Vielleicht doch, denn daraus könnte man lernen, dass Antikolonialismus wie alle emanzipatorischen Positionen keine Frage der „richtigen“ Religion oder Hautfarbe ist
Der Name Ana Nzinga[1] (auch: Nzinga Mbandi oder Jinga) dürfte bisher nur wenigen Menschen in Deutschland geläufig sein. Doch in Afrika genießt die im 17.Jahrhundert lebende Herrscherin Kultstatus und wird als Beispiel einer starken Frau gewürdigt, die sich auch den europäischen Eroberern widersetzte. Deshalb wurde sie von einer Kommission aus Bezirkspolitikern sowie antikolonialistischer und antirassistischer Gruppen als Namensgeberin für eine Straße im Weddinger Afrikanischen Viertel benannt[2].
Dieser Kiez verherrlichte den deutschen Kolonialismus und noch immer tragen viele Straßen Namen von deutschen Kolonisten oder ihren wissenschaftlichen und politischen Zuarbeitern. Seit Jahren fordern Antirassisten und antikoloniale Initiativen[3] die Umbenennung mehrerer Straßen. Statt die Nutznießer des deutschen Kolonialismus zu verewigen, sollen die Straßen künftig an Männer und Frauen aus Afrika erinnern, die sich gegen die europäischen Eroberer wehren.
Doch ist die Geschichte oft nicht so einfach in Gut und Böse einzuteilen, wie dies der Streit um die Personalie Ana Nzinga zeigt. Sie soll sich nicht nur persönlich an der Spitze einer Armee den Eindringlichen entgegen gestellt haben, sondern auch massiv in den Sklavenhandel verwickelt gewesen sein. „Eine Königin, die mit Sklaven handelt“, titelte[4] die Berliner Zeitung.
Damit rekurrierte sie auf den brasilianischen Historiker Tomislav R. Femenick[5], Autor des Buches „Die Sklaven. Von der frühen zur modernen Sklaverei“. Dort schreibt er über Nzinga:
Als die Holländer 1641 bis 1648 Angola übernahmen, verbündete sich Königin Jinga mit den neuen Invasoren. Bei jeder Gelegenheit bekundete sie ihr Interesse am Sklavenhandel – in Worten und Taten. Die Holländer erkannten ihr Sklavenmonopol an und zahlten für die von ihr gelieferten Sklaven höhere Preise als die Portugiesen … Zehntausende schwarze Menschen gingen auf diese Weise von den Lagerhäusern am Hafen von Luanda auf die sogenannten Negerschiffe (navios negreiros).
Tomislav R. Femenick
Kommt es auf die Hautfarbe beim Sklavenbefürworten an?
Diese Recherche rief sofort Menschen auf den Plan, die sowieso wenig davon halten, die Berliner Straßennamen antirassistisch zu gestalten. „Ein Afrikaforscher soll in Berlin gegen eine Sklavenhändlerin ausgetauscht werden“, polemisierte[6] Harald Martenstein. Doch der hier verteidigte Gustav Nachtigal[7] war keineswegs nur der unpolitische Forscher, der immer und überall nicht existiert. Er war vielmehr der wissenschaftliche Begleiter der Sklavenjagden[8]. Allerdings hat er sich auch kritisch über die Grausamkeiten geäußert, die von den Sklavenjägern verübt wurden.
Nun könnte man argumentieren, dass das Leben aller Menschen in der Regel widersprüchlich ist. Das muss für Ana Nzinga, die sich gegen die europäischen Eroberer stellte und dann mit ihnen als Herrscherin kooperierte, ebenso gelten wie für Gustav Nachtigal, der nicht grundsätzlich gegen die Sklaverei, sondern nur gegen ihre Auswüchse und Grausamkeiten agierte. Nur sollte dann gelten, dass beide nicht als Beispiele für Antikolonialismus auf Berliner Straßennamen verewigt werden sollten.
Daher ist es unverständlich, dass die für die Straßenumbenennung zuständige Weddinger Bezirksstadträtin Sabine Weißler[9] aufgrund der Recherche über die Sklavenhändlerin Ana Nzinga erklärte, dass der Name zu Diskussionen geführt habe, aber am Ende habe man mehrheitlich akzeptiert, dass sie von afrikanischer Seite als Heldin betrachtet werde.
Wenn Weißler dann noch die Entscheidung für Nzinga zum „Respekt für andere Perspektiven“ verklärt, wird das ganze Elend eines Kulturrelativismus deutlich, der universalistisch-emanzipatorische Grundsätze über Bord wirft, wenn es nur um „andere Perspektiven“ geht. Da wird schon mal sehr großzügig von der afrikanische Seite geredet. Damit werden die Menschen und Initiativen in den unterschiedlichen Ländern Afrikas entwertet, für die der Name einer Sklavenhändlerin nicht dadurch akzeptabel wird, weil sie die „richtige“ Hautfarbe hat.
Der Streit, der sich bei der Umbenennung der Weddinger Straße auftut, ist ein Symptom. In verschiedenen Kulturwissenschaften hat man sich schon längst von dem Anspruch einer universellen Emanzipation verabschiedet. Die „Whiteness-Forschung“ ist nur das beste Beispiel für diesen reaktionären Rollback.
Es geht nicht mehr um die Frage einer allgemeinen Emanzipation für alle Menschen, sondern nur noch um die Perspektiven der bisher angeblich oder real Unterdrückten, die vor allem von Menschen mit der „falschen“ Hautfarbe nicht infrage gestellt werden soll. Nun ist es angesichts der vielen Berliner Straßennamen mit Blücher, Manteuffel und anderen deutsch-preußischen Militaristen und Nationalisten überhaupt nicht schlimm, wenn auch Ana Nzinga eine Straße bekommt. Nur sollte man nicht von einer antikolonialen der sonstwie emanzipatorischen Maßnahme reden.
Vielmehr sollte man dann sämtliche bekannten Details ihrer Biographie dort erwähnen. Vielleicht sollte man auch eine Straße im afrikanischen Viertel nach einen der islamischen Herrscher oder Kaufleute benennen, die beim Sklavenhandel bedeutende Profite machten. Dann könnte man auch etwas daraus lernen. Antikolonialismus ist wie alle emanzipatorischen Positionen keine Frage der „richtigen“ Hautfarbe und Religion.
Peter Nowak
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[1] http://www.metmuseum.org/toah/hd/pwmn_2/hd_pwmn_2.htm
[2] http://www.taz.de/!5175370
[3] http://www.freedom-roads.de/index.htm
[4] http://www.berliner-zeitung.de/berlin/strassenumbenennungwedding-27036608
[5] http://www.tomislav.com.br/
[6] http://m.tagesspiegel.de/martenstein-ueber-berliner-strassennamen-warum-nicht-einfach-eine-allee-der-diskriminierten/19891132.html
[7] https://www.deutsche-schutzgebiete.de/gustav_nachtigal.htm
[8] http://www.spiegel.de/einestages/gustav-nachtigal-afrikaforscher-bei-den-sklavenjaegern-a-1082581.html
[9] https://www.berlin.de/ba-mitte/politik-und-verwaltung/bezirksamt/sabine-weissler/