Fest gegen Mietwucher an der Frankfurter Allee

Am Sonntag feiern Friedrichshainer Mieter und Eigentümer gemeinsam vor dem Wohnblock

»Gemeinsam leben im Denkmal für Vielfalt und Toleranz – gegen Mietwucher und Verdrängung« lautet das Motto des Nachbarschaftsfestes, zu dem die Bewohner des Blocks Frankfurter Allee 5 bis 27 am Sonntag ab 14 Uhr vor ihren Häusern einladen. Es ist Richtung Osten gesehen der letzte an den Zuckerbäckerstil angelehnte Block der Allee. »Bei dem Fest kooperieren sowohl Mieter als auch Wohnungseigentümer«, sagt Achim Bahr von der Vorbereitungsgruppe im Gespräch mit »nd«.

Die Häuser waren in den 1950er Jahren in der Frankfurter Allee errichtet worden und sollten nach den Vorstellungen der SED Arbeiterpaläste werden. In den 1990er Jahren wurden sie privatisiert und für die Immobilienbranche interessant. Unter dem Motto »Wohnen im Denkmal« wurde um Käufer für die Wohnungen geworben.

»Das Verhältnis zwischen den Eigentümern, die auch dort wohnen und den Altmietern ist heute entspannt«, sagt Bahr. Wolfgang Grabowski gehört zu den Altmietern. »Die von dem Unternehmen ›Home Center‹ betriebene Strategie, möglichst viele Altmieter zu verdrängen, ist auf ganzer Linie gescheitert«, nennt Grabowski einen weiteren Grund zu feiern. In den Jahren 2012 und 2013 wurde Bewohnern unter anderem deshalb gekündigt, weil sie ihre Schuhe vor die Wohnungstür gestellt hatten. Diese Kündigungen sind von den Gerichten zurückgewiesen worden.

Als Reaktion auf die Entmietungsstrategien organisierten sich die Bewohner und wählten Mieterräte. Wolfgang Grabowski ist einer von ihnen. Seine zentralen Aufgaben sieht er aktuell in der besseren Gestaltung des Areals vor den Häusern. Dazu gehört auch die Wiederinbetriebnahme der Brunnen. Auch weitere Mieterhöhungen, die durch den aktuellen Mietspiegel begünstigt werden, sieht er als große Gefahr vor allem für die Altmieter.

Das wird auch Thema einer Podiumsdiskussion um 15 Uhr sein. Zugesagt hat die Grünen-Bundestagskandidatin Canan Bayram, sowie von der LINKEN Ex-Kultursenator Thomas Flierl sowie Abgeordnetenhausmitglied Steffen Zillich. Auch die SPD will einen Vertreter schicken.

Drohende Mieterhöhungen im Friedrichshainer Nordkiez sind auch das Thema eines Spaziergangs, der von der Bezirksgruppe der Berliner Mietergemeinschaft gemeinsam mit Stadtteilinitiativen organisiert wird. Er beginnt um 13.30 Uhr an der Rigaer Straße 71-73, wo das Bauprojekt »Carré Sama Riga« für viel Unmut sorgt. Die Route führt an weiteren Orten der Verdrängung vorbei. Um 15 Uhr soll das Alleefest erreicht werden.

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Peter Nowak

Verweilen zwischen Konsumtempeln

Diskussionsrunde im Abgeordnetenhaus widmet sich Gestaltungskonzepten für den Alexanderplatz

Der zentrale Raum zwischen Alex und Spree befindet sich ständig im Wandel. Zeit für eine Diskussion um Zukunft und Visionen für diesen in mehrfacher Hinsicht zentralen Ort Berlins.

Der Kalte Krieg zwischen Ost und West wurde auch in der Architektur geführt. Für den bekannten westdeutschen Architekten Joachim Schürmann begann Asien am Berliner Alexanderplatz. Seine Äußerung wurde am Montagabend auf einer Diskussionsveranstaltung im Berliner Abgeordnetenhaus mehrmals zitiert. Dorthin hatte die Linksfraktion zur Diskussionsveranstaltung unter dem Motto »Neues Denken vom Alex bis Spree« eingeladen.

Für den ehemaligen Berliner Kultursenator Thomas Flierl und die Linksparteiabgeordnete Carola Blum, die beide aus Ostberlin kommen, ist der Platz eine große Freifläche im Stadtraum. Für die Westberlinerin und Grüne Abgeordnete Antje Kapek ist die erste Erinnerung an den großen Platz in Ostberlin weniger schön. Sie lernte den Platz im Alter von 13 Jahren kennen, als sie mit ihrem Vater kurz nach der Maueröffnung in Ostberlin besuchte. Als Fraktionsvorsitzende ihrer Partei im Abgeordnetenhaus plädiert Kapek dafür, in die Planung über die Zukunft des Platzes sämtliche Interessengruppen einzubeziehen. Damit ist sie sich mit der Linkspartei einig. Ihr sei es besonders wichtig, die Menschen, die dort wohnen und die sich häufig dort aufhalten in den Mittelpunkt zu stellen, betont die stadtpolitische Sprecherin der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus Katrin Lompscher. Es sei eine besondere Qualität dieses Platzes, dass dort Menschen ohne Konsumzwang ihre Freizeit verbringen können. Das soll nach den Vorstellungen der Linken auch so bleiben.

Daher wendet sich die Partei auch gegen Pläne, die DDR-Geschichte am Alexanderplatz zu tilgen und dafür Anleihen an ein imaginiertes Berlin von vor 100 Jahren zu nehmen. Tatsächlich versuchen verschiedene Interessengruppen, auf die Gestaltung des Alexanderplatzes mit Konzepten Einfluss zu nehmen, die zum Ziel hätten, dass Menschen mit wenig Einkommen vom Platz vertrieben werden. Nach diesen Plänen soll sich der Platz ganz auf die Interessen der Touristen ausrichten. Johanna Schlack vom Fachbereich für Architektur an der TU Berlin sieht die konservativen Konzepte für den Alexanderplatz im Kontext der Berliner Stadtpolitik. Schon als der Palast der Republik abgerissen wurde, habe sie befürchtet, dass auch am Alexanderplatz bald die Abrissbagger rollen.

Den vor allem jungen Menschen mit wenig Geld, die ihren Lebensmittelpunkt am Alexanderplatz haben, widmete kürzlich die Galerie Haus am Lützowpark eine viel beachtete Fotoausstellung. Diese Menschen waren leider bei der Diskussion nicht vertreten. Dabei geht es auch um ihre Zukunft, wenn über die Perspektiven des Platzes gesprochen wird.

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Peter Nowak