Ein unmoralischer Vertragsentwurf

Die Chefin einer Zeitarbeitsfirma erhebt schwere Vorwürfe gegen Amazon

Mitte Februar geriet der Onlineversandhandel Amazon wegen der Arbeitsbedingungen seiner Leiharbeiter heftig in die Kritik. So sollen Leiharbeiter aus Spanien auf engen Raum in einer hessischen Gemeinschaftsunterkunft untergebracht worden sein, wie ein Fernsehbeitrag enthüllte. Ende Februar versuchte Amazon in die Offensive zu gehen und warf den Fernsehjournalisten einseitige Recherche und Stimmungsmache vor. Doch werden neue Vorwürfe gegen Amazon aus einer ungewöhnlichen Ecke laut. Die Geschäftsführerin der Koblenzer Zeitarbeitsfirma IMUS GmbH, Ute Siry, hat im SWR schwere Vorwürfe gegen Amazon erhoben.

Zeitarbeit mit Humantouch?

Das Unternehmen habe ihr einen Vertragsentwurf geschickt, der unlautere Beschäftigungsmodelle vorsehe und eine Ausbeutung der Leiharbeiter zur Folge hätte. Siry habe den Entwurf abgelehnt und einen eigenen Vertrag geschickt. Amazon habe sich daraufhin nicht mehr gemeldet.

Der Vertragsentwurf sei schlichtweg unmoralisch gewesen, so die Koblenzer Unternehmerin. „Amazon verlangt, dass wir unsere Verträge automatisch ihren Bedingungen anpassen“, erklärte sie dem SWR. Die von Amazon gestellten Bedingungen seien im Markt jedoch unüblich, kritisierte Siry. Vor allem die Zuschläge für Nacht- und Sonntagsarbeit lägen in dem Vertragsentwurf weit unter Tarif. Und noch einige andere Klauseln, wie solche zu den Festlegungen der Arbeitszeiten, widersprächen geltendem Recht.

Siry ist gleichzeitig bemüht, dem schlechten Ruf der Zeitarbeitsbranche entgegenzuwirken. Es gebe dort schwarze Schafe, doch mit ihnen dürfe nicht die gesamte Branche verurteilt werden. Siry betont, dass ihre Firma mit dem DGB einen Tarifvertrag abgeschlossen hat, den Amazon nicht anerkennen wollte. Sie befürchtet nun, dass die Zeitarbeitsbranche durch die Diskussion um Amazon in ein schlechtes Licht gerückt wird.

„Ich wehre mich massiv dagegen, dass unsere Branche unter Generalverdacht gestellt wird, nur weil der eine oder andere Mitbewerber mit Amazon zusammenarbeitet.“

Leiharbeiter mit Rückgaberecht

Besonders empört gibt sich die Unternehmerin über die Amazon-Forderung, einen missliebigen Mitarbeiter gegen einen anderen umzutauschen. „Es geht hier nicht um Ware, es geht hier um Menschen und die haben wir nicht einfach im Regal sitzen, dass wenn Amazon zu uns sagt, bringen sie Ersatz, dass wir aus dem Regal irgendeinen Zeitarbeiter rausnehmen, den wir dann als Ersatz zu Amazon schicken. Das war eigentlich schon die Krönung dessen, was ich bisher kennengelernt habe.“

In einer Stellungnahme an den SWR wehrt sich Amazon gegen die Darstellung der Kritiker, bleibt aber selber vage. „Selbstverständlich entsprechen die von Amazon geschlossenen Arbeitnehmerüberlassungsverträge den gesetzlichen Vorschriften“, heißt es in einer Erklärung des Unternehmens. Auf konkrete Vorwürfe wollten sie allerdings nicht eingehen.
http://www.heise.de/tp/blogs/8/153859
Peter Nowak