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GEGEN DIE UNSICHTBARMACHUNG VON LOHNARBEIT

„Es gibt einen immensen Bedarf an Leuten, die losziehen, wenn gestreikt wird und den Arbeiterinnen und Arbeiten ein Mikrophon unter die Nase halten oder eine Veranstaltung organisieren, in der sie berichten können, was bei ihnen im Betrieb passiert und wofür sie kämpfen“,resümiert Schellhagen aus ihren zehnjährigen Erfahrungen bei labournet.tv.

„Landesweiter Streik in Notaufnahmen“ heißt ein vierminütiges Video, in dem der Arbeitskampf von Krankenhausbeschäftigten in Frankreich im März 2019 dokumentiert wird. Schon ein Jahr vor dem Corona-Lockdown haben sie gegen mangelnde Personal- und Materialausstattung und damit gegen eine Gefährdung von Patient:innen und Personal protestiert. In Zeiten von Corona waren diese Zustände dann für das Desaster in den Kliniken verantwortlich. Doch vor fast zwei Jahren wurde dieser Arbeitskampf kaum wahrgenommen. Dokumentiert ist der Kurzfilm auf der Videoplattform labournet.tv, die am 30. Januar 2012 online gegangen ist. Seit zehn Jahren sorgt ein keines Kollektiv von Frauen dafür, dass „die Kämpfe zirkulieren“, wie das Motto von labournet.tv heißt. Im Zentrum stehen die Situation der …

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Das Videokollektiv labournet.tv dokumentiert seit zehn Jahren die Lage von Lohnabhängigen und deren Auseinandersetzungen mit Arbeitgebern. Das Kollektiv benötigt mehr Unterstützer, um sich in Zukunft zu finanzieren.

Arbeitskämpfe gucken

Im Mai 2014 hatte ihr Kollektiv über die Frage »Warum Filme über Arbeitskämpfe machen?« mit Gästen aus mehreren Ländern diskutiert und dazu fünf Videos gedreht, die auf der Plattform heruntergeladen werden können. Inspiriert wurden die Mitglieder von labournet.tv dabei von den Medwedkin-Gruppen, einem Kollektiv von linken französischen Filmemachern wie Chris Marker und Arbeitern, das in den sechziger Jahren ­Filme über Arbeitskämpfe in französischen Fabriken gedreht hatte. Bekannt ist Markers Dokumentarfilm »À bien­tôt, j’espère«

»Landesweiter Streik in Notaufnahmen« – so heißt ein vierminütiges Video, das den Arbeitskampf von Beschäftigten in französischen Krankenhäusern im März 2019 dokumentiert. Knapp ein Jahr bevor die Covid-19-Pandemie in Europa ausbrach, protestierten sie gegen eine Gefährdung von Patienten und Beschäftigten durch die mangelnde Personal- und Materialausstattung. Mittlerweile sind solche nicht nur in französischen Kliniken herrschenden Zustände wegen der Bedrohung durch das Coronavirus einer breiteren Öffentlichkeit ­bekannt. Zu finden ist der Kurzfilm im Online-Archiv von labournet.tv. Seit dem 30. Januar 2011, also seit zehn Jahren, leistet das nur aus Frauen bestehende Videokollektiv einen Beitrag dazu, dass – so das Motto – »die Kämpfe zirkulieren«. Die Videosammlung soll die Situation von …

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Kuba und linke Hoffnungen: Ein Gegenmodell des Wirtschaftsliberalismus?

Die kubanische Revolution war Teil des gesellschaftlichen Aufbruchs zu Beginn der 1960er. Daran ist zu erinnern, bevor sich die „Miami-Boys“an ihr Werk machen

Der verstorbene Fidel Castro wird auch von parteiunabhängigen Linken vorschnell in eine Linie mit den sich sozialistisch kostümierenden Staatsbürokraten gestellt. Dabei wird vergessen, welch bedeutende Rolle die kubanische Revolution für die Herausbildung einer Linken spielte, die sich jenseits von Reformismus und Staatssozialismus positionierte.

Für die offizielle Sowjetunion und die Parteien, die sich in ihrem Dunstkreis bewegen, war es schlicht Linksradikalismus. Das fing schon damit an, dass die kubanischen Revolutionäre neben und oft genug im Widerspruch zur Kommunistischen Partei agierten, die in Kuba unter Batista nur am Rande der Legalität existieren konnte.

Mit den Bürokraten konnte man die Revolution nicht gestalten, daher wurde der alte KP-Vorsitzende auf einen Botschafterposten abgeschoben. An der Basis der Kommunistischen Partei war die Sympathie für die Revolutionäre schon bedeutend größer. Viele spielten im revolutionären Kuba eine wichtige Rolle.

