„Der Stresstest ist bestanden“

Die Gegner des Bahnprojekets, die Grünen eingeschlossen, könnten die großen Verlierer sein
  Zwei Meldungen zum Projekt Stuttgart 21 machen deutlich, dass von dem im letzten Herbst so hochgelobten neuen Politik-Stil bei den in der Bevölkerung umstrittenen Großprojekten wenig übrig geblieben ist. Nach den bundesweit kritisierten Polizeieinsätzen wurde unter Vorsitz des CDU- und Attac-Mitglieds Heiner Geißler eine im Fernsehen übertragene Schlichtung moderiert. Doch nun zeigt sich immer mehr, dass die Kritiker dieses Prozedere Recht hatten.

Die Bahn ist trotz monatelanger Proteste und der ersten von den Grünen als stärkster Partei geführten Landesregierung ihrem Ziel näher denn je. Der Bahnhof wird mit einigen Modifizierungen gebaut und die Gegner des Projekts befinden sich in der Defensive. Das Schweizer Unternehmen SMA hat das von der Bahn schon vorher an die Presse weitergegebene Ergebnis des S-21-Stresstests nun offiziell bestätigt.

In einer über 200 Seiten starken Expertise kommt das Unternehmen zu dem Ergebnis, dass die Bahn die erforderlichen Standards für den unterirdischen Neubau des Stuttgarter Bahnhofs eingehalten habe. Zudem bestätigt das Unternehmen, dass die Bahn den Stresstest bestanden hat. In dem Papier heißt es nach Informationen des Spiegel

"Unsere Prüfung der Simulationsergebnisse hat gezeigt, dass die geforderten 49 Ankünfte im Hauptbahnhof Stuttgart in der am meisten belasteten Stunde und mit dem der Simulation unterstellten Fahrplan mit wirtschaftlich optimaler Betriebsqualität abgewickelt werden können."

"Der Stresstest ist bestanden", jubilierte eine Sprecherin der Bahn nicht zu Unrecht. Denn die von der grün-sozialdemokratischen Landesregierung vereinbarte Volksbefragung über das Projekt dürfte kein großes Hindernis für das Projekt sein. Die Union hat erwartungsgemäß kein Interesse, der neuen Landesregierung aus der Patsche zu helfen und die Hürden für die Volksabstimmungen in Baden-Württemberg zu senken. So verfehlte das
Vorhaben der Landesregierung, die Quote für ein erfolgreiches Volksbegehren zu senken, im Stuttgarter Parlament die nötige Mehrheit.

Die Gegner des Bahnprojekts, die sich nach den Landtagswahlen fast am Ziel wähnen, könnten nun die großen Verlierer sein. Sie werden an der Präsentation des Stresstestergebnisses nicht teilnehmen. Der Grundfehler der Bahn, die Experten des Aktionsbündnisses nicht von Anfang an der Definition aller Vorgaben des Stresstests zu beteiligen, könne nicht geheilt werden.

Seitens der Bahn fehle bis heute jeder Wille zur Kooperation auf Augenhöhe. Der Stresstest entwickle sich so zu einem "Weichspüler" für ein untaugliches Bahnbetriebskonzept, lautet die Begründung für die Absage, die nicht nur von den Parkschützern, die dem Moderationsprozedere von Anfang an kritisch gegenüberstanden, sondern auch von Umweltgruppen und Wahlbündnissen, die an dem Prozess beteiligt waren, gemeinsam vertreten wurden.

Vor einer neuen großen Koalition?

Die Frage wird sein, ob die außerparlamentarische Bewegung nach einem endgültigen Baubeginn noch einmal die alte Kraft zurück erlangt, was viele Beobachter bezweifeln. Dann wäre die Moderation ein besonders probates Mittel gewesen, umstrittene Projekte bürgerfreundlich doch durchzusetzen.

Die Folgen für die grün-rote Landesregierung sind noch unklar. Da die Grünen gegen Stuttgart 21, die SPD aber dafür ist, könnte damit die Koalition platzen und eine große Koalition der Bahnfreunde folgen. Selbst die grünennahe taz moniert die Blauäugigkeit der Regierungspartei:

"Die Partei um Ministerpräsident Winfried Kretschmann will das Bahnprojekt Stuttgart 21 stoppen, doch derzeit verpufft ihre Strategie dazu komplett."

Vielleicht müsste man die Blauäugigkeit von Teilen der Protestbewegung, die der Moderation zustimmten, in die Kritik einbeziehen. Obwohl sie grundsätzlich gegen das Projekt S21 waren, haben sie sich auf eine Debatte über dessen Rentabilität eingelassen. Sie hätten von der Anti-AKW-Bewegung lernen können, die gut beraten war, mit den Energiekonzernen nicht über die Rentabilität von AKWs zu diskutieren.

http://www.heise.de/tp/blogs/8/150186

Peter Nowak

Bald Stresstest für Kretschmann?

