Erstes erfolgreiches Volksbegehren in Berlin

Das überraschende Votum für die Offenlegung der Verträge über den Teilverkauf der Wasserbetriebe ist auch eine Absage an die Privatisierung öffentlicher Güter
Der Berliner Senat muss alle Verträge im Zusammenhang mit dem Teilverkauf der Wasserbetriebe offenlegen. Denn am Sonntag hatte ein von der Initiative Berliner Wassertisch initiiertes Volksbegehren wider alle Prognosen Erfolg.

Das nötige Quorum von 25 % der wahlberechtigten Berliner wurde überschritten. Damit hat der Berliner Wassertisch mit wenigen Unterstützern etwas erreicht, was den von den Boulevardmedien und großen Parteien unterstützten Volksbegehren für den Erhalt des obligatorischen Religionsunterrichts und für den Erhalt des Flughafen Tempelhofs nicht gelungen ist.

Erstmals hat damit ein berlinweites Volksbegehren Erfolg. Dabei waren die Medien mit der Berichterstattung eher zurückhaltend, und auch führende Politiker der in Berlin mitregierende Linkspartei argumentierten, da die Verträge nach einer Taz-Recherche mittlerweile öffentlich seien, habe sich das Volksbegehren erledigt. Die Befürworter konterten, dass mit dem Volksbegehren nicht veröffentlichte Vertragsteile automatisch nichtig würden, was sicher noch einige juristische Auseinandersetzungen nach sich ziehen dürfte.

Wenn es bei dem Volksbegehren auch um die vollständige Offenlegung der Verträge ging, so war das Ergebnis auch ein Votum gegen die Privatisierung öffentlicher Güter. Das Thema dürfte bei den Berliner Abgeordnetenhauswahlen eine wichtige Rolle spielen. Wie der Film Water makes Money deutlich machte, ist der Kampf für eine Rekommunalisierung der Wasserwerke längst eine europaweite Bewegung. Dass das stark in die Kritik geratene Unternehmen Veolia eine Verleumdungsklage gegen den Film eingereicht hat, ist auch ein Anzeichen dafür, dass man dort zunehmend nervös wird.

 

http://www.heise.de/tp/blogs/8/149266

Peter Nowak

Initiative wehrt sich gegen Hartz-IV-Poker

»Aktionsbündnis Sozialproteste« in Hannover
Das »Aktionsbündnis Sozialproteste«, in dem sich Erwerbslosengruppen und soziale Initiativen zusammengeschlossen haben, hatte am Sonnabend zu einem bundesweiten Treffen nach Hannover eingeladen. Über 30 Delegierte aus allen Teilen der Republik haben daran teilgenommen.
 
Foto: dpa
Der zentrale Tagesordnungspunkt des Treffens war das wochenlange Gezerre zwischen Bundesregierung und Opposition um die Hartz- IV-Sätze. Die Delegierten monierten, dass bei dem Hartz-IV-Poker die Betroffenen von Politikern und Medien fast völlig ignoriert werden. »Wie lange noch werden die Erwerbslosen den Politikern durchgehen lassen, dass sie über unsere Köpfe hinweg über unser Schicksal verhandeln«, hieß es in der Einladung zu dem Treffen.

Das Sozialbündnis will den Druck für ein existenzsicherndes Einkommen erhöhen und setzt sich für einen Mindestlohn von zehn Euro pro Stunde steuerfrei ein. Um diese Forderung durchzusetzen, ruft das Bündnis zur Beteiligung an dem vom DGB initiierten Aktionstag »Gegen Lohndumping und für sichere und faire Arbeit« am 24. Februar auf.

Das Mitglied des Koordinierungskreises im »Aktionsbündnis Sozialproteste« Edgar Schu würdigte gegenüber ND auch die Arbeit der Initiative »Krach schlagen statt Kohldampf schieben«. Sie hatte am 10. Oktober 2010 in Oldenburg eine bundesweite Erwerbslosendemonstration organisiert. Dadurch sei es gelungen, Bündnisse mit Teilen der Gesellschaft zu schließen, die sich bisher mit Themen wie Hartz IV wenig befasst haben. An diese Vorarbeit will das Aktionsbündnis mit der 10-Euro-Forderung anknüpfen.

Skeptisch äußerte sich Schu zu den in den letzten Wochen laut gewordenen Aufforderungen an die Erwerbslosen, sich mit einer Klagewelle einen höheren Hartz- IV-Satz zu erstreiten. Er warnt vor Illusionen. »Wir setzen eher auf Klassenkampf und gesellschaftlichen Druck als auf die Gerichte.«

Das Bündnis hat sich auf dem Hannoveraner Treffen für die Abschaffung sämtlicher Sonderregelungen für arbeitslose Flüchtlinge ausgesprochen. Sie dürfen beim Hartz-IV-Satz nicht schlechter als die anderen Erwerbslosen gestellt sein. Damit soll die Diskriminierung von Menschen ohne deutschen Pass auf diesem Sektor aufgehoben werden. Schu erinnert daran, dass die Schlechterstellung von Menschen, die unter das Asylbewerberleistungsgesetz fallen, schon in der Vergangenheit Modellcharakter gehabt hatte. Oft seien bei den Flüchtlingen Maßnahmen erprobt worden, die später auf weitere Gruppen von Erwerbslosen ausgeweitet worden sind.

 http://www.neues-deutschland.de/artikel/190849.initiative-wehrt-sich-gegen-hartz-iv-poker.html

Peter Nowak

„Verräter in unseren Reihen“

Taz und Spiegel machen geleakte NPD-Mails öffentlich, was auch zu der Frage führt, wie es hier mit dem Datenschutz und dem Schutz der Privatsphäre steht
Als hätte der Mailschreiber etwas geahnt. Unter dem Betreff „Verräter in unseren Reihen“ schreibt ein NPD-Funktionär an seine Kameraden: „Einer dieser Empfänger hat DEFINITIV Informationen an die Antifa weitergegeben, bzw. dessen ePost-Adresse wird von Antifas angezapft (Feind liest mit).“
   

Dass die Öffentlichkeit jetzt über das große Misstrauen in NPD-Kreisen informiert ist, lag am NPD-Leak, den neben dem Spiegel auch die Taz in ihrer Wochenendausgabe publik machte. Auf ihrer Homepage dokumentierte sie eine kleine Auswahl der ihr zugespielten ca. 60.000 Mails aus dem Innenleben der Rechtspartei. Laut Taz haben 6 Redakteure die Mails geprüft und darauf geachtet, dass persönliche Angaben und Namen von Personen, die bisher nicht im NPD-Kontext aufgefallen sind, unkenntlich gemacht wurden.

