Erfolgreicher Tarifabschluss im Caresektor

Tarifvertrag für Assistenzbetriebe

Assistent*innen von Menschen mit Beeinträchtigungen sollen künftig besser bezahlt werden. Die Senatsverwaltung für Arbeit begrüßt den Tarifabschluss

Nach fünf Verhandlungsrunden hat die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi Mitte Mai eine Tarifeinigung mit den beiden größten Berliner Assistenz- betrieben Ambulante Dienste und Neue Lebenswege erzielt. Mehr als 1.000 MitarbeiterInnen in der persönlichen Assistenz soll damit…

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Protest der Behindertenassistenz

Care-Sektor braucht Kümmerer

 Behinderten-AssistentInnen fordern Tariflöhne. Die Senatssozialverwaltung bedauert: Ihr seien in diesem Konflikt die Hände gebunden.
„Tariflöhne für alle, sonst gibts Krawalle.“ Mit diesem und anderen Slogans demonstrierten am Mittwoch rund 150 Beschäftigte und AktivistInnen von Behindertenverbänden vor der Senatsverwaltung für Soziales in Kreuzberg. Ihr Anliegen: eine bessere Bezahlung der Behinderten-AssistentInnen. Krawalle gab es aber nicht – und der hartnäckige Sommerregen zerstreute die Gruppe schneller als geplant.
 
„Nach über zehn Jahren Lohnstagnation und massiven Lohnabsenkungen für Neubeschäftigte ist unsere Geduld erschöpft“, bringt Carsten Does vom Betriebsrat bei Ambulante Dienste e. V. die Stimmung der Beteiligten auf den Punkt. Dabei wissen alle, wie schwer ein Kampf um bessere Arbeitsbedingungen im Pflegebereich ist, der auch als „Care-Sektor“ bezeichnet wird. Niedrige Löhne und ungeregelte Arbeitszeiten sind an der Tagesordnung. „Pro Care statt prekär“ lautet denn auch die Parole der Protestaktionen.
  Bereits vergangene Woche hatten die AktivistInnen die Senatsverwaltung kurzzeitig besetzt. Sie protestierten dagegen, dass die Beschäftigten nicht an den Neuverhandlungen des Vergütungsvertrags zwischen Kostenträgern und Anbietern von persönlicher Behindertenassistenz beteiligt sind. Das schließe das Sozialgesetzbuch aus, erklärt dazu die Sprecherin der Sozialverwaltung, Anja Wollny. Allerdings könnten die Einrichtungsträger Vertreter der Beschäftigen in die Gespräche einbeziehen. Während Wollny Befürchtungen der Betroffenenverbände entgegentrat, der Kreis der Leistungsberechtigten solle weiter eingeschränkt werden, berichtet Betriebsrat Does, in einer Betriebsversammlung seien solche Pläne auf den Tisch gekommen.
 
Wollny bedauerte, der Senat habe keine gesetzliche Handhabe, um eine Tarifbezahlung der PflegeassistentInnen durchzusetzen. Einen Hebel für die Beschäftigten sieht sie in einem Urteil des Bundessozialgerichts von 2009: Danach können Betriebe, die nachweislich Tariflöhne zahlen, ihre Mehrkosten ersetzt bekommen.
 
In dieser Entscheidung sieht Wollny den Versuch des Gerichts, der Dumpinglohn-Strategie entgegenzutreten. Da ist der Betriebsratsvorsitzende der Ambulanten Dienste, Muchtar Cheik Dib, skeptischer. Das Urteil werde völlig unterschiedlich ausgelegt, sagte er der taz. „Während die Gewerkschaften darin eine Förderung von Tariflöhnen sehen, sprechen die Arbeitgeber von marktüblichen Löhnen, die aber deutlich niedriger sind.“
 
Ein Problem sieht Cheik Dib auch darin, dass es bei der Behindertenassistenz keine Vertragspartner gebe. Deshalb würden die Beschäftigten den Druck auf den Senat noch erhöhen. Zumindest die Sozialverbände unterstützen sie. „In dieser Frage ziehen wir an einen Strang“, erklärte die Geschäftsführerin der Ambulanten Dienste, Uta Wehde.

 http://www.taz.de/1/berlin/artikel/1/care-sektor-braucht-kuemmerer/

Peter Nowak

Behindertenhelfer brauchen Hilfe

Mitarbeiter von Assistenzdiensten fordern mehr Lohn und Beteiligung an Tarifverhandlungen

Auf einem Poster hält Heike M. eine Flasche mit Urin in die Kamera. Darunter findet sich der Text: »Behindertenassistenz? Das könnte ich nicht. Und wenn ich dann noch gefragt werde, was ich verdiene, wechsle ich ganz schnell das Thema«.

Das Poster ist Teil einer Serie, mit der die etwa 1000 Berliner Behindertenassistenten derzeit in Berlin auf ihre Tätigkeit und ihre Forderungen aufmerksam machen.

»Es besteht immer die Vorstellung, wir würden den ganzen Tag nur Rollstühle schieben«, ärgert sich Carsten Does. Der Behindertenassistent ist Betriebsrat bei der Assistenzfirma Berliner Ambulante Dienste e.V. (AD). Er müsse oft den kompletten Haushalt führen und gemeinsam mit dem Behinderten dessen Leben planen, erzählt Does.

Die Assistenz wurde in den 80er Jahren als Alternative zur Pflege oder der Heimbetreuung auf Druck der damals starken Behindertenbewegung eingeführt. Dabei kann der Behinderte selber entscheiden, ob und welche Assistenz er in Anspruch nehmen will. In den ersten Jahren handelte es sich um einen typischen Studentenjob. Das hat sich aber mittlerweile geändert. Für immer mehr Beschäftigte ist es ein Vollzeitjob, doch oft können sie davon kaum leben. Der Lohn hat sich seit 2001 nicht erhöht. Neu Eingestellte müssen seit Jahren Lohnkürzungen hinnehmen.

Das knappe Budget lasse keine höheren Löhne zu, argumentieren die Assistenzdienste. Dazu gehören in Berlin neben AD die Assistenzdienste »Lebenswege für Menschen mit Behinderungen« und »PHÖNIX Soziale Dienste«. Ihr Budget ist Teil einer Vergütungsvereinbarung, die demnächst zwischen den Assistenzdiensten, den Pflegekassen und dem Senat für mehrere Jahre neu verhandelt wird. Dazu gab es gestern erste Vorgespräche.

»Obwohl es dabei auch um unsere Löhne geht, haben wir bei diesen Verhandlungen keine Stimme«, beschwert sich Does. Auch der Berliner ver.di-Sekretär Stefan Thyroke fordert, dass die Beschäftigten bei den Verhandlungen vertreten sind. Er hofft, dass sich im Zuge der Kampagne für mehr Lohn der bisher noch sehr geringe gewerkschaftliche Organisierungsgrad in der Branchen erhöht.

Der Berliner Staatssekretär für Soziales, Rainer-Maria Fritsch, wollte sich zu den Forderungen der Assistenten gegenüber ND nicht äußern, weil er den Verhandlungen nicht vorgreifen wolle. Die Sozialexpertinnen von Linkspartei und SPD im Abgeordnetenhaus, Minka Dott und Birgit Monteiro, unterstützen die Forderungen der Beschäftigten.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/182014.behindertenhelfer-brauchen-hilfe.html

Peter Nowak