Armut wohnt an der Autobahn

Linkspartei legt Studie über die Folgen des Baus innerstädtischer Betonschneisen vor
Die Ergebnisse einer repräsentativen Studie zu den Folgen des innerstädtischen Autobahnbaus für die Anwohner lassen an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig. Wohngebiete entlang der Stadtautobahn weisen einen deutlich höheren Anteil von Erwerbslosen und sozial Benachteiligten auf. Das betreffe alle Bevölkerungsgruppen, betonte Sigmar Gude vom Stadtforschungsbüro TOPOS, das die Untersuchung im Auftrag der Linksfraktion des Bundestages gestern vorstellte. Untersucht wurde je ein Wohngebiet in Berlin und in Essen.

Handynummer eintragen und mit Glück und Geschick gewinnen:    >>hier klicken<<  »Beschäftigte, die in Autobahnnähe wohnen, haben niedrigere Einkommen, und auch die Renten älterer Bewohner sind in der Nähe der Autobahnen geringer«, so Gude. Autobahn-Anwohner haben ein um fast 50 Prozent höheres Armutsrisiko und sind um ein Drittel häufiger arbeitslos. Deshalb besitzen sie oft kein Auto. »Sie leiden unter den Folgen eines Individualverkehrs, an dem sie selber kaum beteiligt sind«, resümierte der Stadtforscher.

Der Zustand der Wohnhäuser ist nach der Studie schlechter, je näher sie an der Autobahn stehen. Der Leerstand nimmt zu. Auch die gesetzlich vorgeschriebenen Lärmschutzmaßnahmen werden oft nicht eingehalten. So waren in einem großen Teil der autobahnnahen Wohnungen in Essen keine Lärmschutzfenster eingebaut, obwohl die gesetzlich vorgeschrieben sind. Die Bundestagsabgeordnete der Linkspartei, Heidrun Bluhm, nennt einen Grund für dieses Nichteinhalten geltender Bestimmungen: Lärmschutzmaßnahmen werden nur durchgeführt, wenn sie von den Anwohnern eingefordert werden. »Wenn die aber ihre Rechte gar nicht kennen, gehen sie leer aus«, so Bluhm. Die Linksparteivorsitzende Gesine Lötzsch kritisierte die Haltung vieler Länderpolitiker, die den Autobahnbau mit dem Argument befürworten, die Gelder dafür kämen vom Bund und müssten nun mal ausgegeben werden. Die sozialen Folgekosten des Autobahnbaus würden dabei oft nicht berücksichtigt, kritisiert auch Bluhm.

Das wird auch daran deutlich, dass Gude die bundesweit erste Studie erstellt hat, die die Auswirkungen des Autobahnbaus auf die Bewohner untersucht. Für Bluhm besteht die Konsequenz aus der Studie im Eintreten für eine Verkehrspolitik, »die Verkehr reduziert und vermeidet«.

Diese Forderung dürfte im Berliner Senat noch für viele Diskussionen sorgen. Der Regierende Bürgermeister Klaus Woworeit will an der Verlängerung der Stadtautobahn A 100 von Neukölln nach Treptow festhalten und hat dafür auf dem jüngsten Landesparteitag seiner SPD eine knappe Mehrheit bekommen. Grüne und die LINKE lehnen das Projekt wie auch weiterhin große Teile der SPD ab.

Somit dürfte die Studie Wasser auf die Mühlen der Gegner des Projekts sein. Für die Verkehrsexpertin der Berliner Linksfraktion, Jutta Matuschek, weisen die Ergebnisse auf eine »fatale Perversion der Stadtentwicklung im Gefolge von Autobahnbauten hin«. Die angeblichen oder tatsächlichen Entlastungen in von Autobahnen entfernteren Quartieren gingen zu Lasten der ärmsten Bevölkerung. Matuschek fordert jetzt Lösungen, die den Weiterbau der A 100 entbehrlich machen.

Auch der außerparlamentarische Widerstand gegen das Projekt wächst. In den letzten Wochen haben die Aktionen der Autobahnkritiker zugenommen. Auf der heutigen Megaspree-Demonstration werden die A 100-Gegner einen der geplanten Sternmärsche organisieren.

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Peter Nowak