Sollte die veröffentlichte Auswahl repräsentativ sein, dann dreht sich ein Großteil der gehackten Mails um organisatorische Fragen. So wird mitgeteilt, dass der Mitschnitt einer Veranstaltung nun online gestellt ist und der Link bekannt gemacht werden soll. Ein anderes NPD-Mitglied schildert die Schwierigkeiten bei der Sammlung von Unterstützungsunterschriften für den Wahlantritt und klagt über die Inaktivität der eigenen Kameraden.

 

Bei der per Mail geführten Debatte über die Gestaltung von Informationsmaterial der NPD wurde auch nicht mit rechter Propaganda gespart. So heißt es in einen Kommentar des sächsischen NPD-Landesvorstandes zur Gestaltung einer Werbepostkarte: „Dennoch lege ich gesteigerten Wert darauf diesen ’schlicht(en) 30er-Jahre-Jargon‘ zu verwenden. Wenn wir ein Alleinstellungsmerkmal haben ist es „deutsch“ zu sein.“ Auch die internen Querelen werden in dem Mailverkehr deutlich. So wird die Absetzung eines Stützpunktleiters der Jungen Nationaldemokraten gefordert, der eine Einladung mit „Heil Germania“ unterschrieben hat.

Welche Folgen das NPD-Leak für die Partei ist noch offen. Die innerparteilichen Kritiker des NPD-Vorstandes dürften sich die Gelegenheit nicht entgehen lassen, den mangelnden Schutz der Daten für ihre Zwecke zu nutzen, so wie sie es schon bei der Aufdeckung der Spitzel in den Parteigremien mit mäßigem Erfolg versucht haben.

Gilt das Recht auf eigene Daten auch für die NPD?

Die Aktion dürfte und sollte auch die Frage wieder auf die Tagesordnung setzen, ob das Recht auf die eigenen Daten auch für die NPD gelten soll. Im Dezember 2008 waren anlässlich des 25. Kongresses des Chaos Computer Club NPD-Seiten gehackt worden: Neben Zustimmung gab es damals mit Verweis auf das Datenschutzargument auch Kritik an der Aktion. Man könne nicht das Recht auf die eigenen Daten propagieren und es dann im Falle der NPD oder anderer extrem rechter Gruppierungen selber außer Kraft setzen, hieß es.

Zudem stellen sich bei dem NPD-Leak ähnliche Fragen wie bei den WikiLeaks-Veröffentlichungen. Wo beginnt die Privatsphäre und ist selbst bei größter Sorgfalt auszuschließen, dass auch Unbeteiligte an die Öffentlichkeit gezerrt werden? Darunter könnten auch Menschen sein, die aus Recherchegründen mit der NPD in Mailkontakt standen. Zudem stellt sich die Frage, welchen Nutzen die Mails von einem antifaschistischen Standpunkt haben. Selbst wenn man die organisatorischen Klärungen, um die es in dem Großteil der Kommunikation geht, bei Seite lässt, bleibt der Neuigkeitswert doch arg begrenzt. Dass die NPD auf das Alleinstellungsmerkmal „Deutsch“ Wert legt, war auch vor der Enthüllung kein Geheimnis. Auch der gar nicht immer kameradschaftliche parteiinterne Umgang füllt nun schon seit Jahren die Medien. So kann man sich durch das NPD-Datenleck noch einmal bestätigen lassen, was alle, die es interessiert, auch vorher wussten. Um die NPD politisch zu verorten und auch zu politisch bekämpfen, sind daher die Mails wohl ähnlich entbehrlich wie die Verfassungsschutzleute. 
 http://www.heise.de/tp/r4/artikel/34/34188/1.html

Peter Nowak

Hartz IV-Debatte ohne die Betroffenen?

Das Pokern um die Hartz IV-Sätze geht weiter
Der Bundesrat setzt, nachdem über die Hartz-IV-Sätze keine Einigung erzielt werden konnte, auf den Vermittlungsausschuss. Nun soll also weiter zwischen Vertretern der Bundesregierung vermittelt werden. Doch wie regieren die Betroffenen?

Von den Erwerbslosen und ihren Verbänden war in der Debatte in den letzten Monaten auch bei den Kritikern des Regierungsvorschlags selten die Rede. So erklärte der Sozialexperte der Grünen Peter Kurth im Interview mit dem Deutschlandfunk, dass es ihm bei seiner Kritik der Regierungsvorschläge um die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts gehe. Von den zahlreichen Vorschlägen und Forderungen aus dem Spektrum der aktiven Erwerbslosen redet er nicht.

Am kommenden Samstag wird sich das bundesweite Aktionsbündnis Sozialproteste, in dem sich Erwerbslosengruppen und soziale Initiativen zusammengeschlossen haben, bei einem Treffen in Kassel mit dieser für sie unbefriedigenden Situation befassen. „Wie lange noch werden die Erwerbslosen den Politikern durchgehen lassen, dass sie über unsere Köpfe hinweg über unser Schicksal verhandeln“, heißt es in der Einladung.