Während weiter über die Besetzungsaktion der S21-Gegner in Stuttgart gestritten wird, könnte die Bahn den Stresstest gewinnen

Gestern sind in Stuttgart S21-Gegner erneut vor die Presse getreten. Noch immer ging es um die Bewertung der Besetzungsaktion (Wer eskaliert im Konflikt um Stuttgart 21?) im Anschluss an eine Demonstration am letzten Montag, bei der es nach Polizeiangaben zu Sachschäden und 9 verletzten Polizisten gekommen ist. Die 21-Gegner distanzierten sich eindeutig davon:
„Es ist Gewalt passiert. Dafür entschuldigen wir uns bei den Menschen, die zu Schaden gekommen sind“, , der Landesgeschäftsführer des Bundes für Umwelt- und Naturschutz (Bund), Berthold Frieß. Auch der Sprecher der Parkschützer Matthias von Herrmann bekräftigte noch einmal: „Gewalt als Methode, um Interessen durchzusetzen, ist abzulehnen“.

Beide Organisationen widersprachen erneut in mehreren Punkten der Darstellung der Polizei zu den Abläufen nach der Besetzung. Mehrere Zeugen berichteten von einer Rangelei mit dem Zivilbeamten, der eine Dienstwaffe getragen habe, ohne als Polizist erkennbar gewesen zu sein. Dabei hätten Demonstranten dem Beamten mit Dienstwaffe zugerufen „Tu die Waffe weg“. Nach Darstellung der Polizei wurde versucht, ihm die Waffe zu entreißen.

Andere Zeugen sagten aus, der Zivilbeamte soll vor der tätlichen Auseinandersetzung versucht haben, Baumaterial zu beschädigen und habe Demonstranten vergeblich zum Mitmachen aufgefordert. Allerdings hat sich auf den Aufruf der Parkschützer hin auch ein Mann gemeldet, der mit voller Namensnennung eine andere Erinnerung an die Vorgeschichte der Auseinandersetzung mit dem Zivilpolizisten, der nach seinen Angaben unmittelbar beteiligt gewesen war, hat:

„In der Berliner Morgenpost steht, dass das Theater um den angeblich schwerverletzten Zivilen damit begann, dass dieser zusammen mit einem Kollegen einen Demonstranten wg. Verdachts auf Sachbeschädigung überprüfte. Das ist richtig. Dieser Demonstrant war ich. Habe mit einem Kugelschreiber einen Reifen des Baulasters um ein wenig Luft erleichtert. Was für eine Sache da beschädigt worden sein soll, erschließt sich mir nicht.
Ich wurde aber korrekt und sogar höflich behandelt – nur der inzwischen durch Videos bekannt gewordene Zivile war spürbar aggressiv. Natürlich sehe ich es als unverantwortlich, wenn nicht gar gemeingefährlich an, bewaffnete(!) Beamte in eine aufgebrachte Menschenmenge zu beordern – allerdings entschuldigt das nicht die dokumentierten Übergriffe.“

 Vor neuen Auseinandersetzungen

In den nächsten Tagen könnte sich die Auseinandersetzung um das Bahnprojekt noch zuspitzen. Während die Gegner am 9. Juli zu einer überregionalen Großdemonstration unter dem Motto „Baustopp für immer“ mobilisieren, heißt es anderswo, dass die Bahn den Stresstest für das Projekt bestanden hat. Dabei geht es um eine Computersimulation über die Leistungsfähigkeit des Projekts, die nach der von dem CDU-Politiker Heiner Geißler geleiteten Schlichtung vereinbart wurde. Sollte sich die Meldung bestätigen, kommt auf die grün-rote Landesregierung ein Stresstest zu.

Die neue Staatsrätin für Bürgerbeteiligung und Zivilgesellschaft Gisela Erler, die mit dem grünen Ministerpräsidenten Kretschmann die Vorliebe für schwarz-grüne Bündnisse teilt, hat schon angekündigt, dass die Landesregierung die Bahn schützen muss.

Mittlerweile machen auch die S21-Befürworter gegen die neue Regierung mobil und adaptieren dabei Slogans ihrer Gegner. So wurde der Verkehrsminister und erklärte Gegner des Projekts Winfried Hermann mit dem Ruf „Lügenpack“ empfangen, wie noch vor einigen Monaten die Politiker der abgewählten CDU-FDP-Landesregierung von der anderen Seite.

 http://www.heise.de/tp/blogs/8/150047

Peter Nowak