Der Sieg der kubanischen Revolution war eine enorme Inspiration vor allem für die Linke auf dem amerikanischen Kontinent. Damit war das Phasenmodell der Kommunistischen Parteien widerlegt, die sich an der Sowjetunion orientierten und Volksfrontbündnisse mit bürgerlichen Kräften propagierte. In der Folge der kubanischen Revolution entstanden in vielen amerikanischen Ländern, später auch auf anderen Kontinenten, Guerilla-Gruppen, die die Revolution so nach dem kubanischen Vorbild vorantreiben wollten.

Sie alle waren Teil des revolutionären Aufbruchs, der seinen Ausgang mit dem Sieg der kubanischen Revolution genommen hatte. Dieser Moment kommt in der europäischen Erzählung über die Aufbrüche der späten1960er Jahren oft zu kurz. Die kubanische Revolution stand nicht nur zeitlich am Beginn des Jahrzehnts, sie setzte auch ein starkes Fanal, das sowohl an den Universitäten des amerikanischen Kontinents, aber auch bei Landarbeiterorganisationen und selbst bei der Theologie der Befreiung spürbar war.

Dabei waren längst nicht nur Guerillagruppen von der kubanischen Revolution inspiriert. Der damalige sozialistische Oppositionspolitiker aus Chile, Salvador Allende, besuchte bereits wenige Monate nach der Revolution Kuba, lernte Fidel und Che, aber auch die Mühen der Ebene in Kuba kennen. Er wurde zu einem großen Freund dieser Revolution und versuchte im Bündnis Unidad Popular die Umwälzungen auch in seinem Land umzusetzen. Daher wurde Allende auch nie zum Sozialdemokraten, den heute manche in ihn sehen wollen. Er behielt eine Grundsympathie zum revolutionären Movimiento de Izquierda Revolucionaria[1], die außerhalb der Unidad Popular blieb, aber solidarisch zu Allende stand.

Die MIR propagierte die Organisierung und Bewaffnung der Armen und orientierte sich stark an der kubanischen Revolution. Von der Kommunistischen Partei Chiles wurde sie als linksradikal bekämpft, Allende verteidigte sie und nach dem Putsch schickte er kurz vor seinem Selbstmord eine Botschaft an den MIR-Vorsitzenden, er solle jetzt seine Leute mobilisieren.

Noch in den 1960er Jahren scherte sich die kubanischen Revolutionäre wenig um sowjetische Dogmen. Der an Trotzki orientierte Theoretiker Ernest Mandel[2] diskutierte mit kubanischen Ministern und Wissenschaftlern über sozialistische Planung[3] und die Abschaffung des Geldes.

Der scharfe Kritiker des sowjetischen Nominalsozialismus[4] Charles Bettelheim[5] war ebenfalls häufig Gast in Kuba und beteiligte sich an der Planungsdebatte[6]. Dabei diskutierten linke Intellektuelle aus aller Welt über die Frage, ob und wie es möglich ist, eine Wirtschaft nach dem Kriterium der Bedürfnisse der Menschen und nicht nach Verwertungsgesichtspunkten zu gestalten.

Es ging dabei auch um die Frage, wie und wann bei der Transformation in eine nichtkapitalistische Gesellschaft das Wertgesetz außer Kraft gesetzt werden kann. Die Debatte wurde auch in den – damals in linksintellektuellen Kreisen sehr populären – von Hans Magnus Enzensberger herausgegebenen Kursbüchern[7] dokumentiert.

Das Besondere an der Planungsdebatte bestand eben darin, dass dort Linke unterschiedlicher Couleur mit kubanischen Ministern debattierten[8]. Es war also eine Debatte des linken Pluralismus, wie sie in der Sowjetunion seit den frühen 1920er Jahren nicht mehr möglich waren. Deshalb begeisterten sich auch Linke aus aller Welt für Kuba, die von der Insel neue Impulse für den Kampf um eine egalitäre Gesellschaft erhoffen.

Diese linke Offenheit verschwand in den 1970er Jahren auch in Kuba. Doch, wenn Kuba auch einen Pakt mit dem nominalsozialistischen Block machte, blieb es doch eine wichtige Stimme der Blockfreien-Bewegung. Es gibt in dem sehenswerten Film Rot ist die blaue Luft[9] des französischen Regisseurs Chris Marker[10] eine Szene, in der gezeigt wird, wie Castro den Einmarsch der Warschauer Vertragsstaaten in der Tschechoslowakei widerwillig und sehr umständlich rechtfertigte.

Man spürt und sieht, dass er hier in erster Linie aus bündnispolitischer Räson und nicht aus politischen Überzeugungen die Maßnahme seiner Bündnispartner verteidigte. Damit war auch in dieser Phase Kubas Beitrag zum gesellschaftlichen Aufbruch noch nicht an sein Ende gekommen. Noch in den 1980er Jahren im Kampf gegen das südafrikanische Apartheidregime übte Kuba praktische Solidarität.