Niemand der Aktiven erwartet in der nächsten Zeit Massenproteste von Erwerbslosen, wie es sie vor der Einführung von Hartz IV im Jahre 2004 gab. Aber die stärkere Koordinierung zurzeit laufender Initiativen soll Thema des Treffens in Kassel sein. Dazu gehört die Aktion „Krach schlagen statt Kohldampf schieben“, die am letzten Oktober auf einer Demonstration in Oldenburg Premiere hatte und seitdem in verschiedenen Städten mit kleinerer Besetzung wiederholt wurde. 
 http://www.heise.de/tp/blogs/8/149261

Peter Nowak

Waterboarding für Studenten

Nicht nur viele Studierende haben hierzulande vor wenigen Monaten über die Bildungsproteste in Großbritannien gestaunt, die mit der Besetzung der Londoner Parteizentrale der regierenden Konservativen endeten. Diese Partei ist gemeinsam mit den Liberalen für das Sparpaket verantwortlich, das massive Kürzungen im Bildungssystem, eine Erhöhung der Studiengebühren und eine Abschaffung der Stipendien für weiterführende Schulen vorsieht. Dagegen richtete sich Ende letzten Jahres der Zorn von Studierenden, Schülern aber auch Gewerkschaftern. Der wurde via Medien und Internet europaweit verbreitet.

Über die Folgen, die die Proteste für manche Aktivisten hatten, wird dagegen wenig berichtet. Schon während der Besetzung des Tory-Parteibüros wurden dutzende Aktivisten festgenommen. Dieses Schicksal erlitten in den folgenden Wochen mehr als 60 Menschen, darunter zwölf Personen unter 18 Jahre.

Auch die Universitätsleitungen wurden in die Verfolgung einbezogen. So berichtete die Präsidentin der Studierendenversammlung an der Londoner Universität, Clara Solomon, dass eine Spezialeinheit von Scotland Yard, das »Counter Terrorism Command«, am 13. Januar die Direktoren von 20 Londoner Universitäten, Colleges und Schulen in einem Schreiben aufforderte, Namen und Adressen von Protestierenden herauszugeben. Mit der Verurteilung des 18-jährigen Studienanfängers und Besetzers des Tory-Gebäudes Edward Woollard zu einer Haftstrafe von zwei Jahren und acht Monaten sollte ein Klima der Abschreckung erzeugt werden. Manche Medien gingen noch einen Schritt weiter. Der Kommentator des regierungsnahen »Daily Telegraph«, Matthew D’Ancona, schrieb: »Ich denke, die meisten Beobachter sehen in den Umstürzlern verwöhnte Bälger, denen ein bisschen Waterboarding nicht schaden würde.«

http://www.neues-deutschland.de/artikel/190632.waterboarding-fuer-studenten.html

Peter Nowak

Immobilienmonopoly im Chamisso-Kiez

Gegen Vertreibung aus dem Kiez regt sich Protest
 
In der Kreuzberger Willibald-Alexis-Straße fühlen sich die Mieter vom Eigentümer bedrängt.
»Kreuzberg – nur noch für Reiche?« Diese provokante Frage lockte viele Anwohner aus dem Chamissokiez im Stadtteil Kreuzberg am Dienstagabend zum Stadtteilgespräch in das Kulturzentrum Wasserturm. Die Sitzgelegenheiten reichten bei weitem nicht für alle Interessierten aus. Eine der Moderatorinnen des Abends fasste in ihrem Eingangsstatement in Worte, was viele der Anwesenden bewegt. »Werde ich mir in zehn Jahren in dem Kiez die Miete noch leisten können?« »Was wird aus den Plänen, auch im Alter in den beschaulichen Chamissokiez wohnen zu können, wenn dort immer mehr Mietwohnungen in Eigentums- und Ferienquartiere umgewandelt werden?«

Die Immobilienfirmen, die Interesse an den oft über 100 Jahre alten Gründerzeithäusern im Kiez zeigen, haben unterschiedliche Namen, doch ihre Methoden ähneln sich stark: In der Arndstraße 38 beispielsweise hat die AWL-Immobilien GmbH aus dem baden-württembergischen Baden-Baden das Haus vor einigen Jahren gekauft. Schon bald danach wurden ersten Kündigungen gegen Mieter ausgesprochen. Die waren zwar ungültig, trotzdem sind mittlerweile nur noch fünf Wohnungen vermietet. Das berichtete Hausbewohnerin Jutta, über deren Kündigung im März entschieden wird. Sie ist jedoch entschlossen, sich nicht vertreiben zu lassen.

Darin ist sich die Bewohnerin mit den Mietern der Willibald-Alexis-Straße 34 (WAX 34) einig. Diese haben extra einen eigenen Verein gegründet. In Briefen an Bezirkspolitiker von Friedrichshain-Kreuzberg und den Regierenden Bürgermeister von Berlin, Klaus Wowereit (SPD), formulierten die Bewohner ihr Ziel: »Wir wollen das Haus dem Spekulationsmarkt entziehen, gemeinsames Wohnen organisieren und darüber hinaus ökologisch und sozial sanieren und somit auch im Sinne der oben zitierten Milieuschutzsatzung ›kieznah‹ erhalten«.

Seit September 2010 gehört das Haus der Willibald Alexis Str. 34 GmbH und Co.KG. »Wir machen kein Geheimnis daraus, dass wir Geschäftsleute sind«, erklärt eine Sprecherin gegenüber ND und betont aber: »Wir haben nie einen Mieter vertrieben oder ohne Grund gekündigt.« Den Mietern der WAX 34 wirft sie vor, dass es ihnen nur darum gehe, »für wenig Miete in einem gefragten Kiez zu leben«.

