Plötzlich Leistung weg

HARTZ IV Erwerbslose auf Wohnungssuche müssen mit Schikanen des Jobcenters rechnen

Walter S., der seinen vollen Namen nicht in der Zeitung lesen will, war wegen einer Räumungsklage seines Vermieters ohnehin schon in Sorge. Dann erhielt der Hartz-IV-Empfänger ein Schreiben vom Jobcenter Mitte. Darin stand: „Ihre Leistungen wurden vorläufig eingestellt, weil Ihre Wohnung zum 6. 7. 2016 geräumt wird und Sie Ihren gewöhnlichen Aufenthalt eventuell nicht mehr im Bezirk der für Sie bisher zuständigen, im Briefkopf genannten Stelle haben dürften.“ Neben dem Verlust seiner
Wohnung musste S. nun befürchten, dass ihm die Leistungen gestrichen werden. Für Gitta Schalk von der Berliner Erwerbsloseninitiative Basta ist das Schreiben keine Ausnahme. „Unter dem scheinbar schönen Label „Bürokratieabbau“ werden von den Jobcentern ständig neue Schikanen gegen Erwerbslose ausgeheckt“, erklärt sie. Es handele sich um hausinterne Regelungen und Dienstanweisungen, die den Betroffenen nicht bekannt sind. Nur die Konsequenzen haben sie zu tragen. Besonders ein Wohnungswechsel sei für Hartz-IV-EmpfängerInnen im Jobcenter Mitte mit bürokratischen Hürden verbunden, berichtet Schalk aus ihrer täglichen Beratungstätigkeit.

Offener Brief

In einem offenen Brief an das Jobcenter hat Basta Kritik am Umgang mit wohnungsuchenden Hartz-IV-BezieherInnen geübt.
Wiederholt verschleppe die Behörde nach einer Zusage die Übernahme der Wohnkosten. Die ist aber die Voraussetzung
zum Abschluss eines Mietvertrags. Auch die Übernahme von Kautionen bei Untermietsverträgen sei vom Jobcenter Mitte
in mehreren Fällen verweigert worden. Damit werde das Recht von Erwerbslosen verletzt, ihren Wohnort selber zu wählen, moniert Schalk. Das müsse sich ändern. Der Pressesprecher des Jobcenters Mitte, Andreas Ebeling, sagte der taz, dass er den Brief von Basta und die konkreten Vorwürfe nicht kenne. Generell sei das Jobcenter dafür nicht die richtige Anlaufstelle. Es etze nur die vom Berliner Abgeordnetenhaus beschlossen Richtlinien um. Die ErwerbslosenaktivistInnen sehen  das anders: Die Praxis des Jobcenters ignoriere die Grundrechte einkommensschwacher Menschen.

TAZ. DIENSTAG, 26. JU LI 2016

Peter Nowak