Linke Realos aus dem Osten unter besonderer Beobachtung des Verfassungsschutzes?

Gerätselt wird über die seltsame Ausrichtung der Überwachung

Soviel Unterstützung hatte die Linkspartei schon lange nicht mehr. Nachdem bekannt geworden war, dass der Verfassungsschutz mindestens 27 Bundes- und 11 Landtagsabgeordnete der Linkspartei überwacht , wächst die Empörung auch bei den politischen Kontrahenten.

Für den SPD-Politiker Wolfgang Thierse ist die Überwachung von Parlamentariern ein Unding. Er kündigte im Neuen Deutschland, das mit seiner regierungsamtlichen Einstufung als „linksextremes“ Medium“ kreativ umgeht, Gespräche des Bundestagspräsidiums an. Auch der Grüne Volker Beck stellt den Sinn der Überwachung infrage.

Selbst in der Bundesregierung herrscht darüber keine Einigkeit. Verschiedene Unionspolitiker verteidigen die Überwachung, darunter auch der CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt, der erst zu Jahresbeginn wieder einmal ein Verbot der Linkspartei gefordert hatte. Er bedient damit den konservativen Flügel der Union, die gerade mit der Kampagne den Linkstrend stoppen für Aufsehen sorgt (Wenn Teile der CDU mit dem Rechtspopulismus liebäugeln).

Andere Akzente setzt die liberale Bundesjustizministerin Leutheusser-Schnarrenberger. Sie bezeichnet die Überwachung als unerträglich.

Warum sind mehr ostdeutsche Politiker im Visier?

Das Neue Deutschland wertete schon gestern die Tatsache, dass vor allem Linksparteimitglieder mit ostdeutschen Biographien vom Verfassungsschutz beobachtet wurden, als Fortsetzung des Kalte-Kriegs-Denken. „Das legt den Verdacht nahe, dass den ‚Kalten Kriegern‘ in Köln – dort hat der Geheimdienst sein Hauptquartier – auch 20 Jahre nach der staatlichen Einheit Ostbiografien in der Regel verdächtiger sind als westdeutsche“, kommentierte die Zeitung.

Sollte da wieder einmal die ostdeutsche Seele gestreichelt werden? Schließlich hat der Linksparteipolitiker mit Westbiographie Bodo Ramelow mit seiner Klage gegen die Überwachung bundesweit Schlagzeilen gemacht. Nachdem nun die Namen der überwachten Politiker bekannt wurden, stellt auch der Spiegel die Frage, warum von der Überwachung fast nur Politiker der Linkspartei mit Ostbiographie oder Ostwahlkreis betroffen sind.

Die Antwort könnte in einer weiteren vom Spiegel-Korrespondenten erkannten Eigenschaft der Überwachten liegen. „Die Liste liest sich wie ein „Who is who“ des Reformerflügels der Linken“, von Katja Kipping über Gregor Gysi bis zu Dietmar Bartsch und Halina Wawzyniak. Das Lamento, dass vermeintlich viel radikalere Politiker der Linkspartei mit Westbiographie nicht vertreten sind, liest könnte man hingegen als Aufforderung verstehen, der Verfassungsschutz solle noch genauer beobachten. Dabei würde sich hier die Frage stellen, ob die hier nicht erwähnten Politiker der Linkspartei nicht anderweitig beobachtet werden und in der jetzt bekannten Liste nur die Politiker aufgeführt sind, die wegen ihrer politischen Harmlosigkeit im Sinne des Verfassungsschutzes eben nur offen beobachtet werden können. Hier nachzuforschen wäre wohl ergiebiger, als eine Ost-West-Spaltung bei der Überwachung zu konstruieren.
http://www.heise.de/tp/blogs/8/151288
Peter Nowak

Beobachtung rechtswidrig

Verfassungsschutz durfte Daten nicht weitergeben
Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfVS) kassierte gleich zwei juristische Niederlagen gegen den Journalisten Friedrich Burschel.

Ein knappes Jahrzehnt war der Journalist vom Verfassungsschutz (VS) beobachtet worden. In seiner Akte waren neben Artikeln zu antifaschistischen und antirassistischen Themen aus unterschiedlichen Zeitungen auch Demonstrationsanmeldungen aufgelistet, beispielsweise zu einem Ostermarsch in Weimar. Ein Negativvotum des VS hatte 2007 dazu geführt, dass Burschel die schon gewährte Akkreditierung zum G8-Gipfel in Heiligendamm wieder entzogen wurde. Der VS hatte sich dabei auf die Erkenntnisse in der Akte gestützt. Schon im Frühjahr 2009 hatte das Verwaltungsgericht Köln entschieden, dass das BfVS mit der Abgabe des Votums rechtswidrig gehandelt hatte. Die gleiche Kammer empfahl dem Amt im Dezember, sämtliche über Burschel gesammelten Daten zu löschen und seine Beobachtung einzustellen. Das BfVS nahm den Vorschlag an.
„Die Stigmatisierung des Klägers zum gefährlichen Linksextremisten fiel vor Gericht wie ein Kartenhaus zusammen“, kommentierte der Kieler Rechtsanwalt Alexander Hoffmann, der Burschel vertreten hatte, den Ausgang der Klage. Burschel zeigt sich gegenüber M über den juristischen Erfolg sehr erleichtert. „Für mich hat das Urteil zur Folge, dass ich mich nicht mehr einem Hintergrundverdacht ausgesetzt sehe, der mein berufliches Leben enorm eingeschränkt hat. Zweimal habe ich auf indirektem Wege einen Job durch diesen Stempel ‘linksextrem’ eingebüßt“, erklärte der Publizist, der bei seiner Klage von ver.di unterstützt worden ist. Mit Verweis auf das VS-Dossier war Burschel im Focus und der Frankfurter Allgemeinen Zeitung als Extremist diffamiert worden. Der Journalist sieht in dem Urteil auch ein Signal über seinen individuellen Fall hinaus: „Das Gericht hat sehr deutlich auf das Grundgesetz und Verfassungsgerichtsurteile rekurriert und festgestellt, dass Demonstrationsanmeldungen und zugespitzte journalistische Texte keine Beobachtung rechtfertigen.“ 

http://mmm.verdi.de/archiv/2011/01-02/recht/beobachtung-rechtswidrig

 Peter Nowak