Günstig zu wohnen wird jedoch nicht nur im Chamissokiez immer schwieriger, sondern auch im nahegelegenen Kreuzberger Gräfekiez, wie Martin Breger erzählt. Mit der dortigen Mietenentwicklung beschäftigt sich der Stadtteilaktivist seit Jahren. Selbst viele Einzimmerwohnungen in den Seitenflügeln und Hinterhäusern seien dort für Hartz-IV-Empfänger nicht mehr zu bezahlen, erläutert Breger. Mit konkreten Zahlen untermauert er seine These, dass das Immobilienmonopoly zunimmt. Während im Zeitraum zwischen 1996 und 2004 im Gräfekiez 90 Etagenwohnungen in Eigentum umgewandelt worden sind, waren es zwischen 2005 und 2010 schon über 150 Wohnungen.

Bei einer bloßen Bestandsaufnahme wollen es die Kiezbewohner indes nicht belassen. An einem Folgetreffen in der übernächsten Woche sollen Aktionen beschlossen werden. Eine Demonstration durch mehrere Kieze ist ebenso im Gespräch wie eine Diskussionsveranstaltung mit Politikern von verschiedenen Parteien. Einige Forderungen an die Politiker wurden am Dienstagabend schon zusammengetragen, darunter ein besserer Mieterschutz, die Wiedereinführung einer Fehlbelegungsabgabe und eine Renaissance des sozialen Wohnungsbaus.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/190710.immobilienmonopoly-im-chamisso-kiez.html

Peter Nowak

Führt Extremismusklausel zu Misstrauen und Beschnüffelung?

Auch Juden und Muslime fordern die Rücknahme der Extremismusklausel von Bundesfamilienministerin Schröder

Der Zentralräte der Juden und der Moslems in Deutschland haben am Mitwoch auf einer Pressekonferenz zum Thema „Arbeit gegen Antisemitismus, Islamismus und Rechtsextremismus“ in Berlin die Rücknahme der Extremismusklausel gefordert. Sie verpflichtet zivilgesellschaftliche Organisationen, die finanzielle Unterstützung bekommen, nicht nur selber auf dem Boden der freiheitlich demokratischen Grundordnung zu stehen, sondern auch ihre Kooperationspartner auf ihre Verfassungstreue zu überprüfen

Die Klausel behindere Initiativen gegen Rechtsextremismus, statt sie zu unterstützen und säe kollektives Misstrauen, sagte der Generalsekretär des Zentralrats der Juden in Deutschland, Stephan Kramer, und schloss eine gerichtliche Klage nicht aus. Sein Kollege vom Zentralrat der Muslime, Aiman Mazyek ergänzte: „Ausgangspunkt dieses Bekenntniszwangs ist Misstrauen“. Der Kampf gegen Extremismus und für Demokratie sei eine wichtige Aufgabe der Zivilgesellschaft und diese dürfe nicht durch solch eine Klausel unter Generalverdacht gestellt werden.

Auch der SPD-Innenminister von Sachsen-Anhalt, Holger Hövelmann, warnte vor dem „Unsinn einer solchen Beschnüfflungsklausel“. Kritiker vergleichen die Klausel mit der auch als Berufsverbot bezeichneten Radikalenerlass für Beamtenanwärter, der die innenpolitische Debatte in den 70ern und 80er Jahren prägte. Damals dauerte es fast ein Jahrzehnt, bis auch führende Politiker diese Praxis als Fehler bezeichneten.

Der Protest gegen die Extremismusklausel hat sich dagegen innerhalb weniger Monaten auch mittels Internet und Facebook schnell verbreitert. Die Diskussion angestoßen hatte die Initiative gegen jeden Extremismusbegriff aus Leipzig. Als im November letzten Jahres der Verein akubiz die Annahme des sächsischen Demokratiepreises ablehnte, weil damit der Unterzeichnung der umstrittenen Klausel verbunden gewesen wäre, nahm eine größere Öffentlichkeit von der Problematik Notiz.

Am 1.Februar hatten sich über 1.500 Organisationen und Einzelpersonen an einem Aktionstag gegen Bekenntniszwang beteiligt und sich mit Briefen, Protestmails und –faxen an das zuständige Bundesfamilienministerium gewandt. Auch eine Onlinepetition wurde mittlerweile eingereicht. Ein vom Land Berlin in Auftrag gegebenes Gutachten stellt infrage, ob die Extremismusklausel mit dem Grundgesetz vereinbar ist.

http://www.heise.de/tp/blogs/8/149236

Peter Nowak

Militanztexte vom Regierungsnetzwerk

Gefahrenprognosen sind ein mächtiges Mittel für Behörden, Meinungsfreiheit einzuschränken

Werden Demonstrationen verboten oder mit Auflagen eingeschränkt, hat die Polizei meist eine Gefahrenprognose erstellt, die vor Sicherheitsmängeln warnt. Die Prognosen sind schwer überprüfbar, aus Sicht der Behörden ist das kein Nachteil. Bürgerrechte bleiben dabei auf der Strecke. Was fehlt, sind verbindliche Sanktionen, wenn mal wieder Jahre später die Rechtswidrigkeit festgestellt wurde.

Ende Januar musste das Verwaltungsgericht (VG) Schwerin noch einmal über das Agieren der Polizei beim G8-Gipfel von Heiligendamm entscheiden. Das Verbot eines Sternmarsches, mit dem G8-Gegner am 7. Juni 2007 gegen das Treffen protestieren wollten, wurde für rechtswidrig erklärt. »Wir sehen uns in unserer Auffassung bestätigt, dass mit dem Verbot unzulässig in das Grundrecht der Meinungs- und Demonstrationsfreiheit eingegriffen wurde«, heißt es in einer Erklärung von Attac.