Sehr viel später, als Kuba die revolutionären Bestrebungen zugunsten einer sozialistischen Realpolitik zurücknahm, blieb Kuba auf anderen Gebieten Vorbild und leistete auch praktische Selbstkritik. In den ersten Jahrzehnten der Revolution gab es starke Restriktionen gegen Homosexuelle. In den letzten Jahren wurde Kuba zu einem amerikanischen Vorbild für die Gleichberechtigung von Menschen mit unterschiedlicher Sexualität.

Eine wichtige Pionierin dieser Entwicklung war Mariela Castro[11]. Dass sie Fidels Nichte ist, sollte nur am Rande erwähnt werden. Sie ist auf jeden Fall eine Politikerin, die dafür sorgen könnte, dass von Kuba weiterhin emanzipatorische Impulse ausgehen. Aber dazu gehört auch eine offene Debatte über blinde Flecken im Prozess der kubanischen Revolution.

Zur Sprache gebracht werden müssen die starken Repressalien, denen die anarchistischen Strömungen in den ersten Jahren nach der Revolution ausgesetzt waren. Aus libertärer Perspektive[12] gibt es sehr prononcierte Anklagen gegen diese Politik der Verfolgung.

Es gibt allerdings in Lateinamerika auch anarchistische Kräfte, die trotzdem für eine differenzierte Sicht auf die kubanische Revolution eintreten, worauf der anarchistische Publizist und Autor Sebastian Kalicha verweist[13]. Es wäre an der Zeit, eine offene Debatte über diese Repression zu führen, an der sich auch Linke aller Couleur beteiligen.


Die Debatte über Kubas Zukunft sollte nicht den jungen mit US-Geldern gesponserten Instituten ausgebildeten Playern überlassen werden, die nach Castros Tod hoffen, die letzten Reste der Revolution schleifen zu können. So monierte der Blogger [14] in einem Taz-Beitrag[15], dass Kuba in den letzten Jahren keine knallhart wirtschaftsliberale Politik betrieb.

Nach dem Niedergang des sozialistischen Lagers klammerte sich Fidel Castro trotzig an seine pseudomarxistischen Improvisationen und versuchte zum x-ten Mal, durch staatliche Programme den Kommunismus zu erreichen: Er brachte immer mehr Arbeiter unkontrolliert in die Hörsäle der Universitäten, beförderte künstlich angehende Lehrer, ließ Krankenhäuser und Polikliniken bauen und reparieren…

Carlos Manuel Alvarez

Dass also in Kuba auch nach 1989 noch Werte wie Bildung und Gesundheit für Alle zur politischen Maxime gehörte, störte den jungen Miami-Boy Alvarez. Er und viele andere stehen in den Startlöchern und hoffen, die alten Verhältnisse restaurieren zu können.

Als Gegenmittel reicht keine Revolutionsnostalgie mit noch mehr Che- und Fidel-Postern. Es steht vielmehr eine neue Planungsdebatte an, diesmal über die Frage, wie sich Kuba als Gegenmodell zum Wirtschaftsliberalismus weiterentwickeln lässt. Dazu sollten sich wie in der Planungsdebatte der 1960er Jahre die unterschiedlichen emanzipatorischen Strömungen beteiligen, auch die libertären, die damals nicht die Möglichkeiten hatten, sich zu artikulieren.

https://www.heise.de/tp/features/Kuba-und-linke-Hoffnungen-Ein-Gegenmodell-des-Wirtschaftsliberalismus-3513283.html

Peter Nowak


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[1] http://www.archivochile.com/Archivo_Mir/html/mir_1968_sept1973.html
[2] http://www.ernestmandel.org/
[3] http://www.erich-koehler-ddr.de/dokumente/che_planung.html
[4] http://diebuchmacherei.de/produkt/klassenkaempfe-in-der-udssr
[5] http://marxistupdate.blogspot.de/2011/12/on-charles-bettelheim.html
[6] http://www.erich-koehler-ddr.de/dokumente/che_planung.html
[7] http://enzensberger.germlit.rwth-aachen.de/kursbuch.html
[8] http://www.worldcat.org/title/wertgesetz-planung-und-bewusstsein-die-planungsdebatte-in-cuba/oclc/14906
[9] http://www.filmdienst.de/nc/kinokritiken/einzelansicht/rot-ist-die-blaue-luft,50992.html
[10] http://chrismarker.org
[11] http://www.zeit.de/politik/ausland/2014-08/kuba-mariela-castro-schwule-lesben-gesetz
[12] http://www.black-mosquito.org/index.php/lesen/anarchie/geschichte/anarchismus-auf-kuba.html
[13] https://www.kritisch-lesen.de/rezension/bakunin-versus-marx-auf-kubanisch
[14] http://www.revistaelestornudo.com
[15] http://www.taz.de/!5360786