben Artikeln zu antifaschistischen und antirassistischen Themen aus unterschiedlichen Zeitungen auch Demonstrationsanmeldungen aufgelistet, beispielsweise zu einem Ostermarsch in Weimar. Ein Negativvotum des VS hatte 2007 dazu geführt, dass Burschel die schon gewährte Akkreditierung zum G8-Gipfel in Heiligendamm wieder entzogen wurde. Der VS hatte sich dabei auf die Erkenntnisse in der Akte gestützt. Schon im Frühjahr 2009 hatte das Verwaltungsgericht Köln entschieden, dass das BfVS mit der Abgabe des Votums rechtswidrig gehandelt hatte. Die gleiche Kammer empfahl dem Amt im Dezember, sämtliche über Burschel gesammelten Daten zu löschen und seine Beobachtung einzustellen. Das BfVS nahm den Vorschlag an.
„Die Stigmatisierung des Klägers zum gefährlichen Linksextremisten fiel vor Gericht wie ein Kartenhaus zusammen“, kommentierte der Kieler Rechtsanwalt Alexander Hoffmann, der Burschel vertreten hatte, den Ausgang der Klage. Burschel zeigt sich gegenüber M über den juristischen Erfolg sehr erleichtert. „Für mich hat das Urteil zur Folge, dass ich mich nicht mehr einem Hintergrundverdacht ausgesetzt sehe, der mein berufliches Leben enorm eingeschränkt hat. Zweimal habe ich auf indirektem Wege einen Job durch diesen Stempel ‘linksextrem’ eingebüßt“, erklärte der Publizist, der bei seiner Klage von ver.di unterstützt worden ist. Mit Verweis auf das VS-Dossier war Burschel im Focus und der Frankfurter Allgemeinen Zeitung als Extremist diffamiert worden. Der Journalist sieht in dem Urteil auch ein Signal über seinen individuellen Fall hinaus: „Das Gericht hat sehr deutlich auf das Grundgesetz und Verfassungsgerichtsurteile rekurriert und festgestellt, dass Demonstrationsanmeldungen und zugespitzte journalistische Texte keine Beobachtung rechtfertigen.“ 

http://mmm.verdi.de/archiv/2011/01-02/recht/beobachtung-rechtswidrig

 Peter Nowak

Zu Unrecht verweigert

Klagen lohnt sich. Diese Erfahrung konnten im Jahr 2010 Kamil Majchzak (siehe M 12/2010) und Friedrich Burschel (in dieser Ausgabe) machen. Beiden Journalisten war die Akkreditierung zum G8- bzw. Natogipfel zu Unrecht verweigert wurden, wie die Gerichte feststellten. Schon die Datensammlung, die zu der Ablehnung führte, war rechtswidrig. Ende gut – alles gut? Leider nicht. Die Kollegen hatten finanzielle Einbußen, weil sie von den Gipfeln nicht berichten konnten. Burschel wurde von konservativen Medien in die Extremistenecke gestellt und verlor zweimal seinen Job. Noch immer sind im Internet die diskriminierenden Artikel mühelos zu finden.
Über das Burschel entlastende Urteil hingegen berichteten wenige Medien. Die Zeitungen, die so schnell mit Vorverurteilungen bei der Hand waren, brachten keine Zeile. Zudem waren nicht nur die beiden Journalisten von der Akkreditierungsverweigerung betroffen. Doch die anderen wollten den langen Rechtsweg nicht beschreiten, was auch Burschel und Majchzak nur mit Unterstützung von ver.di möglich war. Ihre juristischen Erfolge können auch nicht verhindern, dass bei kommenden politischen oder sportlichen Großereignissen wieder Journalisten ausgeschlossen werden. Denn die Urteile gelten nur für den konkreten Fall. Es kann aber nicht hingenommen werden, dass Journalisten keine Entschädigung bekommen, obwohl ihnen Gerichte bescheinigten, dass sie zu Unrecht an der Ausübung ihres Berufes behindert wurden. Ganz wichtig ist es jetzt, Vorsorge zu treffen, dass solche Einschränkungen der Pressefreiheit nicht mehr möglich sind.
Die Mittel liegen längst bereit. So haben sich die Journalisten- und Medienorganisationen dju in ver.di und DJV, gemeinsam mit ARD, ZDF, den Verlegerverbänden für Zeitungen und Zeitschriften, des Verbandes Privater Rundfunk und Telemedien und dem Deutschen Presserat auf Eckpunkte und Grundsätze zur Akkreditierung geeinigt (http://dju.verdi.de). Sie sehen einen grundsätzlichen Rechtsanspruch auf die Akkreditierung eines Journalisten vor. Die soll nur noch verweigert werden können, wenn konkrete Anhaltspunkte vorliegen, dass der Journalist durch sein Verhalten die Sicherheit der Veranstaltung stört.
Eine „falsche“ politische Einstellung würde dann zur Zurückweisung eines Journalisten nicht mehr ausreichen. Jetzt müssen diese Akkreditierungsgrundsätze auch von den Veranstaltern der Großereignisse akzeptiert werden. Dabei könnte eine größere öffentliche Debatte den Druck erhöhen.

 http://mmm.verdi.de/archiv/2011/01-02/kommentiert-aufgespiest-zu-unrecht-verweigert-ernuchternde-bilanz

Peter Nowak