Kritischer urteilte Ulrike Donat vom Republikanischen Anwältinnen- und Anwälteverein (RAV), die die Kläger vertrat: »Wieder einmal bekommen wir im Nachhinein recht – aber die Versammlung konnte nicht stattfinden.« Donat wies auch auf einen Schwachpunkt der Entscheidung hin. Denn das Gericht lehnte es ab, sich mit dem Wahrheitsgehalt der Polizeipropaganda zum Gefahrenpotenzial des Sternmarsches genauer zu beschäftigen.

Damit sprach sie einen Punkt an, der schon während und nach dem G8-Gipfel für Diskussionen sorgte. Damals hatten Menschenrechtsorganisationen und Demonstranten schwere Vorwürfe gegen die polizeiliche Sonderbehörde Kavala erhoben. Diese hatte gezielt Falschmeldungen gestreut, beispielsweise über Vermummungen und Steinewerfer oder angebliche Säureattacken durch Clowns. Diese Meldungen waren die Grundlage für die polizeiliche Gefahrenprognose, die zum Verbot des nun für rechtswidrig erkannten Sternmarsches führten.

Nicht nur im Zusammenhang mit Heiligendamm sind die polizeilichen Einschätzungen in der Kritik. So hatte die Bürgerinitiative Lüchow-Dannenberg bereits im Jahr 2004 eine Pressemeldung gegen ein Demonstrationsverbot während des Castortransports mit dem Titel »Gegen Polizeipropaganda und falsche Gefahrenprognosen« überschrieben. Als willkürlich gilt auch die Gefahrenprognose der niedersächsischen Polizei für die vom DGB angemeldeten Proteste gegen einen Neonaziaufmarsch in Bad Nenndorf, die vom NDR bekannt gemacht worden war. Die Polizei hatte Straßenkampf, Molotowcocktails und Steinwürfe vorhergesagt und auf ein allgemeines Demonstrationsverbot gedrängt. Dabei wollten die Nazigegner ein friedliches Straßenfest gegen Rechts organisieren.

Bei der Erstellung der Gefahrenprognosen stützen sich die Beamten zunehmend auf meist anonym im Internet kursierende Erklärungen. Die Herkunft der Texte bleibt meist unklar. Manchmal stößt man aber auch auf überraschende Quellen: So wurde Ende Januar bekannt, dass Aufrufe im Internet zur Militanz bei einer Demonstration gegen ein Kraftwerk von einem Server aus dem Netzwerk der britischen Regierung gepostet wurden. Das war durch die Überprüfung von IP-Adressen aufgeflogen. Mit diesen Texten hatten Behörden verschärfte Auflagen bei der Demonstration und die Beschlagnahme von Servern bei Aktivisten begründet.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/190503.militanztexte-vom-regierungsnetzwerk.html

Peter Nowak

Briefe schreiben gegen die Verdrängung

GENTRIFIZIERUNG In Kreuzberg wollen die Mieter eines exbesetzten Hauses den Neueigentümern trotzen
Wer durch den Kreuzberger Chamisso-Kiez geht, findet kaum noch Spuren der Instandbesetzungen aus den frühen 80ern. Die Willibald-Alexis-Straße 34 („WAX 34“) ist eine Ausnahme. Die Tür ist unverschlossen, im Treppenhaus des Seitenflügels hängen politische Plakate, auf einer Tafel sind mit Kreide aktuelle Termine angeschrieben. Unterm Dach haben MieterInnen einen Wintergarten eingerichtet. „Schon im Frühjahr, wenn die Sonne scheint, ist das hier ein angenehmes Plätzchen“, schwärmt Bewohner Jörg Seifert* (Name geändert).

Wie lange sich Seifert daran noch erfreuen kann, ist offen. Seit dem Eigentümerwechsel im September ändert sich viel. Auf dem Schwarzen Brett wurde der Beginn von Baumaßnahmen für November 2011 angekündigt, im Hof ein Gerüst aufgestellt. „Eine von den Eigentümern beauftragte Moderatorin bietet Auszugswilligen Abfindungen an“, erzählt Mieter Wolfgang Steinke* (Name geändert).

Einige gingen darauf ein, die Mehrheit entschied sich anders: Sie schickten offene Briefe an die Medien, BezirkspolitikerInnen und den Regierenden Bürgermeister. „Wir in der Willibald-Alexis-Straße 34 wollen hier wohnen bleiben und nicht nur das. Wir wollen das Haus dem Spekulationsmarkt entziehen und gemeinsames Wohnen organisieren und darüber hinaus ökologisch und sozial sanieren und somit auch im Sinne der oben zitierten Milieuschutzsatzung ,kieznah‘ erhalten“, heißt es.

Der Sprecher der grünen BVV-Fraktion in Kreuzberg, Daniel Wesener, begrüßt das: Die Grünen setzten sich für die Verbesserung des MieterInnenschutzes ein. So soll die 2011 auslaufende Regelung, die MieterInnen bei Umwandlung ihrer Wohnungen in Eigentumswohnungen 7 Jahre vor Eigenbedarfskündigungen schützt, verlängert und die Frist auf 10 Jahre ausgeweitet werden.

Bezirksbürgermeister Franz Schulz (Grüne) kritisiert, dass der Senat eine vom Baugesetzbuch vorgesehene Verordnung, die die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen in Milieuschutzgebieten genehmigungspflichtig machen würde, noch immer nicht erlassen hat. Das wäre „ein wirkungsvolles Instrument zur Durchsetzung von MieterInneninteressen“. Die Willibald-Alexis-Straße 34 GmbH und Co.KG, eine Investorengruppe, die sich auf den Kauf von Altbauten spezialisiert hat, erklärt in einer Stellungnahme, MieterInnen würden von ihnen niemals ohne Grund gekündigt. Den BewohnerInnen der WAX 34 werfen sie „Profit durch Untervermietungen“ vor. Ihnen gehe es darum, „für wenig Miete in einem gefragten Kiez zu leben“.

Über die Zukunft des Hauses wird am heutigen Dienstag um 19.30 Uhr auf einer Stadtteilveranstaltung im Wasserturm geredet.

http://www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=ba&dig=2011%2F02%2F08%2Fa0159&cHash=3743baeed0

PETER NOWAK

Erwerbslosenarbeit nicht gemeinnützig?

Finanzamt Frankfurt am Main entzieht Verein die Förderungswürdigkeit
Das Frankfurter Finanzamt hält die Unterstützung von Arbeitslosen nicht für gemeinnützig und schneidet den Verein Zusammen e. V. so von Spendengeldern ab.
Ist Stadtteilarbeit, Beratung von Erwerbslosen und Unterstützung von migrantischen Jugendlichen für das Finanzamt Frankfurt am Main nicht förderungswürdig? Diese Frage stellen sich viele Nutzer des Vereins Zusammen e. V., der im August 2006 in dem Stadtteil Rödelheim mit dem Ziel gegründet wurde, die sozial benachteiligten Bewohner über ihre Rechte zu informieren und sich gegenseitig zu unterstützen. Die vom Verein initiierte Kampagne gegen Kinderarmut im Stadtteil wurde auch von vielen Lehrern aufgegriffen, die Materialen anforderten.

Trotzdem hat das Finanzamt am 19. Januar 2011 dem Verein nach einem fast einjährigen Papierkrieg die Gemeinnützigkeit entzogen. Seitdem kann er keine Spendenquittungen mehr ausstellen und muss auf die Unterstützung von Stiftungen verzichten, die auf Grund ihrer Satzung nur an gemeinnützige Vereine spenden können. Das Mitglied des Vereinsvorstands Philipp Kissel sieht in der Maßnahme einen Angriff auf die politische Arbeit von Zusammen e. V. »Da wir unabhängig von staatlichen Geldern sind und bleiben wollen, sind die Spenden neben den Mitgliedsbeiträgen die Grundlage der Finanzierung und der Unabhängigkeit«, betont er.

Das Finanzamt begründet den Entzug der Förderungswürdigkeit mit den sozialpolitischen Aktivitäten. Dort heißt es: »Schwerpunkt des Vereins ist nach eigener Darstellung die Förderung von Arbeitslosen und die moralische Unterstützung bei Ämtern. Dabei handelt es sich jedoch nicht um eine gemeinnützige Tätigkeit im Sinne des Gemeinnützigkeitsrechts (…)«. Zudem moniert das Finanzamt, die Nutzung der Vereinsangebote käme nur den Mitgliedern zugute. Dieser Vorhalt ist für Kissel unverständlich, weil das auf die überwiegende Mehrheit der gemeinnützigen Vereine zutrifft.

Zusammen e. V. will sich gegen den Entzug der Gemeinnützigkeit mit juristischen und politischen Mitteln wehren. Ein Anwalt hat beim Finanzgericht Widerspruch eingelegt. Das Verfahren kann mehrere Jahre dauern und hat keine aufschiebende Wirkung. Zudem will der Verein durch eine verstärkte Öffentlichkeitsarbeit die Rücknahme der Aberkennung der Gemeinnützigkeit erreichen. Schließlich ist er kein Einzelfall, so Kissel. So wurde Anfang 2010 dem Frankfurter Dritte-Welt-Haus die Gemeinnützigkeit aberkannt.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/190376.erwerbslosenarbeit-nicht-gemeinnuetzig.html

Peter Nowak

Freiheit für „Meinungsdissidenten“

Online-Petition für Horst Mahler stößt auf wenig Solidarität in rechtsextremen Kreisen.

Unter dem Motto „Freilassung für den Meinungsdissidenten Horst Mahler“ haben extrem rechte Kreise eine Online-Petition an den Bundestag initiiert. In der Begründung wird der Holocaust-Leugner Mahler mit dem chinesischen Dissidenten Liu Xiaobo verglichen. Nach der Nobelpreisverleihung an Liu Xiaobo hatten die Rechtsextremisten Ursula Haverbeck und Rigold Henning einen Brief an verschiedene Justizbehörden verfasst, in dem eine Revision des Mahler-Urteils gefordert wurde.

Mahler war im Februar 2009 vom Landgericht München II zu einer sechsjährigen Haftstrafe wegen Volksverhetzung verurteilt worden, die er in der Justizvollzugsanstalt Brandenburg verbüßt. Während Mahler seine Prozesse mediengerecht inszenierte, war es in der jüngsten Zeit ruhig um ihn geworden, was auch auf der rechten Internetplattform Altermedia mehrmals beklagt wurde.

Die Online-Petition dürfte ein Versuch sein, Mahler und sein Gedankengut wieder stärker in die Öffentlichkeit zu bringen und vor allem in den eigenen Kreisen Solidarität einzufordern. Bisher mit wenig Erfolg. Die Petition wurde bis zum 7. Februar von 59 Personen unterzeichnet. Dazu gehören das ehemalige Vorstandsmitglied des Bundes der Vertriebenen Paul Latussek sowie der Kölner Arzt Benedikt Frings, der mehrmals für die NPD kandierte und im Dezember 2006 an einer Konferenz von Holocaust-Leugnern in Teheran teilgenommen hat.

http://www.bnr.de/content/freiheit-fuer-ae-meinungsdissidenten-ae

Peter Nowak

Muss Ex-US-Präsident Bush in Europa Strafverfahren fürchten?

Bush hat seinen  Besuch in der Schweiz lieber einmal abgesagt
Warum hat der ehemalige US-Präsident Bush seinen für die kommende Woche geplanten Besuch in der Schweiz abgesagt? Wegen befürchteter Krawalle, wie Mitarbeiter des ehemaligen US-Politikers behaupten, oder aus Angst vor Protesten und einer drohenden Strafverfolgung, wie die juristische Menschenrechtsorganisation ECCHR schreibt?

Sie hatte gemeinsam mit ihrer US-US-amerikanischen Partnerorganisation im Namen von zwei Opfern des US-Folterprogramms nach dem 11.September 2011 in Genf Strafanzeigen gegen Bush vorbereitet, die von Menschenrechtsorganisationen in aller Welt unterstützt worden waren. Da sie seit Jahren dafür kämpfen, dass Menschenrechtsverletzungen bis auf der höchsten politischen Ebene juristisch verfolgt werden, hätte ein Strafverfahren gegen Bush für sie daher einen hohen symbolischen Wert.

Sie sehen sich im Einklang mit der UN-Antifolterkonvention, die alle Mitgliedsstaaten verpflichtet, mutmaßliche Täter zu verfolgen, unabhängig davon, ob es sich um den ehemaligen Präsidenten, Regierungs- oder Geheimdienstmitarbeiter, Soldaten oder Polizisten handelt.

„Solange die US-Justiz keine strafrechtlichen Ermittlungen gegen die Verantwortlichen der europäischen Länder gefordert“, begründete der ECCHR-Generalsekretär und Berliner Rechtsanwalt Wolfgang Kaleck die Vorbereitungen zur Anklageerhebung in der Schweiz. Die juristischen Menschenrechtsorganisationen haben nicht nur den Ex-Präsidenten im Visier. Schon Ende Januar haben sie die spanische Justiz aufgefordert, gegen führende, das Guantanamo-System stützende Militärs und Juristen vorzugehen, darunter den ehemaligen befehlshabenden Offizier in Guantanamo, Generalmajor Geoffrey Miller. „Jede Europa-Reise solle für die US-Entscheidungsträger zu einem unkalkulierbaren Risiko werden“, so Kaleck.

Auch Amnesty International hatte die Schweizer Staatsanwaltschaft aufgefordert, gegen Bush ein Verfahren wegen Folter einzuleiten und ihn festzunehmen. Erst danach cancelte er die Reise. Die Beweisführung gegen Bush dürfte nicht schwer sein. In seinen vor einigen Monaten veröffentlichen Memoiren hat er sich selbst belastet, indem er zugab, als Präsident gewisse Foltermethoden, wie das sogenannte Waterboarding, autorisiert zu haben.

http://www.heise.de/tp/blogs/8/149212

Peter Nowak

Widerstand Ost

Protest gegen Castoren für Lubmin
»Castor stoppen in Rostock« lautete das Motto, mit dem das Anti-Atombündnis Nordost am 5. Februar in der norddeutschen Hansestadt an die Öffentlichkeit getreten ist. Es war der Auftakt für den Widerstand gegen einen Castortransport, der dieses Mal nicht ins Wendland, sondern ins Zwischenlager Nord bei Lubmin in Mecklenburg-Vorpommern rollen soll. Er wird hochradioaktiven Abfall aus der stillgelegten Wiederaufarbeitungsanlage Karlsruhe (WAK) enthalten, der quer durch den Nordosten der Republik rollen soll. Nach Angaben der Energiewerke Nord GmbH (EWN) handelt es sich dabei um 140 sogenannte Glaskokillen, etwa 60 Kubikmeter in Glas eingeschmolzenen stark strahlenden Atommüll.

 Obwohl der Termin noch geheim gehalten wird, ist mittlerweile durchgesickert, dass der Transport wohl für den 16. und 17. Februar geplant ist. Darauf wollte das Anti-AKW-Bündnis am Samstag in Rostock hinweisen und um regionale Unterstützung für die Proteste werben. Am 12. Februar soll mit einem Streckenaktionstag in Greifswald die heiße Phase der Protesttage beginnen. Höhepunkte wird es dann am 15. und 16. Februar geben, wenn der Transport mit vielfältigen Aktionen möglichst auf der gesamten Stecke behindert werden soll.

Diese Protestagenda ist umso ambitionierter, wenn man weiß, dass die Anti-AKW-Gegner erst im Dezember 2010 mit ihren Aktionen gegen einen Castortransport bundesweit für Aufsehen sorgten. Dieser Erfolg verschaffte den regionalen Initiativen so viel Rückenwind, dass sie knapp zwei Monate später den zweiten Streich wagen. Dadurch könnten sich auch AKW-Gegner an Standorten wie Ahaus ermutigt fühlen, die Atommülltransporte in ihrer Region stärker in das Blickfeld zu rücken. Damit würde das Bekenntnis »Gorleben ist überall« in die Realität umgesetzt.

Infos im Internet unter: lubmin-nixda.de

http://www.neues-deutschland.de/artikel/190266.widerstand-ost.html

Peter Nowak

»Es war mir in Deutschland zu stille«

 

Dora Dick – eine wahrhaftige Jahrhunderzeugin

Die weißhaarige Frau hat die Augen geschlossen. Man hat den Eindruck, sie würde schlafen und die Musik gar nicht hören. Doch plötzlich ist sie hellwach, bewegt ihren Kopf im Rhythmus und summt den Text mit. »Roter Wedding« und das »Solidaritätslied« – das sind die Lieder die Dora Dick mit ihren Freunden und Genossen Ende der 20er Jahre gesungen hat.

In jungen Jahren hat sie oft ihren Bruder begleitet, wenn dieser zu dem von ihrem Wohnhaus im Berliner Scheunenviertel nicht weit entfernten Bülowplatz ging. Hier trafen revolutionäre Politik und avantgardistische Kunst zusammen: Auf der einen Seite des Platzes befand sich die Parteizentrale der KPD, auf der anderen die Volksbühne. Die junge Dora lauschte den Reden der Kommunisten mit ebenso großer Begeisterung, wie sie die Auftritte der Schauspieler verfolgte. Mit einer Schaupielerin freundete sie sich an. Sie weckte das Interesse der jungen Dora für die Marxistische Abendschule (MASCH).

Auch als Dora eine Lehre als Modellschneiderin am Berliner Nollendorfplatz aufnahm, blieb sie der Muse treu, besuchte das dortige Theater. Es hatte sich unter der Leitung des Regisseurs Erwin Piscator zu einer der avantgardistischsten Bühnen Deutschlands entwickelt. An die Aufführung von »Hoppla wir leben« von Ernst Toller kann sie sich noch gut erinnern. Die Eltern allerdings waren gar nicht so begeistert, dass die Tochter lieber ins Theater ging, als sich an den jüdisch-religiösen Zeremonien zu beteiligen.

Wenn Dora Dick heute, am 5. Februar, ihren 100. Geburtstag feiert, wird keiner von ihren Jugendfreunden mehr dabei sein. Fast alle sind schon verstorben, viele sind von den Nazis ermordet worden. Als Jüdin und als Linke war Dora Dick selbst in Nazideutschland doppelt gefährdet. Ihr Bruder wurde von den Nazis 1938 wie viele Tausend längst eingebürgerte ehemalige jüdische Einwanderer aus Polen an die Grenze zurück deportiert und abgeschoben. Danach verlor sich seine Spur. Die Schwester merkte immer mehr, wie allein die NS-Gegner waren. »Es war mir in Deutschland zu still.« Dora Dick ging nach Prag und publizierte in der Exilpresse. Ins Gedächtnis eingebrannt hat sich ihr der Einmarsch der deutschen Wehrmacht. Als tschechische Bäuerin verkleidet, beobachtete sie, wie Panzer auf Panzer über die großen Straßen in die Innenstadt der tschechischen Hauptstadt einfuhren. Sie wusste, dass es für sie jetzt um Leben und Tod ging, Sie hatte keine Illusionen über den Umgang der Nazis mit emigrierten Deutschen.

Auf abenteuerliche Weise gelang ihr die Flucht nach Großbritannien. Dort war sie Mitbegründerin des »Freien Deutschen Kulturbundes (FDKB). Oscar Kokoschka, John Heartfield und Jürgen Kuczynski gehörten zu ihren Mitstreitern. In England kam auch ihr einziger Sohn zur Welt, mit dem sie nach dem Zweiten Weltkrieg zurück nach Deutschland zog. Sie setzte sich für einen demokratischen Neubeginn ein, engagierte sich in der Gewerkschaft und wurde Vorsitzende des Frauenausschusses der Westberliner IG Textil- Bekleidung.

Auch im hohen Alter verfolgt sie noch das politische Geschehen. 2007 stritt sie für die Umbenennung der nach den antisemitischen Historiker Treitschke benannten Straße in Berlin-Steglitz. Mit Sorge beobachtet sie Anzeichen von neuem Antisemitismus. »Eine Welt ohne Juden kann man sich nicht vorstellen«, sagt sie immer wieder. Sohn Antonin Dick arbeitet zur Zeit an einem Erinnerungsband, in dem er die Flucht und das Exil seiner Mutter als ihr Vermächtnis an die Nachwelt dokumentiert will.

Peter Nowak

http://www.neues-deutschland.de/artikel/190178.es-war-mir-in-deutschland-zu-stille.html?sstr=Dora|Dick

Unterstützer von Berliner Hausprojekt „besetzen“ Onlineshops

 

Mit der „Aktion 101 Websites defaced“ wollten sich Hacker mit dem am Mittwoch geräumten Hausprojekt Liebig 14 solidarisch erklären

Wer sich am Donnerstag beim Juweliershop Elze online über die Preise für Schmuck informieren wollte, dürfte sich gewundert haben. Auf der Website fand sich eine Erklärung zur Räumung des Berliner Hausprojekts Liebigstraße 14 am Mittwoch.

Der gleiche Text fand sich auch auf Online-Shops, die Hochzeitsdeko anbieten, auf den Seiten von Online-Sexshops oder bei Online-Autovermittlern. Sie gehören zu den 101 Webseiten, die Hacker in der Nacht zum 3. Februar virtuell besetzt und mit einer Solidaritätserklärung für das Hausprojekt versehen haben. In einer auf Indymedia veröffentlichten kurzen Erklärung der heißt es:

„Im Rahmen der Soli-Aktionen haben wir in dieser Nacht auf 101 Internetseiten einen Text platziert um auf die Räumung der Liebig 14 hinzuweisen und um klarzumachen das wir auf allen Ebenen kämpfen werden!“

 Schon im Vorfeld der Räumung hatten die Bewohner des Projekts und die Unterstützer angekündigt, dass 101 weitere Projekte entstehen werden, wenn das Haus geräumt wird. In der letzten Woche gab es aus dem Kreis der Unterstützer zahlreiche kurzfristige Besetzungen von leerstehenden Gebäuden in Berlin. Nach der Räumung kam es zu Protestaktionen in deutschen und europäischen Städten, selbst im peruanischen Iquitos.

Dass die Unterstützer des Hausprojekts auch zum Internetprotest griffen, war denn doch überraschend. Schließlich gehört das „Defacement“ von Webseiten, also das unautorisierte Veröffentlichen von Inhalten, bisher nicht zu den vorherrschenden Protestformen in Deutschland. Zuletzt wurde die Aktionsform bekannt, als Ende 2010 auf dem Jahreskongress des Chaos Computer Clubs in Berlin eine Reihe von Internetseiten gehackt wurden, unter anderem der Online-Shop der FDP. Dort wurde das Angebot so umgebaut, dass unter den zu kaufenden Produkten auch ein Heißluft-Handtrockner erschien, der angeblich eine Rede von Guido Westerwelle wiedergeben sollte.
http://www.heise.de/tp/blogs/6/149199 
Peter Nowak